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Gurb (Spanisch Buch - Ein Kapitel aus dem Spanischen übersetzt)

Gurb: Tag 19

 

 

07:00 Uhr    Genau eine Woche sind seit dem Verschwinden von Gurb vergangen, dies und die Schicksalsschläge welche ich kürzlich hinnehmen musste, schlagen sich auf meine Stimmung nieder. Um meine Depression zu bekämpfen esse ich die restlichen Churros (spanisches frittiertes Spritzgebäck), welche ich letzte Nacht übrig gelassen habe, und gehe aus dem Haus ohne meine Zähne zu putzen.

08:00 Uhr    Tauche in der Kathedrale auf, mit der Absicht eine Kerze zu zünden auf das Gurb wieder zurückkommen möge, aber als ich mich dem Altar nähere, stolpere ich und zünde das Tuch an, welches über den Altar gelegt wurde. Der Schaden ist zwar schnell behoben, jedoch resultieren aus diesem Vorfall zwei fritierte Klostergänse. Schlechtes Vorzeichen.

08:40 Uhr    Aus der Kathedrale kommend, gehe ich schnurstracks in eine Bar und esse mein Frühstück (die Churros von vorhin zählen nicht), welches aus einer Thunfisch-Tortilla, zwei fritierten Eiern mit Blutwurst, Dörrfleisch und Herzmuscheln besteht. Als Getränk bestehle ich Bier (ein ganzer Tank voll). Dieser Imbiss sollte mich eigentlich wieder in gute Stimmung bringen, aber während ich mein Frühstück einnehme, erinnere ich mich an Frau Mercedes, welche zu diesem Zeitpunkt wohl gerade operiert wird. Ich verspreche zu Fuss nach Montserrat zu gehen, falls sie gesund aus diesem kritischem Zustand herauskommt.

09:00 Uhr   Spaziere ein bisschen durch die Ramblas und durchquere einige Seitenstrassen. In diesem Teil der Stadt sind die Menschen ziemlich vielseitig. Hier vermischen sich verschiedene Rassen aus der ganzen Welt (oder Welten wenn man mich noch dazu zählen will), hier laufen sich Menschen mit ganz verschiedenen Schicksalen über den Weg. Es ist die Geschichte, welche dieses Quartier gebildet hat, und bei dem mir einer seiner Bewohner gerade versucht die Handtasche zu klauen.

09:50 Uhr   Setze meinen Spaziergang fort. Um unauffällig zu bleiben nehme ich die Gestalt eines Schwarzen an (allerdings mit Volumen und der Körpergrösse von Luciano Pavarotti), da die Schwarzen in dieser Zone in der Mehrheit zu sein scheinen. Von all den Menschenrassen scheinen die schwarz genannten (weil sie es sind), die best-ausgestattete zu sein: grösser, stärker und beweglicher als die Weissen, aber gleich dumm. Die Weissen wiederum scheinen die Schwarzen nicht so sehr zu schätzen. Wahrscheinlich wurden sie in früherer Zeit von den Schwarzen dominiert. Der Wohlstand des schwarzen Reiches wurde vor allem durch den Anbau von Fruchtbäumen möglich. Die Herrschaft reicht von der Zeit des Orangen- und Birnenanbau über die Zeit des Pfirsichanbau bis hin zur Zeit des Aprikosenanbau. Begonnen wurde die schwarze Herrschaft wohl durch den schwarzen Herrscher Baltasar II, dem Urgrossvater, jenes Baltasars, welcher sich aufmachte einem kleinen Jungen in Betlehem, zusammen mit Melchior und Gaspar, ein Geschenk zu überreichen. Das Geschenk, Myrrhe, welches er ihm überreichte zeugt von Reichtum, da Myrrhe früher wie heute sehr rar auf dem Markt vorhanden ist.

11:00 Uhr   Komme an einen Platz bei der in der Mitte des Platzes eine grosse Palme steht. Einige Greise sitzen austrocknend auf Bänken um diese Palme herum und warten auf ihre Familienmitglieder. Die armen Greise wissen ja nicht, dass einige von Ihnen wohl nie mehr abgeholt werden. Einige Familien sind nämlich auf Kreuzfahrt in den norwegischen Fjorden. In einigen Sitzbänken sieht man noch die Greise, welche letzten Sommer zurückgelassen wurden, und inzwischen das mumifizierungs Stadium erreicht haben. Auch die erst seit zwei Wochen zurückgelassenen Greise sitzen auf diesen Bänken, sehen aber im Vergleich zu den anderen weniger unappetitlich aus. Ich setze mich neben einen jener Greise und lese einen literarischen Artikel in einer Zeitung, welche jemand auf der Bank zurückgelassen hatte.

12:00 Uhr   Der Platz wird von Kindern gestürmt, welche gerade aus der Schule kommen. Sie spielen mit dem Reifen, dem Diabolo, oder blindes Huhn. Dies zu sehen macht mich traurig. Auf meinem Planeten existiert diese Zeitperiode nicht, welche man hier Kindheit nennt. Kurz nach der Geburt werden uns die nötigen Organe eingepflanzt. Auch unser Gehirn wird gleich mit Weisheit, Intelligenz und Erfahrung gefüllt. Mit einer Zusatzzahlung kann man das Gehirn ausserdem noch mit einer Enzyklopädie, einem Atlas, einem Kalender, einem Rezeptbuch von Simone Ortega und einem Reiseführer unseres geliebten Planeten füllen. Wenn wir dann erwachsen sind, werden uns noch zusätzliche Sachen wie der Verkehrscode oder das Staatsgesetz eingefüllt, aber eine Kindheit welche man Kindheit nennen kann haben wir nicht. Auf unseren Planeten lebt man nur jenes Leben, welches man zugeteilt bekommt (und punkt) ohne weder sein eigenes Leben noch das der anderen zu verkomplizieren. Das Leben der Menschen kann man wiederum, ähnlich jenem der Insekten, in drei Teile unterteilen. Die Menschen der ersten Etappe nennt man Kinder, jene der zweiten Etappe Arbeiter, und jene der dritten Etappe Rentner. Die Kinder machen das, was man von ihnen verlangt; die Arbeiter auch, aber dies ehrenamtlich: die Rentner bekommen zwar auch einen Lohn, man lässt sie aber keine Arbeit mehr ausführen, da ihr Puls nur noch schwach ist und sie praktisch alles auf den Boden fallen lassen, mit Ausnahme ihres Stockes oder ihrer Zeitung. Die Kinder sind eigentlich zu nichts zu gebrauchen. Früher liess man sie immerhin noch in Kohleminen arbeiten, aber der Fortschritt liess sie in dieser Funktion scheitern. Jetzt sieht man sie vor allem am frühen Nachmittag im Fernsehen, springend, schreiend, irgendwelche absurde Wörter von sich gebend. Bei den Menschen, wie auch bei uns, gibt es noch eine vierte Etappe bzw. Zustand, welche man Leichenstarre nennt. Über diese Etappe lohnt es sich aber nicht wirklich zu sprechen.

14:00 Uhr  Das Betrachten der Kinder und der Alten und das Nachdenken über meine eigene Existenz haben mich betrübt. Ich vergiesse viele Tränen. Da ich mein menschliches Erscheinungsbild an und ausziehen kann, habe ich keine Kontrolle über die Drüsen. Das hat zur Folge, dass das Weinen, die Schweissabsonderung und ein kleines Kotstückchen welches mir vor ein paar Minuten entwischt ist, meinen Körperbau reduziert haben. Jetzt beträgt meine Körpergrösse nur noch etwa 40 cm. Ich springe von der Bank herunter, und renne zwischen den Beinen der Passanten hindurch zu einem sicheren und diskreten Versteck, wo ich mich regenerieren kann.

14:30 Uhr Ich entscheide mich das das Erscheinungsbild von Manuel Vasquez Montalban (Krimiautor) anzunehmen und gehe in der Casa Leopoldo essen.

16:30 Uhr Bin wieder zu Hause. Ich versuche in die Bar von Frau Mercedes und dem Herr Joaquin zu telefonieren, um zu fragen wie die Operation von Frau Mercedes verlaufen sei. Es nimmt ein Individuum ab, welches behauptet ein Freund von Herr Joaquin zu sein, und vorübergehend die Bar zu führen, während der Herr Joaquin die Funktion als Begleiter von Frau Mercedes übernimmt, welche heute Morgen operiert wurde. Ich bedanke mich für die Information und lege auf.

16:33 Uhr Telefoniere nochmal in die Bar und frage das Wesen, welches die Aufgaben von Herr Joaquin (in der Bar) übernommen hat, ob denn die Operation gut verlaufen sei. Er bejaht, und sagt das Resultat war sehr zufriedenstellend für die Ärzte. Ich bedanke mich für die Information und lege auf.

16:36 Uhr Telefoniere nochmal in die Bar und frage die Person, welche die Aufgaben von Herr Joaquin (in der Bar) übernommen hat, ob man Frau Mercedes im Spital auch besuchen kann. Er bejaht, und sagt man könne sie zwischen 10:00 und 13:00 Uhr bzw. zwischen 16:00 und 20:00 Uhr besuchen. Ich bedanke mich für die Information und lege auf.

16:39 Uhr Telefoniere nochmal in die Bar und frage die Person, welche die Aufgaben von Herr Joaquin (in der Bar) übernommen hat, in welchem Spital denn Frau Mercedes untergebracht sei. Er antwortet im Santa Tecla im Quartier Horta. Ich bedanke mich für die Information und lege auf.

16:42 Uhr Telefoniere nochmal in die Bar und frage die Person, ob man auch mit dem Fahrrad zu diesem Spital fahren kann. Die Person hängt auf, bevor sie mir die Information geben kann, und ich mich bei ihr bedanken kann. Temperatur 26 Grad Celsius, Relative Luftfeuchtigkeit 74 %; schwacher Wind: Meereszustand Ebbe.

17:00 Uhr Ich lege mich aufs Sofa und versuche eine kleine Siesta zu schlafen, aber die Hitze lässt die Kleider am Körper kleben. Erschwerend kommt hinzu, dass das Sofa aus dem Material namens Plastik besteht, genauso wie die Kissen, die Federung, die Stuhlbeine und alle anderen Möbel in meinem Haus. Die Alternative wären biologische Produkte wie Holz oder Wolle, oder tierische  Produkte wie Pelz oder Haut, welche mich aber so anekeln, dass ich alleine durch den Gedanken daran Magenkrämpfe kriege. Ich führe einen Schuh in meinen Hals hinein und verhindere somit ein exquisites und schon bezahltes Essen wieder zu erbrechen.

17:10 Uhr Weil ich aufgrund der Hitze nicht schlafen kann, nehme ich die Form von Mahatma Gandhi an, welcher durch seine Körpergrösse ziemlich kühl hat. Ausserdem hole ich mir noch einen Regenschirm, denn man zu dieser Jahreszeit immer gut gebrauchen kann.

17:50 Uhr Unruhiger Schlaf. Wache verkrampft und schweissnass auf. Habe das dringende Verlangen Churros zu essen oder meine Nachbarin zu sehen.

18:00 Uhr Öffne vorsichtig die Türe meiner Wohnung. Spähe auf die Treppe. Niemand. Laufe zum Treppenabsatz. Schliesse vorsichtig meine Wohnungstür.

18:01 Uhr Steige vorsichtig die Treppe hinauf. Niemand hat mich gesehen. Bleibe vorsichtig vor der Türe meiner Nachbarin stehen.

18:02 Uhr Lege vorsichtig das Ohr an die Wohnungstür meiner Nachbarin. Nichts zu hören.

18:03 Uhr Untersuche vorsichtig das Türschloss meiner Nachbarin. Glücklicherweise handelt es sich dabei um ein Türschloss, welches maximale Sicherheit gewährleistet, ich öffne es mit Leichtigkeit. (Bei den normalen Türschlössern kenne ich niemanden der sie öffnen kann). Die Türe öffnet sich vorsichtig. Welch Freude!

18:04 Uhr Gehe vorsichtig in die Wohnung meiner Nachbarin hinein. Schliesse die Türe und das Türschloss wieder. Das Empfangszimmer ist ziemlich schlicht aber mit gutem Geschmack möbiliert. Lege meinen Regenschirm in den Schirmständer.

18:05 Uhr Gehe vorsichtig weiter zum nächsten Zimmer. Dieses Zimmer scheint die Funktion des Wohnzimmers zu übernehmen. Dieses Wohnzimmer erscheint mir fast identisch wie jenes meiner Wohnung. Wir scheinen die gleichen Gewohnheiten und Bedürfnisse zu haben. Will aber nicht weiter ins Detail gehen.

18:07 Uhr  Untersuche vorsichtig das Wohnungszimmer. Es ist mit exquisitem Geschmack möbiliert. Setze mich aufs Sofa und kreuze meine Beine. Ist elegant und gemütlich. Setze  mich auf einen Ledersessel und kreuze meine Beine. Ist elegant und gemütlich. Setze mich auf einen Sessel aus Wolle doch bevor ich meine Beine kreuzen kann, beisst mich der Sessel in die Wade. Falsche Beurteilung: Es war nicht der Sessel sondern ein ziemlich grosser Hund, welcher mich gebissen hat, und vorhin auf dem Sessel geschlafen hat.

18:09 Uhr  Renne wegen dem Hund mit hoher Geschwindigkeit durch die Wohnung

18:14 Uhr  Um mich vor dem Schlund des Hundes zu retten, klammere ich mich an der Decke der Wohnung fest, und schaue von dort aus zum Hund hinab. Dieser wartet dort unten darauf, dass ich runterfalle. Bei seinem vulgären Gebelle zeigt er seine Zähne, welche an Bananen erinnern. Wäre er ein Sessel wie ich zuerst vermutet hatte, hätte ich schon Angst. Jetzt umso mehr, da es sich um einen riesigen Hund handelt!

19:15 Uhr  Klammere mich schon seit einer Stunde an der Decke fest, und dem Hund scheint es immer noch nicht langweilig geworden zu sein. Habe versucht ihn zu hypnotisieren, aber sein Gehirn scheint zu dumm dafür zu sein.

20:15 Uhr  Klammere mich inzwischen schon seit zwei Stunden an der Decke fest, und diese Ausgeburt des Bösen hat sich immer noch nicht vom Fleck bewegt. Auf längere Zeit gesehen wird es dem Hund wohl langweilig werden und er wird irgendwann einmal einschlafen. Allerdings beunruhigt mich die Möglichkeit und der Gedanke, dass die Nachbarin nach Hause kommen, und einen Hindu vorfinden könnte, welcher sich an der Decke festklammert.

20:30 Uhr Eine physiologische Analyse ergibt, dass dieses Wesen eine ziemlich simple molekular Struktur hat. Vielleicht liegt hier die Lösung des Problems.

20:32 Uhr Geschafft! Mit einer kurzen und simplen Manipulation seiner molekular Struktur verwandle ich den Hund in vier kleine Pekinesen und einen Hamster. Ich komme von der Decke runter, und vernichte die Pekinesen mit Fusstritten.

20:40 Uhr Ich muss mich beeilen, wenn ich noch den Rest der Wohnung sehen will bevor die Nachbarin zurückkommt. Oder ihr Sohn. Merkwürdig, dass der Sohn zu dieser späten Stunde noch nicht von der Schule nach Hause gekommen ist. Wahrscheinlich haben sie ihn für eine Dummheit bestraft.

21:00 Uhr Setze die Inspektion der Wohnung fort. Das sind die Daten, welche ich über meine Nachbarin zusammentragen konnte: Name: Antonio Fernandez Calvo; Alter: 56; Geschlecht: männlich; Zivilstand: Witwer; Beruf: Versicherungsagent.

21:05 Uhr  Daraus schliesse ich, dass ich mich wohl bei der Wohnung geirrt haben muss. Ich verlasse vorsichtig die Wohnung, schliesse die Türe und ihr Schloss und kehre vorsichtig in meine Wohnung zurück.  

21:30 Uhr  Bin so deprimiert wie noch nie. Nicht einmal die Churros, welche mir die Hausmeisterin vorbeibringt können mich aufheitern. Entscheide mich Schach gegen mich selbst zu spielen. Mache nur einen Zug: P4R. In Wirklichkeit war ich nie wirklich ein begeisteter Anhänger dieses Spiels. Gurb hingegen war diesem Spiel verfallen. Wir spielten unendliche Partien, welche meistens mit einem Zug endeten, welcher Gurb „den Tod des Schafhirten“ nannte. Während ich in Nostalgie schwelge, esse ich fünf Churros.

22:00 Uhr  Ich ziehe mir mein Pyjama an. In den kommenden Tagen muss ich das Pyjama mal waschen. Ich gehe ins Bett und lese „Deliciosamente Boba“, eine satirische Komödie in drei Akten und fünf Szenen (je Akt). Eine Frau bekommt immer was sie will, wenn sie weiss, wo sie das Make-Up auftragen muss. Vielleicht habe ich das Thema aber auch nicht richtig verstanden. Bin ein bisschen durcheinander aufgrund der Gefühle dieses Tages. Ich spreche meine Gebete und gehe schlafen. Immer noch ohne Nachricht von Gurb.

01:30 Uhr  Es weckt mich ein schrecklicher Lärm. Vor Millionen Jahren bildete sich die Erde durch grosse Erdumwälzung, dem wilden Meer, welches gegen die Küste traf, und Vulkanen welche neue Berge formten, neue Kontinente bildeten usw.  Um an diese Zeit zu erinnern, schickt die Gemeinde jede Nacht Apparate, Müllwagen genannt, welche einen höllischen Lärm erzeugen bei uns vorbei. Ich stehe auf, gehe pissen, trinke ein Glas Wasser und gehe wieder schlafen.


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