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Sonstige
Politik

Universität, Schule

Universität Würzburg

Note, Lehrer, Jahr

2010

Autor / Copyright
Lotte M. ©
Metadaten
Format: pdf
Größe: 0.39 Mb
Ohne Kopierschutz
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ID# 7426







Inhalt: Das britisch­e Oberhaus­, bekannt als das House of Lords, zählt aktuell 780 Mitglied­er und übertrif­ft damit sogar das europäisch­e Parlamen­t an Größe. Es setzt sich aus Bischöfe­n der Church of England, erbliche­m Adel und ernannte­n Life Peers zusammen­. Die Zusammen­setzung und die demokrat­ische Legitima­tion des House of Lords sind seit dem 'House of Lords Act 1999' Gegensta­nd kontrove­rser Debatten­. Die Rolle des Oberhaus­es im legislat­iven Prozess Großbrita­nniens sowie mögliche Reformen werden in dieser Analyse eingehen­d betracht­et.
#Britisches_Oberhaus#Erblicher_Adel#Life_Peer

The Right Honourable the Lords Spiritual and Temporal of the   United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland in Parliament assembled

 

Julius-Maximilians-Universität Würzburg

 

Philosophische Fakultät II

Institut für Politikwissenschaft und Sozialforschung

Lehrstuhl für vergleichende Politikwissenschaft und Systemlehre

 

Politik in Großbritannien (EM - VPS 3-1)

Dozent: Dr. T Leuerer

 

Wintersemester 2010/11

 

Verfasser:

 

Name: A Dusch

Studienfach: Political and Social Studies (B.A.)

Semester: 5

 

Kontakt:

 

Abgabetermin:  15.12.2010

The House of Lords

Mit derzeit 780 Mitgliedern ist das britische Oberhaus größer als das europäische Parlament und für die meisten Nichtbriten wahrscheinlich genau so unverständlich.

Bei den derzeit 25 Bischöfe und Erzbischöfe der Church of England mag die Berechtigung diesem Haus anzugehören noch am nachvollziehbarsten sein, lassen sich doch auch in der Bundesrepublik Beispiele, wie etwa der Rundfunkrat, zweigen in denen Vertreter von Kirchen mitentscheiden. Spätestens jedoch mit Blick auf die Lords Temporal (Weltliche Lords), im speziellen auf die 92 hereditary Peers (Erbadel) unter ihnen beginnt man sich als Bürger eines Landes, in welchem der Adelsstand und seine Privilegien seit nunmehr über 90 Jahren abgeschafft sind, zumindest zu wundern.

Wagt man jedoch einen genaueren Blick, und betrachtet die mit Abstand größte Gruppe innerhalb des Hauses, die Life Peers (nichterblicher Adelsstand), so wird schnell klar, dass man es sich zu einfach machen würde, wenn man das House of Lords als nicht mehr allzu lang existentes Überbleibsel der langen monarchischen Tradition Großbritanniens abtun würde. Diese, derzeit 663 Life Peers,  setzten sich hauptsächlich aus ehemaligen Abgeordneten des Unterhauses bzw. anderen, den drei großen Parteien direkt zuordenbaren Lords (insgesamt 451), welche als sogenannte ‚working Peers‘ im Oberhaus wahrgenommen werden, zusammen. Die zweite große Gruppe (insgesamt 174) rekrutiert sich aus Personen des öffentlichen Lebens, welche von einer unabhängigen Kommission vorgeschlagen werden, sowie Personen die sich um Großbritannien verdient gemacht haben, wie beispielsweise ehemalige Premierminister.[1]

Es wird schnell klar, dass es sich beim House of Lords nicht, wie oft fälschlicherweise vermutet, um eine  Versammlung des Britischen Hochadels handelt die es zwar versteht sich mit viel Pomp und Tradition zu inszenieren, jedoch keinerlei Bezug zu den Problemen des Volkes mehr hat, sondern durchaus um politisches Personal sowie Personen aus der Mitte der Gesellschaft. Gleichwohl, von einer demokratischen Legitimierung kann auch nach einer genaueren Betrachtung der Zusammensetzung nicht gesprochen werden.

Seit dem ‚House of Lords Act 1999’ wurden zwar die verschiedensten Möglichkeiten der Reformierung in Betracht gezogen, jedoch scheiterten alle an der Uneinigkeit im Britischen Unterhaus zu diesem Thema. So wurde sowohl für das bisherige Model (alle Lords sind auf Lebenszeit ernannt), bis hin zum radikalsten Gegenvorschlag (alle Lords müssen durch demokratische Wahlen auf Zeit gewählt werden) und alle erdenklichen Mischlösungen aus diesen, keine Mehrheit im Unterhaus erzielt. Es gibt Abgeordnete die für eine vollständige Abschaffung des Oberhauses sind und solche die lieber alles so lassen wollen wie es ist, was im Endeffekt dazu geführt hat, dass der erster Schritt, der unter Blair eingeläuteten Runde von Oberhausreformen, auch der bisher letzte blieb.

Es stellt sich jedoch durchaus die Frage, inwieweit  eine Reformierung überhaupt Sinn macht. Ein zu 100% demokratisch gewähltes Oberhaus kann zu Recht auch mehr Macht einfordern. Eine derartige Vergrößerung der Legitimität, welche es de facto mit dem Unterhaus gleichstellen würde muss auf lange Sicht gesehen zu Konflikten um die Kompetenzverteilung zwischen den beiden Kammern führen. Der Bisherige Modus vivendi, welcher es dem Oberhaus gestattet, Anmerkungen und Ergänzungen zu Gesetzen vorzuschlagen, Gesetzgebungsverfahren zu verzögern, nie jedoch vollständig zu blockieren und im Zuge von Anhörungen als Kontrollorgan der Regierung aufzutreten, war sicherlich nicht der schlechteste und muss, den Argumenten von David Lipsey folgend auch weiterhin vom Oberhaus wahrgenommen werden, da das Unterhaus diese Funktionen nur unzureichend erfüllt (vgl. Lipsey 2009: S. 400 f).

Das Hauptargument, welches von vielen gegen ein gewähltes Oberhaus ins Feld geführt wird, ist sicherlich die Überlegung, dass einer Wahl auch immer ein Wahlkampf vorausgeht. Diese recht simpel anmutende Tatsache, so die Befürchtungen, wird jedoch dazu führen, dass das House of Lords über kurz oder lang zu einem Konkurrenzparlament aus Berufspolitikern wird und nicht mehr über die von den Befürwortern gerne angeführte Expertise verfügt. Man muss diese Überlegungen nicht teilen, jedoch erscheint es recht plausibel, dass mit Wahlen auch die Zusammensetzung des Oberhauses radikal geändert werden würde.  Es ist kaum wahrscheinlich, dass sich Personen wie etwa Ralf Dahrendorf, oder Margaret Thatcher einer solchen Wahl gestellt, auf ihre Expertise hätte ein gewähltes Oberhaus wohl verzichten müssen. Zusätzlich zu Personen die aufgrund von Lebenserfahrung, oder ihrer akademischen Laufbahn eine Bereicherung für das Oberhaus darstellen würden, werden auch Parteilose Kandidaten bei einer Wahl stark benachteiligt. Die Unterstützung einer der großen Parteien zu haben macht es ja teilweise erst möglich, Wahlkampf zu führen, die Konsequenz wäre mit großer Wahrscheinlichkeit ein Oberhaus, dass auf einer, dem Unterhaus sehr ähnlich Zusammensetzung aufgebaut ist. Es erstaunt einen deshalb nicht, dass gerade die parteilosen Lords am stärksten gegen eine gewähltes Oberhaus sind (vgl. Russell 2009: S. 121)

Abgesehen von der Exklusion bestimmter Personenkreise, die mit Wahlen einhergeht, werden durch Wahlen auch gewisse Themen exkludiert. Während es sich derzeit beispielsweise auch mit eher exotischen Themen wie etwa ‚Welfare of Racing Greyhounds Regulations 2010[2] befasst, wird eine Hinwendung zu populären Themen im Wahlkampf unvermeidlich sein.

Zieht man all diese Punkte in Betracht, müsste die Änderung hin zum gewählten Oberhaus auch eine Änderung der Aufgaben des Oberhauses beinhalten. Kommt dem Haus im Moment eher eine Beratende Funktion zu, welche von Seiten der Regierung zwar abgelehnt werden kann, jedoch nicht dauerhaft ignoriert (vgl. Parkinson 2007: S. 379 f), so müsste ein gewähltes Oberhaus zumindest in die Lage versetzt werden konstruktiv und initiativ am Legislativen Prozess mitzuwirken. Ohne Machtverlust für das Unterhaus und die Regierung ließe sich dies kaum bewerkstelligen.

Auch eine auf den ersten Blick sinnvoll erscheinende Verkürzung der Amtszeit der Lords hat ihre Schattenseite. Während ein auf Lebenszeit ernanntes Mitglied des Oberhauses relativ unabhängig von Loyalität und Parteiidentifikation, theoretisch lediglich seinem Gewissen verpflichtet handeln und abstimmen kann, ist eine Verkürzung der Dienstzeit dieser Überlegung sicherlich nicht zuträglich (vgl. Parkinson 2007: S 379).

Wenn David Lipsey also trotz seiner Eingangs geäußerten Vorliebe für ein Einkammersystem (vgl. Lipsey 2009 S. 400) abschließend zu dem Urteil kommt, „Pretty well, everything about the House of Lords need to change if it is to fulfill its function better – everything that is, except its appointed nature, which must be the bedrock on which its future rests.“(ebd.: S. 404) dann geschieht dies nicht aus Nostalgie, oder gar weil er selbst mit einem Ruf ins Oberhaus liebäugelt, sonder weil nur die Berufung und nicht die Wahl den derzeitigen Aufgaben des House of Lords gerecht werden kann.

 

 

Literaturverzeichnis:

 

Lipsey, David (2009): What the House of Lords is Really for?. In: The Political Quarterly, Vol. 80, No. 3, July-September 2009, S. 400-404.

 

Parkinson, John (2007): The House of Lords: A Deliberative Democratic Defence. In: The Political Quarterly, Vol. 78, No. 3, July-September 2007, S. 374-381.

 

Russell, Meg (2009): House of Lords Reform: Are We Nearly There Yet?. In: The Political Quarterly, Vol. 80, No. 1, January-March 2009, S. 119-125.

 

 

Erklärung

 

Hiermit bestätige ich, Dusch Andreas, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig verfasst, keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt und die Prüfungsleistung bisher oder gleichzeitig keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt habe.

 

                         

Ort, Datum                                                                         Unterschrift

 



[1] Quelle: Stand: 13.12.2010

[2] Quelle:

                Stand 13.12.2010


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