Gedichtinterpretatin
Der lahme Weber träumt - Clemens Brentano
Das
Gedicht „Der lahme Weber träumt“ von Clemens Brentano, ist 1838 verfasst
worden. In diesem werden Träume der Wahrheit gegenüber gestellt. Es handelt
sich um ein Gedankengedicht. Die insgesamt 18 Verszeilen bilden eine einzige
Strophe. Als Metrum ist kontinuierlich der 5-hebige Trochäus gewählt, dieser
wird nur in Vers 15 einmal durch die Betonung auf das zweite „horch“
unterbrochen. Das im Gedicht vorherrschende Reimschema ist der Paarreim, dieser
wird jedoch, wie im Metrumschema, einmal zwischen Vers 11 und 14 von einem
Klammerreim unterbrochen.
Durch
diesen insgesamt in sich geschlossenen Aufbau wirkt das Gedicht strukturiert
aufgebaut und abgerundet. Es lässt sich in zwei verschiedene Sinnesabschnitte
unterteilen. Der erste beginnt bei Vers 1-6 mit der Beschreibung der Träume
lebender Gestalten und geht dann über zu den Träumen der Leblosen von Vers
7-10, wobei diese Träume ab Vers 11, dem zweiten Sinnesabschnitt von der
Wahrheit abgelöst werden.
Das
Gedicht handelt anfangs von Träumen, die als Antithesen dargestellt werden, da der
Traum jeweils der Wahrheit gegenüber gestellt wird. Dabei wird deutlich, dass
der Traum in Wirklichkeit nicht möglich wäre. Diese Sehnsucht, der in der
Wirklichkeit nicht nachgegangen werden kann, wird also nur in der Fiktion
erfüllt. Dem lahmen Weber wird in seinem Traum die Fähigkeit wiedergegeben zu
weben, der kranken Lerche die Fähigkeit zu fliegen, der stummen Nachtigall die
Fähigkeit zu singen.
Diese
Aussagen am Anfang des Gedichts sind alle als Parallelismen aufgestellt.
Außerdem ist in Vers zwei und drei die Anapher „träumt“ vorzufinden. Durch
diese wird verdeutlicht, dass dies alles nur Fiktion ist. Das Schema der
Aussagen, bzw. Traumdarstellungen ist also immer gleich. Somit stellt der ganze
erste Sinnesabschnitt von Vers 1-10 die Romantik dar, da wie zu sehen ist, auch
bei allem Leblosen, wie dem Erz, im Traum, bzw. in der Romantik alles möglich
ist. Man muss dementsprechend nur träumen, um die Welt der Romantik zu
erfahren.
Im
zweiten Teil des Gedichts wird in der Gegenüberstellung von Traum und Wahrheit
ein Spannungsverhältnis aufgebaut und das Traumbild zerbricht an der Realität.
Der Neologismus „mutternackt“ und Vers elf beschreibt die Wahrheit. Sie lässt
nicht zu, dass Träume die Realität verdecken. Sie entblößt alles und wird in
Vers elf personifiziert, indem sie den Traum „schmerzlich über den Haufen
rennt“.
Die
Folge dieser erbarmungslosen Realität ist der Schmerz, der sich auch in dem
Lachen der Fackel wiederspiegelt. Da sich niemand für die „süßen Wunder“ (Vers
17) aufopfert, gehen die „armen Herzen“, die Träumer „einsam unter“ (Vers 18)
und mit ihnen auch die träumenden Wesen selbst (da die Wahrheit sie getötet
hat).
Es
bestünde also die Notwendigkeit, zum Wohle der Welt Opfer zu bringen. Das Herz,
das wegen des „Widerhalls“ (Vers 4) zerspringt, ist nicht nur das der
Nachtigall, sondern es umfasst das aller träumenden Wesen.
Da
Clemens Brentano ein frommer Christ war, gehe ich davon aus, dass der Begriff
des „Opfers“ (Vers 17) mit Christi Opfertod in Verbindung gebracht werden soll.
Das Gedicht zeigt also, wie schmerzlich die Wahrheit sein kann und wie sie
durch ihre Macht die Welt der Romantik zerstört. Brentano drückte mit seiner
Dichtung die existenzielle Angst und die Verzweifelte Suche nach einer höheren
Ordnung aus.