Gedichtsinterpretation
„Zwei“
Das Liebesgedicht
„Zwei“ (1896) des Dichters Gustav Falke beschäftigt sich mit zwei sehnsüchtig
Liebenden, die jedoch schicksalhafterweiße durch ein unüberwindbares Hindernis
voneinander getrennt sind und so ihre Liebe nicht zusammenfinden kann. Schon
der Titel „Zwei“ deutet darauf hin, dass man darunter das Vereinte der Zahl „2“,
aber auch das getrennte, die getrennte Liebe zwischen ihnen sehen kann, wozu
gut das Wort „entzwei“ passt.
Das
Gedicht beginnt mit einer Schilderung, wie die zwei Liebenden sich eine jeweils
weiße und schwarze Rose über das Wasser schenken wollen (Vers 2), dies ihnen
jedoch nicht gelingt, da sie zwischen den Ufern zu weit voneinander getrennt
sind.
In der
darauffolgenden Strophe wird verdeutlicht, dass zwischen ihnen ein breiter
Flussstrome fließt, auf grundessen beide nicht zusammen finden können (Vers 5).
Trotzdem wollen sie es aber versuchen, auch wenn der Fluss die Liebenden
voneinander trennt (Vers 7 und 8).
Wie
hilflos, verlassen und sehnsüchtig ihre Liebe ist, beschreibt Gustav Falke in
Strophe 3 (Vers 9 und 10). Nichts, aber auch gar nichts können sie gegen den
Fluss unternehmen, damit sich ihre Liebe vereinen kann. Das Einzigste, woran
sie sich erfreuen können, sind die „stummen“ Sehnsuchtsblicke, die die
Liebenden sich tauschen (Vers 11 und 12).
Die
letzte Strophe beschreibt das unerwartete, plötzliche Auftreten eines
„schwarzen“ Schwans (Vers 13 und 14), sodass ihre Spiegelbilder auf der
Wasseroberfläche „seltsam schwanken“ (Vers 15 und 16).
In der
ersten Strophe bereits wendet sich das lyrische Ich sich dem lyrischen Du zu,
indem beide sich eine weiße und schwarze Rose reichen wollen. In dieser ersten
Strophe ist demnach noch die Rede von „Ich“ (Vers 3) und „Du“ (Vers 1). Dadurch
will der Autor meiner Meinung nach noch die herrschende Distanz zwischen den
beiden Liebenden ausdrücken.
Plötzlich
jedoch wird in Strophe 2, 3, beziehungsweiße 4 nun aus dem vorhergetrennten
„Ich“ beziehungsweiße „Du“ „Wir“, was ich nur so interpretieren kann, dass die
beiden Liebenden einerseits zwar wissen, dass ihre Liebe aus irgendeinem im Weg
stehendem Grund nicht verschmelzen und zusammenfinden kann, aber innerlich,
gedanklich und mental sind die Beiden schon längst vereint, was demnach dieses
„Wir“ beschreibt.
Das
Gedicht „Zwei“ wurde in 4 Strophen mit jeweils 4 Versen untergliedert, wobei
sich der 2. Vers regelmäßig mit dem 4. Vers reimt (abcb). Demnach herrscht ein
unterbrochener Kreuzreim vor, was möglicherweise auch darstellen soll, dass,
wie vorher schon einmal angedeutet, die Zwei voneinander getrennt sind, jedoch
sie trotzdem noch etwas verbindet. Der durchgängige trochäische 4-Heber verdeutlicht
die fortwährende, unendlich andauernde Liebe zwischen ihnen. Die Liebe und
Zuneigung des lyrischen „Ich“ und „Du“ bleibt für immer und ewig, auch über den
Tod hinaus. Auch interessant zu beobachten ist, dass dem Gedicht nur weibliche
Kadenzen vorliegen, eine Ausnahme dabei bildet Vers 5 mit einer männlichen.
Diese Ausnahme verwendete Gustav Falke wiederum absichtlich, um möglicherweise
das letzte Wort des Verses „uns“ hervorzuheben, die Vereinbarkeit der
Liebenden.
In einer
recht auffällig gehobenen Sprache aus dem Jahre 1896 ist das Gedicht verfasst.
Dies kann man vorallem bei den Wörtern, „drüben“ (Vers1) und „hüben“ (Vers 3)
beobachten, die heute kaum jemand mehr verwendet. Allerdings herrscht im
Gedicht eine Satzstellung vor, bei der keineswegs Rücksicht auf die Regelung
Subjekt-Prädikat-Objekt genommen wurde (zum Beispiel Vers 1, Vers 5, Vers 7
oder Vers 9). Auch lässt sich in dem Gedicht erkennen, dass viele Wörter ein
Wortfeld mit dem Titel „sehnsüchtige Liebe „ bilden. Dazu gehören Wörter wie
unteranderem: „Zeigend“ (Vers 2), „entgegenneigend“ (Vers 4), „scheiden“ (Vers
6), „blasse Schatten“ (Vers 6 und 7), „zittern“ (Vers 6), „vergebens suchen“
(Vers 7), „suchen“ (Vers 7), „finden“ (Vers 8), „fassen“ (Vers 8), „sterben“
(Vers 10), „stumme Sehnsuchtswinke tauschen“ (Vers 12) und „blasse Spiegelbilder“
(Vers 16).
Das
Gedicht besitzt einen hypotaktischen Satzbau, was heißt, dass das Gedicht
größtenteils aus Satzgefügen besteht. Da, wie vorher erwähnt, in einigen Versen
der Satzbau grammatikalisch nicht stimmt und unvollständige Formulierungen
vorkommen, kann man auch sagen, dass das Gedicht „Zwei“ aus Ellipsen besteht.
Dadurch erhält man sprachlich eine stärkere Wirkung. Die Sprechweise ist zu
Beginn des Gedichts sehr hoffnungsvoll und optimistisch. Als dann jedoch sich
langsam herausstellt, dass sie womöglich nie zueinander finden können, kippt
die Sprechweise zu einem eher traurig, sehnsüchtigem Ton, was aber keinesfalls
heißt, dass die Liebenden ihre Liebe vollständig aufgegeben haben, sondern fast
im Gegenteil, die Liebe in ihren Köpfen für immer und ewig herrscht.
Betrachtet
man das Gedicht genauer, fällt einem sofort auf, dass viele Kontraste und
Gegenteile vorhanden sind, wie: „Drüben-hüben“ (Vers 1 und 3), „weiß-schwarz“
(Vers 1 und 3) und „rauschen-stumm“ (Vers 10 und 12). Die Kontraste bewirken
einerseits Spannung im Gedicht, andererseits werden die verschiedenen Seiten
der Lebensart, der Kultur oder womöglich auch der Religion der Liebenden
beschrieben, die demnach nur Gegenteile aufweisen, trotz alledem lieben sie
sich gegenseitig. Die könnte auch wiederum der Grund sein, warum die Liebenden
nicht zueinander finden können.
Erst auf
den zweiten Blick erkennt man Symbole wie die „weiße“ beziehungsweiße „schwarze
Rose“ (Vers 1 bzw. 3), sowie der „schwarze Schwan“ (Vers 15). Meiner Meinung
nach drückt die „weiße Rose“ das Geschlecht der Frau aus. Dies wiederum kann
man bei Hochzeiten erkennen, bei denen die Frauen ein weißes Brautkleid tragen.
Auch steht „weiß“ für die Farbe der Unschuld, Reinheit sowie der Schönheit.
Hinter der „schwarzen Rose“ versteckt sich der Geliebte, der nämlich bei der
Hochzeit schwarze Kleidung trägt. Mit Auftauchen des „schwarzen Schwans“ am
Ende des Gedichts in Vers 15 überbringt er symbolisch als sogenannter
„Todesbote“ die endgültige Nachricht der Erlischung, das Ende der Liebe.
Neben
den sprachlichen Symbolen und Kontrasten, besteht das Gedicht auch aus
Enjambements (Vers 1/2, 3/4, 5/6, 6/7, 9/10, 11/12, 13/14, 14/15 und 15/16).
Diese Zeilensprünge heben die Verbindung der beiden Liebenden hervor und beschreiben
die Bewegung des fließenden Wassers zwischen ihnen. Das Gedicht beinhaltet auch
Personifikationen (Vers 7, 9/10, 12 und 15/16), bei denen den Dingen und
abstrakten Begriffen menschliche Eigenschaften zugeschrieben werden. Außerdem
sind Lautmalereien (in Vers 6, 9 und 10) enthalten. Dadurch wird dem Gedicht
„Zwei“ einerseits mehr Abwechslung dargeboten, andererseits will der Autor
damit bewirken, dass der Leser/in sich besser in das Gedicht hineinversetzen
kann, somit als 3.Person, als Zuschauer das Geschehnis von Distanz beobachtet. Ein
weiteres sprachliches Mittel, welches in „Zwei“ verwendet wurde, sind
Alliterationen (Vers 1, 3, 7, 8, 9, 10, 11 und 15) und Parallelismen (Vers 1/3,
8). Als mein letztes sprachliches Mittel will ich die auffälligen Zäsuren (Vers
1, 3, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 13 und 15) mitten im Vers erwähnen, die vielleicht
somit den Rhythmus des Gedichts verlangsamen, aber auch somit eine Denkpause
verursachen.
Möglicherweise
ist die Aussageabsicht des Autors folgende, dass zwar der Liebe oft
unüberwindliche Hindernisse im Weg stehen können, die infolgedessen schwer zu
überwinden sind, dennoch, auch wenn man erkennt, dass ihre Liebe unmöglich ist
und nie verschmelzen kann, hält man die Person immer in seinem Kopf und
verliert sie nie aus den Gedanken. Ich sage, dass, wenn jemand aus
unbegreiflichen Gründen mit jemandem keine Beziehung eingehen kann, man
trotzdem weiter für seine Liebe kämpfen soll. Kämpfen bis zum Sieg. Man soll
nie die Hoffnung aufgeben und alles dafür tun, damit die gewünschte Liebe
zusammenfinden kann und erfolgreich wird.
Das
Gedicht könnte auch eine Beziehung zwischen zwei unterschiedlichen Religionen
wie dem Islam oder dem Christentum signalisieren, die diese jedoch aus
religiösen Gründen nicht erlaubt. Dabei wäre der auftauchende „schwarze Schwan“
die christlichen Eltern, die die Verlobung ihrer Tochter mit einem Moslem
verbieten.
Mein
Fazit lautet, dass das Gedicht mich sehr angesprochen hat, weil es in
verschiedene Lebensbereiche und Situationen übertragbar ist, sowie oben erwähnt
zwischen zwei Religionen. Da auch Liebe immer aktuell ist, passt das Gedicht zu
jeder Zeit. Trotzdem würde ich noch interessieren, ob nun die Beiden vielleicht
doch noch zusammen kommen oder aber, ob sie ihr Schicksal hingenommen haben und
möglicherweise sich doch in ihren Gedanken vergessen haben?
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