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Aufsatz
Philosophie

Salvatorkolleg Bad Wurzach

2014

Alice S. ©

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ID# 38349







„Glück ist...“

Vor mir auf dem Wohnzimmertischchen liegt der Bücherstapel, den ich dieses Mal aus der Bibliothek habe mitgehen lassen. Eine Vielzahl an Büchern, die ich zu lesen gedenke, aber schlussendlich wohl nicht einmal anrühren werde. Mein Blick fällt auf eines der Bücher, ein philosophisches Buch. Eigentlich kann ich mit Philosophie überhaupt nichts anfangen. Wieso ich es mitgenommen habe? Keine Ahnung. Ich glaube das Bild darauf hat mich einfach fasziniert. Eine komische Menschenfigur mit Koffer, die blödsinnigerweise einem Marienkäfer hinterherjagt. Der Titel des Buchs von Francois Lelord lautet „Hecotrs Reise oder die Suche nach dem Glück“.

In Gedanken durchstreife ich noch einmal die vielen Regale der Bibliothek, lasse meinen Blick schweifen. Da gibt es die Rubrik für Krimi-Freunde, die durch die Lektüre eines Buches einmal die Welt eines Kriminalpolizisten erleben wollen, oder die Liebesromane für all die Menschen, die ein erfülltes Leben lieber in Romanen suchen als sich selber darum zu kümmern. Es gibt alte Bücher und neue Bücher, gelbe, braune und bunte Bücher, Romane, Novellen, Krimis, Thriller, Dramen, Gedichtbände, Kurzgeschichten, Fachliteratur, Kinderbücher, Jugendbücher, Hörbücher und Lebensratgeber. Ich bleibe bei letzterer stehen und blättere gedankenverloren durch einige der Exponate, wobei ich mich insgeheim nach dem Sinn bzw. Unsinn all dieser Ratgeber frage. Keiner der Autoren folgt doch nur ansatzweise seinen eigenen Lebensweisheiten. Unzählige Bücher wie „Hectors Reise“ reihen sich hier aneinander: „Glück ist...“, „So finden Sie ihr persönliches Glück“, „eine Anleitung zum richtigen Leben“. Gibt es denn keine Antwort auf die Frage nach dem Glück, oder wieso sprießen die neuen Bücher unzähliger Autoren, die sich mit dem Thema Glück beschäftigen en mass aus dem Boden?

Bei der Rubrik „Philosophie“ stoße ich auf Sigmund Freud, der mir den Zweck des Lebens als Streben nach Glück erklärt. Laut Freud kann dieses Ziel positiv oder negativ sein. Das negative Ziel sei, so Freud, das Fehlen von Schmerz; das positive Ziel das Erreichen des höchsten Lustgefühls. Je nachdem was der Mensch anzustreben gedenke verändere sich seine Haltung. Dieses Ziel, also das Glück, kann ich aber laut Freud gar nicht erreichen, da es in der Schöpfung nicht vorgesehen sei durchgehend glücklich zu sein. Das was wir als Glück empfinden sei lediglich ein Moment, niemals jedoch ein längerfristiger Zustand.

Ich bin geplättet. Lieber Herr Freud, wollen Sie dem modernen Menschen, der sich mit Ratgebern eindeckt und all den Zunder kauft, den es eben zum Thema „Wie werde ich glücklich, die 10 Schritte zum wahren Glück“ gibt, etwa sagen, dass er nicht dauerhaft glücklich werden kann? Heißt das nun wirklich, dass unsere Suche niemals zu einem fruchtbaren Ergebnis kommen wird? Das können Sie doch nicht ernst meinen? Wieso suchen denn dann all die Menschen nach dem Glück, wenn es nur Fiktivum ist?

Enttäuscht stelle ich Freud zurück. Vielleicht ist die moderne Weisheit der Freud´schen Theorie einfach nicht das, was der Wahrheit entspricht, sondern lediglich die Resignation eines von der Welt enttäuschten Philosophen und Psychoanalytikers, der sich zu sehr ins einen Hirngespinsten verrannt hat. Naja, zumindest hoffen kann ich doch noch. Wie wäre es mit Platon oder Sokrates, aha, Aristoteles. Was sagen denn die alten Griechen zum Glück?

Aristoteles beschreibt in seiner Schrift „Nikomachische Ethik“ das Glück als das höchste Gut. Er bestätigt so in gewisser Weise die Thesen Freunds bzw. bestätigt Freud wohl eher Aristoteles, da Freud einige Generationen nach dem berühmten Griechen gelebt hat. Laut Aristoteles strebe der Mensch nach dem Glück ohne andere Intentionen. Das Glück sei ein Ziel, das keinem anderen Ziel verpflichtet, sondern nur sich selbst und daher das vollkommene Ziel schlechthin sei. Das Glück ist somit das Endziel. Mein Glück ist das, was ich anstrebe und erst zuletzt erreichen werde.

„Mami, was ist das?“, fragt neben mir ein kleines Mädchen mit Zöpfen eine neben ihr stehende Frau, die einen Lottoschein in Händen hält. „Das ist ein Lottoschein, meine Süße“, erklärt sie. „Wenn wir die richtigen Zahlen ankreuzen und dann gaaaaaaanz viel Glück haben, gewinnen wir viel Geld.“ „Mama, was ist Glück“, fragt die Kleine weiter. Sichtlich angestrengt denkt die Frau nach. „Das ist eine gute Frage, Lotta. Lass mich mal überlegen. Glück ist, wenn dir etwas tolles passiert, das du nicht beeinflussen kannst. Wenn du zum Beispiel zufällig auf der Straße einen Fünf-Euroschein findest, das ist Glück.“

Dieses Glück ist aber nicht dasselbe Glück das Freud oder Aristoteles beschreiben haben, denke ich. Es muss also mehrere Formen von Glück geben. Zum einen das Glück, das Lotta den fünf Euro finden lässt, und zum anderen das Gefühl glücklich zu sein. Ersteres ist eher ein Mittel, das dem Menschen etwas beschafft, das er nicht erwartet hätte, und Letzteres ist ein Zustand des vollkommenen Glücks, des Gefühls, das auch Aristoteles beschreibt. Das Glück als Mittel ist ein Zufallserlebnis. Es ist nicht bewusst beeinflussbar. Dieses Glück erfahren wir, wenn wir sechs aus 49 Richtige haben und dann den großen Gewinn einstreichen oder beim Roulette auf die richtige Zahl setzen. Es ist ein punktuelles Glück, das jedoch zeitlich sehr begrenzt ist.

Was der Mensch jedoch anzustreben gedenkt ist nicht das momentane Glück, sondern das endzeitliche Glücksgefühl, denke ich und widerspreche insgeheim der jungen Frau mit dem Kind. Glück liegt also auch im Auge des Betrachters. Während ich weiter durch die Reihen streife komme ich an die Abzweigung zwischen Technik- und Romanrubrik. Technik, hat das eigentlich auch etwas mit Glück zu tun? - Aber klar! Die Technik ist auch ein Berufszweig und ein Beruf, der Spaß macht, der kann auch glücklich machen. Wer Spaß an seiner Arbeit hat, wer mit seiner Arbeit anderen Menschen helfen kann oder etwas erschafft, das persönliche Befriedigung erzeugt, der ist glücklich. Auf St. Louis, einer kleinen Insel in Amerika, lebt zum Beispiel ein Muscheltaucher, der jeden Tag mit seinen Freunden aufs Meer hinausfährt, um nach großen Muscheln zu tauchen, die er anschließend auf dem Markt verkauft. Er wird „Sea Soldier“ genannt, da er der einzige ist, der bei jedem Wetter auf die offene See hinaus fährt und sich von nichts und niemandem, nicht einmal dem Wetter, von seiner Arbeit abhalten lässt. Für ihn ist das Gefühl unter Wasser die höchste Erfüllung. Es ist sein Leben. Und dann gibt es da noch die Kindergärtnerin in Arnach, die es liebt mit den Kindern etwas beizubringen oder Mensch-ärgere-dich-nicht mit ihrnen zu spielen. Sie findet ihre Erfüllung, indem sie der Folgegeneration etwas mitgibt und ihr hilft auf eigenen Beinen zu stehen. Oder nehmen wir den Professor für Mathematik, dem nichts mehr Freude bereitet als abstrakt-mathematische Probleme zu bearbeiten und zu lösen. Jeder dieser Menschen ist zufrieden und glücklich. Dabei sind jedoch alle drei Personen auf ihre eigene Art glücklich. Die Kindergärtnerin hätte vermutlich nicht so viel Freude an der Mathematik und der Professor kann wahrscheinlich mit dem Tauchen nicht viel anfangen. Es ist also immer auch subjektiv, was „Glück ist...“.

Ich blicke mich um und schaue in die Augen der Menschen. Manche scheinen zufrieden zu sein, andere schauen abwesend in ihre Bücher und ein älterer Mann mit Bart schein traurig zu sein. Was ist wohl passiert? Wieso ist er so unglücklich? Hat er seine Arbeitsstelle verloren oder ist vielleicht seine Frau verstorben?

Glück findet sich nicht nur im Beruf, sondern auch im privaten Umfeld. Viele Menschen finden in ihrem privaten Glück die absolute Erfüllung. Sei es in einer harmonischen Partnerschaft oder einer Familie. Aber auch Single-Menschen können privates Glück erfahren. Der Kabarettist und Sachbuchautor beschreibt das private Glück ganz allgemein als die Freude, die wir in Gemeinschaft empfinden. Freunde kennen uns wie unsere Westentasche, können uns in schwierigen Situationen wieder auf die Beine stellen oder uns den rechten Weg weisen, wenn wir die Orientierung verloren haben. Wichtig ist aber auch sich nicht von anderen abhängig zu machen, erklärt von Hirschhausen. Wer nur auf den „doofen Prinz auf dem weißen Roß“ wartet, der verpasse das Glück. Das aktive Handeln ist der Ausgang des Menschen aus seinem selbstverschuldeten Unglücklichsein.

Der Mann läuft weiter und, so schwer mir es fällt dies einzugestehen, ich fühle mich glücklicher bei seinem Anblick. Nicht, dass jemand mich falsch versteht: Sein Unglück macht mich nicht glücklicher. Auf keinen Fall! Was mich glücklicher macht ist eher der Vergleich von meinem derzeitigen Gefühl mit dem des Mannes. Er ist unglücklich und verglichen mit ihm bin ich nicht unglücklich. Ich bin glücklich! - oder zumindest bin ich glücklicher als er. Wir können also festhalten: Was uns glücklich macht ist der Vergleich. Glück kommt durch den Unterschied von Glück und Unglück. Es kann keiner einen dauerhaften Glückszustand empfinden, da etwas dauerhaftes nicht registiert wird. Es ist einfach da. Durch den Vergleich mit anderen oder einem vorhergegangenen Zustand, wird die Differenz errechnet und der Zustand von Glück und Unglück erfahrbar. Ein Kind, das in Afrika in Armut lebt ist nicht weniger glücklich als ein in Wohlstand lebendes Kind in Europa. Beide kennen nur den jeweiligen Zustand, da all die Kinder ihres Umfeldes den gleichen Zustand genießen. Vertauschen wir jedoch die Positionen, so sieht es ganz anders aus. Das arme Kind in Europa ist unglücklich und wünscht sich den Wohlstand der anderen Kinder. Das wohlhabende Kind in Afrika ist glücklich über den Wohlstand, doch ist es nun nicht mehr wie die anderen Kinder und lebt vermutlich in der Stadt, wo es wieder unter Gleichgesinnten aufwächst.

But, es ist nicht nur das Glück im Vergleich zu anderen, das uns das eigene Glück empfinden lässt. Es ist auch die Endlichkeit dieser Momente. Erinnern wir uns an „Sea Soldier“. Er empfindet unter Wasser seine höchste Glückseligkeit. Da er jedoch kein Fisch, sondern ein Landwirbeltier ist, benötigt er als solcher O2 und muss an Land kommen. Er schwelgt also nicht dauerhaft in diesem Glückszustand. Würde dieser jedoch dauerhaft anhalten, so könnte „Sea Soldier“ nicht mehr sagen wann er glücklich und wann er nicht so glücklich ist. Glück benörigt also den Kontrast.

Nachdenklich komme ich aus meinen Gedanken zurück in die Realität des Wohnzimmers. Noch immer halte ich „Hectors Reise“ in meinen Händen. Worum geht es in diesem Buch den eigentlich? Wie sucht denn Hector sein Glück? Ich glaube in den nächsten Stunden will ich Hector begleiten, denn vielleicht weiß er ja mehr was „Glück ist...“. Ich weiß nur, dass Glück bestimmt kein rosarotes Marzipanschwein in Plastiktütchen ist, das sich beim Drogeriemarkt Müller für weniger als einen Euro zu kaufen gibt. Das Glück ist...


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