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Interpretation

Gedicht­ver­gleich: `Für mich` von H.v.Hof­manns­thal und `Das Wort` von Stefan George

1.333 Wörter / ~3½ Seiten sternsternsternsternstern_0.25 Autorin Anja K. im Nov. 2011
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Interpretation
Deutsch

Universität, Schule

St.Ursula Gymnasium Düsseldorf

Note, Lehrer, Jahr

Herr Krebs

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Anja K. ©
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Ohne Kopierschutz
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sternsternsternsternstern_0.25
ID# 10486







Für mich von H.v.Hofmannsthal &

Das Wort von Stefan George

Gedichtvergleich

 

Das Gedicht „Für mich“ von H.v.Hofmannsthal aus dem Jahr 1890, welches ich in Vergleich zu dem Gedicht „Das Wort“ von Stefan George setzen will, handelt von dem lyrischen Ich, dessen Weltansicht ihm ermöglicht, das Erkennen des wesenhaften als Geschenk zu sehen, das allein ihm zu Teil wird. H. v. Hofmannsthal vertritt in diesem Gedicht den Gedanken, dass allein der Dichter durch seine Lyrik Zugang zur Welt hat, da ihm die Kraft der Imagination zu eigen ist.

Das Gedicht besteht aus einer Strophe mit 20 Versen, die kein eindeutiges Reimschema aufweisen. Auffällig ist der häufige Reim auf die Endsilbe –che. Das Gedicht ist fortwährend im einem fünf-hebigen Jambus verfasst und weißt überwiegend weibliche Kadenzen auf. Es kann als Rollengedicht verstanden werden, insoweit, dass das lyrische Ich stellvertretend für den Autor selbst steht. Er äußert durch das lyrische Ich seine subjektive Meinung, die ihn als Dichter über den Rest der Menschen erhebt.

 

Das Gedicht beginnt mit der Antithese: „Das längst Gewohnte, das alltäglich Gleiche, Mein Auge adelts mir zum Zauberreiche“(v.1-2), die als zentrale Aussage zu verstehen ist. Das lyrische ich beschreibt hier seine Überzeugung bezüglich seiner Sicht, die es ihm ermöglicht im grauen Alltag die Fülle der versteckten Wunder zu erfassen, die sich ihm in einer Schönheit von beinahe irrealen Ausmaß offenbaren. Dies vergleicht er mit dem Bild eines „Zauberreiches“ (vgl.v.2) und durch die vielen weiblichen Kadenzen wird diese Aussage unterstützt. Die Personifikation, welche in der Antithese enthalten ist, verdeutlicht, betont durch die Ich-bezogenen Wörter „Mein“ (v.2) und „Mir“ (v.2), dass es allein dem lyrischen Ich möglich ist diese oben beschriebene Schönheit zu erkennen.

Das lyrische Ich fährt mit der detaillierten Beschreibung der sich ihm offenbarenden Dinge fort, wobei das Versmaß betont, dass allein ihm dieser Zugang möglich ist, in dem es die Betonung immer auf die Worte „mich“ und mir „legt“. Mit mehreren Personifikationen (vgl.v.3/v.4/v.5 und v.6) umfasst das lyrische Ich die Naturgewalten, Pflanzen und Gestirne, die beispielhaft für die ganze Schöpfung stehen, welche dem lyrischen Ich zu Füßen liegt. Dies wird zusätzlich durch die Anapher: „Für mich“(v.3/v.4 und v.5) unterstrichen, sowie von der Inversion in den Zeilen 5-6.

Das lyrische Ich stellt das Bild des stillen Teiches (vgl.v6) dem Bild des grollenden Sturms (vgl.v.3)entgegen um noch einmal den Facettenreichtum der sich ihm offenbarenden Schöpfung zu unterstreichen. Es wird deutlich, dass ihm wirklich jeder Bereich zugänglich zu sein scheint. Der singende Sturm (vgl.v.3),die rauschende Eiche (vgl.v.4),die sprechende Stirn (vgl.v.8) ist als riesige Metapher zu sehen die verdeutlicht, dass alles Sprache ist, der man nur zuhören muss um sie zu verstehen.

In den Versen 7 und 8 spricht das lyrische Ich seine Fähigkeit an, selbst ins Innere des Menschen zu blicken. So weisen ihm der „stumme Blick“(v.7) und die „schweigend bleiche“(v.8) Stirn keine Schranken auf, sondern weisen ihm den Weg ins Innere des Menschen, was auch durch die Personifikation: „Zu mir spricht die Stirn“ (v.8)veranschaulicht wird. Wie in einem offenen Buch liest er in der Seele des Menschen (vgl.v.7).

Die beiden darauf folgenden Verse beschreiben die Vorstellung des lyrischen Ichs selbst über Traum und Wirklichkeit zu herrschen. Im Imperativ befiehlt es dem Traum „Wirklichkeit“ zu sein (vgl.v.9) und der Wirklichkeit Traum zu sein (vgl.v.10) und unterstreicht hierdurch die Allmacht des Dichters. Das Bild des Traumes steht hier für Imagination und Fantasie, die allein dem Dichter zu eigen, die ganze Welt in all ihrer Pracht darlegt.

Das lyrische Ich fährt mit der Beschreibung des Wortes fort, dass „Andren“ (vgl.v11) als unzulänglich erscheint, da es sich ihnen nicht, wie ihm selbst, einer flimmernd, reichen Bilderquell (vgl.v.12) offenbart. Das lyrische Ich lässt sich von der Benennung seiner Gefühle die ihm dadurch zum Eigentum werden (vgl.13) mitreißen und auch nicht beschreibbare Emotionen reizen es (vgl.v.14). Es gerät in einen rauschhaften Zustand in dem sich ihm unfassbar tiefe Welten auftun (vgl.v.17) die ihn mit ihrer Pracht in Staunen und Ehrfurcht versetzen (vgl.v.18). Auch das Erwachen aus diesem Rausch offenbart sich ihm als „süß“ (v.16) und „weich“(v.16).

Das Gedicht endet, wie es angefangen hat, wodurch der Ring geschlossen wird und die Vorstellung erzeugt wird, dass sich diese Offenbarungsprozesse immer wieder ereignen und so das Leben des lyrischen Ichs bereichern.

In dem Gedicht wird das Verständnis des Dichters als Bewahrer der Dinge vertreten, dass den Dichter auf die Stufe eines Erwählten stellt. Hugo von Hofmannsthal erkennt in dem Gedicht die Unfähigkeit des Menschen Worte durch Fantasie zum Leben zu erwecken, sieht sich selbst aber als Dichter außen vor. In dem von ihm verfassten „Brief des Lord Chandos an Francis Bacon“, der zwölf Jahre später erscheint, geht seine Kritik auch auf die Grenzen der Sprache in der Literatur über.

Hugo von Hofmannsthal gewährleistet dem Leser durch sein Gedicht einen Einblick in das Selbstverständnis der Dichter seiner Zeit, dass auch heute noch als gültig verzeichnet werden kann. Ihm gelingt es ein Bild von Sprache zu erzeugen, das die Qualität hat einer Sprachkrise entgegen zu wirken.

 

 

Setzt man nun das Gedicht in Vergleich zu dem Gedicht „Das Wort“, welches 1919 von Stefan George verfasst wurde und die Rolle des Dichters thematisiert, so fallen Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede auf.

Stefan George thematisiert die dichterische Kunst, die die Sprache zur reinen Essenz der Dinge verdichtet. Das Gedicht „Das Wort“ besteht aus 7 Strophen mit je zwei Zeilen und weist einen durchgehenden Paarreim auf. Es ist in einem vier-hebigen Jambus verfasst. Den Traditionsbruch, der als Kennzeichen moderner Lyrik zu sehen ist und durch den Sprache als Klang-und Bildmaterial verstanden wird, findet sich hier in der durchgängigen Kleinschreibung und den Verzicht auf Satzzeichen. Auch Hugo von Hofmannsthal bedient sich dieser Taktik in dem er auf ein klares Reimschema verzichtet. Wie in dem Gedicht von Hugo von Hofmannsthal steht das lyrische Ich Georges stellvertretend für seine Position als Dichter und vermittelt seine subjektive Meinung.

Die erste inhaltliche Parallele findet sich in dem Selbstverständnis der beiden Dichter als Wortsucher und Wortschenker (vgl. H.v.H v.13-14 und S.G. V.1-4), doch während das lyrische Ich in Hofmannsthals Gedicht Emotionen und Eindrücke, für die es keine Worte findet als liebliche Verlockung sieht (vgl. H.v.H v.14), empfindet George diese Unfähigkeit zur Wortfindung als traurigen Verzicht, durch den die nicht beschreibbaren Emotionen verloren gehen (vgl.S.G.v.9-14).

Beide Dichter stellen sich mit ihrer dichterischen Kraft über den Rest der Menschen und sehen sich als Bewahrer und Vermehrer der Sprache (vgl.S.G.v.11-12 und H.v.H. v.11-12). Ihnen allein ist es gegeben das wesenhafte der Dinge zu erkennen(vgl.S.G.v.6 und H.v.H.v.1-2).

Den stark vertretenen Gedanken Georgs  bezüglich der Verdichtung von Sprache zur reinen Essenz (vgl.v.7-8) ist in Hugo von Hofmannsthals Gedicht nicht in diesem Maße zu finden. Für ihn decken sich Sprache und Wesenhaftigkeit durch seine Kraft der Imagination ohne Verdichtung. Dieser Unterschied findet sich auch in dem Strophenaufbau der beiden Gedichte wieder: George erweckt durch seine zweizeiligen Strophen, die jeweils ein Thema behandeln den Eindruck starker Verknappung, während das Gedicht Hugo von Hofmannsthals aus einer einzigen großen Strophe besteht, deren beschreibender Inhalt in aller Ausführlichkeit vor dem Leser dargelegt wird.

Die beiden Dichter unterscheiden sich in der Verwendung ihres metaphorischen Schreibstils. Während sich Hugo von Hofmannsthal leichtverständlicher Metaphern wie die der glühenden Rose (vgl.v.4)bedient, die wenig Interpretationsraum lassen, wirkt Georges metaphorischer Schreibstil fast wie eine Dechiffrierung, die einen unendlich großen Raum für Interpretation bietet. Die Dichter decken sich in der Intention durch ihre Metaphern auszudrücken, dass alles Sprache ist (vgl. S.G. v.1-2 und H.v.H. v.3 und v.8).

Als Resümee des Textvergleichs ergibt sich, dass beide Dichter in der Auffassung übereinstimmen, dass sie durch ihre dichterische Kraft Zugang zur Essenz der Worte habe und dadurch die Rolle eines Sprachbewahrers zugeschrieben bekommen. Ein klarer Unterschied findet sich in ihrer Auffassung des Verlusts bzw. Gewinns an Emotionen, die sich nicht in Worte fassen lassen.

 

Beide Gedichte entstanden zur Zeit der Sprachskepsis um 1900, die an den Grenzen von Sprache verzweifelt, bestehend aus ihrer Unfähigkeit das Wesen der durch sie beschriebenen Dinge zu erfassen.

Stefan George und Hugo von Hofmannsthal veranschaulichen den Lesern durch ihre Gedichte ihre Auffassung der Rolle eines Dichters, der durch das Erfassen der Dinge bei ihrem Wesen etwas schafft, das zeitlos den Menschen in seinem Innersten berührt.


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