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Interpretation
Deutsch

Universität, Schule

Hebel-Gymnasium Lörrach

Note, Lehrer, Jahr

Note 2, 2014

Autor / Copyright
Albert W. ©
Metadaten
Format: pdf
Größe: 0.08 Mb
Ohne Kopierschutz
Bewertung
sternsternsternsternstern_0.75
ID# 49786







Inhalt: Die Inter­pre­ta­tion bietet eine detail­lierte Analyse zweier Gedichte, die sich mit der Bezie­hung zu Gott ausein­an­der­set­zen. Sie beleuchtet die kontras­tie­renden Perspek­tiven von Eichen­dorff und Bach­mann auf Natur und Entfrem­dung, was für Leser, die sich für Lite­ra­tur­ver­gleiche inter­es­sieren oder ein tieferes Verständnis dieser Werke suchen, von großem Wert ist.
#Gedichtanalyse#Naturmetaphern#Lyrisches_Ich

"Stimmen der Nacht"(Eichendorff) und
"Entfremdung" (Ingeborg Bachmann)

Gedichvergelich

 

In Joseph von Eichendorffs 1841 geschriebenem Gedicht „Stimmen der Nacht“  geht es um die Tageszeiten, um die Nacht, um genauer zu sein, während es in Ingeborg Bachmanns zwischen 1948 und 1953 entstandenem Gedicht „Entfremdung“ um die Entfremdung von der Natur geht. Meiner Meinung nach geht es in beiden Gedichten um die Beziehung zu Gott, in Eichendorffs „Stimmen der Nacht“ um die Verbindung zu Gott, in Bachmanns „Entfremdung“ um die Entfremdung von Gott. Aus diesem Grund wird dies mein späterer Vergleichspunkt sein. Eichendorff beschreibt in seinem Gedicht die Nacht und ihre Auswirkungen. Er beschreibt die Einsamkeit, wie Tiere wegen Geräuschen erschrecken und  den Wind, mit dem Gott über das Land zieht. Der Titel des Gedichts gibt hierbei nur wenig über das Gedicht preis. Das Gedicht ist aus drei Strophen mit jeweils vier Versen aufgebaut. Die Verse sind durch Kreuzreime miteinander verbunden (vgl. „Felder“-Wälder“; „freut“-„Einsamkeit“, V. 1-4). Als Metrum hat Eichendorff eine Mischung aus Trochäus und Daktylus. Das lyrische Ich beschreibt bis auf den Teilsatz, dass es erfreut ist, ausschließlich die Nacht, es handelt nicht und blickt deshalb von außen auf das Gedicht herab, schiebt aber jenen bereits erwähnten Teilsatz „O wie mich das freut“ (V. 2) ein. Ein lyrisches Du existiert nicht. Die Sprache ist bildhaft und eher einfach gehalten, um die Idylle und den Einklang in ihr zu beschreiben.

Der einsame Mann betrachtet nachdenklich den sternenklaren Nachthimmel inmitten einer ruhigen Landschaft.
Der einsame Mann betrachtet nachdenklich den sternenklaren Nachthimmel inmitten einer ruhigen Landschaft.

Eichendorff verwendet bereits im ersten Vers Metaphern: „Weit tiefe, bleiche, stille Felder“ (V.1). Diese verwendet er, um die Nacht zu charakterisieren. Diese Metaphern sind gleichzeitig Personifikationen, denn ein Feld kann nicht still sein und nicht bleich sein. Man kann sagen, dass die komplette erste Strophe eine Lobeshymne auf die Nacht ist, auf ihre Pracht und Stille. Dies kann man in Vers drei erkennen als das lyrische Ich „alle, alle“ (V.3) ausruft. Diese Anapher beschreibt die Freude des lyrischen Ichs. Ebenfalls wird die Freude durch die Klänge beschrieben, die hellen I-Klänge sollen das Glück symbolisieren. Strophe zwei beschreibt nun die Störung der Idylle durch das Läuten der Stadtglocken („Aus der Stadt nur schlagen die Glocken“, V. 5). Das schlafende Reh hebt daraufhin kurz den Kopf, schläft aber sofort wieder ein („Ein Reh hebt den Kopf erschrocken und schlummert gleich wieder ein“, V 7-8). Hier fällt die Inversion in Vers sieben auf („hebt den Kopf erschrocken“, V. 7), die Eichendorff nicht nur wegen des Kreuzreimes verwendet hat, sondern auch wegen des Schreckmoments und um die Entspannung in Vers acht stärker darzustellen. Ebenfalls sehr markant ist an dieser Strophe, dass Vers sechs, der zweite Vers aus Strophe zwei, nur aus vier Worten besteht: „Über die Wipfel herein“ (V. 6). Die häufigen Assonanzen mit „U“ und „O“ beschreiben die Störung bildhaft. In Vers drei beschreibt Eichendorff nun die Verbindung zu Gott („Denn der Herr geht über die Gipfel“, V.11) und stellt damit noch einmal klar, dass die Natur hier stellvertretend für Gott gesehen werden kann. Es wird nochmal eine Metapher mit dem Wort still gemacht: „Und segnet das stille Land:“ (V.12). Dadurch bekommt das Gedicht eine runde Form, da bereits am Anfang eine Metapher mit dem Adjektiv „still“ niedergeschrieben wurde. Das lyrische Ich nutzt die Nacht, um ohne große Störungen mit der Natur verbunden zu sein und damit auch um mit Gott verbunden zu sein.

Die Sätze sind parataktisch angeordnet, es gibt  keine untergeordneten Sätze bzw. Satzteile. In Vers eins verwendet Eichendorff eine Ellipse und lässt in den Versen 3-4 das Prädikat aus: „Über alle, alle Täler, Wälder/Die prächtige Einsamkeit!“ (V. 3-4). Dies betont wie auch die bereits erwähnte Anapher in Vers drei die Freude des lyrischen Ichs über die Stille der Natur. Das unterschiedliche Metrum mit Daktylus und Trochäus verändert sich im Laufe des Gedichts. Zu Beginn ist hauptsächlich ein Trochäus verwendet, am Ende ein Daktylus. Erkennbar ist dies an den Betonungen, in Strophe eins eine Mischung aus drei und fünf Betonungen („Weit tiefe, bleiche stille Felder-/O wie mich das freut“, V. 1-2), in Strophe drei nur noch drei Hebungen („Der Wald aber rühret die Wipfel/Im Schaf von der Felsenwand“, V. 9-10), was daran liegt, dass in Strophe drei nur noch Daktylen verwendet wurden. Die Veränderungen im Metrum und in den Betonungen sollen die Verbundenheit mit Gott betonen, die im Lauf des Gedichts eintritt.

Im Gegensatz zu Eichendorff benutzt Bachmann in ihrem Gedicht weder gleich lange Strophen noch ein Reimschemata und auch kein Metrum. Der Titel des Gedichts („Entfremdung“, Überschrift) gibt viel über das Gedicht preis, denn Bachmann beschreibt in dem Gedicht die Entfremdung von der Natur, dass sie in den Bäumen keine Bäume mehr sieht (vgl. V.1) und das Gezwitscher der Vögel nicht mehr hört (vgl. V.7). Durch die Entfremdung zur Natur entfremdet sich das lyrische Ich, das bei Bachmann im Gegensatz zu Eichendorff im Mittelpunkt steht, auch von Gott, was der größte Unterschied zwischen den beiden Gedichten ist, die Verbindung mit Gott bei Eichendorff und die Entfremdung von Gott bei Bachmann. In Teil eins des Gedichts von Bachmann beschreibt sie, dass das lyrische Ich die Natur nicht mehr als das wahrnimmt, was sie eigentlich ist, die Bäume als Bäume (vgl. V.1), die Früchte als sättigend (vgl. V.3-4), nicht einmal mehr die Wiese als Rückzugsort, als Bett (vgl. V.8). Zweimal fragt sich das lyrische Ich in diesem Teil, was in der Zukunft passieren wird. In Teil zwei stellt sich das lyrische Ich die Frage, ob es sich der Natur und damit auch den Menschen und Gott wieder nähern soll: „Soll ich mich aufmachen, mich allem wieder nähern?“ (V.13). In Vers vierzehn beantwortet es diese Frage aber bereits selbst, indem es sagt, es könne „in keinem Weg mehr einen Weg sehen“, V.14. Dadurch verbaut es sich den Ausweg aus der Entfremdung.

Bachmann verwendet kein Metrum. Dies verdeutlicht den Bruch mit der Natur und die Entfremdung von ihr. Sie benutzt keine Metaphern oder sonstige bildhafte Stilmittel, sondern arbeitet mit Antithesen („In den Bäumen kann ich keine Bäume mehr sehen.“, V.1) und Oxymora („Ich bin satt vor der Zeit/und hungre nach ihr.“, V.9-10). Das Oxymoron in den Versen neun und zehn beschreibt eine Leere, die das lyrische Ich wahrnimmt, aber nicht wahrhaben möchte.  Das Gedicht bekommt gleich wie „Stimmen der Nacht“ eine runde Form, da die Verse am Anfang und Ende des Gedichts ähnlich aufgebaut sind („In den Bäumen kann ich keine Bäume mehr sehen.“, V.1-„Ich kann in keinem Weg mehr einen Weg sehen.“, V.14). Diese beiden Sätze sind teilweise Parallelismus, teilweise Chiasmus. Bei Bachmann sind die Sätze mit einer Ausnahme in dem zweiten Vers genau wie bei Eichendorff parataktisch. Bachmann verwendet allerdings keine Ellipsen, dafür stellt ihr lyrisches Ich aber zweimal die rhetorische Frage: „Was soll nur werden?“ (V.5 und V.11) und stellt sich die Frage, ob es sich den Menschen, der Natur und Gott wieder nähern soll (vgl. V.13). Die Unregelmäßigkeiten im Gedicht, sprich das fehlende Metrum, das fehlende Reimschema und die ungleichmäßig langen Verse sollen die Trennung von der Natur und damit von Gott darstellen.

Eichendorffs lyrisches Ich erfreut sich an der Natur, an seinem Verhältnis und an seiner Verbindung zu ihr und damit zu Gott, während Bachmanns lyrisches Ich die Einsamkeit vorzieht und keine Verbindung zur Natur oder zu Gott eingehen möchte.

Aus diesen Gründen ist der größte Unterschied zwischen den beiden Gedichten von Eichendorff und Bachmann die Verbindung bzw. die Entfremdung von Gott.


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