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Interpretation

Gedichts­ana­lyse: `Natur und Kunst` von Johann Wolfgang von Goethe

1.205 Wörter / ~3 Seiten sternsternsternsternstern Autor Willibald L. im Apr. 2019
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Interpretation
Deutsch

Universität, Schule

Holbein-Gymansium Augsburg

Note, Lehrer, Jahr

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Willibald L. ©
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Format: pdf
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Ohne Kopierschutz
Bewertung
sternsternsternsternstern
ID# 81717







Inhalt: Goethes Gedicht "Natur und Kunst" spie­gelt seine Sicht auf das Verhältnis von Natur und Kunst um 1800 wider. Er sieht sie nicht mehr als Gegen­sätze, sondern als sich ergän­zende Elemente. Die Kunst basiert auf der Natur, die das natür­liche Verhalten des Menschen symbo­li­siert. Goethe betont die Bedeu­tung von Bildung für die mensch­liche Vervoll­komm­nung und Frei­heit. Er argu­men­tiert, dass wahre Frei­heit nur durch Beschrän­kungen erreicht werden kann, da unbe­grenzte Frei­heit nicht exis­tiert. Das Gedicht zeigt auch Goethes Entwick­lung von einer Ableh­nung der Zivi­li­sa­tion hin zu einer Aner­ken­nung ihrer Notwen­dig­keit für die mensch­liche Entwick­lung.
#Goethe_Interpretation#Gesellschaftsbeitrag#Klassik_Sonett

Goethe: Natur und Kunst



Das Gedicht „Natur und Kunst“ wurde 1800 von Johann Wolfgang von Goethe verfasst. Goethe, geboren 1749 in Frankfurt und gestorben 1832 in Weimar ist der berühmteste Dichter der deutschen Geschichte. Seine literarischen Handlungen umfassen Gedichte, Dramen, erzählerische Werke sowie kunst- und literarische Texte. Nachdem er mit seinem Werk „Die Leiden des jungen Werthers“ 1774 europaweite Berühmtheit erlangte, wandte er sich den Idealen der Antike zu und wurde ab den 1790er Jahren mit Friederich Schiller zum wichtigsten Vertreter der Weimarer Klassik. Die erwähnte Epoche, die in etwa von Goethes Italienreise 1786, bis zu seinem Tod 1832, andauerte hatte viele Ziele und Merkmale. Ein wichtiges Merkmal der Klassik war die intensive Auseinandersetzung mit der Natur des Menschen und dem Kunstideal der Antike und deren Verhältnis zueinander. In dem Sonett wird Goethes Auffassung dieses Verhältnisses im Jahre 1800 veranschaulicht.

Im Gegensatz zu seiner früheren Denkweise ist Goethe kurz vor und nach 1800 nicht mehr der Ansicht, dass Natur und Kunst Gegensätze sind, die sich unüberwindlich gegenüberstehen, sondern sich gegenseitig ergänzen. Die Kunst, mit der er das Künstliche, das vom Menschen und der Zivilisation Geschaffene meint, baut dementsprechend auf der Natur auf, die in der Weimarer Klassik so viel wie das natürliche Verhalten des Menschen bedeutete. Der erste Vers konkretisiert die ursprüngliche Haltung Goethes („Natur und Kunst sie scheinen sich zu fliehen“, V.1), die er in den darauffolgenden Versen der ersten Strophe widerlegt und verdeutlicht, dass für ihn beide gleich relevant sind („ Und beide scheinen mich gleich anzuziehen“, V.4). Die zweite Strophe bildet erzähltechnisch einen Gegensatz zur ersten, da sie sich nicht mehr mit dem lyrischen ich, sondern gesellschaftlichen Regeln und Normen befasst(, weshalb sie auch in der wir-Perspektive geschrieben ist, die den appellativen Charakter, den das Gedicht im zweiten Quartett besitz verstärkt.) Der Mensch ist Mitglied der menschlichen Gemeinschaft und ist deshalb verpflichtet durch sein Wissen und Können etwas zum Wohl der Gesellschaft beizutragen. Goethe stellt daraufhin die These auf, dass nur durch das kontinuierliche Streben einen Beitrag zum Allgemeinwohl zu leisten, die innere Natur des Menschen ganz zum Vorschein kommen und der Mensch Freiheit finden kann („mag frei Natur im Herzen wieder glühen“, V.8).Diesen angerissenen Gedanken greift Goethe in der dritten Strophe weiter auf. Nun wird auf die Bildung des Menschen verwiesen („So ist`s mit aller Bildung auch beschaffen“, V.9), die laut Goethe der Schlüssel zu Vervollkommnung der menschlichen Natur und Freiheit ist. Zudem thematisiert er, dass Menschen ohne Ordnung, ohne Kontrolle und ohne Beschränkungen („ungebundene Geister“, V.10). das Ziel nach Vollendung und Perfektion und das Ideal nie erreichen können. In der letzten Strophe schließt Goethe aus diesem Gedanken, dass Weiterbildung und das damit verbundene Erreichen des Ideals nur durch Beschränkungen („das Gesetz“, V.14) erreicht werden kann, da Freiheit ohne Beschränkung nicht existiert.

Die Verwendung von Verben, die antithetisch zueinanderstehen („fliehen…gefunden“, V.1-2) zeigt Goethes kontrastierende Auffassungen der Beziehung von Kunst und Natur zu unterschiedlichen Zeitpunkten seines Lebens. Der erste Vers veranschaulicht seine Denkweise im ersten Jahrzehnt der Weimarer Klassik, in der er sich sicher ist, dass die Willkür der Natur und das Künstliche, das vom Menschen und der Zivilisation geschaffene unvereinbare Gegensätze sind. Dieser Gedanke wird jedoch in den darauffolgenden Versen der ersten Strophe falsifiziert, die Goethes Auffassung kurz vor und nach 1800 repräsentieren, Kunst und Natur bauen aufeinander auf und sich ergänzen sich gegenseitig ergänzen.

Zudem lässt sich eine Metapher erkennen („mag frei Natur im Herzen wieder glühen“, V.8), die Goethes Aussage, dass der Mensch die Freiheit der Natur nur durch das Bestreben etwas zum Allgemeinwohl beizutragen erreichen kann bildlich unterstützt. Außerdem verdeutlicht sie den hohen Stellenwert den die Freiheit in seinen Augen für alle Menschen besitzt. Dadurch versucht Goethe den Leser zu manipulieren, sein Appell, etwas zum Wohl der Gesellschaft mitzuwirken, anzustreben und umzusetzen.

In der letzten Strophe wird Goethes Schlussfolgerung, dass die Existenz von Freiheit ohne Beschränkungen nicht möglich ist, durch die Personifikation des Gesetzes hervorgehoben („das Gesetz nur kann“, V.14). Gesellschaftliche Verhaltensregeln und ethische Werte sind existentiell für die Freiheit des Menschen, da eine Gemeinschaft ohne diese nicht funktionieren kann und oft in Anarchie versinkt. Diese Denkweise lässt sich durch seine Abneigung gegenüber der Französischen Revolution von 1789 erklären, die nach dem Umsturz des Regimes zu Chaos und Gewalt im Land führte, da keine Regeln mehr existierten, was ein Paradebeispiel für die Relevanz solcher und die Wahrheit seiner Auffassung ist.

Das Gedicht ist ein klassisches Sonett, da es zwei Quartette und zwei Terzette umfasst. Die Quartette reimen sich umarmend, während sich die Terzette strophenüberreifend kreuzweise reimen (ab V.9 abc; abc). Die Verse sind in fünfhebigen Jamben in weiblicher Kadenz verfasst.

Goethes Wandel hinsichtlich seiner Einstellung zu der Beziehung zwischen Natur und Kunst lässt sich anhand von Ereignissen, die sein Leben in dieser Zeit entscheidend geprägt haben, erklären. Der junge Goethe lehnt die Zivilisation und ihre Regeln konsequent ab, da er sich nicht mit ihnen identifizieren kann und sie als einengend empfindet. In späteren Werken wendet sich Goethe von diesem radikalen Gedanken ab und relativiert bzw. kompensiert den Gegensatz zwischen Natur und Kunst. Statt wie zuvor in freier Sprache, verfasst er seine Werke nun in Versen, die diese von der natürlichen Sprache abheben und dadurch eindeutig als Werke der Kunst (im heutigen Wortsinn) gelten. Der Appell an Bildung, ohne die die Perfektion der menschlichen Natur nicht erreicht werden kann, zeigt den Einfluss, den Johann Gottfried Herder, der Goethes Lehrer war, auf ihn hatte, da der Ansatz, dass Humanität nicht angeboren ist, sondern erst gebildet werden muss schon sieben Jahre vor Veröffentlichung des Gedichts ein elementarer Aspekt seines Humanitätsideal war. Seine Forderung gegen Ende des Gedichts, an Verhaltensregeln und Beschränkungen festzuhalten, um Freiheit zu ermöglichen, repräsentiert Goethes und Schillers Antipathie gegenüber der Französischen Revolution aus der dieser Gedanke resultiert. Goethe thematisiert in seinem Gedicht einige Aspekte die in unserer modernen Gesellschaft noch durchaus aktuell sind, wie die Idee, dass jeder Mensch moralisch dazu verpflichtet ist, etwas zur Gesellschaft beizutragen. „giving back to society“ in Form von Spenden oder auch physischer Arbeit ist immer noch von enormer Relevanz und verliert aufgrund des Egoismus‘ und der Ignoranz der meisten Menschen leider immer mehr an Popularität. Auch die Akzeptanz von Regeln und Gesetzen als Weg zur Freiheit ist auch heute noch ein umstrittenes Argument. Ein Beispiel für Freiheit schaffende Regeln im 21. Jahrhundert ist die Straßenverkehrsordnung. Obwohl sie die Verkehrsteilnehmer bis zu einem gewissen Grad beschränkt, da sie sich beispielsweise an rote Ampeln und Geschwindigkeitsbegrenzungen halten müssen, senken diese simplen Individuen beschränkenden Regeln das Gefahrenpotenzial und ermöglichen einen beinahe unfallfreien Umgang miteinander. Fußgänger, Autofahrer und Fahrradfahrer werden in ihrem Verhalten freier, da aufgrund der Beschränkungen keine Kommunikation erforderlich ist und sie schneller und vor allem sicherer handeln können. Dieses Beispiel zeigt, dass Regeln eine durchaus eine gewisse Freiheit kreieren, zumindest innerhalb eines schlüssigen Regelwerks.

Zusammenfassend kann man sagen, dass das Gedicht Goethes Einstellung zu Natur und Kunst um 1800 repräsentiert, laut der das vom Menschen und der Zivilisation Geschaffene und die innere Natur des Menschen aufeinander aufbauen und sich gegenseitig ergänzen. Zudem gibt er ein Regelwerk, das für die gesamte Gesellschaft gelten soll. Obwohl das Gedicht schon zwei Jahrhunderte alt ist, können trotzdem Parallelen zu dem heutigen Verhältnis von Kunst und Natur gezogen werden, da das von dem Gedicht gelieferte Rahmenwerk für die damalige Zivilisation als auch für unsere moderne Gesellschaft relevant ist.


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