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Interpretation

Gedicht­in­ter­pre­ta­tion – Johann Wolfgang Goethe: Wanderers Nachtlied II

1.565 Wörter / ~4½ Seiten sternsternsternsternstern_0.5 Autorin Agnes M. im Nov. 2017
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Interpretation
Deutsch

Universität, Schule

Robert Bosch Gymnasium Ulm

Note, Lehrer, Jahr

9 Pt., Zimmer, 2017

Autor / Copyright
Agnes M. ©
Metadaten
Format: pdf
Größe: 0.05 Mb
Ohne Kopierschutz
Bewertung
sternsternsternsternstern_0.5
ID# 69653







Deutsch 05.Oktober.2017

Gedichtinterpretation –

Johann Wolfgang Goethe: Wanderers Nachtlied ll (Ein Gleiches – 1780/1815)

Die Naturlyrik ist eine Sammelbezeichnung für alle Formen der Lyrik, in der die Natur als zentraler Gegenstand der Dichtung erscheint. Die Natur wird als Gegenwelt und Rückzugsort zur fehlerhaft empfundenen Realität verherrlicht. 

Das Gedicht Wanderers Nachtlied ll. von Johann Wolfgang Goethe, auch bekannt als ein Gleiches, ist der zweite Teil des Gedichts Wanderers Nachtlied und stammt aus der Epoche Sturm und Drang. Geschrieben wurde es 1780, aber von Goethe selbst erst 1815 veröffentlicht. Goethe schrieb dieses Gedicht mit Blick auf Kickelhahn und die Gegend an die Wand einer Jagdhütte und befasste sich mit der in der Natur herrschenden Nachtruhe und Harmonie.

Das Gedicht vermittelt den Eindruck eines lyrischen Ich’s, dass innerlich von Ruhe erfüllt ist und diese eigene Ruhe auch in der Natur erfühlt. Eine gewisse Harmonie wird verspürt, aber auch Einsamkeit. Der Begriffe Ruhe (in Vers 8) verweist auf den Tod, der aber nicht bedrohlich wirkt, eher wie eine Erlösung.

Der Mann sitzt nachdenklich auf der Veranda einer Waldhütte unter dem Sternenhimmel.
Der Mann sitzt nachdenklich auf der Veranda einer Waldhütte unter dem Sternenhimmel.



In dem Gedicht handelt es um einen Wanderer, was wir am Titel erkennen können, der den Moment der Stille in der Natur wahrnimmt. Er beobachtet die Natur, mit Ausblick auf Gipfel (Vers 1), Wipfel (Vers 3), Walde und Vögelein (Vers 6). Das lyrische Ich muss eine Sicht von oben haben den er benutzt Bezeichnungen wie Gipfel und Wipfeln. Die jeweils einmal die Spitze eines Berges (Gipfel) und die Spitze eines Baumes (Wipfel) bezeichnen. Der Begriff Wipfel deutet auch, dass er auf einen Baum bzw. mehrere Bäume die Sicht hat, was er (in Vers 6) verdeutlicht durch den Begriff Walde. Durch die beschriebene Umgebung kann man sich sicher sein, dass er einen Moment in der Natur beschreibt. Man kann erkennen das er im Verlauf des Gedichtes von der weiten Ferne (Gipfel) immer näher und niedriger (über Wipfel und Vögelchen) zum Menschen kommt. Durch den Titel erhalten wir die Information das es sich um die Nacht handelt, welche sich deckt mit der im Gedicht beschriebenen Ruhe.

Mit der Ansprache „du“ in Vers 4, fühlt sich der Leser sehr vertraut, direkt angesprochen, sodass er sich in die Situation einfühlen kann und obwohl der Leser nie an dem beschriebenen Ort war, kann er es sich lebhafter vorstellen. Die Situation des lyrischen Ichs wird persönlicher und greifbarer. Dies wird auch bestätigt in Bezug auf die menschlichen Sinne, dem Fühlen (Vers 4,5). Das lyrische Ich erspürt kaum einen Hauch. Komplette Stille wird nicht nur in Gedanken aufgenommen, sondern auch körperlich.

Die Natur hat sich zur Nachtruhe niedergelassen. Das lyrische Ich geht auch auf die Waldbewohner ein. „Die Vögelein schweigen im Walde.“ (Vers 6). Normalerweise stehen Vögel für lautes Gezwitscher und lebendiges Umherfliegen, aber zu diesem Zeitpunkt sind auch sie verstummt. Die Prognose des lyrische Ichs „Warte nur, balde/ Ruhest du auch.“ (Vers 7,8) nimmt Bezug auf die verstummten Vögel in Vers 6. Dies kann auf verschiedene Weisen interpretiert werden. Einmal kann damit gemeint sein das der Leser und oder das lyrische Ich es der Natur gleichmachen und sich zur Nachtruhe begeben. Hier wieder ein Bezug zum Titel „Wanderers Nachtlied ll.) Aber die Ruhe steht nicht nur für Nachtruhe, sondern auch für die ewige Ruhe, die durch den Tod herbeigeführt wird. Beide dieser möglichen Interpretationen befassen aber das Natürliche. Es wird von einer friedlichen Nachtruhe gesprochen, die wir, wenn wir aufpassen jeden Abend beobachten können, ein alltägliches Phänomen. Die Kulisse in der Natur wurde bewusst ausgewählt. Die Natur ist ein Ort der Erholung und der Gegenwurf zur hektischen Großstadt, zudem war Goethe bekannter weise ebenfalls ein Wanderer und eng mit der Natur verbunden. So sind wahrscheinlich seine Erfahrungen des Abends in dieses Gedicht miteingeflossen. In der auf den Menschen bezogenen Vers 7 und 8, wird er in die Natur eingebunden und mit ihr eng in Verbindung gebracht. Der Mensch selbst ist ein Teil der Natur und findet irgendwann in die Ruhe, die er in der Natur beobachtet, zurück. Dies kann die Verbundenheit mit der Natur bedeuten, aber auch der Tod, den wir aber nicht fürchten müssen.

Wenden wir uns der sprachlichen Entfaltung Goethes zu. In dem Satzteil steht eine bestimmte Form der Ruhe geschrieben. Angefangen mit „ist Ruh“ (Vers 2), weiter mit „Spürest du/ Kaum einen“ (Vers 4,5) hinüber zu „schweigen“ (Vers 6), „wartest du“ (Vers 7), „Ruhest auch du“ (Vers 8). Jede dieser Wörter umschreibt einen anderen Zustand von Ruhe. Mit Hilfe von „spürest du“ erkennt man das es sich um ein lyrisches Ich handelt, dass die Szene beobachtet und verleiht ihm Perspektive. Der Schlusssatz enthält einen Appell. Eine Aufforderung, dass das was diesem Ausdruck folgt, wichtig ist und sich in Zukunft ereignet. In dem „Warte“ spricht das lyrische Ich sich selbst an, aber auch den Leser. Das „nur“ im selben Vers verstärkt den Sinn des Wortest und legt das Augenmerk darauf. Die wichtigste Aussage dieses Satzes ist aber das „balde / Ruhest du auch.“. Das „auch“ gehört zu dem „du“ und bindet den Satz „Ruhest du“ an das zuvor Gesagte. Wie die gesamte Natur ruht bald auch das lyrische Ich und der Mensch. Die Sätze sind sehr kurz gehalten und alle Sätze mit Ausnahme des Dritten könnten in der allgemein üblichen Sprache in der gleichen Weise gesprochen und auch geschriebenen werden. Dies unterstreicht die Schlichtheit der Sprache. In dem Gedicht wird allgemein sehr sachlich berichtet. Der ermüdete Wanderer (lyrisches Ich) beschreibt fast emotionslos das Geschehen in der Natur, dabei verschmelzen Emotionen und die Landschaft zu einem. Nur in Vers 4 wird es etwas subjektiver und in Vers 7 kann eine Sehnsucht der Ruhe erahnt werden. Wie der Satzbau ist auch die Wortwahl sehr einfach. Goethe hat keine abstrakten Wörter benutzt und auch Metaphern und Vergleiche sind hier nicht zu finden. Dennoch wirkt das Gedicht im Ganzen symbolhaft für die Ruhe der Natur. Nirgendwo im Gedicht sind schmückende Adjektive als Attribute zu finden. Das „Aller“ in Vers 1 und 3 wird als Verstärkung der Gesamtheit aller Bäume und aller Berge genommen, eine Interversion. Goethe hat sich in der Wortwahl sehr beschränkt und reduzierte sie nur aufs Wesentliche. Für ausschmückende Wörter hat er keinen Platz gelassen.

Die ersten Hälfte der Gedichtes enthält einen Kreuzreim (abab) der zweite Abschnitt enthält einen umarmenden Reim (cddc). Die Kadenz der jeweils letzten Worte des Verses sind abwechselnd männlich und weiblich, angefangen mit männlich. Der erste Satz des Gedichtes sind die ersten zwei Verse. Der zweite Satz reicht von Vers 3 bis Ende Vers 5 und Vers 6 bis 8 bilden den letzten Satz. Durch das Reimen von Vers 1 und 3, 2 und 4 werden die Sätze 1 und 2 inhaltlich verbunden. Dadurch das der zweite Satz über den Kreuzreim hinaus in den umarmenden Reim reicht, wird der Inhalt nicht nur sprachlich rhythmisch, sondern auch inhaltlich miteinander verknüpft. Infolge des starken Enjambements am Ende von Vers 3 und Vers 4 ist der Rhythmus der Verse 3 bis 5 belebter als in den beiden Versen zuvor. Vom Reim her endet der erste Satz im Leeren. Am Ende von Vers 5 liegt rhythmisch wie nach Vers 2 ein Einschnitt. Für einen Augenblick hält der Leser in seiner Betrachtung inne: es folgt eine neue Beobachtung. Die längere Pause wird durch ein Strichkomma sichtbar. Vers 6 folgt ohne eine rhythmische Bindung zu Vers 5. Vers 5 fällt außerdem durch seine herausstechende Länge auf, wodurch auch der Inhalt hervor gehoben wird. In Vers 8 findet sich erst die Antwort auf den Reim von Vers 5. Mit dem verzögerten Reimschluss findet das Gedicht seinen Schluss. Alles wirkt ungezwungen, scheint natürlich und meidet das Unnatürliche und Gekünstelte. Die Ruhe in den Versen geht vor allem von den Pausen und vom Wechsel des Rhythmus aus. Längere Pausen liegen nach den Versen 2, 3, 4, 5 und 6. Die Verse 1 und 2 sind durch ein Enjambement eng miteinander verbunden. Auch die Satzzeichen kennzeichnen die Länge der Pausen. Am Ende von Vers 2 steht ein Komma darum ist die Pause kürzer, als die nach Vers 5.

Am Anfang habe ich eine Interpretationshypothese aufgestellt die im Kurzen beinhaltet, dass das Gedicht eine Ruhe, Harmonie, aber auch den Tod in einer nicht bedrohlichen weise aufgreift. Diese Hypothese hat sich teils bestätigt. Zwar kann das Gedicht wie vorher beschrieben auf zwei verschiedene Art und Weisen interpretiert werden, dennoch werden jeweils beide Gedanken aufgegriffen. Der Tod in seinem natürlichen Vorkommen als Bestandteil des natürlichen Kreislaufs und auch die Harmonie beziehungsweise die Ruhe durch den Abend und die Nachtruhe ausgelöst. Die Ruhe der Nacht als Phänomen das jede Nacht beobachtet werden kann und die auch Goethe vermutlich beobachtet hat. Bei weiterer Recherche hast sich der Gedanke der Ruhe durch den Tod nicht verworfen, denn die Vögel schweigen hier was einen fast schon befremdlichen Eindruck macht untypisch. Dies Bestätigt den Gedanken und somit die Vorahnung der „ewigen Ruhe“, also dem Tod. Die Harmonie und Ruhe verspürt der Leser vor allem in den Versen 1 bis 4.

Als ich das Gedicht das erste Mal gelesen habe war ich nicht sicher was für ein Thema es aufgreift. Ich musste mich allgemein mit dem Gedanken der Naturlyrik einfinden. Erst nach mehreren malen aufmerksamen Lesens bin ich der Thematik nähergekommen und selber auf den Gedanken der Ruhe gekommen. Was mir allerdings schon beim ersten Mal lesen aufgefallen ist, ist die Todesahnung, den kurz vor dieser Stelle hat das Gedicht seinen Höhepunkt und nimmt eine leichte Wendung vom zuvor erfühlten harmonischen und ruhigen zur Todesahnung, die aber immer noch etwas ruhiges und Harmonisches in sich hat dadurch das sie nicht bedrohlich wirkt. Nach der ausführlichen Auseinandersetzung mit dem Gedicht habe ich immer mehr Gefallen daran genommen, vor allem an der Schlichtheit der Sprache und der stark empfundenen ruhigen Stimmung. Vor allem gefällt mir der Gedanke eines ruhigen und natürlichen Todes, der der Nachtruhe ähnelt.


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