Im Folgenden werde ich das Gedicht
„Schlechte Zeit für Lyrik“ geschrieben von Bertolt Brecht im
Jahr 1939 interpretieren und auf sprachliche Mittel untersuchen.
Es geht um den inneren Konflikt des
lyrischen "Ichs" zwischen der Begeisterung über die
Schönheit und der Idylle der Natur und dem Entsetzen über die
politische Situation, und wie dieses Entsetzen sein Schreiben
beeinflusst.
Das Gedicht gehört der Epoche der
Exilliteratur an, denn Brecht verfasste es aus seinem Exil in
Dänemark, während die NS-Diktatur über Deutschland herrschte.
Deswegen stelle ich die Vermutung auf, dass es deshalb eine
„Schlechte Zeit für Lyrik“ ist, weil viele Literaten aus
Deutschland ins Exil fliehen mussten, da sie dort nicht mehr
veröffentlichen konnten. Es war also kaum möglich die Realität
nicht keinen Einfluss auf die Lyrik nehmen zu lassen, da sie
unausweichlich und alltäglich war. Die schlechten Bedingungen zu der
Zeit und die schlechten Umstände machen also die Zeit schlecht für
Lyrik. Außerdem lässt sich vermuten, dass sich das lyrische Ich mit
Bertolt Brecht gleichsetzen lassen kann und es aus dem Exil erzählt.
Das Gedicht "Schlechte Zeit für
Lyrik" besteht aus sechs Strophen mit unterschiedlich vielen und
unregelmäßig langen Versen, ein durchgängiges Metrum ist nicht zu
erkennen, was da lyrische Ich unruhig und aufgewühlt erscheinen
lässt. Außerdem wird kein Reimschema erkennbar, was großen
Einfluss auf die Stimmung des Gedichts hat: Reime machen Gedichte
lebendig, verspielt und oft auch fließender. Dadurch, dass das
lyrische Ich reimlos spricht, wirkt das Gedicht eher monoton und
trist, ein bisschen melancholisch. Das wird durch die Aussage „In
meinem Lied ein Reim/ käme mir fast vor wie Übermut.“ (V. 15-16).
Man könnte meinen, das lyrische Ich lässt bewusst ein Reimschema
und ein festes Metrum weg, um die Problematik zu betonen und sie
relativ sachlich wiederzugeben.
Interessant ist, dass es zumindest
eine kleine Art der Entwicklung im Gedicht gibt. Anfangs weiß das
"Ich" zunächst nicht woher seine gleichgültig/bedrückte
Stimmung kommt, dafür am Ende doch immerhin wo die Motivation Sum
schreiben her kommt. Das lyrische Ich fasst viele Parallelen zu dem
Denken und dem Handeln des Autors, Bertold Brecht auf. Es wirkt wie
eine widerspiegelnde Darstellung seines eigenen Gemüts, weshalb ich
davon ausgehe, dass er tatsächlich sich selbst als Narrator
einbrachte.
Das Gedicht meint "die
Vorübergehenden" befassen sich nicht mit den in den Werken
angesprochenen ungerechten Verhältnissen, die durch das
faschistische Regime entstanden.
Brecht aber, der nach Dänemark
gekommen ist will "die Reden des Anstreichers" (die Reden
von Adolf Hitler, der einst Künstler werden wollte) anprangern und
die Öffentlichkeit auf die Verhältnisse und auch auf die gewaltsame
Verbreitung des dritten Reichs aufmerksam machen. Es ist zu vermuten,
dass das lyrische Ich in Dänemark sitzt, wo auch Brechts Exil war.
Dänemark wird zwar nicht explizit genannt aber "Sund",
Landschaften und Fischerei sind relativ typisch und könnten
sinnbildlich für Dänemark stehen.
Das Gedicht beginnt, indem der Leser
in den Gedankenstrom des lyrischen Ichs hineingeworfen wird: „Ich
weiß doch: nur der Glückliche/ist beliebt. Seine Stimme/hört man
gern. Sein Gesicht ist schön." (V. 1-3)
Es erklärt, dass nur der Glückliche
beliebt, gern gehört und schön sei. Zum einen könnte hier gemeint
sein, dass die deutsche Gesellschaft nur positives hören will und
alles Pessimistische verachtet wird bzw., dass vor allem Negativen
die Augen verschlossen werden.
Zum anderen könnte es auch
kritisieren, wie leicht sich die Gesellschaft für eine schöne
Inszenierung begeistert lässt und die negativen Auswirkungen (wie
zum Beispiel die Verfolgung von Regimekritikern) nicht sieht oder
ignoriert.
In der zweiten Strophe werden
gegensätzliche Wörter benutzt, waren es eher positive Wörter wie
„der Glückliche“ (V. 1), „gern“ (V. 3) oder „schön“ (V.
3), sind es jetzt eher negativ behaftete Ausdrücke wie „verkrüppelt“
(V. 4), „schlecht“ (V.4) oder auch das Verb „schimpfen“
(V.5). Das lyrische Ich setzt in den ersten beiden Strophen die
Situation in der Heimat mit der im Exil in Beziehung, um seine eigene
Deprimiertheit und Unzufriedenheit zu verdeutlichen.
Die Verse "Der verkrüppelte
Baum im Hof/ zeigt auf den schlechten Boden, aber/ die
Vorübergehenden schimpfen ihn einen Krüppel“ (V. 4-6) zeigen,
dass das lyrische Ich aus dem Fenster schaut und seine eigene
Situation sieht: der verkrüppelte Baum steht für den Gemütszustand
des lyrischen Ichs, es ist unglücklich und deprimiert. Es „zeigt
auf den schlechten Boden“ (V. 5), also die Gründe für seine
Traurigkeit, die in diesem Fall die Situation in der Heimat sind. Das
lyrische Ich ist nicht glücklich, da die politische Situation es
nicht zulässt harmonische Gedichte über die Schönheit der Natur zu
schreiben. Sie zwingt es über ernste und notwendige Dinge zu
schreiben. Allerdings schimpfen die Menschen über den Baum, also
über das lyrische Ich anstatt über die Gründe. Wie schon in der
ersten Strophe analysiert, wird nur das oberflächliche gesehen, aber
die tieferen Beweggründe wollen einfach nicht gesehen werden. Das
lyrische Ich stimmt den Leuten zu (vgl. V. 7), da es wirklich
unglücklich ist und, wie der Baum, durch die äußeren Umstände
unglücklich bzw. verkrüppelt wurde.
In der dritten Strophe, welche nur
zwei Zeilen lang ist, schildert das lyrische Ich die Idylle: "Die
grünen Boote und die lustigen Segel des Sundes" (V.8). Der Sund
weist auf Dänemark hin, Brechts Exil und verifiziert die
Deutungshypothese, dass das lyrische Ich mit Brecht gleichzusetzen
ist. Grün ist die Farbe der Hoffnung, dieses Symbol für die
Hoffnung wird jedoch direkt wieder zerstört: „[…] Sehe ich
nicht.“ (V. 9). Dadurch, dass das lyrische Hoffnung, selbst
im Exil nicht, sieht, wird eine pessimistische Einstellung deutlich.
Dieser Aspekt wird besonders in der nächsten Strophe bestätigt:
„Von allem sehe ich nur der Fischer rissiges Garnnetz./ Warum rede
ich nur davon/ dass die vierzigjährige Häuslerin gekrümmt geht?/
Die Brüste der Mädchen/ sind warm wie ehedem." (V. 10-14).
Selbst in der Idylle sieht das lyrische Ich nur die harte Realität
des „rissigen Garnnetzes“ (V. 10), denn wenn das Fischernetz
Risse hat, können nicht mehr so viele bzw. gar Fische mehr
gefangen werden. Da die Arbeit damals autark war (=Selbstversorgung)
spielt das Fischernetz eine ähnliche Rolle für den Fischer wie der
Boden für den Baum: beide sind die Grundlage für das Leben was aus
ihnen hervorgeht. Das lyrische Ich fragt sich außerdem, warum es nur
davon rede, dass die Häuslerin gekrümmt gehe, obwohl die Brüste
der Mädchen so warm wie nie seien. Es sieht also wieder nur das
Negative an der Situation und ignoriert das Gute.
In der fünften, zweizeiligen
Strophe begründet das lyrische Ich, wie bereits erwähnt, den
reimlosen Aufbau des Gedichtes. Es macht vor allem deutlich, dass
eine klangvolle und agile Stimmung in Zeiten wie diesen nicht
angemessen, sondern eher naiv wäre: „In meinem Lied ein Reim/ käme
mir fast vor wie Übermut.“ (V. 15-16)
Erst in der sechsten Strophe spricht
das lyrische Ich offen über seine Beweggründe zum Schreiben und
offenbart dem Leser seinen inneren Konflikt: "In mir streiten
sich/ die Begeisterung über den blühenden Apfelbaum/ und das
Entsetzen über die Reden des Anstreichers.“ Mit dem „Anstreicher“
ist Hitler und dessen gescheiterte Kunstkarriere gemeint, das
lyrische Ich macht ihn lächerlich und sich lustig. Dieser Witz nimmt
es allerdings nicht ganz ein, sondern er hat einen ernsten Unterton.
Durch das Verb "streiten" und durch die starke
Gegenüberstellung von der "Begeisterung" und dem
"Entsetzen" wird klar, dass es sich um einen inneren
Konflikt handeln muss. Denn auch, wenn es die Schönheit der Natur,
wie den blühenden Apfelbaum, immer noch sieht, erscheint es ihm
wichtiger in seinem Entsetzen über Hitler zu schreiben, welches ihn
"zum Schreibtisch drängt." (V. 21).
Zusammenfassend kann man sagen, dass
das Gedicht „Schlechte Zeit für Lyrik“ von Bertolt Brecht die
Gesellschaft zur NS-Zeit kritisiert, sie sei zu oberflächlich und
blind, würde ohne Reflektion handeln und ohne Nachdenken Hitlers
Prinzipien unterstützen. Es ist insofern also eine schlechte Zeit
für Lyrik, dass die Menschen die Kritik in der Lyrik nicht
wahrnehmen wollen und sie deshalb verachten.