Gedichtanalyse
Joseph von Eichendorff: Zwielicht
Das romantische Gedicht "Zwielicht" von
Joseph von Eichendorff handelt von der Zweideutigkeit und Falschheit der
Menschen, die besonders zu Dämmerungszeiten deutlich werden.
Eichendorffs Gedicht besteht aus vier
Volksliedstrophen zu je vier Versen. Das Metrum ist ein vierhebiger Trochäus,
die Kadenzen sind durchgehend weiblich. Der Rhythmus ist somit klingend. Das
Reimschema ist ein umarmender Reim, wobei sich in der ersten Strophe der erste
und vierte Vers nicht reimen ("spreiten", "bedeuten").
Durch diese Assonanz wird die Verwirrung des lyrischen Ichs verdeutlicht. Die
Unsicherheit wird ebenfalls an dem Fragezeichen im vierten Vers gezeigt. Das
Ausrufezeichen in der letzten Strophe verstärkt die wichtige Bedeutung der dort
genannten Aufforderung.
In der ersten Strophe breitet sich eine Abenddämmerung
mithilfe der Metapher der "Flügel" (V.1) aus. Das lyrische Ich fühlt
sich von der Natur bedroht, da mit dem Zwielicht der Dämmerung alles
unheimlicher auf ihn wirkt. Außerdem beschreibt es die Natur nicht durch
visuelle Wahrnehmungen, sondern benennt seine Umwelt anhand der Gefühle, die
sie in ihm weckt. Es erkennt die Bewegungen der Bäume als "schaurig"
(V.2) und die der Wolken vergleicht er mit "schweren Träumen" (V.3).
Die rhetorische Frage nach der Bedeutung dieser unheimlichen Gefühle führt dem
Leser noch einmal die Angst des lyrischen Ichs vor Augen. Das Zwielichtige
tritt in der zweiten und dritten Strophe hervor. Der Dichter beschreibt durch
Metaphern der Jag (Vgl. Strophe 2) und der Krieges (Vgl. Strophe 3) das
Misstrauen, welches tiefe Wurzeln im Kopf des lyrischen Ichs geschlagen haben
muss. Das "Reh" (V.5) symbolisiert ein unschuldiges, geliebtes Wesen,
welches Schutz und Geborgenheit benötigt. Die "Stimmen" der anderen
"Jäger" stellen die Bedrohung dar.
Der Ort "Wald" ist typisch für die Romantik
und wird von Romantikern auch als religiös begriffen. Die angedeutete Warnung
schlägt in der dritten Strophe in völliges Misstrauen um. Die Antithese von
"Freund" und "Krieg" beleuchtet wieder das Zwielichtige.
Das Oxymoron der "tückschen Friedens" (V.12) fordert den Leser auf,
sein Misstrauen niemandem zu zeigen und vorsichtig zu sein. Die letzte Strophe
beschreibt den natürlichen und selbstverständlichen Verlauf von Tag und Nacht.
Jedem Untergang folgt ein Neuanfang, jedoch könne "manches" (V.15),
hier die Menschen, nicht mehr Teil des Neuanfangs sein. Diese sind verloren.
Aus diesem Grund fordert das lyrische Ich die Leser auf, immer wachsam und auf
der Hut zu sein, um auch weiterhin bestehen zu können.
Insgesamt wirkt das Gedicht durch die zwielichtigen
Beschreibungen unheimlich und es kommt eine mystische Stimmung auf. Diese
Gefühle werden durch die Tageszeiten der Abend- und Morgendämmerung verstärkt.
Das Gedicht ist in die Epoche der Romantik einzuordnen. Die Begriffe
"Traum", "Wald" und auch "Nacht" sind typisch für
diese Epoche. Das lyrische Ich ist in größter Unsicherheit und misstraut allem
und jedem, es sehnt sich aber dennoch nach der Wahrheit. Die anfängliche
Verwirrung (1. Strophe) wird in den darauffolgenden Strophen weitergeführt und
erklärt.
Schließlich ist sich das lyrische Ich in der letzten
Strophe sicher, dass diese Welt nicht die wahre sein kann und glaubt an die
Existenz einer anderen Welt. Letztendlich ist es aber auch entschlossen, es mit
der bestehenden Welt aufzunehmen und will immer "wach und munter"
(V.16) sein.