Gentechnik
in der Medizin
Als
Beispiel Gerinnungsfaktor für Hämophiliekranke
Normalerweise
stillt sich eine Blutung, wenn man sich zuvor geschnitten hat nach 5-10
Minuten, weil das Blut in der Wunde gerinnt, sich die Wunde verschließt und der
Heilprozess anfängt. Doch bei Menschen, die an Hämophilie der sogenannten
Bluterkrankheit leiden, ist dies nicht der Fall. Hier fehlen die körpereigenen
Eiweiße, die Blutgerinnungsfaktoren. Weil dem komplexen Blutgerinnungssystem
ein Blutgerinnungsfaktor vollständig oder teilweise fehlt und die Blutgerinnung
nur in Einwirkungen von den Blutgerinnungsfaktoren ablaufen kann, wird das
Blutgerinnungssystem bedeutend in seinem Ablauf gestört. Dadurch gerinnt das
Blut erst nach circa zwanzig Minuten, was bei großes Wunden lebensgefährlich
sein kann. Dieses Erbmerkmal ist auf ein einzelnes defektes oder nicht
vorhandenes Gen zurückzuführen. Es handelt sich in 80-85% aller Fälle meistens
um den Blutgerinnungsfaktor VIII (Hämophilie A) und in 15-20% aller Fälle um
den Blutgerinnungsfaktor IX (Hämophilie B). Dabei kann man beide Formen der
Hämophilie in verschiedenen Schweregraden unterscheiden, welches auch davon
abhängig ist, ob ein vollständiger oder teilweiser Mangel an dem
Blutgerinnungsfaktor vorliegt. Die Gerinnungsfaktoraktivität bei einem
gesunden Menschen liegt bei
70-120%,
sodass man bei 0-1% Aktivität zwischen einer schweren, bei
1-5%
zwischen einer mittelschweren und bei 5-25% zwischen einer milden Form der
Hämophilie unterscheidet. Die fehlenden Faktoren können entweder aus
Blutkonserven gewonnen oder gentechnisch hergestellt werden.
Das
aus den Blutkonserven gewonnene Gerinnungsmittel brachte aber oft gefährliche
Viren mit sich, wodurch fast alle Hämophilie Patienten vor 1986 mit
Gelbsucht-Viren infiziert wurden. In den 80er Jahren wurde dadurch jeder fünfte
Patient in der Schweiz mit dem HIV-Virus infiziert, woraufhin viele von ihnen
starben. Noch vor 40 Jahren gab es gar keine Möglichkeit diese Krankheit zu
behandeln. So litten schon Patienten im Kindesalter unter starken und vor allem
sehr schmerzhaften Blutungen typischerweise in Gelenken und Muskeln. Die
Gelenkblutungen hatten eine Schädigung oder eine vollständige Zerstörung der
Gelenke zur Folge, wodurch die Patienten meist zu Schwerstbehinderten wurden
und meist früh an den Folgen von der Krankheit starben. Die Muskelblutungen
führten meist zu Muskelschrumpfungen, wodurch Gelenkfehlstellungen und
Druckschäden benachbarter Nerven hervorgingen konnten. Die Hämophilie ist bis
heute nicht heilbar, dafür besteht aber die Möglichkeit die 4000-6000 in
Deutschland erkrankten Patienten gentechnisch zu behandeln, wodurch es möglich
ist, mit wenigen Einschränkungen wie ein gesunder Mensch zu leben und ein
normales Berufs- und Alltagsleben zu führen.
Herstellung
des Gerinnungsfaktors VIII mit gentechnischen Methoden
Als
erstes muss das Gen von Faktor VII also die Erbinformation zum Faktor VIII
aufgestöbert werden. Anschließend wird die DNA von Forschern aus Menschenzellen
gewonnen. Die DAN (Desoxyribonukleinsäure) ist ein 2 Meter langes und spiralig
gewundenes Riesenmolekül, das die gesamte Erbinformation eines Lebewesens
enthält. Sie ist in 23 Chromosomen vorhanden. Diese 23 DAN-Fäden sind viel zu
lang, um mit ihnen arbeiten zu können. Deshalb müssen sie in handlichere Stücke
zerschnitten werden, wobei spezielle Eiweiße nämlich die Schneidenzyme helfen.
Aus diesen zahlreichen DAN-Stücken müssen nun diejenigen herausgesucht werden,
in denen auch das gesuchte Gen für den Faktor VIII vorhanden ist. Dabei helfen
die sogenannten Gensonden, die bei dem Aufspüren des gesuchten Gens helfen. Um
fortzufahren wird ein umgebautes Minichromosom benötigt, welches vorher aus
Bakterien gewonnen wurde und aus einem ringförmigen Abschnitt (auch Plasmid
genannt) DANN besteht.
Auf
diesem Minichromosom befindet sich eine Markierung, die dort vorher radiaktiv
oder chemisch versehen wurde und mit deren Hilfe man erkennen kann, ob in
diesem Minichromosom das gesuchte Gen vorhanden oder nicht vorhanden ist. Das
Minichromosom wird mit einem Schneideenzym aufgeschnitten und das gewünschte
Gen eingefügt. Damit der Ring auch wieder verschlossen wird, wird ein
Klebeenzym, ein Eiweiß verwendet. Diese Aufgabe übt das Klebeenzym auch in
allen anderen Zellen aus. Nach diesem Vorgang ist das Minichromosom für die
Transplantation in die Zellen fertig, die dann den fehlenden Faktor VIII
produzieren sollen. Anschließend werden die transplantierten Minichromosome in
Hamsterzellen eingeschleust *. Die Zellen, die den Faktor VIII in besonders
zahlreicher Menge produzieren werden ausgewählt. Anschleißend werden die
auserwählten Zellen werden vermehrt, zuerst in kleinen Gefäßen, dann ich großen
Mengen. Dabei produzieren die Zellen ununterbrochen das gewünschte Eiweiß, den
Faktor VIII. Doch da dieser sich noch in einem Gemisch von anderen Eiweißen und
Kohlenhydraten befindet, muss er zuvor gereinigt werden. Nach mehreren
Reinigungsschritten ist am Schluss ein sauberer Gerinnungsfaktor VIII
vorhanden. Dieser wird dann zum Medikament aufbereitet und abgefüllt.
Somatische
Gentherapie
Die
Gentherapie wurde im Jahre 1990 aus dem Bereich der Versuchsstadien und
Tierversuche zum Anwendungsbereich beim Menschen verschoben, welches in den USA
geschah. Damals wurden zwei Kinder, die an der äußerst seltenen Erbkrankheit
der Adenosin-Deaminase-Defizient (ADA-Mangel). Diese Krankheit betrifft das Immunsystem,
wodurch jede Infektion für den Betroffenen fatale oder sogar tödliche Folgen
haben kann. Ein Mangel des Enzyms hat den Zusammenbruch des Zellstoffwechsels
mancher weißer Blutkörperchen, die eine große Rolle in dem Immunssystem
spielen, zur Folge. Doch als die erste Gentherapie durchgeführt wurde, stellten
sich viele zunächst einmal die Frage, was dies eigentlich überhaupt sei.
Ein Gen ist
ein Abschnitt auf der DANN, unserer Erbinformation. Dieses Gen ist für ein
Genprodukt zuständig* (codiert), das in der Regel ein Protein ist. Zum Beispiel
ist wie oben erwähnt das Gen für den Blutgerinnungsfaktor VIII codiert für das
Protein Faktor VIII. Weist dieses Gen jedoch einen Defekt
auf, so wird kein oder ein fehlerhafter Faktor VIII gebildet, wodurch der Betroffene
unter der Bluterkrankheit (Hämophilie) leidet. Nur der Ersatz des defekten
Gens könnte in Form von einem einwandfreiem Gen die Ursache dieser Erbkrankheit
beheben. Also ist die Gentherapie eine Korrektur auf der DANN- oder Gen-Ebene.
Heutzutage versteht man darunter die Einschleusung von zusätzlicher DANN in
Körperzellen mit dem Ziel einer therapeutischen Behandlung.
Es gibt zwei
Arten der Gentherapie: Da ist zum einen die Keimbahntherapie, bei der die DANN
in den Keimzellen (die Zellen, aus denen Eier und Spermien hervorgehen) durch
eine Genübertragung verändert wird. Da die erfolgte Genkorrektur weitervererbt
wird, ist diese Form der Gentherapie in Deutschland verboten. Die zweite Art
der Gentherapie nennt man somatische Gentherapie, wo bestimmte Zeilzellen des
Körpers durch einen Gentransfer auf der DANN-Ebene verändert werden. Als
somatische Zellen werden alle Zellen des Körpers außer den Keimzellen
bezeichnet. Daher ist bei der somatischen Gentherapie die genetische
Veränderung nicht auf die Nachkommen des Betroffenen übertragbar. Die
somatische Gentherapie kann somit mit einer Organ- oder Gewebetransplantantion
verglichen werden.
Es gibt zwei
Formen der Behandlungsform:
1. Die ex
vivo Gentherapie (auch in vitro Gentherapie genannt)
2.
Die in vivo Gentherapie
Außerdem
wird als spezielle Anwendung noch die Antisene Therapie angewandt.
Eines der
Hauptprobleme in der Gentherapie stellt die Genübertragung dar. Man stellt sich
die Frage, wie das korrekte Gen die korrekturbedürftigen Zellen in unserem
Körper erreicht. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten, von denen diese am
meisten angewandt werden:
1.
Gentransfer durch Viren, die das Gen wie eine Fähre überträgt
2.
Gentransfer durch Lipomosen, welches kleine Fettkügelchen sind, in denen das
therapeutische Gen eingepackt ist und die dann von den Zellen aufgenommen
werden/mit dem Zellmembran verschmelzen
Weitere
Methoden:
Virale
Vektoren:
Viren dringen in Zellen ein und lassen ihr Genom (Erbgut) von zelleigenen
Maschinen ablesen
Direkter
Transfer durch
Mikroprojektile (auch Schrotschuss genannt): Zelle wird mit Kügelchen aus Gold-
oder Wolframpartikeln (Durchmesser 1 µm) beschossen , dessen Oberfläche man
mithilfe von Calcium-Phosphat-Ausscheidung mit einer dünnen DANN-Schicht
versehen hat.
Elektroporation: es werden
kurze elektrische Impulse auf Zellen, die sich in DANN-haltigen Lösungen
befinden verabreicht. Deshalb bilden sich von Poren in der Zellmembran, durch
diese dann die DANN in die Zelle eindringen kann.
Zufügen der
DANN als
Ausfällung mit Calcium-Phosphat, wodurch die DANN-Aufnahme in Zellen begünstigt
wird, da fast gar keine Zellen das fremde Gen in ihr eigenes Genom
selbstständig einbauen können.
Mikroinjektion:
Mithilfe einer feinen Glasnadel wird die DANN in den Kern verabreicht. Diese
Methode ist sehr effizient, dafür auch sehr aufwendig.
Beim ex vivo
Verfahren werden die Zielzellen zunächst einmal aus dem Organismus isoliert.
Anschließend werden diese Zielzellen in Zellkultur mit dem gewünschten Gen
transfiziert. Das heißt, die gewünschte DANN wird in die Zelle eingebracht. In
folge dessen werden die Zielzellen wieder in den Organismus reimplantiert. Die
ex vivo Gentherapie wird nur bei Zellen angewendet, die aus dem Körper leicht
isolierbar sind und in ausreichenden Mengen gezüchtet werden können.
Bei der in
vivo Gentherapie werden dem betroffenen Patienten keine Zellen entnommen,
sondern die gentechnische Veränderung findet im Organismus des Patienten statt.
Als Vektoren (Krankheitsüberträger) wird hier besonders das Adenovirus (bei
Cystischer Fibrose) oder der Transport des therapeutischen Gens durch Liposomen
verwendet.
Bei dem
Transport durch den Adenovirus wird zuerst das therapeutische Gen in den Virus
eingefügt, dieses dann gentechnisch soweit abgeschwächt wird, dass es nicht
mehr krankheitsübertragend ist, bevor es dem Patienten appliziert* wird. Die in
vivo Gentherapie dient ebenso der Behandlung von Krebserkrankungen und anderen
Erbkrankheiten wie z.B. cystischen Fibrose.
Bei der
Methode des Gentransportes durch Liposomen wird das therapeutische Gen in
winzige Fettkügelchen (Liposomen) verpackt.
Da die
Zellen das Bedürfnis haben, diese Liposomen aufzunehmen, befindet sich dann das
therapeutische Gen im Zellinneren. Liposome werden von einer Vielzahl verschiedener
Zellen aufgenommen, deshalb muss dort noch die spezielle Art für die Zielzellen
gelöst werden. Diese Methode wird besonders bei der cystischen Fibrose
angewendet.
Bei der
Antisense-Therapieform wird versucht, den Abruf der genetischen Fehlinformation,
zum Beispiel eine Mutation in einem Gen, das in der mutierten Form dann Krebs
erzeugt, zu verhindern. Daher wird bei dieser Methode ein anderer Schwerpunkt
als bei der ex vivo und der in vivo Methode gesetzt, bei denen es darum ging
ein gesundes für ein krankes Gen einzubringen. Der
Informationsverarbeitungsstopp findet bei der Antisense-Methode durch umsetzen
der genetischen Information im Protein statt. Ein bestimmtes nicht korrektes
Zielprotein kann dann entweder überhaupt nicht mehr oder nur noch stark
reduziert gebildet werden. Diese Methode ist auch besonders in der
Krebstherapie vertreten. Wenn ein Tumor zu seinem Wachstum bestimmte Proteine
als Wachstumsfaktor benötigt, könnte man gerade diese durch die
Antisense-Methode in ihrer Produktion hemmen, und so den Tumor aushungern
lassen. Die Antisense-Methode ist daher besonders sinnvoll, wenn nicht korrekte
Proteine, also ein Überschuss von gewissen tumorfördernden Proteinen von ihrer
Bildung abgehalten werden sollen.
Anwendungsgebiete
für die somatische Gentherapie:
ADA-Defizienz
Akute
myeloische Leukämie
AIDS
Arteriosklerose
Cystische
Fibrose
Fabry-Syndrom
Gaucher-Krankheit
Hämophilie A
und B
Hypercholesterinämie
Lungenemphysem
durch AAT-Mangel
Osteoporose
Parkinson-Syndrom
Sichelzellanämie
Verschiedene
Krebsarten
Literaturverzeichnis:
^in^der^Medizin
)
Buch: “Grundzüge der
Gentechnik” verfasst von M. Regenass-Klotz (1998)