Das
Gedicht „Reklame“ von
Ingeborg
Bachmann 1926 - 1973
Bachmann
beschäftigt sich – wie in der Überschrift schon angedeutet –
mit Werbung. Beim einmaligen Durchlesen des Ganzen scheint es einem
verwirrt und Konfus. Da es aber in zwei verschiedenen Schriftarten
geschrieben ist lässt sich jeweils das Gleichgedruckte gut
verfolgen.
Das
normal Gedruckte wirft vier Fragen auf. Gleich zu Anfang die Frage
„Wohin aber gehen wir wenn es dunkel und kalt wird …“
Das Fragezeichen fehlt, und doch kann deutlich eine Frage erkannt
werden. Eine Frage, die sich jeder Mensch einmal in seinem Leben
stellt. Die Frage, wohin ich komme, wenn ich tot bin. Dazwischen
geworfen – kursiv gedruckt – „ohne sorge, sei ohne sorge …
sei ohne sorge …“ wie ein Werbeslogan, befehlend aufgebaut. Ich
soll mich nicht sorgen, wo mich doch diese Frage, wohin ich komme, so
quält? Und schon wieder wird eine Frage aufgeworfen. Die Frage, was
wir angesichts eines Endes tun und denken sollen. Das Ende, der Tod,
beschäftigt uns alle so sehr, doch niemand weiß, was wirklich
danach geschieht. Jeder denkt darüber nach und überlegt, was er tun
soll im Hinblick auf das Ende.
Doch
dazwischen steht wieder das schräg Gedruckte, in dem eigentlich dem
eigentlich die Antwort erwartet wird. Doch es folgt nur „mit musik
… heiter mit musik … heiter … mit musik.“ Wenn das die
Antwort auf die Frage sein soll, dann trifft sie total vorbei. Denn
es ist keine Antwort auf die Frage, die oft in einem Menschen beruht.
Ein
wichtiger Bestandteil der Werbung, die Musik, soll mich erheitern, so
dass ich nicht mehr daran denke, was mich gerade beschäftigt,
sondern dass ich daran denke, was mich gerade beschäftigt, sondern
dass ich daran denke, was mir die Werbung anbietet. Doch es taucht
schon wieder eine Frage auf „… wohin tragen wir unsre Fragen und
Schauer aller Jahre …“. Es stellt sich die Frage, wohin ich mit
all den Fragen, die mich plagen, gehen kann, damit sie mir
beantwortet werden.
Zwischen
den Zeilen steht wieder das kursiv Gedruckte, von dem schon zweimal
einmal Antwort erwartet wurde, von dem aber jedes Mal nur der Befehl
gekommen ist, ohne Sorge und heiter zu sein.
Doch
jetzt ergibt sich wie zufällig eine Antwort, ein Ratschlag. Nicht
wie zuvor ein Befehl, sondern der Rat „am besten in die
Traumwäscherei ohne sorge sei ohne sorge…“. In die
Traumwäscherei soll ich also mit einigen Fragen gehen. Das Wort
„Traumwäscherei“ ist ein zusammengesetztes Wort und zudem das
erste großgeschriebene Wort im kursiv Gedruckten.
Es
soll eine Wäscherei sein, in der etwas gegeben werden kann das ich
mir sonst nur im Traum vorstellen kann; eine Wäscherei, in der ich
auch wieder ohne Sorge sein soll.
Doch
immer noch bohrt die Frage in mir, „… was aber geschieht wenn
Totenstille eintritt …“ Das erste Mal, dass es sich bei dem
„Ende“ und wenn es „dunkel und es kalt wird“ um den Tod
handelt, ausgeschrieben wird: in dem Wort „Totenstille“. Das
schräg gedruckte steht noch einmal da, zwischen den Zeilen „am
besten“, doch dann endet es, und die Worte „wenn Totenstille
eintritt“ stehen frei da.
Die
Reklame ist verstummt. Es scheint, als sei sie durch das Wort
„Totenstille“ verbannt worden. Auch das Gedicht ist zu Ende und
es überkommt dem Leser das Gefühl, dass die Stille, der Tod jetzt
eingetreten sei. Die Fragen, die immer abwechselnd mit den
Fragewörtern „wohin“ und „was“ begannen und mit den Wörtchen
„aber“ im gewissen Sinne gegen die Werbung, die Befahl,
ankämpfen, haben jetzt auch ein Ende. Das „aber“ in drei der
vier Fragen gab dem Leser auch das Gefühl, dass zwischen den Fragen
und der Reklame ein Wettstreit stattfindet, bei dem die Fragen, das
Leben und den Tod betreffend, gewannen. Die Reklame unterliest diesen
Wettstreit.
Das
Leben ist eigentlich ja auch wirklicher als die Traumwelten und die
schönen Dinge, die in der Werbung immer versprochen werden. Die
Werbung und ihre Schöpfer abreiten mit allen Mitteln, um die
Gedanken der Menschen von ihren Sorgen abzulenken, damit diese sich
auf das Produkt, das es zu verkaufen gilt, konzentrieren können. Sie
bedienen sich hauptsächlich der Musik. Auch im Gedicht ist es die
Musik, die erheitern soll. In ihr selbst wird mit sprachlichen und
bildlichen Mitteln gearbeitet. In der Werbung werden aber auch
psychologische Aspekte angewandt. Es werden die inneren Regungen und
Assoziationen ausgenutzt und so verwertet, dass der Mensch der es oft
garnicht merkt auf ein Produkt konzentriert. Die Werbung bietet heute
alles an. Alles, mit dem man Probleme lösen kann: haushaltliche,
technische, sprachliche, personelle und auch sexuelle. Aber ein
Problem hat die Werbung bis heute auch noch nicht gelöst: das
Problem des Sterbens.
Sie
kann nur davon ablenken, dadurch dass uns eine unendliche Zahl von
Produkten angeboten wird, doch wenn es dem Ende zugeht, kann auch sie
nicht mehr tun. Sie verstummt. Genau wie in dem Gedicht von Ingeborg
Bachmann.
Geschrieben
von Jane, 16 Jahre