Analyse: „Weltende“ von Else Lasker-Schüler
und Vergleich mit Jakob van Hoddis
Vergleichende Analyse von
Gedichten
Im folgendem werde ich das Gedicht
„Weltende“ von Else Lasker-Schüler analysieren und mit dem namensgleichen Gedicht
von Jakob van Hoddis unter den Aspekten der Gemeinsamkeiten und Unterschiede
vergleichen.
1.
Analyse „Weltende“ von Else
Lasker-Schüler
Das Gedicht „Weltende“ von
Else Lasker-Schüler stammt aus der Epoche des Expressionismus und wurde 1905
verfasst. Das Gedicht befasst sich mit der Gefühlslage der Menschen wenn das
Ende der Welt naht.
Meine Deutungshypothese
lautet, dass Else Lasker-Schüler sich in diesem Gedicht kritisch mit der
Gesellschafft und deren Zerstörung der Welt, durch die Industrialisierung
auseinandersetzt.
„Weltende“ umfasst drei Strophen.
Wobei die erste Strophe vier Verse und die zweite und dritte Strophe drei Verse
umfasst. Das Gedicht weist kein klares Metrum auf. Das Reimschema zeigt in
der ersten Strophe einen Kreuzreim und verändert sich mit der zweiten und
dritten Strophe zu einem umarmenden Reim. Diese Veränderungen im formalen
Aufbau erzeugen einen Umbruch, der sich auch Inhaltlich wiedergeben wird.
Zu Beginn des Gedichtes
beschreibt Lasker-Schüler die allgemeine Gefühlslage der Menschheit im Hinblick
auf das Ende der Welt. Die Menschen trauern um den Verlust der Welt. Nicht
einmal mehr Gott kann ihnen Hoffnung oder Erlösung schenken. Durch die Metapher
„ein Weinen in der Welt“ wird die Trauer um den Verlust der Welt und deren Menschheit
betont (vgl. V.1). Der Vergleich mit Gott soll dieses Gefühl der Menschen
verstärken. Da Gott hier als Symbol für Hoffnung und Erlösung steht (vgl. V.
2). Der „bleierne Schatten“ ist eine Personifikation und ein Symbol für die Industrialisierung.
Blei ist ein Werkstoff im Maschinenbau, daher der Bezug zur Industrialisierung
(vgl. V.3). Dieser Schatten fällt auf die Menschen nieder. Eine erneute Personifikation,
die untermalt das die Folgen der Industrialisierung auf die Menschen niederfällt
(vgl. V.3). Der Neologismus „grabesschwer“ verdeutlicht wie schwer die Last
auf den Menschen liegt. Die schwere Last steht für das Schuldbewusstsein. Die
Gesellschaft ist sich bewusst, dass sie an der Verstörung der Welt durch die Industrialisierung
selbst schuld sind (vgl. V. 4). Durch die Setzung der Kommata in dieser
Strophe, entsteht eine Gedankliche Verbindung zwischen den Versen. Diese
Verbindung verdeutlicht das Schulbewusst sein um die Zerstörung der Erde und
die mitbringende Trauer (vgl. V. 1,2,3). Die dadurch entstehende Hoffnungslosigkeit
zeigt sich nun durch den Umbruch von Strophe eins zu drei und vier. Die
Gesellschaft verliert nun den Sinn des Lebens, durch den Verlust der Welt. Dies
zeigt sich in der zweiten Strophe. Sie wollen sich näher kommen aber sehen
keinen Sinn mehr darin. Diese Unvollständigkeit zeigt sich an den
Auslassungspunkten die einer Ellipse gleich gesetzt werden (vgl. V. 5). Die
Hoffnung und der Sinn des Lebens sind noch geschwunden. Die Personifikation,
dass das Leben noch in allen Herzen liegt (vgl. V.6) und der Vergleich mit den
Särgen, veranschaulicht diese Gefühlslage. Der Sarg steht als Symbol für den
Tod. Die Hoffnung und der Lebenssinn sind für die Menschen nun gestorben. In
der letzten Strophe wird der Leser direkt angesprochen. Der Du-Bezug am Anfang
der dritten Strophe mit der verwendeten Apostrophe steht für eine Ermahnung an
den Leser. Diese Ermahnung bezieht sich auf die Zerstörung der Welt durch die
Industrialisierung. Jeder Mensch trägt ein Stück schuld an ihr. Die
Gedankenverknüpfung am Ende von Vers acht, zeigt die Verbindung zu den
folgenden Versen. Die Menschen nehmen Abschied von der Welt und erkennen, dass
es ihre Sehnsüchte an die Welt waren, an denen sie nun sterben müssen (vgl. V.
8 f.). Der Kuss ist ein Symbol für den Abschied. Durch die Verwendung des
Adjektive „tief“ wird deutlich das hier ein Abschied auf Ewig gemeint ist(vgl.
V.8). Die Personifikation, dass eine Sehnsucht an die Welt pocht, steht für
die Sehnsucht nach Verbesserung. Die Verbesserung der Gesellschaft nach denen
die Menschheit durch die Industrialisierung gestrebt hat(vgl. V.9). Doch nun
müssen sie durch ihre Folgen sterben (vgl. V. 10).
Zusammenfassend lässt sich
sagen, dass die Menschheit ihren Lebenssinn verloren hat. Die Industrialisierung
bringt nicht die erhofften Verbesserungen, sondern zerstört die Welt. Doch die
Gesellschaft ist Mitschuld in dieser Zerstörung und des dadurch hervorgerufenen
Weltuntergangs. Dieses Schuldbewusstsein lastet schwer. Else Lasker-Schüler
ermahnt den Leser, um das Bewusstsein dieses Problems zu wecken. Somit hat
sich meine Deutungshypothese bestätigt, dass sie sich kritisch mit den Themen
Gesellschaft und Industrialisierung auseinander setzt.
Die Thematik des
Weltuntergangs ist Typisch für den Expressionismus. In dieser Epoche setzte man
sich kritisch mit der Gesellschaft, Industrialisierung und dessen Fortschritte
auseinander. Es herrschte eine Weltuntergangsstimmung. Diese wurde durch
Naturkatastrophen und die Befürchtung des Aufpralls des Halleyschen Kometen hervorgerufen.
Der Lebenssinn schwand in dieser Zeit und der Mensch trat mit seinen
Bedürfnissen und Gefühlen in den Hintergrund. Daher ist „Weltende“ deutlich in
die Epoche des Expressionismus ein zu ordnen.
2.
Vergleich mit Weltende von Jakob
van Hoddis:
Im folgendem werde ich das
eben analysierte Gedicht „Weltende“ mit dem Gleichnamigen Gedicht von Jakob van
Hoddis vergleichen. Dieser Vergleich bietet sich an, da beide Gedichte das
Thema des Untergangs der Welt behandeln und beide aus der Epoche des
Expressionismus stammen.
Das Gedicht „Weltende“ von
Jakob van Hoddis wurde 1911 verfasst und stammt aus der Epoche des
Expressionismus. Es umfasst zwei Strophen mit je vier Versen und ist somit
kurzer als „Weltende“ von 1905. Ähnlich wie im Gedicht von Else Lasker-Schüler
weist auch dieses Gedicht ein Umbruch im Reimschema auf. Die erste Strophe
besteht aus einem umarmenden Reim, während die zweite Strophe einen Kreuzreim
ausweist.
Jakob van Hoddis behandelt in
seinem Gedicht den Ich-Verlust und die Sinnlosigkeit des Lebens. Diese
Gesellschaftskritik thematisiert er in „Weltende“ anhand von einer
Naturkatastrophe, die die Menschheit nicht wahrnimmt.
Auf Sprachlicher Ebene zeigt
sich, dass beide Gedicht Metaphern, Vergleiche und Gedankenverknüpfungen
verwenden um ihr Gedicht zu veranschaulichen. Jakob van Haddis verharmlost das
eigentliche Geschehen durch Sprachliche Mittel, wobei Lasker-Schüler sie
verwendet um ihren Aussagen nachdrück zu verleihen.
Inhaltlich weicht die
Thematik der beiden Gedicht stark voneinander ab. Während im ersten Gedicht um
den Verlust der Welt getrauert wird, merken die Menschen im zweiten Gedicht
nicht einmal mehr, dass ihre Welt untergeht. In der ersten Strophe von Jakob
van Hoddis zieht ein Sturm auf, der durch eine Personifikation mit „Geschrei“
verglichen wird (vgl. V.1). Die Metapher, dass die Dachdecker entzwei gehen als
sie vom Dach stürzen, verharmlost die Situation. Sie sterben durch den Sturm
aber es scheint nicht wichtig zu sein. Die Menschen lesen nur von dem Geschehen
und bekommen es selbst gar nicht mit was mit ihnen geschieht. Durch die Bindestriche
„ –liest man-“ wird das Geschehen erneut runter gespielt (vgl. V.4). Ein
starker Kontrast zum Schuldbewusstsein der Gesellschaft im ersten Gedicht. Bei
Else Lasker-Schüler stehen die Gefühle der Menschen, die den Weltuntergang
erleben mehr im Geschehen. Auch wenn ihnen ihre späte Einsicht keinen Sinn und
keine Hoffnung mehr geben kann. In „Weltende“ von Jakob van Hoddis wird der
Ich-Verlust und die Sinnlosigkeit des Lebens in der zweiten Strophe deutlich.
Der Sturm, der das Land vernichtet wird immer weiter reduziert. Die
Personifikation, dass der Sturm das Wilde Meer hüpfen lässt verdeutlicht dies.
Durch das hüpfen wird die Gefahr vermindert, die diese Naturkatastrophe mit
sich bringt (vgl. V.5). Die Menschheit sieht die Gefahr nicht, da sie den Sinn
des Lebens verloren hat. Solange niemand ihnen sagt dass diese Naturkatastrophe
Gefahren mit sich birgt, sehen sie weiter hin nicht das wahre Geschehen. Der
Vers Sieben unterstreicht diese Aussage, „ Die meisten Menschen haben einen
Schnupfen“, wieder eine Reduzierung der Gefahr. Als sei der Sturm nur eine
kalte Periode bei der man nun mal einen Schnupfen kriegen kann(vgl. V.7). Mit
dem letzten Vers, dass die Eisenbahnen von den Brücken fallen, kann man eine
Verbindung zur Industrialisierung ziehen. Als Grund für diese Verluste der
Gesellschaft(vgl. V.10).
Jakob van Hoddis kritisiert
die Gesellschaft nicht offensichtlich. Anders wie im ersten Gedicht, wo die Kritik
deutlich zu erkennen ist. Hoddis Kritik wird erst durch die Verharmlosung des
Geschehens deutlich. Jedoch ist seine Kritik schärfer als die im ersten
Gedicht. Die Gesellschaft sei sich ihren Verlusten und dem Weltende nicht
bewusst. Bei Lasker-Schüler ist der Gesellschaft Bewusst, dass die Erde durch
ihr Verschulden untergeht. An diesen Aspekt wird deutlich, wie unterschiedlich
die Ansichten der beiden Dichter im Hinblick auf die Gesellschaft sind. Dennoch
befassen sich beide Dichter mit der Thematik vom Ende der Welt. Auch ist in
beiden Gedichten in Bezug zur Industrialisierung zu finden, als Ursache der
Geschehen.
Beide Gedichte stammen aus
der Epoche des Expressionismus, da die Thematik die des Expressionismus
wiedergibt. Die Dichter verbinden die Thematik von Weltuntergang,
Naturkatastrophen & Gesellschaftskritik um ihre Ansichten zu
veranschaulichen.
Beide Dichter heben ihre
Ansichten und Aussagen zur Gesellschaft in dieser Zeit gut hervor. Aus
persönlicher Sicht, empfinde ich das erste Gedicht von Else Lasker-Schüler
aufschlussreicher als das zweite. Mir gefällt ihr Stil und die wie sie ihre
Aussage, dass der Gesellschaft durch die Industrialisierung die Welt
vernichtet, in ihrem Gedicht veranschaulicht.