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Seminararbeit Germanistik

Günter Wallraff: Aus der schönen neuen Welt


Kritik: Aus der schönen neuen Welt


Kritik ist Günter Wallraff gewöhnt, doch bei seiner Reportage „Schwarz auf Weiß“ stieß er meist auf negative Reaktionen. Der Selbstversuch ist für ihn die ultimative Form des investigativen Journalismus. Als „Hans Esser“ schlich er sich in die Redaktion der „Bild“ Zeitung ein, als Türke „Ali“ erforschte er die Lebens- und Arbeitsbedingungen von den damaligen Gastarbeitern.

Doch bei dieser Rolle als Schwarzer „Kwami Ogonno“ scheint alles bis ins kleinste Detail geplant und inszeniert zu sein. Besonders die Gruppen-/Szenenauswahl die Günter Wallraff auswählt, oder wo er „hinein stößt“ um es dramatisch zu formulieren, fällt auf.

Da ist z.B. die Seniorenwandergruppe die „Kwami Ogonno“ nicht gerade herzlich aufnehmen. Günter Wallraff führt dies natürlich auf sein „Schwarz“ sein zurück, doch könnte dies nicht auch an seinem „verdächtigen“ Verhalten liegen?

Er kommt erstens zu spät zum Treffpunkt das heißt die Senioren sehen ihn von vornherein nicht Teil ihrer „Gruppengemeinschaft“. Nun versucht er sich der Gruppe anzuschließen und trägt dabei keine Wanderkleidung sondern hält nur eine Plastiktüte in der Hand, dass dies die Senioren irritiert ist offensichtlich.

Das interne Regelwerk welches im Kontext der Seniorenwandergruppe festgelegt ist wird hierbei von Günter Wallraff in seiner Rolle missachtet. Damit verhält er sich nicht Regelkonform und erzeugt bereits Voreingenommenheit bei den Senioren, unabhängig von seinem Aussehen.

Man kann sich also fragen ob die Seniorenwandergruppe nicht genauso irritiert wäre wenn ein jugendlicher Deutscher mit Hip-Hop Kleidung, sich der Gruppe hätte anschließen wollen.

Beim Bootsausflug im Wörlitzer Park mischt sich auch das Kamerateam unter die Leute. Es gibt für die Testpersonen, die nicht wissen dass sie gerade Teil eines „Experimentes“ sind, keine Rückzugsmöglichkeit.

So wird dann jeder irritierte Seitenblick, jeder verbale oder mimische Ausdruck der Abwehr oder auch nur der Verunsicherung eingefangen und als rassistisch gedeutet.

Dabei ist es in den meisten Fällen einfach menschliches Verhalten.

Menschen reagieren auf Fremde/Fremdes mit Misstrauen und wenn diese Fremden wie in Wallraffs Fall sich noch merkwürdig verhalten und Aussehen wird dieses Misstrauen natürlich verstärkt. So auch ein Zitat aus der Welt:


„Eine Type wie Kwami, die in ihrem Sozialverhalten an ein Kleinkind erinnert, weil ihr Wallraff jeglichen sozialen Instinkt, jegliche Verhaltensroutine abspricht, würde selbst in den aufgeklärtesten Zonen der urbanen Mittelschicht auf Misstrauen stoßen.“[1]


Das bei solch einer Situation aggressives Verhalten vorprogrammiert ist, ist für jeden Menschen mit sozialen Instinkt, klar.


Nach jeder Eskalation fragt sich Wallraff natürlich was da gerade passiert sei?

Dazu hat die Welt folgendes geschrieben:


„Kwami fragt, was eigentlich passiert sei, obwohl Wallraff ganz genau weiß, dass abzusehen war, was da passieren würde. Aber Kwami muss den Naivling geben. Er ist ein Dummy, das ein ums andere Mal in den Crash-Test geschickt wird. Kwami stammt nicht aus dem wirklichen Leben. Er ist eine Negerpuppe, mit der der Volksaufklärer Wallraff spielt.“[2]


…“Wallraffs Selbstversuch legt mit erbarmungsloser Penetranz das Erwartbare frei.“[3]


Vergleich: „Schwarz auf Weiß“ und „Ganz unten“


Wenn man nun die beiden Rollenreportagen vergleicht (Ganz unten, Schwarz auf Weiß) kommt man zu dem Schluss das beide Ähnlichkeiten aber auch große Unterschiede in sich bergen.

Doch im Gegensatz zu der Rolle „Kwami Ogonno“ hatte Wallraff bei der Reportage „Ganz unten“ eine klar definierte soziale Rolle. Jeder der mit „Ali“ in Kontakt trat wusste dass er ein „Gastarbeiter“ war, damit sogleich verbunden das er sehr wahrscheinlich aus der Türkei stammt und weswegen er hier in Deutschland war.

Kurz gesagt er hatte eine definierte „Daseinsberechtigung“.

Die Mitarbeiter von Thyssen wussten so, wie sie sich meistens (natürlich gibt es hier auch negative Beispiele) gegenüber „Ali“ verhalten mussten.

Bei „Kwami Ogonno“ war dies nicht der Fall. „Kwami“ hatte keinerlei definierte soziale Rolle und dies war von Wallraff auch so gewollt.


„Ich bin einfach nur der Fremde, der schwarze Fremde, und biete mich dieser auf Leistung getrimmten Gesellschaft als Wehrloser an, ohne vorzeigbaren Wert. So können diejenigen, denen ich begegne, ihre rassistischen Reflexe - wenn sie denn wollen - unbelastet von Respekt für einen bestimmten Beruf, ein bestimmtes Einkommen, eine freche Schnauze oder einen starken Bizeps auf mich loslassen.“[4]


Diese Unsicherheit nach der Frage: „Mit wem habe ich es hier eigentlich zu tun?“ hat die meisten Akteure mit Abwehr Maßnahmen reagieren lassen die von Wallraff in aller Ausführlichkeit beschrieben wurden.

Doch es ist Wallraff selbst der den Gegenbeweis liefert, denn da wo man seine Rolle definieren konnte hatte man mit seiner Hautfarbe keinerlei Probleme.


„In den nobleren Regionen der Republik brauche ich solche Demütigungen übrigens nicht einzustecken. Weder in einem Luxusrestaurant auf Düsseldorfs Prachtstraße, der Königsallee, noch in einem der edelsten Schmuckgeschäfte ebendort und auch nicht bei der Probefahrt eines protzigen Bentley, die man mir problemlos gewährt, weil ich in der für diesen Zweck gewählten Verkleidung nach viel Geld aussehe.“[5]




• Dithmar, Reinhard 1973: Günter Wallraffs Industriereportagen. Scriptor Verlag GmbH.

• Hahn, Ulla u. Töteberg, Michael 1979: Günter Wallraff. Verlag Edition Text u. Kritik.

• Wallraff, Günter 2006: Ganz Unten. Mit einer Dokumentation der Folgen. 17 Auflage Köln: Kiepenheuer & Witsch.

• Wallraff, Günter 2004: Der Aufmacher. Der Mann, der bei Bild Hans Esser war. 7. Auflage Köln: Kiepenheuer & Witsch.

• Wallraff, Günter 2009: Aus der schönen neuen Welt. Expeditionen ins Landesinnere. 1. Auflage: Kiepenheuer & Witsch.

• Wallraff, Günter 1986: Mein Lesebuch. Fischer Verlag.

• Lederer, Karin 1997: Journalismus und Demokratie im Internationalen Vergleich. Grin Verlag.

• Linder, Christian 1975: In Sachen Wallraff. Kiepenheuer & Witsch.




[1]

[3] ebd.

[4] Aus der schönen neuen Welt, S. 15

[5] Aus der schönen neuen Welt, S. 14


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