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Seminararbeit / Hausarbeit

Hans Poelzig: Architekt ohne Schule

2.605 / ~17 sternsternsternsternstern Julian B. . 2016
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Seminararbeit
Architektur

Technische Universität Darmstadt - TU

2.0, Werner Durth, 2016

Julian B. ©
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sternsternsternsternstern
ID# 61501







Technische Hochschule Darmstadt

Wintersemester 2015/16

Prof. Werner

Oberstufenseminar: Die Architektur der Hauptstadt

Hans Poelzig - Architekt ohne Schule

Lehrjahre und Zeit in Breslau

von

1. Semester M. Sc. Architektur

Abgabedatum: 07.03.2016

Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung………………………………………………………………… .…… 2

2. Lern- und Lehrjahre…………………………………………………………… 2-3

2.1. Die Zeit in Breslau……………………………………………………… .…3-4

2.2. Die Lehrwerkstätten……………………………………………………….…4-5

2.3. Heimat und Wohnlichkeit… .…………………………………………….…5-6

3. Experimentierfeld Industriearchitektur………………… ………………… .… .6

3.1 Das neue Material Eisen…………………………………………………… .6-7

3.2 Hang zum Ausdruck……………………………………………………… .7-8

3.3 Stoffwechsel: Stahlbeton .………………………………………………… 8-9

4. Gesamtkonzeption…………………………………………………………… ….9

4.1. Chemische Fabrik Luban………………………………………………… .9-10

4.2. Jahrhundertausstellung in Breslau…………………………………… .….10-11

5. Persönliches Fazit………………………………………………………… …11-12

6. Literaturverzeichnis/Weblinks………………………………………………… 12

7. Anhang mit Bildern……………………………………………………… .…12-14

7.1. Abbildungsverzeichnis…………………………………… …………….15-16

8. Förmliche Erklärung……………………………………………………… .……17

1.

Mit dem Jugendstil breitete die Arts-and-Crafts-Bewegung sich zur Jahrhundert- wende weiter in Europa aus und legte den Grundstein zur Moderne.1 Die Architektur wurde zu einem nie da gewesenes Experimentierfeld nicht nur für Architekten, sondern für Künstler verschiedenster Art, die eine Antwort auf die Frage des zeitgemäßen Bauens zu finden versuchten. Einer dieser Künstler war Hans Poelzig.

Das besondere an seiner Person ist nicht nur, dass seine Entwürfe weit über das ästhetisch eingeschränkte Spektrum des Klassizismus und der Neogotik hinaus- gingen.2 Bemerkenswert ist vor allem, dass seine Arbeiten sich auch keinem der Lager unterordneten, die sich in der Zeit des Deutschen Werkbundes bildeten und er dennoch die wichtigsten Titel und Positionen seines Metiers inne hatte.3

Woher diese Anerkennung stammte, die dem Autodidakten zuteil wurde, hängt wahrscheinlich mit der Qualität seiner Arbeit zusammen, die nicht selten Klassiker hervorrief. Doch was ist der rote Faden zwischen seinen Werken, die auf den ersten Blick vollkommen unterschiedlich zu sein scheinen? Diese Frage lässt sich durch die Betrachtung der ersten Phase seines Lebens und Schaffens beantworten, deren wichtigstes Ereignis wohl die Berufung an die königliche Kunst- und Kunstgewerbe- schule in Breslau ist und deren Ende durch den Beginn des ersten Weltkriegs markiert wird.4

2.

So außergewöhnlich wie seine Person ist auch seine Herkunft. Hans Poelzig wird 1869 als drittes Kind der Gräfin Clara Henriette von Poelzig in Berlin Wannsee geboren. Ihr damaliger Ehemann ist der britische Reeder George Acland Ames, der nach dem frühzeitigen Tod der Mutter die Vaterschaft leugnet, wodurch Poelzig mit zehn Jahren zum Waisenkind wird.5

2.1.

Nach der Schulzeit im Victoria-Gymnasium in Potsdam geht Poelzig 1888 an die technische Hochschule Berlin Charlottenburg. Ein Gebäude, dessen Ausmaße den jungen Poelzig beeindruckt haben muss, da es zu der Zeit das größte und modernste Gebäude Preußens ist, mit einer repräsentativen Erscheinung, die mit der Sparsam- keit der Schinkelschen Schule nichts mehr zu tun hat.6

Zusammen mit den anderen Studenten der Hochschule genießt Poelzig eine Univer- salbildung in den Bereichen Geschichte, Ökonomie, Literatur, Naturwissenschaften und natürlich Architektur. Kern des Studiums ist der Entwurf, der sich in zwei unterschiedliche Schulen aufteilt, die das Dilemma einer Zeitgemäßen Architektur zu lösen versuchen.

Auf der einen Seite steht die des Neoklassizisten Julius Raschdorff, der den Standpunkt vertritt, dass sich “eine zeitgemäße Architektur aus der Geschichte” zu entwickeln habe.7 Was das nun für die äußere Gestalt bedeutet, ist nicht festgelegt. Da sich dieses Feld aber in erster Linie den Monumentalbauten zuwendet, greift man auf die dafür bereits vorhandenen Konstruktionsprinzipien der italienischen Renaissance zurück.8

Der Neogotiker Carl Schäfer auf der anderen Seite verurteilt diese romantische Wiederholung klassischer Formen. Für ihn ist das formgebende Element die Konstruktion selbst.9 “Form Follows Function.”, wie man heute wohl sagen würde, ein Prinzip, das sich zur Zeit Schäfers am besten an der mittelalterlichen Baukunst der Gotik ablesen lässt.

Poelzig entscheidet sich für die Lehre Schäfers und muss sich damit auf ein eher bescheidenes Beschäftigungsfeld beschränken. Statt bürgerlichen Villen, Geschäfts- häusern, Theatern, Bahnhöfen, Hochschul- und Regierungsgebäuden, bleiben ihm Kirchen und Rathäuser. Und das ist nicht die einzige Einschränkung seiner künstle- rischen Entfaltung. Hinzu kommt der von Schäfer geforderte Nachweis der Umsetz- barkeit, was die Schüler im Prinzip zu einer Werkplanung zwingt.10

Poelzig bleibt also nichts anderes übrig, als sein künstlerisches Potential in seiner Freitzeit zu entfalten, was zum schalkhaften Entwurf der klassizistischen Stadt Proppenstedt im Königreich Proppecorkien führt. (Abb. 1)

2.2.

Sein erster ernstzunehmender Entwurf folgt nach seinem Beitritt in den Architekten- und Ingenieursverein 1899, was ihm die Teilnahme am Schinkelwettbewerb ermöglicht. Die Aufgabe ist der Entwurf eines Stadthauses für die deutsche Haupt- und Residenzstadt mit der besonderen Forderung nach der “Steigerung des Reizes”.11

Poelzig löst die Aufgabe mit einem kolossal wirkenden Stadthaus, das nicht nur einen ersten Ausblick auf seinen Hang zur Dramatik bietet, sondern auch sein beson- deres Verständnis für Plastizität zeigt, wie man an seiner spektakulären Kohle- zeichnung erkennt, die das Gebäude wie aus einem Guss erscheinen lässt. (Abb. 2)

Gleich nebenan im preußischen Kultusministerium arbeitet zu der Zeit Ludwig Pallat, ein Vertreter der zeitgenössischen Kunsterziehungsbewegung, der gerade dabei ist, mit der Reformierung der königlichen Kunst- und Kunstgewerbeschule in Breslau den Vorgänger des späteren Bauhauses zu schaffen. Er ist es, der Poelzig als Lehrer der Stilkunde nach Breslau empfiehlt.13

Je nachdem, wie man es betrachtet, könnte man seine Position als widersprüchlich oder sehr passend sehen. Denn Poelzig selbst vertritt keine Stilrichtung. Seiner Meinung nach ist Kunst nichts, was man lehren könne, wohl aber die Regeln der Ästhetik und die der handwerklichen Arbeit.14

So stehen in Breslau auch die Lehrwerkstätten und mit ihnen die praktische Arbeit im Mittelpunkt. Von Beginn an kommen die Studenten bei ihren Entwurfsübungen in Kontakt mit Materialien, Firmen, Terminen und Auftraggebern, so wie beim Anbau des Rathauses in Löwenberg 1903-1906.15

In dem als halboktogonalen Erker ausgebildeten Trauzimmer erkennt man bereits einen ersten Aspekt von Poelzigs Herangehensweise. Die Aufgabe, eine wohnliche Atmosphäre zu schaffen, erfüllt er durch das Anknüpfen an heimatliche Überlieferungen und deren liebevolle Ausformung in märchenhaft wirkende Details. (Abb.: 3)

2.3

So muss auch das Sockelgeschoss mit den repräsentativen Gesellschaftsräumen einem praktisch modernen Grundriss mit ebenerdigen Zugang weichen.17

Den Aspekt der Geborgenheit, der dem Wohnhaus immanent ist, verdeutlicht Poelzig nach außen hin mit einem tief nach unten gezogenen Mansardendach, das sich schützend über das Haus legt. (Abb. 4) Es ist, wenn man so will, seine erste expressionistische Arbeit über ein Jahrzehnt bevor der Expressionismus offiziell in der Architektur auftaucht.18

3.

Ein Feld, in dem Poelzig sich besonders wohl zu fühlen scheint ist das der techni- schen Architektur. Hier können er und seine Kollegen sich künstlerisch frei entfalten, da man sich keiner stilistischen Norm, wie der Neogothik oder des Klassizismus unterzuordnen hat.19 Darum kann man an dieser Phase besonders gut das Spektrum seiner Arbeit erkennen.

3.1

Poelzig aber steht dem neuen Material offen gegenüber.21 Und das, obwohl dessen Eigenschaft ganz und gar seinem plastisch gedrungenen Stil und seinem Bestreben, an die Historie anzuknüpfen, zu widersprechen scheint. Doch wie man an dem leider unverwirklichten, aber in Fachkreisen hochgeschätzten Entwurf der Werdermühle erkennen kann, schafft er es diese scheinbar unvereinbaren Aspekte zu verbinden.22

Dazu versteckt er die hochmoderne Stahlkonstruktion hinter einer Schale aus dunklem Mauerwerk, deren Selbständigkeit er mit Rundbogenfenstern betont und gleichzeitig für den Betrachter die historische Verknüpfung herstellt. Die vermeint- liche Schwere des Gebäudes unterstreicht er mit einem mächtigen Granitsockel.

Bei der ostdeutschen Ausstellung in Posen fünf Jahre später jedoch kann Poelzig nicht mehr so zurückhaltend mit dem Material umgehen. Hier nämlich hat er die Aufgabe für das neue Material zu werben, und zwar in Form eines Wasserturms, der temporär als Ausstellungspavillon für die oberschlesische Eisenindustrie dient.23

Wieder inszeniert er ein Bauwerk, dessen gedrungene äußere Form nichts mit der spektakulären Auflösung zu tun hat, die das neue Hightechmaterial ermöglicht. Für das geschulte Auge jedoch versteckt er ein paar raffinierte Hinweise, die vom Gegenteil erzählen. So facht er die Konstruktion mit nichttragenden Prüsswänden aus, legt im Bereich des Schafts die tragenden Fachwerkstützen frei und öffnet die Fassade mit weiten, am Behälterraum sogar durchlaufenden Fensterbändern. (Abb. 6) Eine fast psychedelische Inszenierung, die beim Betreten des Gebäudes ihren Höhepunkt findet: Die Auflösung; nicht nur dramaturgisch, sondern auch im Bezug auf die filigrane Fachwerkkonstruktion.

3.2

An der Industriearchitektur lässt sich wieder gut erkennen, dass für Poelzig der Ausdruck ein zentraler Aspekt seines Schaffens ist, wie bei den Wasserturment- würfen in Hamburg oder der Eigengewichtsmauer der Talsperre Klingenberg, deren Schwere er durch tief eingeschnittene Lisenen und Rundbogenfenster unterstreicht. (Abb. 8)

So ist es auch nicht verwunderlich, dass Poelzig an einem Wettbewerb für die Umbauung des Bismarckdenkmals in Bingen teilnimmt, wo er das Mahnmal als Ort festlicher Handlungen interpretiert und in der Folge auf die antike Form des Stadions zurückgreift. In Verbindung zur Landschaft, wirkt es jedoch mehr wie ein Aquädukt, das schon seit Jahrhunderten fest mit dem Fels verwachsen zu sein scheint. (Abb. 9)

3.3

Kern dieser Abkehr ist die Horizontale Staffelung seines Geschäftshauses, mit der ihm auch die Belichtung der Waren über einen mehrstöckigen Lichthof verwehrt bleibt. Stattdessen ermöglicht er die großzügige Belichtung durch lange Fensterbänder und eine hohe Flexibilität der Ladenflächen im Erdgeschoss über eine stützenfreie Rahmenkonstruktion Dadurch gewinnt er auch die darüber gestaffelten Flächen für Büroräume.25

Nach außen hin betont Poelzig die horizontale Gliederung mit breiten Brüstungs- bändern, über die das Gebäude dynamisch um die Ecke geschwungen wird.26

Die Seiten der Rahmen treten hier als vermeintliche Stützen hervor, die über Konsolen die Bänder wie einen Architrav zu tragen scheinen. Tatsächlich aber dienen die Konsolen einem raffinierten optischen Trick, mit dem Poelzig die Geschosse unsichtbar nach oben hin verbreitert, bis sie über einen Balkon auf das Anfangsniveau zurücktreten. (Abb. 10)

4.

Poelzig hält sich also weder an konventionelle Stile, noch Materialien und dennoch entstehen bei seiner Arbeit keine chaotischen Kollagen, wie sie die selten ästhetisch nachhaltige Postmoderne später hervorbringen wird. Ganz im Gegenteil erscheinen seine Entwürfe selbst bei komplexeren Problemstellungen logisch und wie aus einem Guss, wie man unter anderem an der Chemischen Fabrik Luban erkennen kann.

4.1

Es ist das erste Mal in seiner Karriere, dass Poelzig einen ganzen Gebäudekomplex entwerfen soll.28 Dabei schafft er ein heimisch, fast urban wirkendes Ensemble durch die wiederholte Kombination von vertrauten Formzitaten, wie Rundbogenfenstern, hölzernen Traufrinnen und dem Backsteinmauerwerk, das nur an den nicht tragenden Wänden als Prüsswand ausgeführt ist.

Herzstück der Superphosphatfabrik ist ein expressionistischer Gebäudekörper, der mit einer für Poelzig typischen Staffelung, die hier den Herstellungsprozess der Phosphorsäure verdeutlichen soll.30

4.2

Möglicherweise ist die Chemische Fabrik Luban die entscheidende Referenz, durch die Poelzig 1913 mit seiner bislang größten und wohl komplexesten Bauaufgabe betraut wird. Sie besteht in nichts geringerem, als Breslau zur Metropole des Ostens , zum “Mittelpunkt des Deutschtums” zu verhelfen. Genauer gesagt soll er als Gesamtplaner dem Gelände der Jahrhundertausstellung in Breslau ein rundes Erscheinungsbild geben.31

Die Schwierigkeit liegt dabei in den vollkommen heterogenen Nutzungen und Maß- stäben, die von temporären Ausstellungspavillons bis hin zur größten Betonrippen- kuppel der Welt reichen. Dazwischen liegen Brücken, Tore, eine Gartenausstel- lung, Sportspielstädten und als Herzstück eine Ausstellung zum Gedenken an die preußischen Befreiungskriege über die “napoleonische Herrschaft”.32

So soll sich auch die hochmoderne Vortrags- halle, ebenfalls aus der Feder Poelzigs, im Wasser spiegeln.33

Es ist das erste Mal, dass er historisierend vorgeht, jedoch entsteht durch den erneuten Stoffwechsel mit dem ihm vorgegebenen Baustoff ein neues Bild. Die Scheinsäulen nämlich gehen fließend vom Schaft über den Echinus in den Architrav über. Eine Form, die nur mit einer komplexen Schalung und dem Material Stahlbeton möglich ist. (Abb. 12)

5.

Obwohl es nach der Betrachtung der Arbeiten seiner ersten Phase schwierig ist, einen poelzigschen Stil auszumachen, kann man doch sagen, dass sich in ihnen ein gewisses, sich wiederholendes Muster erkennen lässt, das eine Aussage darüber treffen könnte, warum Poelzig auf so viel Anerkennung stößt, dass er es sich leisten kann, beinahe provokativ zwischen den Stühlen der etablierten Lager seines Metiers zu sitzen.

Vielleicht ist aber genau das ihre Gemeinsamkeit. Vielleicht ist jeder Entwurf als ein Mikrokosmos zu sehen mit eigenem Kontext, Zweck und Problemstellung. Da sich Poelzig im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen keiner Doktrin verschreibt, bleibt ihm das größtmögliche Spektrum architektonischer Formen und Materialien, um die jeweilige Aufgabe zu erfüllen. Wenn er dabei ein Lager streift, dann weil er ein Element von diesem benötigt und nicht, weil es ein Statement gegenüber dem anderen ist.

Ein Verhalten, das man im schlimmsten Fall als eigenbrötlerisch bezeichnen könnte.

Mit Sicherheit jedoch sorgte sein technisches Verständnis, das er wohl der Lehre Schäfers verdankt für Respekt innerhalb seins Metiers. Genauso, wie die raffinierte Art, das Produkt seiner enormen schöpferischen Kraft gezielt mit historischen Elementen für den Betrachter abzuschwächen. Eine Eigenschaft, die in meinen Augen in einem hohen Grad der Empathie wurzelt, wie sie bei Menschen vorkommt, die schon früh ihre eigenen Wurzeln verloren haben.

6.


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