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Bakkalaureatsarbeit
Religionswissenschaft­en

Leibniz-Gymnasium Essenz

2,Kerstin,2016

Astrid S. ©
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ID# 53073







Historisch-theologischer Aufriss zur Theodizeeproblematik

Die Ausführungen sind den folgenden zwei Kapiteln aus Theodor Schneider (Hg.): Handbuch der Dogmatik. Bd. 1. Düsseldorf 32006: Dorothea Sattler/Theodor Schneider: C. Schöpfungslehre. S. 196-199 und 217-219 entnommen:

Gottes (lenkendes) Welthandeln und die Frage nach dem Leiden der Kreatur;

Philosophische Theodizee.


Gottes den Weltenlauf lenkendes Handeln wird zumeist unter der Überschrift „Vorsehung“ thematisiert. Die sich mit diesem Begriff häufigzunächst verbindende Vorstellung ist die eines vorausschauend pla­nenden, das Geschick jedes einzelnen im voraus bestimmenden Gottes.

Diese rationalistische, die „Durchschaubarkeit“ des Weltenlaufs be­hauptende Deutung des göttlichen Handelns, ist den biblischen Schriften aber eher fremd. Klar bezeugt ist dagegen die Aufforderung, jede Wohltat Gottes, die sich durch sein Wirken in Natur und Geschichte in Erfah­rung bringt, solle seinem Volk Anlass sein, ihn zu loben.

Das erfahrene Heilswirken lässt hoffen, dass Gott auch zukünftig in seiner Schöpfung fürsorgend gegenwärtig sein wird. Insofern ist die im Jahwe-Namen enthaltene Botschaft bereits ein Bekenntnis zuGottes vorsehendem, für­sorgendem Handeln. Gottes Wohlwollen um­fängt nach den biblischen Schriften die einzelnen und die Gemeinschaft, sein Heilswille ist zugleich individuell wie universal ausgerichtet.

Die gläubige Überzeugung, Gott werde die Schöpfung an ihr Ziel führen, sie beglücken durch die vollendete Gemeinschaft mit ihrem Schöpfer, hat Thomas von Aquin (1274) in seinen Überlegungen zur Finalursächlichkeit in Gottes schöpferischem Wirken in klassischer Weise ins Wort gebracht.

Auch bei Thomas ist der Blick nicht ver­engt auf die Frage, welchen Sinn etwa ein einzelnes, geschicht­lich erfahrbares Ereignis im planerischen Denken Gottes haben könnte. Das jeweilige Einzelgeschehen entzieht sich vielmehr aufgrund seiner Mehrdeutigkeit der Möglichkeit, in seiner Bedeutung adäquat erfasst zu werden. Ein sicheres Wissen um die Weise, wie Gott seine Schöpfung an ihr Ziel führt, lässt sich aus der Wahrnehmung konkreter Geschehnisse nicht gewinnen, wenngleich die Hoffnung auf die Vollendung der Schöpfung immer wieder genährt wird durch eine zeichenhafte, anfängliche Er­füllung der Sehnsucht nach Heil.

Gewiss“, weil von Gott zugesagt und von Menschen im Glauben angenommen, ist jedoch, dass Gott die Welt zum Ziel führt. Letztlich ist die Rede von der Vorsehung Gottes somit ein Bekenntnis zum Sieg seines Heilswillens über die Mächte des Bösen, ein Sieg, der in Jesus Christus eschatologisch-endgültig offenbar wurde. Im Vorsehungsgedanken bündelt sich der christliche Schöpfungs-, Er­lösungs- und Vollendungsglaube: Gott wird mit seiner Schöpfung nicht scheitern, wenngleich die Möglichkeit, dass einzelnesich seiner Liebe endgültig verweigern, denkerisch aufrechterhalten bleiben muss, soll die Rede von der menschlichen Freiheit nicht ihren Sinn verlieren.

Auf der Grundlage des Gesagten ist verständlich, dass die Rede von Gottes Vorsehung eigentlich nicht meint, Gott werde »im voraus« zu einzelnen menschlichen Taten wirksam, sondern eher, Gott trage »im nachhinein« Sorge, dass die Folgen des menschlichen Tuns die Erfüllung seines Heilswillens nicht gefährden.

Diese – freilich gedanklich Zeitlich­keit in Gottes Wirken eintragende und damit nur bedingt gültige – Aus­sage leitet über zu der Frage, welche Bedeutung das menschliche Tun im Heilsgeschehen hat. Scheitert Gott nicht letztlich doch an der von ihm dem Menschen gewährten Möglichkeit, seine Fürsorge nicht annehmen zu wollen? Bereits bei Augustinus ( 430) ist der Gedanke belegt, Gott habe den Menschen nur deshalb Freiheit zugestehen und damit die Möglichkeit des »Sündenfalls« in Kauf nehmen können, weil er das Böse ins Gute zu wenden vermag: »Gott würde niemals die Existenz irgendeines Übels zulassen, wenn er nicht so mächtig und gut wäre, selbst aus dem Übel das Gute zu wirken.

In seiner fürsorgenden »Nachsorge« intendiert Gott immer die Wende zum Guten, die im Christusereignis als eschatologisch-endgültige Wirklichkeit offenbar ist. Auf die Frage, warum Gott seiner Schöpfung die Möglichkeit eröffnet hat, sich von ihm abzuwenden und Wege voll Unheil zu betreten, antwortet die theologische Tradition mit einem Hinweis auf die Liebe Gottes: Gott setzt das Geschaffene in eine (von ihm bleibend abhängige) Freiheit und Selbstständigkeit, statt deterministisch Heil zu erwirken, weil seine Liebe um eine freie Antwort wirbt, um den Menschen »freit«.

Die sich selbst zurücknehmende Güte Gottes schafft Raum für geschöpfliches Eigenwirken, macht sich von diesem aber im Blick auf die Erfüllung des Heilswillens Gottes nicht abhängig. Lässt sich auf diese Weise einsichtig machen, warum Gott das vom Menschen verschuldete Leiden (malum morale) nicht verhindert, so versagt diese Theodizee im Hinblick auf Gegebenheiten wie etwa seltene Krankheiten und Naturkatastrophen (malum physicum), die sich nicht ohne weiteres auf eine freiheitliche Entscheidung des Geschaffenen zurückführen lassen.

Die Frage nach dem Ursprung des Bösen und damit verbunden nach einem möglichen Sinn, einer Begründung des erfahrenen Leidens bewegte die Menschen wohl zu allen Zeiten. In ihrer spezifisch neuzeitlichen Variante stellt sich diese Frage als die Theodizeeproblematik dar: Die philosophische Theodizee versucht eine von der Vernunft zu leistende Rechtfertigung, eine Verteidigung des angeklagten Gottes dessen Allmacht, Weisheit und Güte angesichts der schmerzlich erfahrenen Unvollkommenheit der Welt in Zweifel gezogen werden.

Die Bereitschaft, Gott vor das Gericht der menschlichen Vernunft zu stellen, und die Abwehr jedes dualistischen Versuches, die Wirklichkeit des Bösen einem anderen als dem einen, in Freiheit handelnden Gott anzulasten, kennzeichnen die neuzeitliche Theodizee.

Dagegen hielt Leibniz an einer Finalursächlichkeit, einer Zielstrebigkeit, einer von Gott der Welt gegebenen Teleologie der Geschehnisse fest.

Unter den von Leibniz gemachten Voraussetzungen ist die bestehende Welt die „beste aller möglichen“, weil sie von Gott geschaffen ist, diejenige, in der sich die größtmögliche Vielfalt der Phänomene mit der größtmöglichen Ordnung verbindet. Die Unterschiedenheit des Schöpfers von seinem Werk, auf der Leibniz besteht, zeigt sich in einem geringeren Grad an Vollkommenheit auf seiten der Geschöpfe gegenüber dem in Gott realisierten höchsten Maß an Vollkommenheit.

Das „Übel“ wird somit auch bei ihm, wie schon bei Thomas, verstanden als ein Mangel an Vollkommenheit, nicht als eine Wirklichkeit von eigener ontologischer Qualität. Die Unvollkommenheit der Geschöpfe ist möglich, weil Gott zuläßt, daß sie das Gute ablehnen. Gott will nicht, daß es Übel gibt, er hat aber die Möglichkeit seiner Entstehung um eines höheren Wertes willen zugelassen, nämlich um den Geschöpften Freiheit und Vernunft zubilligen zu können.

Angesichts der Vielzahl möglicher Geschehnisabfolgen, die Gott auch hinsichtlich der mit ihnen verbundenen Übel überschaut, wählte er eine Welt, die unter den möglichen die vollkommenste ist.

Leibniz' Theodizee wurde von den Philosophen der Aufklärungszeit vielfach wohlwollend und anerkennend rezipiert. Im Schlagwort des Leibnizschen „Optimismus“, das sich an die Rede von der bestehenden als der „besten“ (optimum) aller möglichen Welten anlehnte, bündelte sich bald aber heftige Kritik an dieser Konzeption. […]

Auf der philosophisch-rationalen Ebene kann die Theodizee des Leibniz zwar als ein beeindruckender Versuch gelten, die Güte und Allmacht Gottes, seine Vollkommenheit, mit der erfahrenen Unvollkommenheit denkerisch schlüssig zu vermitteln, im Begriff des bloß zugelassenen Bösen weist sich auch bereits die Richtung für den neueren theologischen Umgang mit dieser Problematik; in der konkreten Leiderfahrung vermag sie aber weder zu trösten noch Hoffnung zu vermitteln.

Lenkung – zurückführen zu können, will heißen: als von Gott so gewollt erkennen zu können. Damit überfordern sie das dem Bereich des sinnlich Wahrnehmbaren zugeordnete (theoretische) Erkennen: Es kann weder von der den Sinnen gegebenen Welt auf einen diese Welt begründenden Schöpfer schließen, noch kann es im Weltenlauf eine planende göttliche Vernunft aufdecken.

Philosophische Vernunftkritik kann es nur zu der Einsicht bringen, »dass unsere Vernunft zur Einsicht des Ver­hältnisses, in welchem eine Welt, so wie wir sie durch Erfahrung immer kennen mögen, zu der höchsten Weisheit stehe, schlechthin unvermögend sei«. Wollte man versuchen, die Welt als »göttliche Bekanntmachung der Absichten seines Willens« zu durchschauen, so würde sie – dem theoretischen Erkennen – doch immer ein »verschlossenes Buch« bleiben«.

Kant beschränkte sich in seiner Theodizee bewusst auf einen denkerischen Umgang mit dem Malum morale, dem vom Menschen verschuldeten Übel, eine umfassenden Einsicht in die Endabsicht Gottes schien ihm dagegen nicht möglich; das Verständnis des Weltenlaufs bleibt damit letztlich dem Zugriff der menschlichen Vernunft entzogen.



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