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Seminararbeit
Deutsch

The National and Kapodistrian University of Athens

2016,olga laskaridou,10/10

Amelie P. ©
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ID# 58140







Gotthold Ephraim Lessing und die Autoren der Zeit des Nationalsozialismus in der Literaturgeschichte

Daten deutscher Dichtung. Chronologischer Abriss der deutschen Literaturgeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart

und in Elisabeth Frenzels Dissertation

Judengestalten auf der deutschen Bühne. Ein notwendiger Querschnitt durch 700 Jahre Rollengeschichte


INHALTSVERZEICHNIS


1. Vorwort …………………………………… 3


2. Einleitung 3-4


3. Zu Lessings Nathan der Weise in der Dissertation Judengestalten auf der deutschen Bühne. Ein notwendiger Querschnitt durch 700 Jahre Rollengeschichte: Mit Schwerpunkt auf Lessings Nathan der Weise……….…………………… 4-10


4. Zur Literaturgeschichte Daten deutscher Dichtung: Ein chronologischer Abriß der deutschen Literaturgeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart


4.1. Struktur und Methode der Daten……………………………………………… .11-12


4.2. Zur Liste der wichtigsten Autoren im Dritten Reich………… 13-16


4.3. Zur Charakterisierung der Werke von Gotthold Ephraim Lessing………………16-24


5. Fazit 24


6. Literaturverzeichnis .25


1. Vorwort

Seit über fünfzig Jahren gilt Elisabeth Frenzel als Autorin geschätzter Nachschlagewerke der deutschen Literatur. Besonders die Daten deutscher Dichtung, die sie -gemeinsam mit Herbert A.Frenzel –in über dreißig Auflagen betreut hat, haben sich zu einem Standardwerk entwickelt. Weniger bekannt war allerdings bis vor kurzem die Karriere der Autorin, die unter dem Hakenkreuz begann und heutzutage als Beispiel für die ideologische Verblendung und Preisgabe der Wissenschaft im Dienst einer totalitären Doktrin betrachtet wird.

Die vorliegende Arbeit zielt nicht darauf ab, die wisssenschaftliche Arbeit der bereits seit über vierzig Jahren etablierten Germanistin zu herabwürdigen, sondern einen kleinen Teil ihres Beitrags hinsichtlich ihrer antisemitischen Vergangenheit genauer anzusehen. Sie befasst sich zunächst mit der Wertung des Werkes Gotthold Ephraim Lessings Nathan der Weise in ihrer 1940 verfassten Dissertation Die Gestalt des Juden auf der neueren deutschen Bühne.

Weiterhin werden Struktur und Methode ihrer 1953 veröffentlichten Literaturgeschichte Daten deutscher Dichtung -mit Schwerpunkt auf die von Frenzel zusammengestellte Liste der wichtigsten Autoren und deren Werke im Nationalsozialismus- untersucht. Abschließend werden der Corpus und die Wertung der wichtigsten Werke Lessings und insbesondere Nathan der Weise genauer betrachtet, um zu überprüfen, ob Teile ihrer Dissertation auch hier enthalten sind.

2. Einleitung

Die meisten Germanistikstudenten an Deutschen Universitäten geraten im Verlauf ihres Studiums immer wieder an die drei Standardwerke von Elisabeth und Herbert Frenzel: Daten deutscher Dichtung, Stoffe der Weltliteratur, Motive der Weltliteratur. Alle drei Werke sind bis heute eine grundlegende Quelle für Motive und Stoffe, die sich durch die Literatur ziehen. Aber nur wenige Germanisten haben 2003 die Aufregung um das Internationale Germanistenlexikon 1800-1950 mitbekommen, wo über die Biographien vieler Germanisten in der nationalsozialistischen Zeit einiges erschien, was vorher nicht allen bekannt war.

Dort erschien die Information, dass Elisabeth Frenzel ihre Dissertation 1940 über Die Gestalt des Juden auf der neueren deutschen Bühne geschrieben hat und ihr Mann Herbert im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda in verschiedenen Stellungen tätig war. Angesichts dieser Informationen war es eine germanistische und journalistische Aufgabe, die Werke des Ehepaars Frenzel genau darauf zu überprüfen.

Dies ist offenbar geschehen und führte am 12.Mai 2009 zu der Meldung in der Frankfurter Allgemeine (FAZ): Daten deutscher Dichtung. Umstrittenes Lexikon wird nicht mehr verlegt. Interessant ist aber die Begründung, die von 1953 (als das Buch zum ersten Mal erschien) bis zum 11.Mai 2009 nicht aufgefallen ist, worüber man im Artikel Ein grotesker Kanon. Ein Standardwerk mit Lücken (Volker Weidermann, FAZ) lesen kann.

In diesem Artikel werden -neben den gesamten Hintergründen des Ehepaars Frenzel- auch ein paar Informationen zum Lexikon offenbart: Nirgendswo in Daten deutscher Dichtung wird über die Vergangenheit der Verfasser ein Wort verloren. Das Lexikon offenbart auch fundamentale Schwächen gerade bei Autoren in der Zeit zwischen 1933-1945. Die berühmten Exilautoren wie Berthold Brecht, Anna Seghers, Stefan Zweig oder Thomas Mann fehlen nicht, dafür aber Kurt Tucholsky, Klaus Mann, Irmgard Keun, Armin T. Wegner, Joachim Ringelnatz, Gustav Meyrink, Maria Leitner und viele andere.

Dafür findet man dann umfangreich Schriftsteller wie E.G. Kolbenheyer und Ina Seidel, die beide 1944 auf der "Gottbegnadeten-Liste" der Nationalsozialisten auftauchen, und –laut Weidermann- wegen ihrer literarischen und ideologischen Verehrung der Nationalsozialisten und mangelnder literarischer Qualität für einen Kanon ungeeignet sind. Weiterhin behauptet der Verfasser des Artikels, daß sich im Text immer wieder Passagen aus der Dissertation Frenzels finden, wo die antisemitistischen Teile gestrichen wurden, so daß der Leser gleichzeitig über die Dissertation die Passagen "ergänzen" kann.


3. Zu Lessings Nathan in der Dissertation Judengestalten auf der deutschen Bühne. Ein notwendiger Querschnitt durch 700 Jahre Rollengeschichte:


In ihrer Dissertation verfolgt Frenzel Die Gestalt des Juden auf der neueren deutschen Bühne vom 13.Jahrhundert bis zur Mitte der dreißiger Jahre, wobei sie den politischen Aspekt des Themas besonders hervorhebt. ,,Es soll gezeigt werden, dass die Stellung, die das neue Deutschland heute zur Judenfrage wie zum Theater einnimmt, nicht an die politische Tagesnotwendigkeit gebunden, sondern in Deutschland von Ursprung an vorhanden gewesen ist.‘‘1 Einen wesentlichen Zug ihrer Arbeit nimmt sie damit in der Einleitung bereits vorweg: ,,Der Antisemitismus vergangener Jahrhunderte wird von ihr als eine Rechtfertigung der Judenpolitik nach 1933 gelesen, wobei das Dritte Reich als eine Art geschichtliches Korrektiv gesehen wird, der die philosemitisch geprägte Politik und Kultur nun endlich berichtigt.“2 Die rassistische und antisemitische Ideologie der Zeit findet sich auf allen Ebenen der Dissertation, selbst im Literaturverzeichnis sind sind die Namen jüdischer Autoren mit einem Sternchen (,,*Jude ‘’ Τeiljude,,) gekennzeichnet und damit deutlich von ,,arischen“ Autoren geschieden.

Frenzel meint, den Juden die Schuld an ihrem jetzigen Schicksal, der staatlich legitimierten Ausgrenzung, nachweisen zu können: ,,Mit der Vernichtung aller sittlichen Werte, mit der anmaßenden Arroganz, mit dem hypertrophen Machtbewusstsein der letzten zwei Dezennien (vor 1933) war das Schicksal der Juden in Deutschland vor der historischen Gerechtigkeit entschieden.

Auf diesen ersten Informationen baut sie anschließend ihre theaterhistorische Interpretation auf.

Es scheint müßig, Frenzels Doktorarbeit hier in Detail vorzustellen, da das nicht zum Hauptthema dieser Arbeit gehört und weil ihre Beweisführung auch häufig rein spekulativ ist und ,,von einem vorgefaßten Judenbild“5 ausgeht. Dennoch sollte die Grenze zwischen wissenschaftlicher Geschichtsschreibung, einerseits und einer antisemitisch geprägten Interpretation andererseits gesetzt werden.

Besonders deutlich tritt diese Grenze natürlich bei philosemitischen Schauspielen auf: sie setzen Frenzel einem gewissen Rechtfertigungsdruck aus, besonders wenn sie in der deutschen Theatergeschichte wichtig waren und häufig inszeniert wurden.

Ein gutes Beispiel dafür wäre das Werk Gotthold Ephraim Lessings Nathan der Weise, gerade da es sich um einen Schriftsteller handelt, der sonst hoch in ihrer Wertschätzung steht. Deshalb bemüht sich Frenzel auf eine recht paradoxe Weise, Lessing gegen sein eigenes Schauspiel in Schutz zu nehmen, seinen guten Ruf als ,,Vorkämpfer deutscher Kunst“6 zu retten und ihn zu rechtfertigen angesichts seiner ,,besonderen Stellung zu den Juden, die er in Nathan der Weise 1779 in propagandistischer Absicht niedergelegt hat“.7 Sie argumentiert: ,,Lessing konnte die verderblichen Folgen der Expansion und Assimilation des Judentums nicht ahnen, aber das ist noch keine unbedingte Entschuldigung.

Tatsächlich ist der Rasseinstinkt in dem gebildeten Menschen der Aufklärung zum guten Teil verschüttet, wie viele Kräfte der Seele verschüttet sind.“8 Weiterhin macht Frenzel den Versuch, das Stück auch für Nationalsozialisten ,,tragbar“ zu deuten: Lessing habe auch den Juden Nathan als Prototyp der Toleranz gewählt, ,,nicht weil der Jude in Wirklichkeit so tolerant ist, sondern weil gerade in der Religion dieses Volkes Toleranz fast ein Verbrechen scheint.

Er will zeigen, wie hoch Toleranz die Menschenwürde über das Durschschnittsmaß eines Volkes erhöhen kann.“9

An einer anderen Stelle merkt sie mit Bezug auf Lessing an: ,,Und da er ein Mann des Intellekts war, dessen Schaffen bewußt ein Exempel auf die Probe seiner Theorien darstellen sollte, so ist dieser zeitgebundene Teil seines Wesens bei ihm größer als bei irgendeinem anderen Dichter dieses Formats.“10 Dennoch ist diese Facette der Persönlichkeit für Frenzel nur zusammen mit seiner angeblich führenden Rolle für eine deutsche, rassisch geprägte Kunst zu sehen, und deshalb ist nichts ,,verkehrter und kleinlicher, als aus dem Abstand und einer anderen Situation heraus verdammen zu wollen.“11 Lessing sei von einer intellektuellen, liberalen und jüdischen Umgebung geprägt worden, drei Eigenschaften, die Frenzel als verderblich gelten.

Frenzel möchte das in der deutschen Theatergeschichte so einflußmächtige Stück nicht vollkommen preisgeben, löst es deshalb aus seinem zeitgeschichtlichen Kontext und deutet es aus einer rassenhygienischen Perspektive. In Verkennung der Handlung instrumentalisiert sie so ein literarisches Judenbild des 18. Jahrhunderts aus ihrem eingeschränkten und verfälschenden Blickwinkel: ,,Rassischen Auseinandersetzungen geht Lessing dadurch aus dem Weg, daß er Recha wohlweislich nicht Nathans Tochter sein läßt. [ .] Wahrscheinlich hat Lessing doch eine warnende Scheu zurückgehalten, dieses wichtigste Problem der Gleichberechtigungsbestrebungen anzuschneiden.“13 Obwohl Frenzel die sogenannte Rassenschande hier nicht explizit erwähnt, wird es deutlich, daß ihre Bemerkung auf die so bezeichnete (erst verpönte, später gesetzlich verbotene) Vermischung deutschen und jüdischen ,,Blutes“ abzielt.

Aus den oben genannten Gründen verbietet sich auch laut Frenzel die Aufführung dieses Stücks. Tatsächlich verschwindet das Schauspiel Nathan der Weise während des Dritten Reiches aus der Schullektüre und aus den Theaterrepertoires.

Frenzel nimmt in ihrer Dissertation antisemitische Stereotypen auf mehreren Ebenen auf, spinnt sie weiter und versucht, sie anhand der von ihr augewählten Schauspiele zu fundieren. ,,Um eine vermeintlich wissenschaftliche Begründung für Judenhaß zu erbringen, greift sie auf standarisierte Deutungsmuster zurück, wie etwa das Argument der Juden als Christusmörder oder, mit Blick auf die jüngere Geschichte, die Theorie der jüdischen Weltverschwörung.“14 Die Motivation von Juden, am deutschen Kulturleben teilzunehmen, wird einzig und allein auf Geldgier und Prestigesucht zurückgeführt.

Es ist bemerkenswert, daß Frenzel, trotz ihrem Antisemitismus, etlichen philosemitischen bzw. von Juden geschriebenen Stücken eine beachtliche Suggestivkraft zuschreibt, die auch die Begeisterung des deutschen Publikums wecken konnte: Die Figur des verpflichtungs- und schrankenloses Einzelgängers in Ernst Trollers und Lion Feuchtwangers Dramen beispielsweise macht laut Frenzel ,,einen machtvollen, faszinierenden Eindruck, besonders auf Frauen.“15 Andere Bühnenwerke propagierten philosemitische Tendenzen, ,,auf die ein großer Teil des Publikums hereinfiel“16 und welche die Zuschauer anschließend auch noch zu ,,einem Serienerfolg“17 machten.

Solche Bemerkungen widersprechen freilich dem Klischee des deutschen Publikums, welches Frenzel an anderen Stellen als kritisch, urteilssicher und dem theatralischen Philosemitismus gegenüber als immun porträtieren möchte. Um diesen Widerspruch teilweise aufzulösen, bezeichnet sie die projüdischen Schauspiele als besonders gefährlich und ,,zersetzend“. Ihnen wird lediglich eine propagandistische Wirkung zugesprochen, sie seien bewußt zur Agitation eingesetzt und würden so auch bei manchen Deutschen –irrigerweise- einen positiven Eindruck hinterlassen.

Um den gewaltigen Textkorpus von über 350 Stücken zu bewältigen, wählt Frenzel in ihrer Dissertation eine stoff- bzw. motivgeschichtliche Darstellung. ,,Dabei ist in vielen Fällen unkenntlich, aus welchem Zusammenhang die Dramenzitaten stammen, die in der Arbeit nur als bestätigende Slogans verwendet werden, um eine vorgefertigte Meinung zu untermauern. Die angeführten Theaterstücke werden häufig nicht einmal mit Titel genannt, ihr Inhalt wird bis zur Unkenntlichkeit verkürzt, die den Texten eigene Poetik wird nicht erfaßt und auch Informationen zur Rezeptionsgeschichte sind spärlich.“19

Eine Inszenierung antisemitischer Theaterstücke auf den Bühnen des Dritten Reiches sieht Frenzel als problematisch an. Sie befindet sich damit auf einer Linie mit NS-Kulturpolitikern, welche dadurch eine ästhetische Verdoppelung der Realität auf dem Theater befürchteten. ,,Da Antisemitismus in der Tagespolitik eine wichtige Rolle spielte, konnte die theatralische Darstellung von Judenhaß nur als ein Kommentar zu dem staatlich sanktionierten Rassenhaß verstanden werden.

Es bleibe nur eine satirische Darstellung der Juden, die allerdings auch nicht die Form eines Zeitstückes annehmen dürfe. Folglich schreibt sie, daß der einzig mögliche Weg, neue Judenrollen zu schaffen, in der Möglichkeit liege, ,,den schädlichen Einfluß des Judentums in der Geschichte aufzuzeigen.“23 Die jüdische Gegenwart wird als Thema eines Bühnenstücks ausgeklammert: Frenzel begreift die Juden, zumindest für das Theater, bereits als ein historisches Phänomen.

Diesen Gedanken formuliert sie an einer anderen Stelle noch schärfer: ,,Die letzte Voraussetzung [zur Darstellung von Judenrollen], die Existenz der Juden im öffentlichen Leben Deutschlands verliert seit der Judengesetzgebung des Dritten Reiches immer mehr an Bedeutung, vor allem in der für das Theater wichtigen Mittler- und Zwischenträgerfunktion. Daher fällt dieser Anreiz und die Notwendigkeit, ihn in ein Lokal- oder Gesellschaftsstück einzubauen, vollständig.“24

Laut Frenzel bleibt lediglich noch der schauspielerische Reiz, ,,das den Deutschen fremde jüdische Gebaren“25 auf der Bühne darzustellen und damit zugleich den politisch-rassischen Gegensatz zu präsentieren. Frenzel spekuliert abschließend: ,,Es bleibt die internationale Macht des Judentums als Kampfgegner, und sofern ein großes außenpolitisches oder ein zeitloses weltanschauliches Drama in Deutschland entstünde, käme ihm darin eine Hauptrolle zu.“26 In ihrer vom Antisemitismus durchdrungenen Vorstellungswelt sieht die Autorin also das Schicksal der deutschen Juden, aber auch das des sogennanten Weltjudentums bereits deutlich vorgezeichnet. ,,Beide werden bald der Geschichte angehören und bloß noch im Rahmen eines ideologisch drapierten Historienstückes ihre Rolle spielen.“27


4. Zur Literaturgeschichte Daten deutscher Dichtung: Ein chronologischer Abriß der deutschen Literaturgeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart


4.1. Struktur und Methode der Daten

Die Daten deutscher Dichtung sind seit ihrem ersten Erscheinen 1953 eines der am weitesten verbreiteten Nachschlagewerke zur deutschen Literatur. Elisabeth Frenzel und ihr Mann Herbert bedienen sich beim Verfassen dieser Literaturgeschichte der chronologischen Methode, d.h. die bekanntesten Schriftsteller und Werke der deutschen Literatur werden zeitlich aufgezählt.

Der Grund für die Anwendung dieser Methode geben sie schon im ersten Satz des Vorwortes bekannt, indem sie schreiben: ,,Daten sind die Voraussetzung aller geschichtlichen Erkenntnis.“29 Die vorliegende Literaturgeschichte befasst sich mit allen Epochen der deutschen Literatur. Dabei ist der Stoff nach der zur Zeit gebräuchlichsten Epocheneinteilung aufgegliedert, die schnelle Orientierung ermöglicht, d.h. frühes, hohes und spätes Mittelalter, Rennaisance, Barock, Aufklärung, Sturm und Drang, Klassik, Romantik, Biedermeier, Vormärz, Realismus, Naturalismus und Gegenströmungen, Expressionismus usw. bis zur Literatur seit den fünfziger Jahren.

Nach der Einteilung werden die bedeutendsten Autoren der Epoche alphabetisch aufgelistet. Zu jedem Autor gibt es eine kurze Biographie, u.a. sind das Geburts- und Sterbedatum und eine Reihe der für ihr Leben bezeichnendsten Aufenthaltsorte angegeben. ,,Mit diesen äußeren Angaben sollte jedoch der Begriff Daten nicht erschöpft sein“30, d.h. die Verfasser wollten nicht nur eine Chronologie der deutschsprachigen Literatur schreiben, sondern den Werken literaturkritisch gegenüberstehen: ,,Der reine Inhalt erhält zunächst sein Wert.“31 Durch knapp formulierte Tatsachen versuchen sie das jeweilige Werk zu charakterisieren, seine Verbindung zu vorangegangenen und seine Wirkung auf nachfolgende bewußt zu machen.

Dabei ist es interessant zu erwähnen, daß die Wertung oft nicht direkt, sondern durch die Aussagen anderer Literaturkritiker und Schriftsteller, zum Ausdruck gebracht wird.

4.2. Zur Liste der wichtigsten Autoren im Dritten Reich

Auf den ersten Blick bietet diese literaturwissenschaftliche Tätigkeit den Vorteil, sich eines eigenes, wertenden Standpunktes enthalten zu können. Während zweifellos richtig ist, daß die chronologische Anordnung einen gewissen Anspruch auf Objektivität erheben kann, ist die Auswahl der Werke noch deutlich vom literarischen Geschmack des Dritten Reiches beeinflußt, zumindest bei den ersten Auflagen der Daten: Insbesondere im Kapitel über die Literatur seit 1925 (in der Erstausgabe von 1953), versehen mit der unklaren Überschrift ,,Dichtung der verlorenen und verbürgten Wirklichkeit“, nennt das Ehepaar einerseits Werke von NS-Autoren wie Hans Grimm, Hanns Johst, Hans-Friedrich Blunck oder Erwin Guido Kolbenheyer, welche auch in späteren Ausgaben der Daten erwähnt werden (siehe auch die Ausgabe von 1964).

Bei Agnes Miegel, die im Oktober 1933 als eine von 88 Schriftstellerinnnen durch ihre Unterschrift dem Reichskanzler Adolf Hitler Treue gelobt hatte, reduzieren die Frenzels ihre Informationen auf die schmale Angabe von Geburtsjahr und –ort unter Ausblendung weiterer biographischer Ausführungen.33 Ihr 1932 publizierter Gedichtband Herbstgesang wird als ,,meist breit angelegte Erinnerungsbilder aus der älteren und der miterlebten jüngsten Geschichte Ostpreußens“34 klassifiziert, spätere Veröffentlichungen bleiben unerwähnt.

Auch bei Luise Rinser erwähnt das Verfasserpaar in der Erstausgabe von 1953 nur das Geburtstagsjahr 191135 und vermerkt nicht, daß die Schriftstellerin bald nach ihrem Debüt mit dem Roman Die gläsernen Ringe (1941) mit Publikationsverbot belegte, 1944 wegen ,,Hochverrat und Wehrkraftzersetzung“ verhaftet wurde und ein halbes Jahr im Frauengefängnis in Traunstein verbrachte. In späteren Auflagen wird ihr Werk nicht in den Kanon mit einbezogen.

Autor Albrecht Haushofer, dessen drei Antikedramen und die im Gefängnis verfassten Moabiter Sonette zu den wichtigsten Dokumente der oppositionellen Literatur gehörten, wurde von den Nationalsozialisten noch im April 1945 ermordet. Die historischen Fakten verschweigend und verharmlosend formulieren die Eheleute Frenzel: ,,ALBRECHT HAUSHOFER (1903-1945), MOABITER SONETTE.

In den biographischen Angaben zu Bertolt Brecht , Heinrich Mann, Thomas Mann und Arnold Zweig wird unkommentiert ihre Emigration im Jahr 1933 vermerkt37, ohne daß für den Leser erkennbar wird, welche Umstände die bereits seit den 1920er Jahren arrivierten Literaten wohl just dazu geführt haben, ihre Heimat zu verlassen. Ausweisung, Verfolgung, Schreibverbot oder Gewissensnöte der Schriftsteller werden nicht einmal ansatzweise erwähnt.

Franz Werfel und Georg Kaiser werden als expressionistische Dramatiker aufgeführt, ihre 1938 erfolgte Emigration ohne Angabe von Gründen notiert.38 In Vernebelung der nahen Vergangenheit wird die Tatsache unerwähnt gelassen, daß die beiden Dramatiker wie alle anderen jüdischen Mitglieder 1933 aus der Preußischen Akademie der Künste ausgeschlossen worden und sogleich völkisch-nationalistische Schriftsteller auf ihre freigewordenen Plätze gerückt waren.

Zu den wichtigsten Autoren dieser Epoche zählen die Eheleute Frenzel ununterschieden Ina Seidel und Erwin Guido Kolbenheyer sowie Frank Thiess und Arnold Zweig. Nach Oskar Maria Graf, Joachim Ringelnatz, Walter Mering, Gertrud Kolmar sucht man in der zweiten Auflage der Daten deutscher Dichtung (1964) vergebens, während Friedrich Blunck und Hanns Johst wie bereits in den NS-Literaturgeschichten gewürdigt wurden.

Sie sind den Verfassern gerade noch einen kurzen Absatz wert: ,,Die Gegensätze der Gruppen verhärten sich zwangsläufig durch die politische Entwicklung nach 1933 mit der Aufspaltung der Literatur in die der Emigranten, deren Situation durch die Verpflanzung in ein fremdes Sprachgebiet und die Unsicherheit des Publikations- und Abnehmerkreises gekennzeichnet war, die der sog.

Inneren Emigration und die der Anhänger der volkhaften Dichtung. Dazu trat die mit dem ersten Weltkrieg beginnende Auflösung der traditionellen Abnehmerschichten der Literatur.“40 Auführlicher wollen sie über die komplexen Wirkungszusammenhänge von Politik und Literatur, von Emigration, Rassengesetzgebung, Zensur, Selbstzensur und Reichsschrifttumskammer nicht reden.


4.3. Zur Charakterisierung der Werke von Gotthold Ephraim Lessing

Gotthold Ephraim Lessing ist in Daten deutscher Dichtung in die Strömung der Aufklärung eingeordnet. In seiner Kurzbiographie, die das Geburts- und sterbedatum, das Studium, die vielfältige wissenschaftliche Arbeit sowie eine Reihe von Aufenthaltsorten des Autors angibt, wird auch seine Freundschaft mit dem jüdischen Philosophen Moses Mendelssohn erwähnt. Dennoch fällt auf, daß die Frucht ihrer Zusammenarbeit, nämlich die Wochenschrift Briefe, die neueste Literatur betreffend (1759-65), die Rezensionen in Form von Briefen an den Dichter Ewald von Kleist enthält und bedeutend für die aufklärerische Literaturkritik des 18. Jahrhunderts war, nicht in der Liste der wichtigsten Zeitschriften dieser Epoche zu finden ist.


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