Universität Hamburg
Kunstgeschichtliches Seminar
Seminar: Kunst in Hamburg 1933 -
1945
Datum: 19.Januar 2006
Referat: Hans-Martin Ruwoldt
Referent:
Gliederung:
1. Biographie
2. Werk bis 1945
3. Die Zeit von 1933 - 1945
4. Neubeginn nach 1945
5. Verwendete Abkürzungen
6. Verwendete Literatur
Hans Martin Ruwoldt
(Abb.1, Ruwoldt, Daten)
Biographie:
Geboren wurde Hans Martin Ruwoldt am 15.2.1891 als
siebter Sohn sehr armer Eltern in Hamburg-Eilbek, sein ursprünglicher
Name war Hans Martin Meier. Er wuchs nach dem Tod seiner Mutter bei
Pflegeeltern in Wismar auf, deren Namen Ruwoldt er 1920 annahm. Er
erhielt eine musische Erziehung und absolvierte 1906 bis 1909 eine
Bildhauerlehre als Modellierer und Former. Bis 1910 war er in Hamburg
als Geselle tätig und wurde schließlich an der Hamburger
Kunstgewerbeschule angenommen, wo er bis 1914 eine
Bildhauerausbildung bei Richard Luksch absolvierte.
Er war Soldat im 1. Weltkrieg und kehrte 1920 aus
vierjähriger französischer Kriegsgefangenschaft zurück. Er
gründete ein Atelier in Hamburg und beteiligte sich an Ausstellungen
und Künstlerfesten der Hamburger Sezession. 1923 heiratete er
Annemarie Leisewitz, 1926 kam seine Tochter Dagmar zur Welt. 1926
wurde er Mitglied des AKV und er hatte seine erste Einzelausstellung
in Berlin. 1929 trat er dem Kuratorium des Kartells Hamburger
Künstlerverbände und 1928 der Hamburger Sezession bei. Es folgten
zahlreiche Studienreisen: 1930 nach Paris, 1932 nach Italien, 1934
nach Dänemark und Südschweden, 1935 nach Hiddensee und 1936 erneut
nach Dänemark.
1939 wurde er erneut zum Militärdienst eingezogen aber
schon nach 4 Wochen wegen Fuß- und Beinleiden dienstuntauglich
erklärt
Nach dem Ende der Nazi-Herrschaft wurde Ruwoldt zunächst
wegen seines Verhältnisses zum Regime sowohl von offizieller Seite,
als auch von Kollegen ausgegrenzt. 1951 wurde er dann Mitglied im
deutschen Künstlerbund, 1952 Mitglied der Freien Akademie der Künste
und von 1955 bis 1959 leitete er die Bildhauerklasse der Hochschule
für bildende Künste Hamburg bis ihn ein schwerer Verkehrsunfall
dazu zwang, seine Lehrtätigkeit zu beenden. 1955 erhielt er den
Edwin-Scharff-Preis. 1960 war er Ehrengast der Villa Massimo in Rom.
Im Jahr 1969 stiftete Ruwoldt den größten Teil seines Werkes an
Plastiken, Druckgraphik und Zeichnungen an das Museum für Kunst und
Gewerbe Hamburg.
Am 16.10.1969 starb Hans Martin Ruwoldt, sechs Wochen
nachdem er einen schweren Schlaganfall erlitten hatte.
Werk bis 1945
Erste Arbeiten aus seiner Studienzeit zeigen den starken
Einfluss seines Lehrers Richard Luksch, einer der führenden
Bildhauer der Wiener Werkstätten, der besonders im Bereich der
architekturbezogenen keramischen Plastik arbeitete.
Ein frühes Werk ist der „Mädchenkopf“ (Abb.2),
welcher in seiner Kombination von realistischer Darstellung und
stilisierten, dekorativen Formen an Arbeiten von Luksch erinnert und
den Einfluss des Wiener Jugendstils zeigt. Ruwoldt fertigte
zahlreiche kleine Porzellanfiguren (Abb.3) und erste expressive
Panther.
Später machte Moissey Kogan, ein russischer Bildhauer,
der 1913 kurzzeitig als Gast an der Kunstgewerbeschule arbeitete,
einen starken Eindruck auf Ruwoldt, der die Technik des
Negativschnitts von ihm übernahm. (Abb.4,5,6)
Neben seinem Hauptmotiv, der Akt- und Gewandfigur,
beschäftigte Ruwoldt sich auch schon sehr früh mit
Tierdarstellungen, für die er später dann berühmt werden sollte.
Nach einem vielversprechenden Anfang seiner
künstlerischen Karriere bedeutete der 1. Weltkrieg eine erste Zäsur.
Ruwoldt wurde eingezogen und geriet für vier Jahre in französische
Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Rückkehr nach Hamburg 1920
arbeitete er zunächst nur an Tiermotiven, wobei er in Hagenbecks
Tiergarten zahlreiche Anregungen sammeln konnte, die er dann im
Atelier umsetzte. Er versuchte stets, einen zentralen Ausdruck oder
eine besondere Haltung auszudrücken, verzichtete auf detaillierte
naturalistische Darstellungen zugunsten einer expressiv reduzierten
Formensprache. (Affen Abb.7)
Wie aus Erzählungen von Frau Ruwoldt1
hervorgeht, war Ruwoldt, der ohnehin schon eher menschenscheu war,
nach den Erfahrungen des 1. Weltkrieges noch misanthropischer
geworden und wählte aus diesem Grund das Tier als neutrales Motiv,
welches für ihn unbelastet von derartigen Gefühlen war.
Erst ab 1928 trat die Darstellung des Menschen wieder in
den Mittelpunkt des künstlerischen Interesses.
Der Baudirektor Fritz Schumacher teilte die zu der Zeit
verbreitete Forderung nach der Einheit der Künste und strebte für
die von ihm in Auftrag gegebenen Bauten eine starke Einbindung von
Plastiken in die Gestaltung an. Er vergab zahlreiche Aufträge an
Ruwoldt, der durch die Wahl des Materials, einer Keramik, die sich
nahtlos in die Klinkerbauten integrierte, sowie eine sehr einfühlsame
Wahl des Standortes und der Motive Schumachers Ideale verwirklichen
konnte. (Fische und Vögel an einer Schule im Rübenkamp (Abb.8). Die
reformpädagogischen Ideen, durch Kunst einen positiven Einfluss auf
Schüler haben zu können, konnten so in die Realität umgesetzt
werden, und in der Tat sind die Schulen, die Schumacher in seiner
Zeit verwirklichte (Johanneum an der Maria-Louisenstrasse, Schule am
Rübenkamp, Volksschule Wiesendamm) auch heute noch sehr beliebt.
Auch freie, d.h. nicht an Architektur gebundene Arbeiten
entstanden im Auftrag Schumachers, so etwa der "liegende
Panther" (Abb.9, 10) von 1926, der im Stadtpark aufgestellt
wurde.
Die Zeit von 1933 - 1945
Die Machtübernahme der Nationalsozialisten bedeutete
ein abruptes Ende einer künstlerisch und intellektuell besonders
produktiven Situation in Hamburg.
Einerseits gab es die Hamburger Sezession, die durch
kreativen und intellektuellen Austausch, gemeinsame Ausstellungen und
ihre Künstlerfeste die Hamburger Kunstszene belebten, andererseits
gab es zahlreiche Künstlervereine, Mäzene, Sammler und künstlerisch
aufgeschlossene Menschen in wichtigen Positionen.
In diesem Zusammenhang möchte ich besonders Fritz
Schumacher erwähnen, der seit 1909 zunächst als Hamburger
Hochbauamtsleiter und später als Oberbaudirektor zahlreichen
Hamburger Bildhauern und vor allem auch Hans Martin Ruwoldt Aufträge
gab. Er förderte allerdings nicht nur die Bauplastik, sondern auch
die moderne Architektur und Hamburgs Kulturpolitik. Durch seine
modernen Klinkerbauten (Bsp.: die oben erwähnte Schule am Rübenkamp
(1911-13), Stadtparkbauten (1910-24), Finanzdirektion am Gänsemarkt
(1919-26)) prägte er das Gesicht Hamburgs bis heute. (Abb. 11, 12)
Die systematische Zerstörung dieser fruchtbaren
Kunstszene begann am 30.März 1933, als die 12. Ausstellung der
Hamburger Sezession zwangsweise geschlossen wurde. Kurz darauf, im
Zuge der Gleichschaltung der Hamburger Künstlervereine unter der
Leitung der Reichskulturkammer, wurde die HamSez aufgefordert, sich
von ihren jüdischen Mitgliedern zu trennen. Unter diesem Druck
entschieden sich die Mitglieder einstimmig zur Selbstauflösung, auch
die Zeitschrift "Der Kreis", die regelmäßig über die
HamSez berichtete, stellte ihr Erscheinen ein.
Dieses bedeutete zu diesem Zeitpunkt einen sehr mutigen
Akt des Protestes gegen die anti-semitische Kulturpolitik, man
weigerte sich, den Weisungen der Nazi-Regierung zu gehorchen und nahm
lieber das Ende der HamSez in Kauf, als sich gegen die jüdischen
Mit-Künstler und Freunde zu wenden. Einige der jüdischen Mitglieder
emigrierten in der Folgezeit, einige blieben und setzten ihrem Leben
schließlich selbst ein Ende, so auch der ehemalige Vorsitzende der
Sezession, der Bildhauer Friedrich Wield (1880 -1940), Anita Ree
(1885 - 1933) und Kurt Löwengard (1895 - 1940).
Sowohl Max Sauerland, der als Direktor des Hamburger
Museums für Kunst und Gewerbe und Leiter der Landeskunstschule
Hamburg ein großer Förderer der modernen Kunst gewesen war, als
auch Fritz Schumacher wurden 1933 ihres Amtes enthoben. Emil Maetzel,
der letzte Vorsitzende der HamSez musste als Leiter der
Städtebauabteilung zurücktreten, Karl Schneider und Willie Titze,
verloren als Sezessionsmitglieder ihre Professur an der
Landeskunstschule.
Die NS-Kunstkritiker hatten große Schwierigkeiten,
Ruwoldt nach ihren Schemata zu beurteilen. Die Tierskulpturen von
Panthern, Tigern und Eisbären hatten zwar einen expressionistischen,
also "entarteten" Charakter, drückten aber gerade durch
die Mittel des Expressionismus Kraft, Gewalt und Monumentalität aus,
die im Rahmen einer propagandistischen Kunst genutzt werden konnten.
Andere Werke Ruwoldts dagegen wurden eindeutig verurteilt, sein
großer "Weiblicher Torso" (Abb. FALSCH!!! 13)
beispielsweise wurde im Rahmen der entarteten Kunst aus der Hamburger
Kunsthalle entfernt.
Hier tritt wieder ein interessanter Widerspruch in dem
Verhältnis der Nationalsozialisten zur modernen Kunst zu Tage.
Sowohl in der Photographie, als auch in der Bildhauerei, im Design,
in der Graphik und nicht zuletzt in der Propaganda wurden die
Stilmittel, die gerade erst in der modernen Kunst entwickelt wurden,
angewendet um die Werte und Dogmen der Nazi-Ideologie zu
transportieren. In der Propaganda selbst wurde eigentlich das Ideal
der Einheit der Künste, welches auch von Schumacher, Ruwoldt und
anderen Vertretern der Moderne unterstützt wurde, erprobt und dazu
eingesetzt, die Menschen zu beeinflussen. Zugleich wurde aber eben
diese Moderne als „entartet, dekadent, jüdisch“ und als
Verfallskunst verdammt.
Ruwoldt hatte sich bis 1933 mit der Darstellung von
Menschen beschäftigt, war jedoch mit diesem Motiv unter den
Nationalsozialisten sehr viel stärkeren Einschränkungen unterworfen
als mit Tiermotiven. Um sich seine künstlerische Freiheit zu
erhalten, beschränkte er sich in der Plastik auf die Darstellung von
Tieren, führte seine Akt- und Gewand-Studien aber auf Papier
weiter. (Abb. 14, 15)
In den Jahren der Nazi-Herrschaft war Hagenbecks
Tierpark ein beliebter Treff- und Arbeitsplatz für Hamburger
Künstler. Zum einen gab es zahlreiche interessante und preiswerte
Modelle, zum anderen stellte der Zoo einen politikfreien Raum dar,
ohne Ãœberwachung und ohne Propaganda. Ruwoldt entwickelte mit der
Zeit ein sehr vertrautes Verhältnis zu seinen Modellen, auch zu den
Raubkatzen, die immer wieder als Motiv bei ihm auftauchten. Als Carl
Hagenbeck Ruwoldt eines Tages dabei überraschte, als dieser ein
Pärchen schwarze Panther durch die Gitterstäbe kraulte, war er von
dessen ruhigem sicheren Umgang mit den Tieren so beeindruckt, dass er
ihn nicht des Zoos verwies, sondern ihm eine Dauerfreikarte
überreichte.2
Diese Selbstbeschränkung auf unverdächtige Tiere hatte
jedoch eine folgenreiche Nebenwirkung. Ruwoldt, der keineswegs mit
den Nationalsozialisten oder deren Kulturpolitik sympathisierte,
wurde von diesen für ihre Zwecke eingespannt. Er erhielt von ihnen
mehrere Aufträge, so entstand der "stürzende Stier"
(Abb.16) für den Neubau der Hamburger Schlachthöfe und ein
"angreifender Tiger" (Abb. 17) für die Aufstellung auf
einem Kasernengelände in Wandsbek.
Ruwoldt versuchte in dieser Zeit eine heikle Balance zu
erhalten, einerseits wollte er Aufträge bekommen, seinen
Lebensunterhalt durch seine Kunst verdienen, andererseits wollte er
nicht zu eng mit den Nazis kooperieren. So weigerte er sich
einerseits 1936, den Auftrag für eine Führer-Büste anzunehmen,
fertigte aber andererseits 1938 für das Bad am Kaiser-Friedrich Ufer
(Kaifu-Bad) eine Monumentalplastik an, die „Familie“. Diese
eindeutig im Sinne der Nazi-Ideologie gefertigte Plastik zeigte einen
heroischen Mann, hinter ihm eine Frau und zwei Kinder. Diese Plastik
wurde dann im Krieg zerstört.
Der folgenreichste Auftrag sollte aber ein Adler-Relief
werden, das als Ersatz für ein unerwünschtes Relief von Ernst
Barlach dienen sollte. Dieses Werk, welches Barlach erst 1931 im
Auftrag von Schumacher auf einer 21 Meter hohen Stele auf dem
Rathausmarkt anfertigte, zeigte eine Seitenansicht einer schwangeren
Frau, an die sich ein Kind klammert.(Abb.18) Die Stele erinnerte an
die Hamburger Gefallenen des ersten Weltkrieges. Dieses Werk Barlachs
war schon vor seiner Entstehung sehr umstritten, Nationalisten und
Rechten war die Darstellung zu wenig "männlich" und sie
wollten das Gedenken an den Weltkrieg mit mehr Heroismus verbunden
wissen. Die Hamburger Bürgerschaft entschied sich jedoch damals für
den Entwurf Barlachs und erst 1936 nach der Säuberung der Museen von
"entarteter Kunst" waren sich die neuen Machthaber sicher
genug, um die Entfernung des Reliefs anzuordnen. Es wurde 1938 ein
Wettbewerb ausgeschrieben, zu welchem der Direktor der Hamburger
Kunsthalle, Dr. Kloos die Bildhauer Bauer, Opfermann, Wield, Woebke,
Kunstmann und eben auch Ruwoldt eingeladen hatte. Ruwoldt versuchte,
Friedrich Wield zu überzeugen, gemeinsam mit den anderen den Auftrag
abzulehnen, konnte ihn aber nicht überzeugen. Wie sich
herausstellte, verweigerte Wield die Teilnahme dann doch noch, er
informierte Ruwoldt aber nicht mehr von seiner Absicht. So reichte
dieser schließlich einen Entwurf ein, von dem er überzeugt war,
dass er abgelehnt werden musste. Im Endeffekt wurden dann alle
Entwürfe zurückgewiesen, der Wettbewerb beendet und Ruwoldt
trotzdem beauftragt, ein Adler-Motiv für die Stele zu entwerfen.
Ruwoldt fertigte mehrere Entwürfe an, von denen er wusste, dass sie
den heroischen Idealen seiner Auftragsgeber nicht entsprachen und die
auch prompt abgelehnt wurden. Schließlich bekam er genaue Angaben
zum gewünschten Motiv und musste unter der Aufsicht des Architekten
Gutschow einen einzelnen, aufstrebenden Adler gestalten. Dieser
Entwurf wurde dann schließlich akzeptiert und 1939 auf der Stele am
mittlerweile Adolf-Hitler Platz genannten Ort angebracht. (Abb.19)
Nach dem Ende der NS-Herrschaft 1945 begann eine
langwierige Diskussion darüber, ob das ursprüngliche Barlach-Relief
wiederhergestellt werden sollte oder nicht. 1949 übernahm der
Steinmetz Friedrich Bursch, der sowohl an dem Original von Barlach
wie auch an der Umgestaltung nach dem Entwurf Ruwoldts mitgearbeitet
hatte, die Wiederherstellung nach einem originalgetreuen Modell aus
Gips, welches im Keller der Kunsthalle aufbewahrt worden war. Ruwoldt
wurde nach Ende der NS-Herrschaft wegen seiner Rolle in dieser
Angelegenheit scharf verurteilt, er galt pauschal als "Nazi-Künstler"
und seine Berufung als Professor an der Landeskunstschule Hamburg
wurde von vielen Kollegen aus diesem Grund abgelehnt. Erst nach dem
Tod Erwin Scherffs, der die Professur schließlich erhielt, wurde
Ruwoldt 1955 dann doch noch berufen.
Es bleibt jedoch festzustellen, dass Ruwoldt zunächst
versucht hatte, diesen Auftrag zum Ersatz-Relief Barlach offen zu
boykottieren, dass er dann alles Erdenkliche tat, den Auftrag nicht
zu bekommen und erst unter massivem Druck bereit war, an dem Projekt
dann doch mitzuwirken. Ob eine weitere Ablehnung des Auftrages "nur"
ein Berufsverbot zur Folge gehabt hätte oder gar mit dem
Konzentrationslager geendet hätte, lässt sich heute nicht mehr
einschätzen.
Zu seinem Schüler Manfred Sihle sagte er in den 60er
Jahren: „Manche Sachen musste ich machen, sonst wars mein letzter
Auftrag.“3
Was darauf schließen lässt, das die von
Ruwoldt gefürchtete Konsequenz eher im Verlust der beruflichen
Existenz lag.
Ob man Ruwoldt tatsächlich Vorwürfe machen kann, dass
er sich von den Nazis hat vereinnahmen lassen, möchte und kann ich
nicht beurteilen. Die Fakten lassen klar erkennen, dass Ruwoldt den
Nazis keinen aktiven Widerstand entgegengebracht hat, aber auch, dass
er kein Anhänger oder Sympathisant der Nazi-Ideologie war und sich
in diesem Sinne nicht schuldig gemacht hat. Wenn man bedenkt, dass in
Deutschland Richter, Polizisten, Beamte und Industrielle, die sich
sehr wohl aktiv und mit großer krimineller Energie an den Verbrechen
der Nazis beteiligt hatten, unbehelligt weiter ihren Berufen
nachgehen konnten, scheint mir die Kritik, die Ruwoldt nach dem Ende
der Nazi-Herrschaft ertragen musste, sehr hart.
Klar erscheint mir jedenfalls, dass niemand, der noch
nicht in einer vergleichbaren Situation gewesen ist, wirklich
beurteilen kann, wie er sich verhalten hätte.
Neubeginn nach 1945
Das Ende der Nazi-Herrschaft und die erfahrene
Zurückweisung stellen den dritten großen Bruch im Leben Ruwoldts
dar. Er zieht sich sehr aus der Öffentlichkeit zurück, lediglich
mit dem engsten Freundeskreis pflegt er noch Kontakt.
In der Literatur findet sich die Ãœberzeugung, dass die
Kunstwerke, die nach 1945 entstanden sind, völlig verschieden von
den früheren Werken seien. So schreibt Spielmann in einem
Katalogtext zu einer Ruwoldt-Austellung 1969: „Hans Martin Ruwoldts
Skulpturen, die nach dem zweiten Weltkrieg entstanden, muteten
denjenigen, die sein Oeuvre aus der Zeit vor 1933 und die wenigen
Auftragswerke aus der Zeit danach kannten, als fremdartig, manchmal
sogar als unter fremdem Einfluß entstanden an.“4
Für mich ist das nicht ganz einleuchtend, man kann eine
deutliche Kontinuität erkennen, sowohl in der Wahl der Motive, als
auch in den Gestaltungsprinzipien. Unterscheiden tun sich die
späteren Werke durch eine rauere Oberflächengestaltung und eine
stärkere Einbeziehung des Raumes. Auch kann man eine Tendenz
erkennen zu einer größeren Abstraktion, vielleicht um sich dem
anzunähern, was Ruwoldt stets als „Naturgeistigkeit“ beschrieben
hat und schon früh in der Darstellung von Tieren finden und zeigen
wollte. (Abb.20-26)
Verwendete Abkürzungen:
HamSez Hamburger Sezession
AKV: Altonaer Künstlerverein
HfbK: Hochschule für bildende Künste
NS Nationalsozialistisch
Verwendete Literatur:
Bruhns,Maike : Kunst in der Krise, Bd.2
Künstlerlexikon Hamburg 1933 - 1945
"verfemt, verfolgt - verschollen, vergessen"
Dolling und Galitz Verlag, 2001
Bruhns,Maike : Kunst in der Krise, Bd.1
Hamburger Kunst im „Dritten Reich“
Dolling und Galitz Verlag, 2001
Clausen-Gaedke, Renate : Der Bildhauer Hans-Martin Ruwoldt (1891 -
1969)
Werkmonographie
Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades
der Philosophischen Fakultät
der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, 1991
Rumpf, Kay : Der Neue Rumpf
Lexikon der bildenden Künstler Hamburgs, Altonas
und der näheren Umgebung
bearbeitet von Meike Bruhns
Clausen-Gaedke ,Renate: Hans Martin Ruwoldt
Hamburger Künstler-Monographien
zur Kunst des 20. Jahrhunderts
Herausgegeben von der Lichtwark-Gesellschaft
Band 22
Verlag Hans Christians
Volker Plageman Fritz Schumachers Wirken für Hamburg
In: Die Kunst der Moderne in Hamburg
Vorträge der Stiftung Denkmalpflege in Hamburg, Bd.4
Hg. Von Volker Plageman
Dölling und Galitz Verlag
Roland Jaeger,
Cornelius Steckner Zinnober, Kunstszene Hamburg 1919 – 1933
Szene Verlag, Klaus Heidorn KG
Hamburg, 1983
Hans Martin Ruwoldt 1891 – 1969
Plastik, Zeichnungen Graphik, Werke aus dem Nachlass
Aus Anlaß einer Ausstellung in der Hamburger Sparkasse
Galerie in der Zentrale – Großer Burstah
29. April – 6. Juni 2003
vier Türme GmbH Benedict Poss,
97359 Münsterschwarzach Abtei
Hans Vollmer Künstlerlexikon des zwanzigsten Jahrhunderts
Vierter Band, Qu – U
1958, VEB E.A. Seemann Verlag Leibzig