„Mein teures Bein“ von Heinrich Böll
Analyse und Interpretation
In der Kurzgeschichte ‚Mein teures Bein’ von Heinrich Böll
geht es um die Schwierigkeiten, die Kriegsopfer in der Nachkriegszeit haben und
um den Umgang der damaligen Gesellschaft mit ihnen.
Die Kurzgeschichte handelt von einem Mann, der im Krieg sein
Bein verloren hat und eine Einladung in ein Amt erhält, um eine Arbeit oder
ähnliches zu bekommen. Dort erfährt er von dem dort zuständigen Beamten, auf
den Wunsch eine angemessene Rente zu erhalten, eine Ablehnung und
Unverständnis. Er erhält lediglich ein unangemessenes Berufsangebot und Spott. Daraufhin
äußert er seinen Ärger darüber, indem er den Spott des Beamten erwidert und
von seinen Kriegserlebnissen erzählt, was aber auf Desinteresse stößt.
Die Kurzgeschichte ist in einem satirischen Stil
geschrieben. Beim Lesen befindet man sich mitten im Geschehen. Es gibt keine
genauen Zeit- und Ortsangaben und es wird auf eine Beschreibung der Protagonisten
verzichtet.
Diese Kurzgeschichte wird von einem Ich-Erzähler
wiedergegeben. Es wird auf viele Details verzichtet, somit muss sich der Leser vieles
selbst erschließen. Der satirische Stil lässt sich an Hand der Übertreibungen,
zum Beispiel ‚mindesten achtzig, wie Hindenburg’ oder ‚ein verflucht teures
Bein’, aber auch vor allen durch den Spott und die Lächerlichkeit erkennen.
Die Hauptpersonen sind der Mann, der sein Bein im Krieg
verloren hat und der Beamte, der ihn abweist. Der Mann ist auf den Beamten
angewiesen, denn er möchte Arbeit finden und eine angemessene, höhere Rente,
auf Grund seines verlorenen Beines, erhalten. Der Beamte nutzt seine Stellung,
als eine Autorität aus, um sich über den Mann zu amüsieren und sucht ihm eine
der unpassendsten Beschäftigungen aus. Er lässt ihn damit spüren, dass er sich
als was Besseres fühlt und kein Mitleid für den Mannes empfindet, der im Krieg
sein Bein verloren hat.
Die Atmosphäre der Kurzgeschichte wirkt bedrückend und
angespannt. Sie wird aber durch den gegenseitigen Spott des Beamten und des
Mannes etwas überspielt. Es ist vorstellbar, dass das Verhalten des Beamten den
Mann verletzt und kränkt, aber er zeigt diese Gefühle nicht und lässt sich
somit nicht einschüchtern. Der Mann wäre im Grunde bereit einen Job anzunehmen,
jedoch nicht den schlechtesten. Er kommentiert und argumentiert provozierend
die Aussagen des Beamten, in dem er Vergleiche aus dem Krieg bringt.
Der Erzähler, also der Mann schildert das Geschehen im Amt
und die Erlebnisse im Krieg aus seiner Sicht. Die Gedanken der Personen werden
nicht beschrieben, es lassen sich Meinungen nur aus den direkten Aussagen
erkennen oder deuten. So wird fast der gesamte Inhalt in direkter Rede als
Dialog wiedergegeben. Die Sprache der Kurzgeschichte zeichnet sich durch verschieden
rhetorische Mittel aus. Zu Beginn drückt der Mann sein Desinteresse and
mangelnde Begeisterung durch die Wiederholungen der Aussagen des Beamten aus.
Durch die zynischen und spöttische Bemerkungen wird
ausgedrückt, welche Meinung der Beamte vertritt: Er hält die Kriegsopfer für
eine Belastung der Gesellschaft, was er auch dadurch deutlich macht, dass er
den Mann wissen lässt, wie viel er dem Staat kostet und dass er keine Ansprüche
mehr stellen sollte. Außerdem bietet er ihm einen eindeutig unpassenden Beruf an,
was den Mann einerseits demütigen und andererseits zur Schau stellen soll. Der
Beamte beschreibt das Bein als ein „verdammt teures Bein“, der Mann greift den
Spott des Beamten auf und erklärt, dass sein Bein noch viel teurer sei, weil
durch den Verlust seines Beines vielen Leuten das Leben gerettet wurde, für
welche der Staat nun auch noch zahlen muss. Er lässt sich nicht einschüchtern,
sondern steigert die Aussagen. Für den Beamten steht das verlorene Bein als
Symbol für eine Sache, die den Staat viel Geld kostet und belastet.
Für den Mann ist der Verlust seines Beines eine große
Einschränkung in seinem Leben. Allgemein aber wird das Bein, zum Beispiel in
der Erzählung des Mannes aus dem Krieg, als Metapher für den Verlust und die Kriegstaten
des Mannes im Krieg genutzt.
Außerdem spricht der Mann mit dem Beamten sehr zynisch und
ironisch, wodurch er seine Wut und sein Unverständnis für die Reaktion des
Beamten ausdrücken will. So sagt er zum Beispiel dass, „ein braver Soldat sich
auch richtig totschießen lassen sollte und so möglichst billig sein sollte“. Er
bezieht so das Interesse nur auf die Kosten und lässt das Leid und die
Umstände, so wie das Mitgefühl völlig außer Acht, wie es auch der Beamte, der
Meinung des Mannes nach, tut. Das Bein steht zum Teil auch für den Mann selbst,
wenn er zum Beispiel sagt „ich denke, dass sie mein Bein stark unterschätzen“,
meint er nicht sein eigenes verlorenes Bein, sondern sich selbst.
Er stellt ironisch die Sache auch so dar, dass es viel leichter
und besser gewesen wäre, wenn alle gestorben wären, dann müsste man sich damit
nicht mehr befassen, sondern mit der Beendigung wäre alles vorbei. Dann gäbe es
keine bedürftigen ehemaligen Soldaten, für welche der Staat zahlen müsste.
Heinrich Böll hat mit dieser Kurzgeschichte einen guten
Überblick über die Schwierigkeiten der Opfer des zweiten Weltkrieges und um das
Unverständnis und die Belastung, die diese für die Gesellschaft darstellten,
gegeben. Außerdem übt er Kritik an der damaligen Gesellschaft, die sich nicht
mit den Kriegsopfern befassen wollte und diese nur als eine Last angesehen hat,
aus.
Möglicherweise hat Heinrich Böll ähnliche Erfahrungen
gemacht, da er selbst im Zweiten Weltkrieg als Soldat gedient hat und während
dieser Zeit erkrankte und mehrmals verwundet wurde. Diese Kurzgeschichte lässt
sich der sogenannten Trümmerliteratur zuordnen, welche von Kriegs- und
Nachkriegserlebnissen handelt.