Gedichtsvergleich
Ich
habe zwei Gedichte vorliegen, die beide aus der Zeit des frühen
Expressionismus stammen. Das erste Gedicht heißt „Punkt“ und
das andere Gedicht heißt „Weltende“. Das Gedicht „Punkt“
wurde von Alfred Lichtenstein im Jahre 1913 geschrieben. Das Gedicht
thematisiert etwas Abschließendes (einschlafen), was aber auch das
Ende von etwas bedeuten kann (Tod). Das andere Gedicht „Weltende“
wurde im Jahre 1911 von Jakob von Hoddis geschrieben. Es thematisiert
das Ende der Welt(Tod). Im
Folgenden werde ich das Gedicht „Punkt“ analysieren. Anschließend
möchte ich dieses Gedicht mit dem Gedicht „Weltende“
vergleichen.
In dem
Gedicht „Punkt“ ist Chaos auf den Straßen einer Stadt, damit
wird eine Anstrengung auf das lyrische Ich dargestellt. Es wird auf
den Zerfall hingewiesen. Zudem kündigen Krankheiten den baldigen Tod
des lyrischen Subjekts an. Das Gedicht „Punkt“ verweist auf das
baldige Ende des lyrischen Subjekts. Gekennzeichnet wird diese
Ankündigung des Todes durch die häufige Benutzung von Metaphern und
negativen und tragischen Wörtern. Das Gedicht hat zwei Strophen mit
jeweils vier Versen. Das Reimschema ist ein durchgehender Jambus der
5- hebig ist und 10 Silben pro Vers hat. Dieser hat männliche
Kadenzen. Dadurch wirkt es extrem strukturiert, einheitlich,
ordentlich, absehbar und nichts Unerwartetes wird symbolisiert. In
der inhaltlichen Struktur kann man zwei verschiedene
Ansichtsperspektiven erkennen. Bei der ersten Perspektive geht es in
der ersten Strophe um die Probleme / Krankheiten des lyrischen Ich,
die genannt werden (Prozess des Zerfalls des lyrischen Ich wird
dargestellt). Das ist die Vorbereitung auf die zweite Strophe. In der
zweiten Strophe geht es dann um die Endgültigkeit des Todes / des
Zerfalls. Die zweite Perspektive auf das Gedicht ist ein bisschen
anders. Dort werden zwei motivische Gedanken zusammengeführt, die
Großstadt und das kranke Individuum. Diese Verbindung der Motive
wird durch die Einwirkung der Stadt auf das Individuum dargestellt.
Die Überschrift hat etwas mit dem Inhalt zu tun. Die Überschrift
„Punkt“ kann verschiedene Bedeutungen haben. Es kann ein
Abschluss sein. Also z.B. ein Satz, der zu Ende ist. Außerdem kann
„Punkt“ die Welt darstellen und dieses könnte das Ende bedeuten.
Wenn man einen Punkt ausmalt, kann es auch als Kreis gesehen werden.
Der Kreis ist geschlossen. Da er geschlossen ist, endet er nie und es
kommt zur ewigen Wiederholung. Der Inhalt wird verdeutlicht durch
reichliche, sprachliche und stilistische Mittel. In der ersten
Strophe gibt es viele Personifikationen und Metapher. Eine
Personifikation ist zum Beispiel „Straßen fließen
lichterloh“(Str.1; V.1). Durch diese Personifikation wird die Stadt
lebendig gemacht. Das ist an dieser Stelle aber nichts Gutes, da die
Stadt an sich schon genug von Menschenmassen überfüllt ist. Mit
dieser Personifikation wirkt die Stadt noch mehr auf die Menschen
ein, die in der Stadt leben. Im zweiten Vers die Metapher
„erloschener Kopf“ (Str.1; V.2) bedeutet so viel wie
Kopfschmerzen. Diese könnten durch den Lärm der Stadt verursacht
worden sein. Eine weitere Metapher „Dornrosen meines Fleisches“
(Str.1; V.4) ist in der ersten Strophe zu finden. Diese Metapher
drückt die Schmerzen des lyrischen Subjekts aus, welches diese
ertragen muss. In diesem Vers ist ebenfalls die Personifikation
„Dornrosen…stechen“ (Str.1; V.4) zu finden. Diese
Personifikation bringt ebenfalls Schmerzen. Außerdem gibt es in der
ersten Strophe besondere Wörter, die diese Sachverhalte
unterstützen. Eines ist zum Beispiel das Wort „deutlich“ (Str.1;
V.3). Dieses verstärkt die Aussage davon, dass das lyrische Subjekt
dem Ende nahe ist. Das Wort zeigt somit, dass es nicht nur ausgedacht
ist, sondern ernst wird und etwas am Ende stirbt. Außerdem befinden
sich in der ersten Strophe verschlüsselte Wörter. Eines davon ist
„wüsten“(Str.1; V.1). Dieses Wort heißt chaotisch, trocken und
leer. In diesem Zusammenhang heißt es so viel wie, dass die Straßen
chaotisch sind. Das heißt wiederrum, dass die Straßen sehr voll
sein müssen, denn sonst würde kein Chaos herrschen. Das zweite Wort
heißt „lichterloh“(Str.1; V.1). Die Bedeutung des Wortes ist
grelles, helles und lebendiges Fließen. In dem Zusammenhang des
Gedichtes heißt die Bedeutung des lebendigen Fließens die Bewegung.
Das heißt, dass die Straßen immer in Bewegung von den Menschen
gehalten werden. Die erste Strophe wirkt düster, trostlos und
erschöpft (weil das lyrische Subjekt vergeht). Das Gedicht gehört
umgangssprachlich in diese Zeit. Es gibt sehr kurze Hypotaxen und
Parataxen. Es ist sachlich und unkompliziert geschrieben. In der
zweiten Strophe sind ebenfalls sprachliche und stilistische Mittel zu
finden. Ein Vergleich ist „Das Herz ist wie ein Sack“ (Str.2;
V.3). Bei diesem Vergleich wird ein echtes Herz mit einem einfach
unlebendigen Sack verglichen. Dieser Vergleich könnte bedeuten, dass
das Herz langsam aber sicher aufhört zu schlagen und somit zu einem
unlebendigen Gegenstand (wie z.B. der Sack) wird. Im selben Vers
befindet sich noch eine Metapher „Das Blut erfriert“ (Str.2;
V.3). Diese Metapher könnte bedeuten, dass das Blut nicht mehr
fließen kann. Das hat die Folge, dass das lyrische Subjekt stirbt.
In der zweiten Strophe gibt es wie auch bei der ersten Strophe viele
Besonderheiten. Wie z.B. die ausdrucksstarke Wortgruppe „Die Augen
stürzen ein“ (Str.2; V.4). Diese extreme Wortgruppe sagt aus, dass
das lyrische Subjekt nun Tod ist. Verschiedene ausdrucksstarke Wörter
/ Wortgruppen verdeutlichen die negativen Gedanken und den
erschreckenden Untergang. Sie wirken düster und tragisch. Beispiele
dafür sind „erfriert“ (Str.2; V.3), „fällt um“ (Str.2; V.4)
und „stürzen“ (Str.2; V.4). Außerdem wird durch eine Inversion
(Str.2; V.2) „kriechend“ betont. Dadurch wird der langsame,
qualvolle, erdrückende und erschöpfende Prozess verdeutlicht. Das
lyrische Subjekt ist die Figur, die das Gedicht erzählt. Dabei
erzählt das lyrische Subjekt es nicht sachlich, sondern eher
emotional. Hinzu kommt, dass das lyrische Subjekt nicht eine
außenstehende Person ist, die es einfach nur erzählt, sondern es
spielt in diesem Geschehen eine besondere Rolle. Denn das lyrische
Subjekt ist das, was beim Ich – Zerfall stirbt. Das lyrische
Subjekt erzählt den Weg bis hin zu seinem Tod. Die erste Strophe
bezieht sich auf den Untergang des lyrischen Subjekts selbst. Das
kann man durch verschiedene Sätze wie „Ich fühle deutlich, dass
ich bald vergeh“ (Str.1; V.3) und „Dornrosen meines Fleisches“
(Str.1; V.4) festmachen. In der zweiten Strophe wird dann der Tod
verallgemeinert. Das kann man z.B. an „Welt fällt um“ erkennen.
Damit spricht das lyrische Subjekt von einem Ende, das jeden
irgendwann betrifft. Nach dem größten Teil der Analyse kann man
einige Beziehungen erkennen. Dazu gehört nicht die Form, da bei der
Analyse herausgekommen ist, dass das Gedicht extrem strukturiert,
einheitlich und ordentlich ist. Das ist bei dem Inhalt oder bei der
Sprache definitiv nicht der Fall. Eine Beziehung kann man aber
zwischen dem Inhalt und dem lyrischen Subjekt erkennen. Denn der
Inhalt sind die Gefühle (wie z.B. Schmerzen), die das lyrische
Subjekt ertragen muss. Außerdem gibt es noch eine Beziehung zwischen
dem lyrischen Ich und der Sprache, denn an der Sprache werden die
Gefühle des lyrischen Subjekts verstärkt dargestellt. Der Text des
Gedichtes sagt aus, dass alles irgendwann ein Ende hat. Dieser
Prozess wird durch die Urbanisierung und die Industrialisierung
beschleunigt. Hinzu kommt, dass durch die schlagartige Modernisierung
von kleinen Städten zu Großstädten auch den Leuten ebenso
geschadet worden ist. Dadurch wurden sie ebenso krank (wegen
Menschenmassen, Lärm, verdreckte Luft verursacht durch Abgase). Die
Deutungshypothese stimmt nach der Analyse weiterhin. Denn das Gedicht
sagt aus, dass das lyrische Subjekt am Ende stirbt.
Anders als in
dem Gedicht „Punkt“ nimmt das lyrische Subjekt in dem Gedicht
„Weltende“ eine ironisch – distanzierte Perspektive auf das
Lebensgefühl von den Menschen in dieser Zeit ein. Bei dem formalen
Vergleich zwischen dem Gedicht „Punkt“ und dem Gedicht „Weltende“
kann man viele Gemeinsamkeiten und Unterschiede erkennen. Eine
Gemeinsamkeit ist z.B. das beide Gedichte eine Überschrift mit nur
einem Wort haben. Ihre Entstehungszeit ist jedoch unterschiedlich.
„Weltende“ erschien 1911 und „Punkt“ 1913. Beide sind aus der
Zeit des frühen Expressionismus. Der Aufbau ist identisch. Beide
Gedichte haben zwei Strophen mit jeweils vier Versen. Bei dem Reim
gibt es wieder ein paar Unterschiede. Das Gedicht „Punkt“ hat in
der ersten Strophe wie auch der zweiten einen umarmenden Reim. Das
Gedicht „Weltende“ jedoch hat in der ersten Strophe einen
umarmenden Reim und in der zweiten Strophe einen Kreuzreim. Das
Metrum von „Punkt“ ist ein durchgehender fünfhebiger Jambus mit
männlichen Kadenzen mit zehn Silben pro Vers. Bei „Weltende“ ist
in der ersten Strophe ein fünfhebiger Jambus mit männlichen
Kadenzen und zehn Silben. In der zweiten Strophe hat der fünfhebige
Jambus weibliche Kadenzen mit 11 Silben pro Vers. Zusammenfassend
kann man dazu sagen, dass beide Gedichte weitgehend eine identische
Form mit Abweichungen im Reimschema und im Metrum (in Strophe zwei
von „Weltende“) haben. Ansonsten sind beide Gedichte sehr
strukturiert. Bei dem Vergleich über den Inhalt kann man als
allererstes viele Motive erkennen. Bei dem Gedicht „Punkt“ sind
es die Themen Stadt, Ich – Zerfall und Tod. Bei dem anderen Gedicht
„Weltende“ ist es das Thema Weltende (als Vorausahnung). Die
Stimmung / Atmosphäre bei dem Gedicht „Punkt“ ist eher düster,
kalt, persönlicher (individueller). Bei dem Gedicht „Weltende“
ist die Stimmung / Atmosphäre erschreckend, aber auch leicht,
sorglos und bedenklos. Die Atmosphäre / Stimmung von dem Gedicht
„Punkt“ wird durch viele verschiedene Wörter und Wortgruppen
erzeugt: „wüst“ (Str.1; V.1), „deutlich“ (Str.1; V.3),
„kriechend“ (Str.2; V.2), „verschimmelt“ (Str.2; V.1) und
„beschmiert“ (Str.2; V.2). Diese Wörter haben eine negativ
konnotierte Wortwahl. Bei dem Gedicht „Weltende“ wiederum wurden
z.B. Verniedlichungen wie „hupfen“ (Str.2; V.1) und „zerdrücken“
(Str.2; V.2) gewählt. Außerdem wurden in diesem Gedicht Sachen des
Alltags verwendet, die unter anderem wären: „der Sturm ist da“
(Str.2; V.1) und „Die meisten Menschen haben einen Schnupfen“
(Str.2; V.3). Dadurch wird eine Distanzierung ausgedrückt.
Meiner
Meinung nach hat sich das Lebensgefühl der Menschen aus heutiger
Sicht im Vergleich zu früher deutlich verbessert. Früher hatten die
Menschen ein eher negatives Lebensgefühl. Denn alles, was sie nicht
kannten, bereitete ihnen Angst, da sie keine Erklärung dafür
fanden. Durch die Jahrhundertwende und den Halley´schen Kometen
wurden die Weltuntergangsgedanken und andere negative Gedanken
beflügelt. 1910 kam der Halley´sche Komet der Erde ziemlich nahe.
In dieser Zeit waren die Menschen ziemlich aufgewühlt, wie es in dem
Gedicht „Weltende“ beschrieben wird. In dieser Zeit gab es noch
nicht die technischen Geräte, die diese Dinge / Phänomene
erforschen konnten. Heute leben wir in einer Zeit mit Technik. Diese
Technik nimmt den meisten Menschen die Angst vor dem, was sie nicht
kennen. Dadurch hat sich u. a. ein positives Lebensgefühl
entwickelt. Ich finde, dass das Gedicht „Punkt“ ausdrucksvoller
ist, da dort mehr mit sprachlichen und stilistischen Mittel
gearbeitet worden ist. Somit ist es aus meiner Sicht künstlerischer
gestaltet worden. Zudem kommt, dass der Inhalt z.B. durch einzelne
Wörter verstärkt wird. Einige Beispiele dafür wären „deutlich“
(Str.1; V.3), „kriechend“ (Str.2; V.2), „beschmiert“ (Str.2;
V.2), „fällt um“ (Str.2; V.4) und „stürzen ein“ (Str.2;
V.4). Durch die Besonderheiten und den sprachlichen als auch
stilistischen Mittel ist das Gedicht emotionaler als das andere
Gedicht. Die Aussagekraft beider Gedichte ist sehr stark. Das Gedicht
„Weltende“ hat auch eine gute Aussagekraft, die aber leider nicht
so sehr wie bei dem Gedicht „Punkt“ durch Sprache, Stil und
Atmosphäre verstärkt wird. Denn der Inhalt über den Ich –
Zerfall und den Tod bleibt eher im Kopf als bei dem Thema
Weltuntergang. Ein Grund könnte zum Beispiel sein, dass die
Umsetzung von Stil, Sprache und Atmosphäre besser ist und / oder das
Thema an sich interessanter erscheint