Gedichtinterpretation
Das
Sonett "Es ist alles eitel" von Andreas Gryphius, das 1636
veröffentlicht wurde, beinhaltet Aussagen zur Stellung des Menschen
im Kosmos in Relation zur Zeit ( das Vanitas-Motiv), was in mehreren
Sprachbildern ausgeführt wird, verbunden mit dem Todesgedanken
("memento mori"). Es ist anzunehmen, dass Gryphius dieses
Gedicht mit dem Zweck einer Mahnung verfasst hat, dem Vergänglichen
keinen Wert beizumessen, worunter man auch das materielle und
irdische verstehen kann, da dann einem das Jenseits verwehrt wird.
Die
erste Strophe ist ein Quartett mit sechshebigem Jambus. Das
Reimschame ist umarmend (abba) und in dem zweiten und dritten Vers
findet man eine männliche Kadenz vor während es im ersten und
vierten Vers weibliche Kadenzen gibt. Die antithetische Komposition
des Gedichts erfolgt durch den parataktischen Satzbau und die
Dialektik, aufgrund der Verwendung von Alexandrinern. Im ersten Vers
beschreibt das lyrische-Ich die Allgegenwärtigkeit der
Vergänglichkeit : "Du
siehst, wohin du siehst, nur Eitelkeit auf Erden." (V. 1) und
prophezeit die Veränderungen, die durch die Vergänglichkeit
hervorgehen, wobei er Beispiele vorlegt, die sich auf den technischen
Fortschritt der Menschen bezieht ("Was
dieser heute baut, reißt jener morgen ein" siehe.
V.2). Das, was der Mensch schafft, kann also jederzeit von einer
oberen Hand zerstört werden, was das Vanitas-Motiv noch stärker
hervortreten lässt. Auffallend ist die Dialektik, die durch die
Gegenüberstellung von "dieser" und "jener"
entsteht. Da man mit "jener" jemanden meint, der einem fern
steht, kann man das als ein Beleg dafür begreifen, dass es Gottes
Hand ist, die das mühselige Schaffen eines Menschen zerstört oder
eine unbekannte Person. Es wird ein Prozess beschrieben, in dem die
Natur, die von dem Lebensraum der Menschen weggedrängt wurde und die
Macht Gottes darstellt, wieder zurückschlägt. Zu dieser Epoche
waren barocke Gärten sehr üblich, in denen Pflanzen und
Naturgeschöpfe in unnatürliche Formen zugeschnitten wurden. Man
wollte also, dass die Natur einem sich unterwirft und die Willkür
der Natur unterdrückt wird. In Gryphius' Gedicht wird aber die
Machtergreifung der Natur aufgrund der Vergänglichkeit als etwas
positives dargestellt : "Wo
jetzt noch Städte stehn, wird eine Wiese sein, Auf der ein
Schäferskind wird spielen mit den Herden."
(Vgl. V.4).
Der
Todesgedanke kommt in der zweiten Strophe in Vers 6 ("Was
jetzt so pocht und trotzt, ist morgen Asch' und Bein,").
Das "pochen" und "trotzen" könnte sich auf
rebellische Persönlichkeiten beziehen, die trotzig versucht haben im
Spiel gegen die Zeit zu gewinnen um symbolisch gesehen unsterblich zu
sein. Doch auch Menschen sind vergänglich und geraten in
Vergessenheit, wie auch der zweite Teil dieses Verses es verdeutlicht
( ..."ist morgen Asch und Bein"). Auch die Pracht der
Schönheit bleibt nicht verschont (V. 5 : "...,soll
bald zertreten werden.").
Dieser Vers könnte sich ganz besonders auf den Adel beziehen, der
für seinen prunkvollen Lebensstil bekannt war, was sich spätestens
an der Architektur bemerkbar machte. Der dritte Vers meint die
Vergänglichkeit von Stärke. Metaphern dafür sind Erz und
Marmorstein, die trotz ihrer Unerschütterlichkeit ebenfalls
zerbrechen. (Vgl. V.7) Anschließend wird das Glück als eine Emotion
vermenschlicht ("Jetzt
lacht das Glück uns an,...." V.8),
was aber von den 'donnernden
Schmerzen'
unterdrückt wird (V. 8).
In
dem darauf folgendem ersten Terzett drückt das lyrische Ich die
Notwendigkeit der Vergänglichkeit in Bezug auf Ruhm aus (V. 9
..."muss
wie ein Traum vergehen").
Dazu kommen rhetorische Fragen mit philosophischem Inhalt : "Soll
denn das
Spiel der Zeit, der leichte Mensch bestehen?")
Die Art der Formulierung erweckt den Eindruck, als wäre dem
lyrischen Ich die Frage zu überflüssig, weil eben den Menschen
seine Sterblichkeit ausmacht (siehe V.6) und weil dieser auch keine
richtige Orientierung für das gefunden hat, was ewig ist sowie
keinen besonderen Willen dazu besitzt (Vgl. V. 14). Die Metapher
"Spiel
der Zeit",
welche für das Leben steht, verdeutlicht, dass die Zeit eine
wichtige Rolle im Denken der Menschen hatte und dass das "Spiel"
mit dem Leben als Schauspiel verbunden wurde. Zur Barockzeit
entstanden Opern und theatralische Aufführungen wurden immer
beliebter, da die Menschen immer mehr von der Realität flüchten
wollten, was größtenteils von dem dreißigjährigem Krieg
überschattet wurde. Der Mensch versteckt sich also in die
Eitelkeit, weil er als "köstlich"
(V.11) achtet, was hier als " schlechte
Nichtigkeit, als Schatten, Staub und Wind;" (V.12)
bezeichnet wird. Die Alliteration "Schatten
und Staub"
ist ein weiterer Hinweis für den dreißigjährigen Krieg, der von
1618 - 1648 dauerte. Gryphius verfasste dieses Sonett also mitten im
Kriegsprozess, wo es viele Todesfälle und Leiden gab. Daher ist es
verständlich, dass man das Leben, was so schnell vergehen konnte,
als eine Art Bewährungsprobe begriff. Das vergängliche Leben
bekommt in Vers 13 die Metapher "Wiesenblume"
zugeschrieben ("Als
eine Wiesenblum, die man nicht wiederfind't."),
wodurch der bereits im Gedicht vorhandene Vanitas-Motiv noch mehr
hervortritt. Die Mahnung des Dichters liegt also in seiner eher
abwertenden Definition des Lebens und in der Aussage, dass sich die
Menschen immer weiter von der Jenseitsorientierung entfernen (siehe
V.14).
Die
Deutungshypothese, dass dieses Gedicht mit einem Appell verfasst
wurde und verschiedene Motive der Barock-Epoche beinhaltet ("Vanitas"
und "memento mori") ist somit bestätigt worden. Man könnte
den Deutungshorizont weiter erweitern, indem man autobiographische
Bezüge des Dichters Andreas Gryphius herstellt, der in seinem Leben
oft mit Tod konfrontiert wurde. Somit scheint es unvermeidlich, dass
seine Werke von Leben und Tod handeln. Zwei Kontraste, die Gryphius
in seinen Sonetten oft gegenüberstellt, was für seine Zeit auch
üblich war.