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Seminararbeit
Geschichte / Historik

Universität, Schule

Universität Konstanz

Note, Lehrer, Jahr

2,5. Prof. Reichhardt, 2. Semster, 2014

Autor / Copyright
Esther E. ©
Metadaten
Preis 3.50
Format: pdf
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Ohne Kopierschutz
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sternsternsternsternstern_0.25
ID# 46022







Abgabetermin: 29.September 2014


Proseminar: Gesellschaft und Kulturen im Kaiserreich

Dr. Martin Rempe

SS 2014


Homosexualität im deutschen Kaiserreich

Analyse von männlicher und weiblicher Homosexualität und der Entwicklung einer kollektiven Identität


22

88709 Meersburg am Bodensee

MrNr. : 01/87 .

Deutsche Literatur (HF), Geschichte (NF)

Inhaltsverzeichnis


  1. Einleitung … 2

  2. Geschichtlicher Überblick, Erklärung für getrennte Analyse

    zwischen männl. und weibl. Homosexualität 3

  3. Analyse männliche Homosexualität …

    3.1Kollektives Identitätsgefühl bei homosexuellen

    Männern im Kaiserreich …

  4. Analyse weibliche Homosexualität … .

    4.1 Kollektives Identitätsgefühl bei homosexuellen

    Frauen im Kaiserreich … .

  5. Homosexuelle Organisationen und Bewegungen …

  6. Fazit … .


Literatur

Quellen

Biografien

Anhang

Erklärung zur Hausarbeit


1. Einleitung


Die Gesetzeslücken, die uns aus dem Kaiserreich geblieben sind, schließen sich stetig mehr hin zur Gleichberechtigung. Erst nach Wiedervereinigung Deutschlands wurde der §175 im Jahre 1994 auch für das Gebiet der alten Bundesrepublik aufgehoben. Doch auch zwanzig Jahre später bleibt Homosexualität weiterhin gewöhnungsbedürftig. Als sich vor einem Jahrhundert die Schwulenbewegung herausbildet, waren sechs Modelle der Homosexualität verfügbar: 1. die veredelte Form der griechischen Knabenliebe, 2. die griechische „Freundschaft“ als Grundlage der politeia, 3. die verachteten Sodomiten im christlichen Mittelalter, 4. die kriminalmedizinischen Modelle des Konträrsexuellen, 5. Ulrich´s Urning mit der weiblichen Seele, 6. Hirschfelds Zwischenstufen.

Wo verorten sich bei der Vielzahl dieser Modelle die Betroffenen selbst und wie stehen sie dazu?


Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage nach Selbstwahrnehmung Homosexueller zwischen 1871 und 1918. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wird das Thema der Homosexualität und ihre Herkunft populär. Die Gesellschaft bietet eine Vielzahl an Antworten: eine Krankheit, eine Geistesstörung, falsche Erziehung etc. .

Selbstzeugnisse geben Aufschluss darüber, wie sich Homosexuelle im deutschen Kaiserreich selbst wahrnehmen und wie sich ein kollektives Identitätsgefühl herausbildet. Dabei soll deutlich werden, wo der Ursprung homosexueller Bewegungen liegt, wie sie organisiert sind und was ihre Ziele sind.


Für diese Analyse werde ich zunächst männliche und weibliche Homosexualität voneinander getrennt anhand von Selbstzeugnissen untersuchen …


-2-

2. Geschichtlicher Überblick und Erklärung für getrennte Analyse zwischen männl. und weibl. Homosexualität


Ganymed war ein Jüngling. Er war so schön, dass Zeus meinte, ein Knabe von

solcher Makellosigkeit dürfte nicht den Menschen überlassen bleiben. Er ließ

ihn im Ida-Gerbirge aufspüren und von einem Adler in den Olymp entführen,

wo er ihm als Mundschenk gefällig war.“1


Bereits griechische Mythen, Lieder und Gedichte schildern auf vielfältige Weise homoerotische Liebesbeziehungen. Die antike Sagenwelt erzählt von Göttern wie Zeus, Apollon und Poseidon, die sterbliche, gleichgeschlechtliche Geliebte hatten.2 Ob diese Quellen ausschließlich von Freundschaften oder Partnerschaften erzählen, bleibt meist offen. Eindeutige sexuelle Anspielungen werden in einigen Fällen ebenfalls behandelt.

So erwähnt Achill in seiner Totenklage für Patroklos die Vereinigung ihrer Schenkel.3 Das spricht gegen die Interpretation, dass die Beziehung zwischen einem Gott und seinem Schützling ausschließlich pädagogischen und erzieherischen Charakter deutlich machen sollte.

Neben den fiktiven Figuren der Antike, äußern sich sowohl Dichter wie Pindar, Ibykos und Alkaios sowie der Staatsmann und Lyriker Solon zu ihrer Homosexualität.4

Aristogeiton und Harmodios sind dafür verantwortlich, dass die homoerotische Liebe zwischen Männern ein Symbol für die Befreiung von Tyrannei wird, nachdem sie im Jahre 514 Hipparchos töten als dieser versuchte Harmodios, Aristogeitons Geliebter, zu verführen. Sie gelten als Befreier der Stadt Athen, wenn auch ihre Motivation eher aus persönlichen Gründen entstand.

Demosthenes, nennt sie später, sowie Achill und Partoklos, ein Beispielpositiver Auswirkungen homosexueller Beziehungen.5

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Man glaubte, „des Fürsten Homosexualität veranlasste diesen, schwache, pazifistische Politik zu verfechten, die den energischen, kriegerischen, Deutschlands Weltmachtstellung besser anstehenden Kurs untergraben habe.“18

Im ausgehenden 19. Jahrhundert tritt sie als Problem in das Blickfeld der Psychiatrie und Sexualwissenschaft, die sich zu dem Zeitpunk etabliert. „Neben die ältere moralisch-religiöse Verdammung, juristische Verfolgung und gesellschaftliche Ausgrenzung traten seit Mitte des 19. Jahrhunderts Erklärungen, die gleichgeschlechtliche Beziehungen auch als medizinisches, biologisches oder psychologisches Problem zu begreifen suchten.

Aus dem Mittelalter geht erfolgreich die Unkenntnis über Homosexualität hervor. „Kaum jemand konnte mit dem Wort (…) etwas anfangen,“19 das erst 1869 von Karl Maria Kertbeny in der Debatte um den Strafgesetzentwurf des Norddeutschen Bundes erfunden wurde. Für die Menschen dieser Zeit war Mann und Frau eine „grundlegende Dichotomie (…), die auf Ergänzungen angelegt“20 war.

Daher galt auch noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gleichgeschlechtliche Liebe als widernatürlich und sündig. Vermehrt machen sich Wissenschaftler und Mediziner zur Aufgabe dem Phänomen mit Begriffen wie „Uranismus“21, „konträre Sexualempfindung“, „drittes Geschlecht“ u.a. eine wissenschaftliche Deutung zu geben.

Wichtig ist mir, bei dieser Arbeit herauszustellen, von welchen (Selbst-) Bildern homosexuelle Männer geprägt waren und wie sich aus einer so negativ geprägten Vergangenheit der Homosexualität ein kollektives Selbstbewusstsein entwickeln konnte.


Einen Grundpfeiler legt Karl Heinrich Ulrichs, als er im Sommer 1862 beschließt, „gegen den gesellschaftlichen Makel zu kämpfen, der der Homosexualität anhaftet, und insbesondere gegen die verschiedenen Gesetzte der Homosexualität.“22 In einer Selbstbiographie aus dem Jahre 1861 versucht er das erste Mal die gleichgeschlechtliche Liebe wissenschaftlich zu beschreiben und klar zu machen, dass sie mit körperliche und psychische Gesundheit verträglich ist.

In diesem Dokument zeigt er er, dass er sich über die persönliche Gefahr erkannte, wenn er sich öffentlich dazu bekannte. Kurz vor der Veröffentlichung offenbart er seine Neigung seiner Schwester, die ihm daraufhin mit Schroffheit begegnet und ihm rät, seine Veranlagung dringlichst zu ändern. Ihr Vorwurf lautet, seine Neigung sei „verkehrt, unnatürlich oder sündlich“, antwortete er, sie wäre nur sündlich, wenn sie verkehrt oder unnatürlich sei, und dies stritt er ab. 23 Ulrichs möchte wissenschaftlich beweisen, dass die „uranische Neigung“ angeboren sei.

Ein Beweggrund, der ihn dazu anleitet ist jener, dass er sich darüber im Klaren ist, dass es andere und weit mehr als anfangs angenommen gibt, die diese mit ihm teilen. In einem Brief an seinen Onkel, der ihm von einer Veröffentlichung abriet, antwortet er mit den Worten: „Ich glaube nämlich die Veröffentlichung meinen armen, nach meinem Standpunkt schuldlos verfolgten Schicksalsgenossen schuldig zu sein.

Mehrere derselben, denen ich meine Idee mitgeteilt, halten die Veröffentlichung für aufs allerdringendste notwendig. Auch drängt es mich meinerseits, endlich einmal offen mit einer Rechtfertigung meiner selbst hervorzutreten gegenüber all' den Demütigungen, die man mir bisher auferlegt hat und denen ich irgend etwas anderes nicht entgegenzusetzen weiß.“24

Ulrichs kommentiert Äußerungen, in denen Männer sich offen über ihre Männerliebe äußern, mit Sympathie.

Seine Theorien wurden weitestgehend hingenommen, doch mit der Figur des Homosexuellen „vollzog sich eine paradoxe Wendung gegenüber der Sexualität: die Dezentrierung des Subjekts gegenüber einer als übermächtig oder bedrohlich erfahrenen Sexualität wurde in den Aufbau von missglückten Identitäten verkehrt.“25 Dem Homosexuellen wurden dabei drei sehr unterschiedliche Charakteristika zugeschrieben: 1. die sexuelle Neigung zum eigenen Geschlecht, 2. die Verweiblichung bzw.

Inversion der Geschlechterrollen und 3. eine degenerative Belastung.

Geprägt sind viele Autobiographien von der Distanzierung von Päderastie (=Analverkehr) und Onanie. Ebenso versuchen sie sich über eine urnische Klasse, die sich quer durch alle Stände, Altersklassen und Bevölkerungen zieht, zu behaupten. Einige von ihnen versuchen einen Bezug auf die Antike zu nehmen und sich damit zu erklären. Die meisten jedoch schwanken jedoch zwischen unermesslichen Schuldgefühlen und Suizidgedanken und „päderastis.....[Volltext lesen]

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3. 1 Kollektives Identitätsgefühl bei homosexuellen Männern im Kaiserreich


Wie schon im vorherigen Kapitel deutlich geworden sein soll, hatten homosexuelle Männer nicht nur die Kenntnis darüber, dass es sie nicht alleine waren, sonder hatten auch Kontakt zueinander. Durch die andersartig Erziehung der Jungen, die aus ihnen weniger isolierte Bürger als Frauen machte, zeigt, dass sie schon im Kindes- und Jugendalter zu Gleichgesinnten Kontakt herstellen konnte.

Viele der Selbstbekenntnisse in der Psychophatia sexualis zeigen, dass Jungen von gleichaltrigen oder älteren Mitschülern oder Freunden

„Ich erschrak darüber heftig, dünkte mich wie ein Verbrecher, entdeckte mich einem 16jährigen Mitschüler. Er klärte mich auf, beruhigte mich, schloss einen Liebesbund mit mir.“31 Dies ist nur eins der vielen Textbespiele, die die These belegen, dass die meisten Jungen mit homosexueller Neigung von gleichaltrigen oder älteren Freunden oder Mitschülern aufgeklärt werden und sich schon früh als Mitglied einer Gemeinschaft sehen.

In späteren Jahren werden Zusammentreffen und regelrechte Bälle folgen, die Krafft-Enbing in seinen Schilderungen vom „Ball der Weiberfeinde“ als ein „karnevalistisches Tanzvergnügen oder eine recht harmlose Zusammenkunft der homosexuellen Subkultur“32 beschreibt.

Obwohl die Gefahr des §175 groß war und Homosexuellenlisten stetig erweitert wurden, begannen sich die homosexuellen Männer zu organisieren. 1886 erschien die erste an Schwule gerichtete Zeitschrift namens „Der Eigene“, die gleichgeschlechtliche Liebe propagierte. Die Öffentlichkeit sollte durch Gedichte, Bilder und weiteres aufgeklärt und positiv beeinflusst werden. Ähnlich war der „Globetrotter“, ein als Roman herausgegebener Guide für die Szenen mehrerer Städte.

Um 1900 entstanden die ersten reinen Schwulenlokale in Berlin Kreuzberg, die ermöglichen sollten, dass man sich in angenehmer Atmosphäre kennenlernen konnte.

Trotz der Organisation und dem regen Kontakt untereinander gab es dennoch eine hohe Selbstmordrate unter ihnen, zu zum größten Teil an der mangelnden gesellsch.....

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Diese Quelle ist ein gutes Beispiel zu zeigen, dass in bürgerlichen Familien keine Aufklärung stattfand und vor allem Mädchen „zu asexuelle Wesen erzogen wurden, mit dem Ergebnis, dass sie in geschlechtlichen Dingen in dieser Hinsicht völlig unvorbereitet in die Ehe stolperten.“36 Sie erhielten nur rudimentäre Kenntnisse über die Themen der körperlichen Liebe, Schwangerschaft und Verhütung und darauf, dass junge Bürgerinnen keine vorehelichen Erfahrungen sammelten, achteten die Eltern. 37

Zu erkennen ist, dass sowohl Krause als auch Rüling von einer privilegierten Warte aus berichten und wohl eine gänzlich andere Erziehung genossen.

Rüling, so weit bekannt, genoss ein weitgehend bürgerliche Erziehung, weist aber den Wunsch ihrer Eltern zu heiraten schon früh ab und beginnt schon mit siebzehn Jahren ihre Karriere als Journalistin. Einmal zufällig sei in ihrer Familie die Rede auf Homosexualität gekommen, wozu sich ihr Vater mit den Worten ,,in meiner Familie kann so etwas nicht vorkommen“, äußerte.

Dies macht deutlich, dass in Rülings Familie Homosexualität zwar abgetan wurde, aber dennoch zur Sprache kam.

Krause schreibt in ihrer Selbstbiographie , dass sie die Tochter eines Privatgelehrten ist38, der sie darin unterstützt, die Universität zu besuchen und Lehrerin zu werden. Zudem nennt sie es ein „unschätzbares Glück“, dass sie von ihrem Vater eine vollständige Jungenerziehung empfangen habe, sowie die Freiheiten genossen zu haben, sich die Haare kurz schneiden lassen zu dürfen, ihr Kleid als Hose zu tragen und nur mit Jungen zu spielen.39


Werden die Mädchen nicht über ihre Sexualität aufgeklärt und Homosexualität wird verleumdet, ignoriert oder als Krankheit abgetan, so ist es nachvollziehbar, dass die meisten homosexuellen Frauen lange nichts von ihrer Neigung wissen und sich dennoch verheiraten (Vgl. M.F.). Frauen, die sich zu ihrer Homosexualität bekennen und einen gewissen Grad an Bildung genossen haben, erkennen, dass sie nicht alleine sind.

Besonders Rüling zeigt in ihrer Rede, dass sie die Publikationen von Magnus Hirschfeld, der Vorsitzende des Whk40, und somit höchstwahrscheinlich auch weitere wie zum Beispiel von Karl

Heinrich Ulrichs,Richard von Krafft-Ebing und Karl Maria Kertb.....

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Die zweite Gruppe homosexueller Frauen besteht aus den resignierten, die ihre sexuelle Neigung zum größten Teil verdrängt haben und nicht danach streben, dazu zu stehen. Auch das Selbstzeugnis der M.F., welche sich schon mit 17 Jahren verheiratet, zeigt, dass sie sich darüber bewusst wird, doch sie bleibt in ihrer Ehe, ihres Mannes und ihrer Freunde willen. Solche Selbstaussagen zeigen ihre Situation von Belastungen und Unzufriedenheit, die keinen kollektiven und organisierten Ausdruck finden konnte.46

Der letzte Teil der Frauen, der sich in eine Gruppe zusammenfassen lässt, bezieht eine klare Opferrolle in ihrer Situation. Sie sind sich ihrer Sexualität bewusst und übernehmen die zahlreichen Vorurteile der Gesellschaft, Homosexualität sei eine Störung des Geistes oder eine Krankheit, die behandelt werden könnte.

Der Assistent einer medizinischen Klinik in Graz, Dr. Carl Laker, schreibt in seiner Abhandlung über Homosexuelle Frauen, dass die von ihm untersuchten Frauen sich über ihren „krankhaften“ Zustand bewusst waren und einen Wunsch nach Änderung hatten.47

Dadurch, dass lesbische Frauen keine eigene Organisation hatten, entwickeln sie überwiegend kein Zugehörigkeitsgefühl zu anderen homosexuellen Frauen (und Männern) und ein Bewusstsein über sich selbst. Sofern sie sich nicht den Frauenbewegungungen oder den Organisation homosexueller Männern anschlossen, blieben sie weitgehend isoliert und „mussten sich als verzeinzelte Individuen mit den Annahmen über das Wesen der weiblichen Homosexualität auseinandersetzen.“48

Dabei wurden sie meisten gängigen Vorurteile und Gedanken von ihnen selbst akzeptiert, da sie aufgrund ihrer Isolation keine andere Annahme über sich selbst entwickeln konnten. Somit konnte es ihnen nicht gelingen, kollektiv ein Bewusstsein ihrer Minderheit zu entwicklen.


5. Frauen- und Homosexuellen-Bewegungen


Zwischen 1897 und 1933 fand eine „Auseinandersetzung über die gesellschaftliche Bedeutung und Organisation von Sexualität statt, in der sich zahlreiche Diskurse trafen“49, schreibt Kirsten Reinert in ihrer Monographie „Frauen und Sexualreform 1897-1933“. SexualreformerInnen befassen sich nicht nur mit alternativen Eheformen, deren gesellschaftliche Folge, dem § 218, sondern auch vor allem mit der männlichen Homosexualität.

Ansätze dafür, dass sich Frauen zusammenschließen, um ihre Interessen zu artikulieren finden sich bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Interessant dabei ist, dass schon die ersten Frauenvereine, die im Kontext der Revolution 1848/49 gegründet worden waren, sich nicht ausschließlich für Frauenanliegen engagieren.50

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Auch Helene Stöcker, die Gründerin des Bund für Mutterschutzes, schreibt in ihrer Biographie, dass es wohl oberflächlich in der Sexualreform um Probleme der Frau ging, dennoch war man sich im Klaren darüber, dass es eine solche Trennung in Wirklichkeit gar nicht gibt und dass sie nur durch beide Geschlechter gelöst werden können. 53 Selbst Hirschfeld begründet ein gemeinsames Interesse der Frauenbewegung und Homosexuellenbewegung, indem er behauptet, dass das Wachstum der Rechte der Frauen den Homosexuellen nur recht sein könnte, denn „je ungehemmter sich Individuen nach ihrer Eigenart entfalten können (…) umso deutlicher wird die psychologische und psychosexuelle Mischung aller Geschlechtscharaktere (…), umso mehr muss auch das Verständnis für die Zwischenstufen und Homosexuellen verschiedenster Schattierungen zunehmen.“54

Die Zusammenarbeit der beiden Organisationen erfolgte auch deshalb, weil Hirschfeld die Emanzipation der Homosexuellen mit der Frauenemanzipation verband. Einige er bekannten Protagonistinnen der Frauenbewegung lebten in gleichgeschlechtlichen Beziehungen, das WHK sollte „die Akzeptanz dieser Lebensform innerhalb der Frauenbewegung fördern.“55 Viele Mitglieder des WHK traten dem Bund für Mutterschutz bei und ebenso andersherum.

Eine gemeinsame Reforminitiative entstand 1909 als der § 175 auch auf Frauen ausgedehnt wurde.


  1. Fazit


Es soll deutlich geworden sein, warum sich die Autoren von Werke wie „Männerliebe im alten Deutschland“, „Homosexualität und Staatsräson“, „Männlichkeit in Unterordunung“ und „Weibliche Homosexualität im 19. Jh.“ nur mit hauptsächlich einem Geschlecht auseinandersetzen. Der geschichtliche Überblick, den ich zu Anfang geliefert habe zeigt, dass man schon in der Antike zwischen männlicher und weiblicher Homosexualität unterscheiden muss, da Zeitgenossen sie wie zwei verschiedene Dinge behandeln.

Weibliche Homosexualität wird bis spät ins 19. Jahrhundert als non-existent behandelt, was vermutlich ein ausschlaggebender Grund für so wenige überlieferte Quellen und Sekundärliteratur ist. Ebenso mag dies für eine unterschiedliche Entwicklung in der weiblich kollektiven Identität sein,die in dieser Zeit erfolgt. Man setzte sich im ausgehenden 19. Jahrhundert zunächst wissenschaftlich mit der Männerliebe auseinander, bevor später auch weibliche Homosexualität in den Blickwinkel tritt.

Ulrichs nennt es das „urnische Selbstbewusstsein“, welches die Männer aus ihrem Wissen, nicht alleine mit ihrer sexuellen Neigung zu sein, entwickeln. Frauen hatten durch ihre Isolation weit weniger Möglichkeiten dazu, ein solches Bewusstsein zu entwick.....





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