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Interpretation

Gedicht­ana­lyse: Das Antlitz der Städte - Im Zug der Häuser - Armin T. Wegner

1.494 Wörter / ~9 Seiten sternsternsternsternstern Autor Leo H. im Sep. 2015
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Literaturanalysen zur Epoche Expressionismus: Die Abitur & Hausaufgabenhilfe: Interpretationen zu Alfred Lichtenstein, Franz Kafka,  Jakob van Hoddis, Georg Trakl, Georg Heym (Textanalysen, Band 4)
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Interpretation
Deutsch

Universität, Schule

Universität Paderborn

Note, Lehrer, Jahr

1,3, Hofmann, 2014

Autor / Copyright
Leo H. ©
Metadaten
Format: pdf
Größe: 0.10 Mb
Ohne Kopierschutz
Bewertung
sternsternsternsternstern
ID# 49296







Universität Paderborn



Fakultät für Kulturwissenschaften



Seminar: Armin T. Wegner



Dozent: Prof. Dr. Hofmann



Wintersemester: 2013/14



Ausarbeitung zum Thema: „Das Antlitz der Städte: Der Zug der Häuser“



Der frühe Pendler eilt durch die Stadtstraße vorbei an alten Häusern und einer beobachtenden Frau am Fenster.
Der frühe Pendler eilt durch die Stadtstraße vorbei an alten Häusern und einer beobachtenden Frau am Fenster.













29,

Lehramt Gy/Ge

Deutsch, Spanisch, Geschichte

9. FS





Inhaltsverzeichnis:





  1. Über Armin T. Wegner



  1. Interpretation: Das Antlitz der Städte – „Im Zug der Häuser“



  1. Schluss



  1. Literaturverzeichnis



























  1. Über Armin T. Wegner





Armin Theophil Wegner wurde am 16.10.1886 in Wuppertal als zweiter Sohn eines Baumeisters bei der Eisenbahn, geboren. Seine frühe Kindheit verbrachte er zunächst in Berlin.

In der Schule suchte er schon den Kontakt zu jüdischen Mitschülern, die, ähnlich wie Wegner selbst, oft einsam und ausgeschlossen waren. Diese Kontakte prägten sein späteres Leben, setzte er sich doch ausführlich mit dem Schicksal der Juden zur Nazizeit auseinander und ging er sogar zwei Ehen mit jüdischen Frauen ein.



In seiner Jugendzeit las er zunächst Märchen- und Seefahrergeschichten, als älterer Junge begann er dann auch selbst zu schreiben. Er fühlte sich oft allein gelassen und einsam. Seine Beziehung zu seinem Vater war sehr schlecht, da dieser ihn oft geschlagen hatte. Das Verhältnis zu seiner Mutter war demgegenüber sehr gut. Er bezeichnet sie sogar neben Tolstoi und Rousseau als eine Lehrerin, „deren Erbe er verwalten will.“

Von Tolstois Beichte wurde Wegner in jungen Jahren stark beeinflusst, auch wenn diese Phase nur ein halbes Jahr anhielt. Mit sechzehn Jahren lässt er schließlich seine ersten Gedichte drucken, dabei verwendet er erstmals die Abkürzung seines zweiten Vornamens. Als Wegner achtzehn ist, verlässt er das Gymnasium um Bauer zu werden, doch die Landarbeit füllt ihn nicht aus. Er kehrt ans Gymnasium zurück und macht das Abitur. Mit zweiundzwanzig unternimmt er eine Italienreise, seine ersten Reisebriefe stammen aus dieser Zeit.



Von 1903-13 studiert Wegner Staats- und Rechtswissenschaften in Breslau, Zürich, Paris und Berlin. Zu dieser Zeit reist er, soviel er kann. Er möchte Abenteuer erleben, über die er schreiben kann. Während seiner Studentenzeit stellt Wegner auch seinen ersten Prosaband zusammen, „Ein Skizzenbuch aus Heimat und Wanderschaft“, so der Titel. Er beendet sein Studium schließlich mit der Dissertation „Der Streik im Strafrecht“.

Seine Arbeit weist kommunistische Züge auf, so endet sie beispielsweise mit dem Hinweis, dass es doch im Interesse eines jeden Staates liegen würde, allen seinen Mitgliedern gleichmäßig den Weg zu den Höhen der Kultur zu ebnen. Die Weltkriege waren Erlebnisse, die Wegner ein Leben lang stark beeinflusst haben.

Im Frühjahr 1917 erscheint mit „Das Antlitz der Städte“ ein zweiter Lyrikband, welcher Bestandteil dieser Ausarbeitung ist.

Wegner wurde er ins KZ Columbia-Haus verschleppt, bevor er am 19. August ins KZ Oranienburg verlegt wurde. Nach dem Krieg, im Jahre 1946, begann Wegner schließlich, seine Erfahrungen der letzten zwölf Jahre für einen Schweizer Verlag aufzuschreiben, eine für ihn sehr erfüllende Aufgabe



  1. Interpretation: Das Antlitz der Städte – „Der Zug der Häuser“



Der Zug der Häuser

Die letzten Häuser recken sich grau empor,

In Massen geschart und in einzelne Gruppen,

Elende Hütten laufen davor,

Zerlumpte Kinder vor Heerestruppen.

Hinter den steinernden Zinnen aber beginnen

Die Felder, die Weiten,

Die sich endlos in die graue Ebene breiten.

Hohläugig glotzen die Häuser herüber,

Mit scheelem Blicke versengen sie Strauch und Baum:

 

Gebt Raum! Gebt Raum

Unserm Schritt!

Wir wälzen den plumpen steinernen Leib darüber,

Die Dörfer, die Felder, die Wälder, wir nehmen sie mit!

Mit unserem rauchenden Atem verbrennen

Wir jede Blüte und reifende Frucht.

Die Saaten, die nicht mehr grünen können,

Ersticken in Qualm wir. Vor unserer Wucht

Zersplittern die Bäume, in rasender Schnelle

Sind alle Menschen im Land auf der Flucht

Vor unserer steinernen Welle.

Wir aber erreichen sie doch. Uns hält

Kein Strom, kein Graben. Wir morden das Feld.

 

Und die Menschen, aus ihrer Qual sich zu retten,

Aus einsamen Höfen, verlassenen Auen,

Mit dem Wahnsinn gepaart, dem Hunger, dem Schmerz,

Gebeugte Männer, verzweifelte Frauen

Ziehen dahin in schwarzen Ketten,

Hinein in der Städte pochendes Herz.

Ob lebend, ob tot, wir halten sie fest

An unsere steinernden Brüste gepreßt.

Bis unsere Stirnen die Sterne berühren,

Blutender Felder zerrissenen Grund,

Euch Ebenen, die in das Endlose führen,

Alle verschlingt unserer Mauern zermalmender Mund.

Bis wir zum Saume der Meere uns strecken,

Nie sind wir müde, nie werden wir satt,

Bis wir zum Haupte der Berge uns recken

Und die weite, keimende Erde bedecken:

Eine ewige, eine unendliche Stadt!...“

(Armin T. Wegner, 1913)



In der Sammlung „das Antlitz der Städte“ verarbeitet Wegner seine Erfahrungen mit und in großen Städten, er versucht auch eine Entwicklung der urbanen Welt und die entsprechenden Folgen zu beschreiben. Die Sammlung enthält Werke wie „Die Weltstadt“, „Das Warenhaus“, „Die Kirchen“, „Die Schlachthallen“, „Das Irrenhaus“, Der Zug der Häuser“, „Häuser“. Auf das oben zu sehende Gedicht „Der Zug der Häuser“ möchte ich nun eingehen:

Das Gedicht „Der Zug der Häuser“ von Armin T. Wegner aus dem Jahre 1913 ist der Großstadtlyrik zuzuordnen. Es beschreibt die räumliche Ausdehnung der Stadt. Kern des Gedichts sind die negativen Folgen, die mit der Ausbreitung der Stadt zusammenhängen.
Des Weiteren ist das Gedicht dem Expressionismus zuzuordnen.
Zunächst einmal ist erwähnenswert, dass das Metrum im ganzen Gedicht unterschiedlich ist. Jambus, Trochäus, (Daktylus, Anapäst) wechseln sich ab. Bei der Versform unterscheidet man zwischen Alexandriner, Hexameter, Pentameter und Elfsilbler. In diesem Gedicht ist die Versform ebenfalls unregelmäßig, dadurch bedingt, dass es ein Gedicht der Moderne ist. Damals gab es einen Widerstand gegen Regelmäßigkeit und klassische Formen.

Bei der Strophenform werden Terzine, Stanze und Odenstrophen unterschieden. Die Strophenform ist hier ebenfalls unterschiedlich, es gibt drei Strophen mit neun, zwölf und siebzehn Versen. Dies passt zum Expressionismus, es kommt zu einem Bruch mit traditionellen Formen. Zum Ende der formalen Analyse werde ich noch auf das Reimschema eingehen.

Von Vers 1-4 ist ein Kreuzreim (ABAB) zu erkennen, während Vers 5 einen weiteren Reim (C) enthält. Vers 6 und 7 bilden ein Paarreim (DD) und Vers 8 und 9 zeichnen sich durch einen Bruch mit dem Reimschema aus (EF).

Sprachliche Analyse:

Man findet in diesem Gedicht eine Alliteration in Versen 10, 31 und 34.
Auch Personifikationen sind zu erkennen, wie in den Versen 3, 8 und 9.

Darüber hinaus gibt es Metaphern in diesem Gedicht in mehreren Versen: 5, 12, 14,17,20,22,27,28,30,31,32,34,37.

Schließlich gebe ich eine kurze inhaltliche Analyse/Interpretation:

Zwischen 1870 und 1920 begannen sich einige Großstädte sehr schnell auszudehnen. Wegner machte sich viele Gedanken über dieses rasante Wachstum. Die Wirtschaft expandierte, in kurzer Zeit wurden eine Vielzahl neuer Fabriken und Banken geschaffen. Der Arbeitsmarkt konnte auf neue Arbeitskräfte setzen, da die Stadt einen großen Zulauf von arbeitssuchenden Menschen verzeichnen konnte. Diese Menschen kamen oft in Häusern unter, die extra für diese neue „Arbeiterschicht“ gebaut wurden. Wegner charakterisiert diese Häuser als brutal und rücksichtslos, da sie die Natur zerstören, und damit auch den Lebensraum der Menschen. In den Versen 17-22 nimmt Wegner eine Personifizierung der Objekte vor:

Ersticken in Qualm wir. Vor unserer Wucht

Zersplittern die Bäume, in rasender Schnelle

Sind alle Menschen im Land auf der Flucht

Vor unserer steinernen Welle.

Wir aber erreichen sie doch. Uns hält

Kein Strom, kein Graben. Wir morden das Feld(…)

In den Versen 33-39 zeichnet Wegner ein düsteres Zukunftsbild, er sieht die „Expansion“ der Häuser als Gefahr für die Menschen, er ist der Auffassung, dass die Häuser sich nicht aufhalten lassen wollen. Im Gegenteil, er ist der Meinung, dass sie die Erde in eine betonierte Stadt verwandeln wollen:

Euch Ebenen, die in das Endlose führen,

Alle verschlingt unserer Mauern zermalmender Mund.

Bis wir zum Saume der Meere uns strecken,

Nie sind wir müde, nie werden wir satt,

Bis wir zum Haupte der Berge und recken

Und die weite, keimende Erde bedecken:

Eine ewige, eine unendliche Stadt!...“

Somit wird eine Ausdehnung der Stadt auf die gesamte Erde bezogen, die Stadtgrenze wird zur Weltgrenze. Letztendlich ist es so, dass das Gedicht die Bedingungen der Urbanität perspektivisch über die Stadtgrenzen hinaus verlängert, indem es den Vormarsch der Mietskasernen in die Landschaft imaginiert. Solche allegorischen Elemente sind typisch für Wegner. Seine Botschaft ist die Anklage gegen soziale Ungerechtigkeit und Unterdrückung durch die Stadt und in der Stadt.



  1. Schluss

Mir war es wichtig zu zeigen durch welch kreatives Schaffen sich Armin T. Wegner ausgezeichnet hat und wie vielschichtig er war. Seine Werke bieten oft einen großen Interpretationsspielraum. Für mich war entscheidend mich mit der Biographie Wegners zu beschäftigen, um so ein besseres Verständnis für seine Gedichte zu erlangen.

Zu Beginn zeigt sich seine Weltanschauung eher in expressionistischen Gedichten. Hierbei handelt es sich vor allem um ein Bild, in dem der Dichter für seine Kunst lebt und über allen bürgerlichen Wertvorstellungen steht. Wegner sieht sein Schaffen aber auch als Verbindung zur restlichen Gesellschaft. Gerade in jungen Jahren positioniert er sich als dichterische Randfigur, die sich, ohne gesellschaftliche Zwänge, ganz auf die eigene Schöpferkraft und Inspiration konzentriert. Gerade diese „Heimatlosigkeit“ ist es, die zur notwendigen Voraussetzung für die „Gabe der Einfühlung“ in Menschen und Schicksale wird.

Meiner Meinung nach sehnt sich Wegner nach einer Natur, die aber Gefahr läuft, von den vielen Häusern verschlungen zu werden. Wegner schafft es, den Leser von der Gefahr der massiven Bebauung zu überzeugen, indem er die Stadt mit der Metaphorik von Fabelwesen mystifiziert und personifiziert. Wie im Gedicht zu sehen, lässt er die Häuser in seinem Gedicht „Zug der Häuser“ ja sogar sprechen.





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