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Interpretation

Gedichtsanalyse: `Doppelmann` - Zafer Senocak

852 Wörter / ~2½ Seiten sternsternsternsternstern_0.5 Autorin Lilian S. im Apr. 2016
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Dokumenttyp

Interpretation
Deutsch

Universität, Schule

Westfalen-Kolleg Bielefeld

Note, Lehrer, Jahr

Sehr gut, 2016

Autor / Copyright
Lilian S. ©
Metadaten
Format: pdf
Größe: 0.14 Mb
Ohne Kopierschutz
Bewertung
sternsternsternsternstern_0.5
ID# 56031







Gedichtsanalyse: „Doppelmann“ - Zafer Senocak

Deutsch LK, III. Semester – Thema: Lyrik

 

Das Gedicht „Doppelmann“, verfasst von Zafer Senocak, ist im Jahr 1985 veröffentlicht worden. Es besteht aus vier Strophen. Die erste beinhaltet vier Verse, die Zweite drei Verse und die letzten beiden Strophen bestehen jeweils aus zwei Versen. Die Verse sind alle unterschiedlich lang und sind nicht interpunktiert. Weder ein Reimschema noch ein Metrum sind vorhanden. In der dritten Strophe sind die beiden Verse mit einem Jambus verbunden.

In der ersten Strophe steht das lyrische Ich auf zwei Planeten, sodass es fällt wenn diese sich bewegen und dadurch an ihm zerren. In der zweiten Strophe beherbergt das lyrische ich zwei Welten in sich, die unvollständig sind und bluten. Die dritte Strophe besagt, dass eine Grenze durch die Zunge des Ichs verläuft und in der letzten Strophe wird der Gedanke fortgeführt und es rüttelt an dieser Grenze als ob es an einer Wunde spielen würde.

Das Gedicht beschäftigt sich mit einem Aspekt der Mehrsprachigkeit, mit einer durch zwei Sprachen entstehenden Uneinigkeit in einem Menschen durch das Erlernen einer Fremdsprache und dem damit einhergehenden interkulturellen Leben. In Bezug darauf befindet sich das lyrische Ich in einem Identitätskonflikt. Die seelische Unvollständigkeit seiner Selbst quält das Ich. Es fühlt sich einerseits befangen in diesem Zwiespalt und nicht, wie man vermuten könnte, durch die Multikulturalität in seiner Persönlichkeit erweitert. Andererseits hat es keine Beständigkeit und Standhaftigkeit, da es sich keiner der beiden Kulturen ganz hingeben kann, jedoch fühlt es sich zu beiden hingezogen. Zudem ist ihm klar, dass es an seinem Leiden nichts ändern kann, so sehr es auch dagegen ankämpft.

Der Sprecher betrachtet seine Problematik in der ersten Strophe aus einer Makroperspektive, bei der das Ich sich zwar im ersten Vers über die Probleme überordnet aber in den folgenden Versen nimmt die Schwierigkeit dennoch eine höhere Machtposition über das Ich ein. In den restlichen Strophen wird dieses Machtspiel aus einer Mikroperspektive betrachtet und die Zweisprachigkeit nimmt klar überhand.

Die unterschiedliche Längen der Verse erzeugt einen unruhigen Klang. Die fehlende Interpunktion setzt einen verzweifelten Ton bei und die Aussichtslosigkeit wird abschließend durch das Fehlen eines Punktes oder Ausrufezeichens im letzten Vers vermittelt. Der Sprachstil ist sachlich und verständlich. Er impliziert, dass das lyrische Ich von einem breiten Publikum verstanden werden möchte. Es hätte seine Qualen und seine innere Zerrissenheit mit vehementeren Ausdrücken beschreiben können, jedoch verzichtet es auf Register. Die Klangfarbe wird auf diese Art und Weise nüchtern und vermittelt dadurch besser das Gefühl von Schmerz und Hoffnungslosigkeit.

Die formale Struktur des Gedichts weist eine Auffälligkeit in der dritten Strophe auf, den Jambus, der die beiden Verse miteinander verbindet,somit wird das Augenmerk auf die Sprache gelegt, die „Zunge“ (3. Strophe, Vers 2) veranschaulicht dies symbolisch, somit ist die Problematik unmissverständlich. Die Überschrift definiert das Problem weiter aus und besagt, dass es sich um Bilingualität handelt.

Zafer Senocak verwendet Metaphern um die Größe des Leidens des lyrischen Ichs zu veranschaulichen und stellt die beiden Kulturen, zwischen denen das lyrische ich sich befindet, als „Planeten“ (1. Strophe, Vers 1)  und „Welten“ (2. Strophe, Vers 1) dar. Die Multikulturalität und Sprache sind Verursacher seines Leidens, denn diese bilden für das lyrische Ich den Grund worauf es steht und worauf seine Identität fundiert (vgl. 1. Strophe, Vers1). Somit verliert es an sicherem Halt wenn sich diese beiden großen, unterschiedlichen Gegenstände bewegen (1. Strophe, Vers 2 – 4).

Auch betreffen die Kulturen seine emotionale und intuitive Festigkeit, denn es trägt die beiden Welten in sich (2. Strophe, Vers 1) und diese unterscheiden sich enorm, sodass es eine Unvollständigkeit beider gibt und unterschiedliche Gefühlswelten zur Folge hat.

Die Grenze die durch die Zunge verläuft (3. Strophe, Vers 1 + 2) sagt nochmals aus, dass das lyrische Ich eine Bilingualität aufweist, die darauffolgende Strophe unterstreicht die innere Spaltung die mit dieser einhergeht. Das Ich fühlt sich wie in einem Gefängnis, aus welchem es ausbrechen möchte aber nicht kann. Die Aussichtslosigkeit des Entkommens, wird durch das „Spiel an der Wunde“ (4. Strophe, Vers 2) verdeutlicht. Das „Spiel“ steht für Naivität und kindliches Denken, welches mehr träumt und weniger bewirkt und weiterhin an einen Ausweg glaubt.

Das Gedicht hat in seinem Aufbau die Form eines Trichters, die Verse werden immer kürzer. Auch auf der inhaltlichen Ebene beschreibt der Sprecher erst die Außenperspektive und geht immer weiter ins Detail zur Innenperspektive. Dieses Gefälle unterstreicht die Machtposition der Sprache und des Zwiespaltes über das Ichs. Der formale Ausbau korrespondiert dadurch mit der Inhaltsebene.

Die magere Struktur und Form  und Sachlichkeit sind typisch für die Literatur der BRD, sowie autobiografische Tendenzen, denn Zafer Senocak selbst hat einen Migrationshintergrund, somit hat er sich mit den Problemen, die Mehrsprachigkeit mit sich bringen kann, auseinander setzen müssen. Die Nachkriegsliteratur löst sich in dieser Zeit in Gegenwartsliteratur auf, sodass die Motive zu der Zeit nicht mehr politisch waren sondern den Schwerpunkt auf das private Leben setzten. Die Lyrik der Neuen Innerlichkeit entsteht in den 1970er Jahren und verbindet persönliche Erfahrungen mit gesellschaftlichen Zusammenhängen. In den 80er Jahren war die Migration von türkischen Gastarbeitern sehr präsent, dass das Gedicht „Doppelmann“ diese Epoche gut widerspiegelt.

 

 

 

Gliederung:

-        Einleitender Satz

-        Aufbau des Gedichts

-        Inhaltswiedergabe strophenweise

-        Deutungshypothese

-        Analyse der Darstellungsmittel

-        Einordnung in literarische Epoche


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