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Interpretation

Gedicht­ana­lyse `Zum Einschlafen zu sagen` - Reiner Maria Rilke

2.205 Wörter / ~7 Seiten sternsternsternsternstern_0.5 Autor Joshua B. im Apr. 2017
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Interpretation
Deutsch

Universität, Schule

Gymnasium Nürnberg

Note, Lehrer, Jahr

13, 2016/17

Autor / Copyright
Joshua B. ©
Metadaten
Format: pdf
Größe: 0.07 Mb
Ohne Kopierschutz
Bewertung
sternsternsternsternstern_0.5
ID# 64522







Lyrikanalyse: Zum Einschlafen zu sagen



Das Gedicht „Zum Einschlafen zu sagen“, das 1900 von Marie Rilke im Buch der Bilder veröffentlich worden ist, ist der Epoche der Romantik zuzuordnen, obwohl es nicht zur Romantik-üblichen Zeit verfasst worden ist. Obwohl es etwa 60 Jahre nach dem Beenden der Romantik erschaffen worden ist, enthält es eine Vielzahl von Motiven, die ausschließlich auf die Romantik deuten lassen und sich deutlich von der Moderne und auch Vorreiter der Romantik abgrenzen.
Rilke blendet mit Hilfe des romantischen Motives des subjektiven Idealismus (der Mensch ist Schöpfer des Seins) die Außenwelt aus und konzentriert die gesamte Aufmerksamkeit auf das Leben des lyrischen Ichs und dessen Liebe. Das lyrische Ich ist auf der Suche nach der blauen Blume, wie Novalis es nennt. Er sehnt sich nach Liebe und wird sich währenddessen auch der Zeit Vergänglichkeit bewusst. Das lyrische Ich begreift darüber hinaus, dass Zeit und Liebe zusammenhängen – vergehende Zeit kann Grund für ein Leben ohne Ehepartner sein.
Im Folgenden soll das Gedicht auf inhaltliche und sprachlich stilistische Aspekte untersucht und gedeutet werden.1





Der Titel, „zum Einschlafen zu sagen“, nimmt bereits einen großen Teil des Inhalts des Gedichts vorweg. Das Motiv des Schlafes wird binnen der ersten sechs Verse behandelt, in dem das lyrische Ich sich an eine außenstehen, dritte Person richtet. Zusammengefasst kann man sagen, dass das lyrische Ich nach einem Menschen sucht mit dem es die Nacht verbringen kann. Dazu gehört für das lyrische ich das „[...] [E]insingen [...]“ (V.1), sowie auch das „[...] Wiegen [...]“ (V.3) dieser Person. Darüber hinaus sehnt sich das lyrische Ich nach einer Person, die voll und ganz ihm gehört, wie man in V. 5-6 sehen kann: „Ich möchte der einzige sein im Haus der wüßte: die Nacht war kalt.“.
Ab Vers 9 konzentriert sich das lyrische Ich weniger mehr auf die Liebe an sich, sondern auf die Vergänglichkeit der Zeit und dessen Auswirkungen auf die Liebe. Das lyrische Ich sieht „[...] der Zeit auf den Grund.“ (V.10). Hierbei nimmt das Wort Grund eine simultane Bedeutung wie der Grund des Wassers an. Ist das Wasser tief, so ist der Grund sichtbar. Deshalb spricht hier das lyrische Ich, dass es schon den Grund der Zeit sehen kann und die Zeit immer weiter schwindet. In Vers 11-12 beobachtet sie einen Mann, der einen fremden Hund stört. Ab Vers 14 adressiert das lyrische Ich seine Botschaft plötzlich an das lyrische du: „Ich habe groß die Augen auf dich gelegt;“. In Vers 15 erzählt das lyrische Ich, dass es das lyrische Du beobachtet und wie die Verbindung des Blickes jener Beiden unterbrochen wird.2


Wie bereits erwähnt wird in dem Gedicht der Prozess der Liebesfindung aufgezeigt. Es geschieht anhand des lyrischen Ich, dass sich stark nach einem Partner sehnt. Das lyrische Ich zeigt in den ersten sechs Versen genau auf wonach es sich sehnt. Die Aspekte, die das lyrische Ich aufzählt sind schlicht und ergreifend alltägliche Bestandteile einer Liebesbeziehung, wie z.B das Ausleben seiner eigenen Persönlichkeit. Die kann anhand Vers 2 erkannt werden: „Ich möchte [...] bei Jemanden sitzen und sein“. Das lyrische Ich möchte so „sein“, wie es tatsächlich im Inneren ist. Man kann mit Hilfe des Zitates auch sehen, dass es sich in einer solchen Liebensbeziehung nach einem guten Verhältnis sehnt bei dem man mit seinem Partner beisammensitzen kann und eventuell Zeit verbringt. Im ersten Blick scheint dies abstrus, weil es normal erscheint, allerdings sollte man bedenken, dass Menschen mit denen man friedlich zusammensitzt und seine Zeit verbringen kann keineswegs selbstverständlich sind und dies eben ein fehlender Aspekt in des lyrischen Ichs Leben ist. Zusätzlich ist es auch der gemeinsame Schlaf, der dem lyrischen Ich fehlt (vgl. V.4). Ob nur die Komponente des Schlafes gemeint ist oder ob dem lyrischen Ich auch tatsächlich auch die körperliche Komponente der Liebesbeziehung fehlt, bleibt hierbei unklar. Man könnte hierbei allerdings noch zusätzlich anbringen, dass „Schlaf“ ein enorm wichtiges Motiv der Romantik ist. Einerseits kann man „Schlaf“ dem Motiv der Nacht zuordnen, andererseits kann man es auch dem Motiv der Abkehr von der Tagewelt zuordnen. Ein weiteres Thema, das in dem Gedicht behandelt wird ist die Vergänglichkeit der Zeit. Diese wird am Besten in V. 9-10 erkenntlich gemacht: „Die Uhren rufen sich schlagend an, und man sieht der Zeit auf den Grund.“. Bis kurz vor jene Stelle im Gedicht, redet das lyrische Ich ausschließlich über Liebe. Das plötzliche Reden über die Zeit, könnte also damit verstanden werden, dass Liebe durch Zeit begrenzt wird. In V. 9-10 sieht man, dass die Uhren bereits schlagen. Zu welchem Anlass die Uhren schlagen bleibt in diesem Kontext offen; man könnte es im Kontext so interpretieren, dass die Uhren erklingen, da es ab jetzt nicht mehr viel Zeit für das Finden eines Partners bleibt. Vers 10 wurde diese Interpretation unterstützten, dass man bereits den Grund der Zeit erblicken kann, so dass nicht mehr viel Zeit übrigbleibt. Diese Verbindung von Zeit und Liebe wird ab V. 11 deutlich: es tritt plötzlich ein fremder Mann auf, der scheinbar das Interesse des lyrischen Ichs weckt. Andernfalls wäre eine Erwähnung dieses Fremden überflüssig gewesen. Es wird gezeigt, dass der Hund sich durch den Fremden gestört fühlt (vgl. V.12), weshalb man vermutet, dass dieser bellt. Nach Kurzem weitgehen des Mannes hört auch der Hund auf zu bellen. Hierbei kann eine Parallele vom Bellen des Hundes hin zum Finden der Liebe gefunden werden. So lange der Mann des Hundes Revier passiert, kann dieser bellen. Aber auch nur so lange der Mann das Revier des lyrischen Ichs passiert, bzw. in dessen Reichweite ist, hat das lyrische Ich die Möglichkeit zum Aufbauen des neuen Kontakts. Wartet das lyrische Ich zu lange, so schwindet die Möglichkeit für das lyrische Ich, genauso wie das Bellen des Hundes. Diese Parallele ist nicht nur eine reine Spekulation, sondern wird auch als Schlussstrich im Gedicht aufgezeigt: „Dahinter wird Stille. [...] „die Augen [...] lassen dich los“ (V.15). Man sieht hier, dass sobald der Mann das Revier des Hundes passiert hat, der Hund sein Bellen einstellt. Aber auch die Augen des lyrischen Ich lassen den fremden Mann los, da dieser sich bereits entfernt hat. Dass das lyrische Ich Interesse an diesem Mann hatte bleibt außer Frage. Die kann deutlich erkannt werden, weil noch in V.11 das lyrische Ich in der dritten Person von einem „fremden Mann“ spricht. In V.14 allerdings, spricht das lyrische Ich den fremden Mann schon in Form des lyrischen Du an. Dieser Wandel muss Grund für eine Charakterveränderung des lyrischen Ichs sein. Das Interesse an dem „fremden Mann“ könnte man auch so deuten, dass das lyrische Ich den Mann, obwohl dieser ein Fremder ist, „duzt“. „Duzen“ ist eine Art der Konversation, die man erst in innigeren Beziehungen verwendet.
Es wurden während des Hauptteils bereits immer wieder Motive der Romantik genannt. Der Vollständigkeit halber gilt es deshalb noch den subjektiven Idealismus zu nennen, dem besondere Aufmerksamkeit zu kommt. Der subjektive Idealismus macht sich mit den Worten „Ich möchte“ (V.1, 3, 5) bemerkbar. Das lyrische Ich soll Schöpfer seines Selbst sein.3


Weiterhin kann man vom Gedicht auf die Lebensumstände und eventuell das Geschlecht des lyrischen Ichs schließen. Das lyrische Ich lebt ein vermutlich tristes Leben. Das Gedicht beherbergt hauptsächlich negative Worte bzw. negative Handlugen, wie z.B: „kalt“ (V.6), „fremd“ (V.11, 12), „loslassen“ (V.15), „Dunkel“ (V.16), etc. Da das lyrische Ich bereits bei der Partnerfindung das Lebensalter im Kopf hat und ihr die Vergänglichkeit der Zeit bewusst wird, kann man definitiv von einer älterlichen Person. Über das Geschlecht des lyrischen Ich kann nur anhand einiger Aspekte spekuliert werden. Es könnte sein, dass es sich um ein weibliches Geschlecht handelt, da z.B die Rede von einem fremden Mann ist. Selbstverständlich wäre Homosexualität auch möglich, sodass es sich wieder um einen Mann handelt, allerdings scheint eine Heterosexualität zuerst wahrscheinlicher. Ein weiteres, dennoch etwas primitives Argument, dass es sich bei dem lyrischen Ich um eine Frau handelt, ist, dass sie diesen „Jemanden einsingen“ (V.1) möchte. Man könnte deshalb eventuell vermuten, dass es eher ein weibliches Geschlecht wäre, die ihren Partner in den Schlaf einsingt, als andersrum. Wie gesagt handelt es sich hierbei lediglich um Vermutungen und um keine Aussagen.4


Ein weiterer Punkt, der zu behandeln ist, ist es, dass in dem Gedicht vermehrt Sinneswahrnehmungen verdeutlicht werden oder direkte Handlungen, die aus den Sinneswahrnehmungen resultieren. So ist z.B von Singen 2-mal die Rede (V.1, 3). Auch wird über den Hörsinn berichtet: „horchen“ (V. 7), „Stille“ (V.13). Der Sehsinn wird in V.10 und V.14 angesprochen: „sieht“, „Augen“.5



Nun soll weiterhin das Gedicht auf sprachlich stilistische Aspekte untersucht werden.

Besonders auffallend ist das äußerst freie Schema des Gedichts. Das Gedicht beinhaltet keine feste Einteilung von Strophen. Stattdessen werden die 16 Verse aus dem das Gedicht besteht ohne Absatz aneinandergereiht. Auch die Anzahl der Wörter pro Vers beinhaltet kein Muster, so existieren Verse mit 4 Wörtern (V.1), aber auch Verse mit 8 Wörtern (V.10, 15). Auch beim Versmaß kann man keine Regelmäßigkeiten erkennen. Es existieren zwar teilweise Daktylus-ähnliche Passagen (vgl. z.B V.2), allerdings sind diese an einer Hand abzählbar, weshalb man deshalb nicht von einem Gedicht im Daktylus reden kann, sondern von einer freien Form. Die selbe freie Form ist auch in den Kadenzen sichtbar. Es existieren weibliche, sowie auch männliche Kadenzen. Die männlichen Kadenzen überwiegen mit 11 Versen die weiblichen, die nur 5-mal zu finden sind, allerdings lässt sich dennoch auch hier kein festes Muster erkennen. Das einzige feste Muster im Bereich der Reime ist, dass es sich hierbei um Kreuzreime handelt. Doch auch die Qualität der Reime ist in keinem erkenntlichen Muster angeordnet. So ist beispielweiße der Kreuzreim von V.6 auf V.8 ein reiner Kreuzreim, der Kreuzreim von V.1 auf V.3 allerdings nur identisch. Eine mögliche Antwort auf diese völlig freie, formale Form ist: Das lyrische Ich kann keinen klaren Gedanken mehr fassen aufgrund der Sorge ein alleiniges Leben zu führen, dass durch den Druck der vergehenden Zeit erhöht wird. Daher kann sich das lyrische Ich nicht konzentrieren an einer regelmäßigen Form im Gedicht festzuhalten.
Zum Aufbau lässt sich abschließend noch sagen, dass das Gedicht fast durchgängig in Parataxen geschrieben ist. Dies ist eine weitere Begründung meiner These weshalb das lyrische Ich in einer freien Form schreibt: Das lyrische Ich kann keinen klaren Gedanken mehr fassen hochkomplizierte Sätze zu formulieren und beruht sich stattdessen lieber auf kurze und einfache Parataxen, wie z.B in V13-14.6

Es wurde bereits angedeutet, dass in dem Gedicht vermehrt Passagen auftreten, die Sinneswahrnehmungen behandeln. Folglich existieren auch in der Wortwahl dementsprechende Muster. Es fällt deshalb auf, dass viele Verben mit Sehen oder Hören zu tun haben, wie z.B „einsingen“ (V.1), „horchen“ (V.7), „rufen“ (V.9), „sieht“ (V.10), etc.
Darüber hinaus fallen Worte die im Bezug zu dem Nachtmotiv stehen auf. Hierfür stellvertretend wären Worte, wie: „Nacht“ (V.6), „Wald“ (V.8), „Dunkel“ (V.16) zu nennen. Das Wort „Wald“ wurde zu den Motiven der Nacht gezählt, da es in den Tiefen des Waldes dunkel ist.
Wie bereits schon in der inhaltlichen Analyse gezeigt worden ist beinhaltet das Gedicht viele Wörter, die ein negativen Zustand ausdrücken. Dazu gehören Wörter, wie z.B: „Dunkel“ (V.16), „fremd“ (V.11, 12), etc. Diese Worte werden hier verwendet, da diese gute den Gefühlszustand des lyrischen Ichs ausdrücken.

Nun wird abschließend noch auf die Stilmittel eingegangen.
Schon in V.1 bis in V.5 reichend fällt der Parallelismus auf, dem eine enorm wichtige Rolle schon zu Beginn des Gedichts zukommt. Der wiederholte Satzbau, der stets mit den Worten „Ich möchte“ beginnt legt somit einen besonderen Fokus auf den subjektiven Idealismus, von dem schon im inhaltlichen Teil die Rede war.
Nicht weniger wichtig und sehr auffallend ist die Anapher in V.8: „[...] in dich, in die Welt, in den Wald.“.
Eine wichtige Rolle im Gedicht kommt V.9 und 10 zu. Ab diesen Versen behandelt das Gedicht erstmals das Thema der Zeit. Um diese Wichtigkeit auszudrücken sind hier auf engen Raum (2 Verse) auch 2 enorm wichtige Stilfiguren hinterlegt. Auf der einen Seite lässt sich eine Personifikation ausfindig machen: „Die Uhren rufen [...]“ (V.9). Auf der anderen Seite erkennt man eine Metapher: „[...] man sieht der Zeit auf den Grund.” (V.10). Mit Hilfe dieser Metapher wird auf eine einfache Art und Weise verdeutlicht, dass die Zeit nicht noch so lang und ausreichend ist, wie sie scheint zu sein.
Zuletzt gilt es noch die Synästhesie in V.14f. zu erwähnen: „[...] die Augen [...] halten [...] und lassen [...] los“. 7




In der Einleitung schon habe ich aufgezeigt, dass ein Liebesleben maßgeblich durch die Zeit beeinflusst wird. Man könnte Liebe auch durch einen im Bahnhof haltenden Zug metaphorisieren. Hält der Zug im Bahnhof, so können wir ohne Probleme diesen erwischen und mit ihm fahren. Verpassen wir ihn allerdings, gibt es kein zurück und wir müssen hoffen, dass ein weiterer Zug dieselbe Strecke fahren wird. Analog zur Liebe bedeutet das also, dass wenn wir die potentiellen Partner vor uns haben und die Chance ergreifen, dass Liebe entstehen kann. Verpasst man allerdings den Moment und der potentielle Partner verschwindet, so „ist der Zug abgefahren.“

Man könnte dies auch als Problem unserer heutigen Gesellschaft und Grund für den demografischen Wandel nennen. Durch die völlig falsche Ansicht in unserer Gesellschaft, dass jeder studieren muss, um ein glückliches Leben zuführen verpassen wir viele potentielle Partner, weil wir bis ins späte Alter mit unserer Ausbildung beschäftigt sind anstatt mit dem Finden der richtigen Liebe. Dieses andauernde Abwarten kann zwar später sich in Form durch eine gute Arbeit aufgrund des abgeschlossenen Studiums deutlich machen, aber auch durch ein unglückliches Leben aufgrund von fehlender Liebe im Leben.

1  Ende der Einleitung

2  Ende der Inhaltszusammenfassung

3  Themen mit denen sich das Gedicht inhaltlich befasst

4  Was lässt sich über das lyrische Ich sagen?

5  Sinneserfahrungen

6  Aufbau der Sprache

7  Sprachliche Merkmale


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