Gedichtinterpretation
„Kurzgefasster Lebenslauf“
(Erich Kästner)
Lebensläufe spielen in unserer
heutigen Zeit meist eine große Rolle, sei es für Bewerbungen oder einfach um
sich seinen bisherigen Lebensweg noch einmal vor Augen zu halten. Ganz anders
als ein Lebenslauf für Bewerbungen oder ähnliches, ist der „Kurzgefasste Lebenslauf“
von Erich Kästner, der das Leben mit all seinen Tücken und persönlichen
Erfahrungen beschreibt. Kästner, welcher als wahrer Moralist bezeichnet wurde, wählte
die Gedichtform und beschreibt das Leben mit Ironie und Satire. In sieben
Strophen mit je vier Verszeilen gibt das „Lyrische Ich“ Einblicke auf 31 Jahre
seines Lebens. Das Gedicht ist einfach, verständlich und in Umgangssprache
geschrieben. Er verwendet dafür den Kreuzreim. Der Sprachrhythmus ist in jeder
Strophe wiederkehrend. Auffällig ist jedoch die kurze vierte Verszeile in
Strophe eins. Diese verdeutlicht das „Hineinfallen“ ins Leben.
Deutsche Kinder spielen auf einer Wiese unterhalb der Berge.
Das Lyrische Ich stellt fest, dass es
durch das Verhalten als „Musterknabe“ etwas von seiner Kindheit verpasst hat
und dass es ihm leid tut, kein „Lausbube“ gewesen zu sein. Aus einem fröhlichen
Jugendleben wird leider auch nichts, da der erste Weltkrieg ausbricht. Ferien
und Freizeit wurden vertauscht mit Kriegsdienst, Verlusten, Verletzungen und
Leid. Dieses Leid hebt Erich Kästner durch eine besonders aussagekräftige
Metapher hervor:
„Dem Globus lief das Blut aus den Arterien“, das heißt, dass durch den
Weltkrieg auf der ganzen Erde das Blut floss, es viele Tote und Verwundete gab.
Obwohl er Soldat war und schwer herzkrank aus dem Krieg zurückkehrte, ging sein
Leben weiter. Seine Bücher wurden zeitweise verboten und verbrannt, doch das
stoppte seine Karriere nicht und er veröffentlichte im Ausland weiter.
In der vierten Strophe werden
Erlebnisse einfach aufgezählt. Zwei Ereignisse wirkten dabei tiefgründiger auf
das Leben ein: „[...]die Inflation und Leipzig [...]“. Die Inflation entwertete
sein verdientes Geld und er verliert seine Arbeit bei der „ Neuen Zeitung“ in
München. In dieser Zeit schreibt er viel, befasst sich mit Politik, ist
zeitkritisch und erkennt aber auch die schönen Seiten des Lebens. „Und sonntags
regnete es sowieso“ steht für die wiederkehrenden Niederschläge, welche man im
Leben erlebt und mit denen er sich abgefunden hat. Erstaunt stellt er dann
fest, dass er „[...]zirka 31 Jahre [...]“ alt ist. Die „[...] kleine
Versfabrik“ stellt seine vielen bis dahin verfassten Gedichte dar. Er bemerkt
auch äußerliche Merkmale des Alterns. Außerdem stellt er fest, dass seine
Freunde sich mit ihrem Leben arrangieren „ Und meine Freunde werden langsam
dick“. Das Lyrische Ich stellt sich nicht als Mitläufer dar, sondern als
kritischer Beobachter seiner Zeit. Mit treffsicheren Witzen und Satire wird
Kritik an spießbürgerlicher Moral und Richtigkeit geübt „Ich säge an dem Ast,
auf dem wir sitzen.“. Mit zunehmendem Alter wachsen Verantwortung und
Lebenserfahrung „Der Rucksack wächst.“ Doch wie viel kann und will ein Mensch
aushalten? „Der Rücken wird nicht breiter.“ Das darauf folgende Merkmal „Ich
kam zur Welt und lebe trotzdem weiter“ ist ein Appell ans Leben und trotz
Tücken ist das Leben doch lebenswert.
In kurzen, unterhaltsamen, sieben
Strophen wurden 31 Lebensjahre umfassend und hinreichend erklärt. Damit ist der
Titel „Kurzfassender Lebenslauf“ äußerst treffend. Der Leser fühlt sich durch die
beschriebenen Problematiken aber auch Freuden des Lebens direkt angesprochen.
Dieses Gedicht wird wohl nie an Aktualität verlieren, da es immer wieder
Niederlagen im Leben gibt und Erich Kästner hat den Umgang bzw. das Leben damit
auf sehr ironisch-witzige und motivierende Weise am eigenen Beispiel
beschrieben.