Für mich von
H.v.Hofmannsthal &
Das Wort von Stefan George
Gedichtvergleich
Das
Gedicht „Für mich“ von H.v.Hofmannsthal aus dem Jahr 1890, welches ich in
Vergleich zu dem Gedicht „Das Wort“ von Stefan George setzen will, handelt von
dem lyrischen Ich, dessen Weltansicht ihm ermöglicht, das Erkennen des wesenhaften
als Geschenk zu sehen, das allein ihm zu Teil wird. H. v. Hofmannsthal vertritt
in diesem Gedicht den Gedanken, dass allein der Dichter durch seine Lyrik
Zugang zur Welt hat, da ihm die Kraft der Imagination zu eigen ist.
Das
Gedicht besteht aus einer Strophe mit 20 Versen, die kein eindeutiges Reimschema
aufweisen. Auffällig ist der häufige Reim auf die Endsilbe –che. Das Gedicht
ist fortwährend im einem fünf-hebigen Jambus verfasst und weißt überwiegend
weibliche Kadenzen auf. Es kann als Rollengedicht verstanden werden, insoweit,
dass das lyrische Ich stellvertretend für den Autor selbst steht. Er äußert
durch das lyrische Ich seine subjektive Meinung, die ihn als Dichter über den
Rest der Menschen erhebt.
Das
Gedicht beginnt mit der Antithese: „Das längst Gewohnte, das alltäglich Gleiche,
Mein Auge adelts mir zum Zauberreiche“(v.1-2), die als zentrale Aussage zu
verstehen ist. Das lyrische ich beschreibt hier seine Überzeugung bezüglich
seiner Sicht, die es ihm ermöglicht im grauen Alltag die Fülle der versteckten
Wunder zu erfassen, die sich ihm in einer Schönheit von beinahe irrealen Ausmaß
offenbaren. Dies vergleicht er mit dem Bild eines „Zauberreiches“ (vgl.v.2) und
durch die vielen weiblichen Kadenzen wird diese Aussage unterstützt. Die
Personifikation, welche in der Antithese enthalten ist, verdeutlicht, betont
durch die Ich-bezogenen Wörter „Mein“ (v.2) und „Mir“ (v.2), dass es allein dem
lyrischen Ich möglich ist diese oben beschriebene Schönheit zu erkennen.
Das
lyrische Ich fährt mit der detaillierten Beschreibung der sich ihm offenbarenden
Dinge fort, wobei das Versmaß betont, dass allein ihm dieser Zugang möglich
ist, in dem es die Betonung immer auf die Worte „mich“ und mir „legt“. Mit mehreren
Personifikationen (vgl.v.3/v.4/v.5 und v.6) umfasst das lyrische Ich die Naturgewalten,
Pflanzen und Gestirne, die beispielhaft für die ganze Schöpfung stehen, welche
dem lyrischen Ich zu Füßen liegt. Dies wird zusätzlich durch die Anapher: „Für
mich“(v.3/v.4 und v.5) unterstrichen, sowie von der Inversion in den Zeilen
5-6.
Das
lyrische Ich stellt das Bild des stillen Teiches (vgl.v6) dem Bild des
grollenden Sturms (vgl.v.3)entgegen um noch einmal den Facettenreichtum der
sich ihm offenbarenden Schöpfung zu unterstreichen. Es wird deutlich, dass ihm
wirklich jeder Bereich zugänglich zu sein scheint. Der singende Sturm
(vgl.v.3),die rauschende Eiche (vgl.v.4),die sprechende Stirn (vgl.v.8) ist als
riesige Metapher zu sehen die verdeutlicht, dass alles Sprache ist, der man nur
zuhören muss um sie zu verstehen.
In den
Versen 7 und 8 spricht das lyrische Ich seine Fähigkeit an, selbst ins Innere
des Menschen zu blicken. So weisen ihm der „stumme Blick“(v.7) und die „schweigend
bleiche“(v.8) Stirn keine Schranken auf, sondern weisen ihm den Weg ins Innere
des Menschen, was auch durch die Personifikation: „Zu mir spricht die Stirn“
(v.8)veranschaulicht wird. Wie in einem offenen Buch liest er in der Seele des
Menschen (vgl.v.7).
Die
beiden darauf folgenden Verse beschreiben die Vorstellung des lyrischen Ichs
selbst über Traum und Wirklichkeit zu herrschen. Im Imperativ befiehlt es dem
Traum „Wirklichkeit“ zu sein (vgl.v.9) und der Wirklichkeit Traum zu sein (vgl.v.10)
und unterstreicht hierdurch die Allmacht des Dichters. Das Bild des Traumes
steht hier für Imagination und Fantasie, die allein dem Dichter zu eigen, die
ganze Welt in all ihrer Pracht darlegt.
Das lyrische
Ich fährt mit der Beschreibung des Wortes fort, dass „Andren“ (vgl.v11) als
unzulänglich erscheint, da es sich ihnen nicht, wie ihm selbst, einer flimmernd,
reichen Bilderquell (vgl.v.12) offenbart. Das lyrische Ich lässt sich von der
Benennung seiner Gefühle die ihm dadurch zum Eigentum werden (vgl.13) mitreißen
und auch nicht beschreibbare Emotionen reizen es (vgl.v.14). Es gerät in einen rauschhaften
Zustand in dem sich ihm unfassbar tiefe Welten auftun (vgl.v.17) die ihn mit
ihrer Pracht in Staunen und Ehrfurcht versetzen (vgl.v.18). Auch das Erwachen
aus diesem Rausch offenbart sich ihm als „süß“ (v.16) und „weich“(v.16).
Das
Gedicht endet, wie es angefangen hat, wodurch der Ring geschlossen wird und die
Vorstellung erzeugt wird, dass sich diese Offenbarungsprozesse immer wieder
ereignen und so das Leben des lyrischen Ichs bereichern.
In dem
Gedicht wird das Verständnis des Dichters als Bewahrer der Dinge vertreten,
dass den Dichter auf die Stufe eines Erwählten stellt. Hugo von Hofmannsthal
erkennt in dem Gedicht die Unfähigkeit des Menschen Worte durch Fantasie zum
Leben zu erwecken, sieht sich selbst aber als Dichter außen vor. In dem von ihm
verfassten „Brief des Lord Chandos an Francis Bacon“, der zwölf Jahre später
erscheint, geht seine Kritik auch auf die Grenzen der Sprache in der Literatur
über.
Hugo
von Hofmannsthal gewährleistet dem Leser durch sein Gedicht einen Einblick in
das Selbstverständnis der Dichter seiner Zeit, dass auch heute noch als gültig
verzeichnet werden kann. Ihm gelingt es ein Bild von Sprache zu erzeugen, das
die Qualität hat einer Sprachkrise entgegen zu wirken.
Setzt
man nun das Gedicht in Vergleich zu dem Gedicht „Das Wort“, welches 1919 von
Stefan George verfasst wurde und die Rolle des Dichters thematisiert, so fallen
Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede auf.
Stefan
George thematisiert die dichterische Kunst, die die Sprache zur reinen Essenz
der Dinge verdichtet. Das Gedicht „Das Wort“ besteht aus 7 Strophen mit je zwei
Zeilen und weist einen durchgehenden Paarreim auf. Es ist in einem vier-hebigen
Jambus verfasst. Den Traditionsbruch, der als Kennzeichen moderner Lyrik zu
sehen ist und durch den Sprache als Klang-und Bildmaterial verstanden wird,
findet sich hier in der durchgängigen Kleinschreibung und den Verzicht auf
Satzzeichen. Auch Hugo von Hofmannsthal bedient sich dieser Taktik in dem er
auf ein klares Reimschema verzichtet. Wie in dem Gedicht von Hugo von
Hofmannsthal steht das lyrische Ich Georges stellvertretend für seine Position
als Dichter und vermittelt seine subjektive Meinung.
Die
erste inhaltliche Parallele findet sich in dem Selbstverständnis der beiden Dichter
als Wortsucher und Wortschenker (vgl. H.v.H v.13-14 und S.G. V.1-4), doch während
das lyrische Ich in Hofmannsthals Gedicht Emotionen und Eindrücke, für die es
keine Worte findet als liebliche Verlockung sieht (vgl. H.v.H v.14), empfindet
George diese Unfähigkeit zur Wortfindung als traurigen Verzicht, durch den die nicht
beschreibbaren Emotionen verloren gehen (vgl.S.G.v.9-14).
Beide
Dichter stellen sich mit ihrer dichterischen Kraft über den Rest der Menschen
und sehen sich als Bewahrer und Vermehrer der Sprache (vgl.S.G.v.11-12 und
H.v.H. v.11-12). Ihnen allein ist es gegeben das wesenhafte der Dinge zu erkennen(vgl.S.G.v.6
und H.v.H.v.1-2).
Den stark
vertretenen Gedanken Georgs bezüglich der Verdichtung von Sprache zur reinen
Essenz (vgl.v.7-8) ist in Hugo von Hofmannsthals Gedicht nicht in diesem Maße
zu finden. Für ihn decken sich Sprache und Wesenhaftigkeit durch seine Kraft
der Imagination ohne Verdichtung. Dieser Unterschied findet sich auch in dem
Strophenaufbau der beiden Gedichte wieder: George erweckt durch seine
zweizeiligen Strophen, die jeweils ein Thema behandeln den Eindruck starker
Verknappung, während das Gedicht Hugo von Hofmannsthals aus einer einzigen
großen Strophe besteht, deren beschreibender Inhalt in aller Ausführlichkeit
vor dem Leser dargelegt wird.
Die
beiden Dichter unterscheiden sich in der Verwendung ihres metaphorischen
Schreibstils. Während sich Hugo von Hofmannsthal leichtverständlicher Metaphern
wie die der glühenden Rose (vgl.v.4)bedient, die wenig Interpretationsraum
lassen, wirkt Georges metaphorischer Schreibstil fast wie eine Dechiffrierung,
die einen unendlich großen Raum für Interpretation bietet. Die Dichter decken
sich in der Intention durch ihre Metaphern auszudrücken, dass alles Sprache ist
(vgl. S.G. v.1-2 und H.v.H. v.3 und v.8).
Als
Resümee des Textvergleichs ergibt sich, dass beide Dichter in der Auffassung
übereinstimmen, dass sie durch ihre dichterische Kraft Zugang zur Essenz der Worte
habe und dadurch die Rolle eines Sprachbewahrers zugeschrieben bekommen. Ein
klarer Unterschied findet sich in ihrer Auffassung des Verlusts bzw. Gewinns an
Emotionen, die sich nicht in Worte fassen lassen.
Beide
Gedichte entstanden zur Zeit der Sprachskepsis um 1900, die an den Grenzen von
Sprache verzweifelt, bestehend aus ihrer Unfähigkeit das Wesen der durch sie beschriebenen
Dinge zu erfassen.
Stefan
George und Hugo von Hofmannsthal veranschaulichen den Lesern durch ihre
Gedichte ihre Auffassung der Rolle eines Dichters, der durch das Erfassen der
Dinge bei ihrem Wesen etwas schafft, das zeitlos den Menschen in seinem Innersten
berührt.