Um Mitternacht
Goethe
Um Mitternacht ging ich, nicht eben gerne,
Klein kleiner Knabe, jenen Kirchhof hin
Zu Vaters Haus, des Pfarrers; Stern am Sterne,
Sie leuchteten doch alle gar zu schön;
Um Mitternacht.
Wenn ich dann ferner in des Lebens Weite
Zur Liebsten musste, musste, weil sie zog,
Gestirn und Nordschein über mir im Streite,
Ich gehend, kommend Seligkeiten sog;
Um Mitternacht.
Bis dann zuletzt des vollen Mondes Helle
So klar und deutlich mir ins Finstere drang,
Auch der Gedanke willig, sinnig, schnelle
Sich ums Vergangne wie ums Künftige schlang;
Um Mitternacht.
Das Gedicht "Um Mitternacht" wurde von
Goethe im Jahr 1818 geschrieben. Mit wenigen Versen wird ein ganzes Leben des
lyrischen Ichs in diesem Gedicht dargestellt. Deshalb bezeichnete Goethe es als
"Lebenslied" und schätzte es immer.
Die Biographie von dem lyrishcen Ich wird in drei
Strophen und auch drei Phasen gegliedert:
Der Knabe, der vor der Nacht Angst hat aber über den
Kirchhof nach Hause gehen muss, wird gleichzeitig von den Sterne fasziniert;
Der junge Mann geht mit dem Gefühl von Seligkeiten auf
dem Weg zur Liebsten;
Der alte Mann geht zur seine Zukunft unter den vollen
Monden Helle.
Offenbar symbolisiert jede Strophe eine einzige
geschlossene Lebensphase.
In der ersten Strophe werden am Anfang und am Ende
durch das gleiche Wort zusammengehalten, nämlich "um Mitternacht".
Die Umwelt wird aus der kindlichen Perspektive gesehen. Er ist ängstlich vor
der Dunkelheit ("nicht eben gern"), dann bewegt sich den Blick
spontan nach den Sterne ("Sie
leuchteten doch alle gar zu schön"),
weil die Sternenschein ihm helfen, den Weg "zu Vaters Haus" zu
finden. Es zeigt sich an dem sich wiederholenden Adjektiv "klein",
dass "Die Stilform der Parataxe, die sich der Syntax nicht mehr durchweg
fügt, [...] die Struktur des Ganzen [prägt]".
Alle verbindende Elemente stellen das kindliche Bewusstsein dar, mit dem der
Knabe seine Welt als Einheit erlebt. Die Einheit wird formal repräsentiert, da
das einleitenede "Um Mitternacht " mit dem ersten Refrain einen
Rahmen bildet.
Die zweite Strophe fängt mit einem Wenn-Satz ohne
folgenden Hauptsatz an. Der Raum wird "ferner" und in die
"Weite" geöffnet. Der Bereich der Liebe als eine neue Erfahrung kann
stellvertretend für gemeinsame neue Herausfoderungen gesehen werden, denen das
lyrisches ich stellen muss. Der Wortklang des Worts "Gestirn" macht
uns an der "Sterne" in der ersten Strophe erinnern. Der
"Nordschein" lässt uns eine Assoziation mit dem Nordstern haben. Dann
"Nordschein" kann für ein richtungsweisender Stern stehen und das
Beweusstsein erhellen. "Ich gehend, kommend" zeigt die Unsicherheit
von lyrischen ich über seine neue Welt und die Passivität ("zog" und
"sog") bedeutet, dass lyriches ich darauf vorbreitet, sich den
Herausforderungen im Leben zu stellen, wegen den "Seligkeiten". Und
"dem Streit zwischen Gestirn und Nordschein entspricht in der Erinnerung
an die Liebsten die Unentschiedenheit zwischen Gehen und Kommen und eine
Erfahrung des Wissens dort, wo Wollen sein Sollte".
"Bis dann zuletzt" wird am Anfang der dritten
Strophe nach einer Zeitsprung deutlich gezeigt, dass jetzt das Ergebnis oder die
Gegenwart dargestellt wird. Das "Finstere" in der zweiten Verse steht
für das Finster des Lebens. Volle Monde Helle "ins Finstere" ist
wieder die Bewusstseinserhellung. Aber dahinter erhaltet "Goethes
Geschichtsdenken von den Denkform des deutschen Historismus":"[...]
der Vorgang der Bewußtseinserhellung, [...], zielt nicht nur auf Zeitbewußtsein
und Stillstand der Zeit, sondern auf einen Zustand gesteigerten Glücksgefühls,[...]".
Der Weg des Gedankes ist mit drei Adjektiv bezeichnet, nämlich
"willig","sinnig" und "schnelle". Und das
Gedanken dient als Medium, um "Vergangne" und "künftige" zu
verbinden. Und das Wort "Auch" setzen die Monde Helle und die
Klarheit des Gedankes in die Parallele.
Zum Schluss können die folgende drei
strukturalistische Zeichen des Gedichts zusammengefasst werden:
Der Reimform jeder Strophe ist Kreuzreim mit Wechsel weiblich-männlicher Kadenz;
Jeweils zwei Verse bilden keinen kompletten Satz, aber
doch eine verständliche Sinneinhalt;
Die Überschrift "Um
Mitternacht" wird am Ende jeder Strophe wiederholt, damit sie als die Zeitangabe die drei erwähnten
Phasen verbinden. Eigentlich symbolisiert
der Begriff "Mitternacht" in diesem Gedicht den Wandel der Zeit und
auch die Entwicklung des Bewusstseins innerhalb des Wandels.
Literaturverzeichnis:
1 Sauder, Gerhard 1996:
Goethe-Gedichte, zweiunddreißig Interpretatione. München Wien:Carl
Hanser Verlag,
2 Scherer, Michael 1964: Johann Wolfgang Goethe Gedichte,
ausgewählt und erläuert von Michael Schere. 2. Aufl. München: Kösel Verlag
KG
3 09 Juli, 2009: Goethe: Um Mitternacht - Analyse:
http://logos.kulando.de/post/2009/07/09/goethe-um-mitternacht-analyse [gefunden am 30.01.2010]