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Diplomarbeit
Religionswissenschaft­en

Universität, Schule

Religionspädagogischen Akademie Stams - RPA

Note, Lehrer, Jahr

2007

Autor / Copyright
Caroline H. ©
Metadaten
Preis 14.00
Format: pdf
Größe: 1.19 Mb
Ohne Kopierschutz
Bewertung
sternsternsternsternstern
ID# 21142







Ordentliche Studierende an der

Religionspädagogischen Akademie Stams im Studienzentrum der Diözese Innsbruck

6422 Stams, Stiftshof 1

DIPLOMARBEIT

Zur Diplomprüfung

Sommertermin 2007

Studienfächer: Religionspädagogik

Thema: Gebet als Ausdrucksform des Glaubens

Themensteller/in: Dr. Dr. Sonnweber K

Dr. Bader G

Abgabe am: 19.02.2007

Erklärung lt. § 47 (3)

„Ich erkläre, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbst verfasst habe und dass ich dazu keine anderen als die angeführten Befehle verwendet habe. Außerdem habe ich die Reinschrift der Diplomarbeit einer Korrektur unterzogen und ein Belegexemplar verwahrt.“

Unterschrift der Studierenden

Gebet als Ausdrucksform des Glaubens

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung. 4

2 Gebet 5

2.1 Allgemeine Einleitung. 5

2.2 Gebetshaltungen. 7

3 Biblische Aspekte. 9

3.1 Gebetszeugnisse in den Büchern des AT. 9

3.1.1 Die Psalmen. 9

3.2 Gebet als Ausdrucksform des Glaubens im NT. 10

3.2.1 Der Auftrag Jesu zu beten. 11

3.2.2 Das Vaterunser 14

4 Aspekte zum Thema aus der christlichen Tradition. 21

4.1 Lehre der Katholischen Kirche zum Gebet 21

4.1.1 II. Vat. Konzil und Gebet 21

4.1.2 Christliches Beten zu einem transzendenten Gott 22

4.1.3 Christliches Beten zu einem dreieinen Gott 23

4.2 Vorbilder im Gebet 24

4.2.1 Gebet 25

4.2.2 Arbeit 26

4.2.3 Die Zeiteinteilung. 27

4.2.4 Gebet und Arbeit in der Benediktregel 28

4.2.5 Fazit 33

5 Religion und Gebet verankert im Schulsystem 33

5.1 Die Würzburger Synode. 33

5.2 Begründung der religiösen Erziehung in der Schule. 34

5.2.1 RechtlicheGrundlage. 34

5.2.2 Pädagogische Begründung. 35

5.3 Konsequenzen, Hilfen und Anliegen, die sich aus den biblischen Aspekten und der christlichen Tradition für die religionspädagogische Arbeit ergeben. 37

6 Didaktische Möglichkeiten einer Schulgebetskultur am Beispiel des Vaterunsers. 38

6.1 Vaterunser als Schulprojekt 38

6.1.1 Vorüberlegungen. 39

6.2 Fixpunkte. 40

6.2.1 Gemeinsame Regeln. 41

6.2.2 Ankommen. 41

6.2.3 Still-Werden. 43

6.2.4 Abschlussritual 46

6.3 Erste Woche – Vaterunser im Himmel, geheiligt werde dein Name. 48

6.4 Zweite Woche – Dein Reich komme, dein Wille geschehe. 50

6.5 Dritte Woche – Wie im Himmel, so auch auf Erden. 51

6.6 Vierte Woche – Unser tägliches Brot gib uns heute. 52

6.7 Fünfte Woche – Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern 53

6.8 Sechste Woche – Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen 56

7 Schlussbemerkungen. 58

7.1 Conclusio. 58

7.2 Ausblick. 58

8 Quellenverzeichnis. 59

8.1 Literaturverzeichnis. 59

8.2 Internetadressen. 60

8.3 Abbildungsverzeichnis. 60

1      Einleitung

Das Thema dieser Arbeit ist „Gebet als Ausdruck des Glaubens“ und die Wahl ist aus folgenden Gründen darauf gefallen. Schon von klein auf wurde in unserer Familie über Gebete und Rituale der Glaube gelebt, und es hat mir schon immer einen Halt im Leben gegeben. Auch erlebe ich selbst gerade jetzt in der Erziehung meiner eigenen Kinder die Wichtigkeit und die Kraft eines Gebetes, sowie die Begeisterung, mit der besonders Kinder diese alltäglichen Rituale (er)leben und dadurch einen Zugang zu Gott, Jesus Christus und dem katholischen Glauben erfahren.

Der erste Teil der Arbeit befasst sich mit dem Gebet im Allgemeinen sowie unterschiedlichen Gebetshaltungen im weiteren Teil der Arbeit werden die biblischen Aspekte beleuchtet und anhand des Beispiels des Vaterunsers betrachtet. Es wird versucht, einen kleinen Einblick in die christliche Tradition zu geben, es wird Bezug auf die Verankerung des Gebetes im Schulsystem genommen und didaktisch am Beispiel eines Schulprojektes zum Thema Vaterunser aufgearbeitet.

2      Gebet

2.1      Allgemeine Einleitung

Im Wörterbuch der Religionen von Wilfried Nölle wird Gebet beschrieben als fromme Zwiesprache mit Gott und neben dem Opfer als der charakteristische Akt der Religion, eingeteilt in Bitt-, Dank-, Buß- und Lobgebet. Bereits in den naturvölkischen Religionen betete der Mensch um die Gnade Gottes; in Indien geht das Gebet oft in Meditation über. Viele Völker verrichten das Gebet in bestimmter Körperhaltung (kniend, mit erhobenen Händen, usw.). Die Römer beteten im Gegensatz zu den Griechen mit verhülltem Haupt.

Juden und Mohammedaner bevorzugen das öffentlich sichtbare Beten. Im Judentum ist das Gebet in festgelegter Form am Morgen, zu Mittag und am Abend zu sprechen, mit Gebetsmantel und Gebetsriemen und Hinwendung nach Osten (hebr. Misrach - Sonnenaufgang), weshalb in jüdischen Häusern eine mit Psalmstellen beschriebene Misrachtafel an der Wand hängt, um die Himmelsrichtung anzuzeigen.

Die Zerstörung des Jerusalemer Tempels (70 nach Christus) und dem Fortfall der Opfer ist das Gebet an die Stelle des Opfers getreten. Die Mohammedaner beten fünfmal täglich, vor Sonnenaufgang, am Mittag, am Nachmittag, bei Sonnenuntergang und zwei Stunden später nach der rituellen Waschung (in der Wüste mit Sand). Die Gebetsstunden werden vom Minarett der Moschee durch einen Gebetsrufer (Muezzin) angekündigt.

Das Gebet der Christen war von alters her ausschließlich (wie bei Juden und Mohammedanern) an Gott gerichtet, Gebete an Jesus und wurden erst später üblich. Die „Anrufung“ Christi war jedoch schon früh Zeichen der Unterscheidung der Gläubigen von den Heiden und Juden. Die katholische Kirche fordert Morgen-, Abend- und Tischgebete und erlaubt auch die Bitte an Heilige um Fürsprache bei Gott.

Auch in den evangelischen Kirchen ist das Gebet ein regelmäßiger Bestandteil des Gottesdienstes. Der vollkommenste Ausdruck des Gebetes ist in allen Konfessionen des Christentums das Vaterunser. Die Sitte, stehend zu beten, wie auch das Kniebeugen übernahm das Christentum vom Judentum (nur den Büßenden war das Stehen ausdrücklich untersagt), auch das Aufheben der Hände war bereits in urchristlicher Zeit üblich; das Falten der Hände kam jedoch erst später auf.

Papst Nikolaus I., der Große (858-867), erklärte das Händefalten für ein Zeichen, dass sich die Christen als Knechte und Gebundene des Herrn erkennen sollten. Während die Juden mit bedecktem Haupt beten, hält sich die alte Kirche streng an die apostolische Vorschrift (l.Kor. ll, 4 ff) nach der die Männer mit entblößtem, die Frauen mit bedecktem Haupt zu beten haben.[1]

Aus dem obigen Abschnitt geht hervor, dass das Gebet, zwar in verschiedenen Formen, in allen Religionen Ausdrucksform des Glaubens ist. Trotzdem scheint das Gebet in der heutigen Gesellschaft eher einen Außenseiterstatus zu haben. So hört man in der Schule oft: „Beten ist etwas für Omas, oder beten tun diejenigen, die sich selbst nicht zu helfen wissen.

Beten ist out“. „Na, Frau Lehrerin, nit scho wieder beten“, sind übliche Aussagen an eine Religionslehrerin, die versucht in den ersten fünf Minuten der Religionsstunde das Beten einzuüben. Ist das Beten eine „Zumutung“ für die heutige Gesellschaft?

Wer dieser Zumutung der Offenbarung, der liebenden Selbstmitteilung Gottes, auf die eine oder andere Weise standhält, der wird auch den vielen Zumutungen konkreter Gläubigkeit, den oft geradezu ärgerlichen Konkretionen des Glaubens an die Inkarnation Gottes in größerer Freiheit und sehnsuchtsvollerer Liebe entgegentreten-, bereit im Glauben zu wachsen und dieses Wachsen auch im und durchs Beten geschehen zu lassen.

Wer sich auf das Beten, zumal im Geist Jesu einlässt- nicht nur darauf Gebete zu verrichten, der oder die „mutet sich“ und lässt sich Wachstum und immer neue Wegweisung gläubiger Existenz in Geschichte und Gesellschaft zumuten. „Solange wir beten, werden wir Gott nicht los“[2], denn im Beten in all seinen Formen und Gestalten von der Klage und Anklage bis zur kraftvoll-kraftlosen, mystisch aktiven Ergebung in den Willen Gottes erbitten wir immer auch und vor allem danken wir, preisen wir diesen Gott.

„Alles um was ihr betet und bittet- glaubt, dass ihr es empfangen habt, und es wird euch zuteil werden“. Die Erfahrung dafür fehlt heute noch weitgehend, die Sehnsucht freilich postuliert gerade dies: dass alles bereits gegeben, geschenkt, angeboten ist, dass es nur noch des Glaubens und des Vertrauens von unserer Seite bedarf.[3]

2.2      Gebetshaltungen

Diese vielfältigen Arten des Betens können einen integrierten Zugang zur Gotteserfahrung in der Form der Ich-Du Beziehung mit Leib und Seele ermöglichen. In den nachfolgenden sieben Punkten werden kurz innere und äußere Gebetshaltungen aufgezeigt, die für die Vertiefung des christlichen Gebetslebens hilfreich sein könnten.

1) Die bleibende Erinnerung an Gott. Man hält ständig in seinem Innern liebevolle Gedanken und Gefühle für Gott wach, damit die Nähe Gottes im Leben zu einer bleibenden und tragenden Erfahrung wird.

2) Zu Füßen sitzen. Gottes Nähe wird in einer konkreten Form wahrgenommen, und der Andächtige setzt sich zu Füssen des göttlichen Herrn.

3) Rituelle Verehrung. Die innere Haltung der Andacht ist durch vielfältige Symbole zum Ausdruck gebracht.

4) Innere Verehrung. Hier wird das eigene Herz als Tempel betrachtet. Andächtig nimmt man die Nähe Gottes im inneren Tempel des Leibes wahr und durch Imagination wird ein Ritual im Herzen vollzogen. Der Betende gibt sich und sein Leben bedingungslos dem göttlichen Herrn hin.

5) Die dienende Haltung. Wird Gott als Herr des Lebens anerkannt, wird der Mensch zum Diener Gottes. Vor Gott Diener zu sein ist in keiner Weise eine Demütigung des Menschen. Im Gegenteil die Freiheit des Menschen wird erst dann zum Blühen kommen, wenn er begreift, dass er ein auf Gott hin angelegtes Wesen ist.

6) Freundschaft mit Gott. Wenn die innere Freiheit im Umgang mit Gott wächst, fühlt man sich von Gott geliebt und geschätzt. Der Betende erlebt sich als Freund Gottes. Im Gebet spricht er dann wie ein Freund zum Freund.

7) Selbsthingabe. Dies ist der tiefste Moment der Gebetshaltung. Der Betende öffnet sein Selbst auf das göttliche Selbst hin und erfährt die totale Transparenz mit dem göttlichen Sein. Das göttliche Leben macht sich wie ein Springbrunnen in ihm auf und verwandelt sein Leben.[4]

Als Christen glauben wir an die leibhaftige Selbstoffenbahrung Gottes in Jesus Christus. Christus ist für uns das der Welt zugewandte Gesicht Gottes: die fleischgewordene Gestalt des göttlichen Logos. Durch Christus hat Gott uns in liebender Zuwendung angesprochen und angenommen. Daher wird Christus für uns das göttliche Du. Wir sprechen ihn an und beten durch ihn zum göttlichen Vater.

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Eine intensive Ich-Du Beziehung zwischen dem Gläubigen und Christus ist ein Grundanliegen des christlichen Betens. Es geht hier nicht um eine Begegnung mit einem Mittler zwischen Gott und uns, sondern um die liebevolle Zuwendung zu dem personalen Gott in Christus. Die Beziehung mit Christus nimmt vielfältige Formen an: der Betende fühlt sich als Zuhörer oder Schüler, Verehrer oder Nachfolger, Diener oder Freund.

Das andächtige Singen oder Zuhören von Hymnen, das dankbare Erzählen von den Taten Jesu, die Wahrnehmung des Wirkens seines Geistes im eigenen Leben sowie im Leben der anderen –das alles sind Formen des Gebetes. Singen, Loben, Preisen, Danken, Erbitten, Anbeten, Tanzen und Gestalten sind die vielen Formen der personalen Andacht. Wichtig dabei ist, dass der Leib in der Andacht mit einbezogen wird.

Der Grundsatz des christlichen Glaubens besagt, dass Gott durch den Leib zu uns gekommen ist. In Antwort darauf sollen wir auch durch den Leib zu Gott gelangen. Darum beten wir mit Leib und Seele.

Eine wichtige Form des leibhaftigen und gemeinschaftsbezogenen Betens ist das Ritual. In den christlichen Kirchen haben wir vor allem die Sakramente. Im Mittelpunkt steht die Eucharistie. Jesus wollte, dass wir seine Nähe und Liebe leibhaft erspüren.

Darum hat er uns in Brot und Wein ein Zeichen hinterlassen, das den menschlichen Leib mit der Erde verbinden soll. Das Brot auf dem eucharistischen Tisch hat einen Lebenslauf, der letztlich unsere eigenen Biographie und gleichzeitig Gottes Geschichte mit uns ist. Das kleine Weizenkorn fällt in die Erde und stirbt. Die belebende Kraft der Erde bricht durch das kleine Korn hindurch und treibt sich hoch.

Die keimende und wachsende Pflanze ist nichts anderes als sich verwandelnde Erde. Durch den Verwandlungsvorgang entfalten sich hunderte von Körnern, die endlich zum Brot werden. Das Brot wird gebrochen und verteilt, gekaut und verdaut: die Erde wird zum Brot, das Brot wird zum Leib. Diesen Verwandlungsvorgang, in dem Erde und Menschen zu einer belebenden Einheit werden, tritt Christus ein.

Die heilende Gegenwart Christi öffnet sich im Brot, das die Erde zu unserem Leib verwandelt. Die eucharistische Verwandlung ist Zeichen und Zusage der ganzheitlichen Verwandlung der Schöpfung durch den Geist des auferstandenen Christus.[5]

3      Biblische Aspekte

3.1      Gebetszeugnisse in den Büchern des AT

3.1.1     Die Psalmen

Bringen wir die Stichworte Gebet und Bibel zueinander in Beziehung, kommt uns wohl als Erstes die Sammlung der Psalmen in den Sinn. Natürlich wäre es kurzsichtig nur in dieser Schrift Gebete der Bibel zu orten. Wir haben sehr viele Gebetszeugnisse in den Büchern des Alten und Neuen Testamentes. Und doch spielen die Psalmen in der Gebetstradition eine hervortretende Rolle.

Der Überlieferung nach, gehen die Psalmen auf David zurück. Die Sammlung der 150 Psalmen umfasst jedoch einen Querschnitt des Gebetsschatzes des jüdischen Volkes durch viele Jahrhunderte. Erst im 2.Jh. vor Christus erfolgte die Zusammenstellung der vorliegenden Sammlung. Die große Zeitspanne der Entstehungszeit ist ebenso zu beachten wie die große inhaltliche Vielfalt der Psalmen.

Diese hängt zumeist mit der konkreten Entstehungs- oder Verwendungssituation zusammen.

Schon früher waren wir auf die so genannten „Königspsalmen“ gestoßen, in denen JAHWE als König besungen wird (vgl. Kap.14). Dazu zählen die Psalmen 47;93-100. Ihre Verwendung oder Entstehung kann auf besondere Anlässe zurückgehen, die mit dem Königtum Gottes zusammenhängen.

Unter den Psalmen finden sich zahlreiche Wallfahrtslieder, die ursprünglich als Gebet auf dem Weg nach Jerusalem gedacht waren. In diesem Zusammenhang sind auch die so genannten „Zionslieder“ zu nennen, die Gott an seiner „Wohnstatt“ im Jerusalemer Tempel verherrlichen. Andere Psalmen preisen Gott als den Schöpfer der Welt; sie werden als „Schöpfungslieder“ bezeichnet (z.B.: Ps 8;l9).

Die „Torapsalmen“ besingen den Wert der Weisung Gottes (z.B.: Ps ll9). Die „Lehrpsalmen“ wollen Anweisungen für bestimmte Lebenshaltungen geben (z.B.: Ps 1;ll2). Heilsgeschichtliche Psalmen erinnern an die Großtaten Gottes an Israel (z.B.: Ps ll4;l35;l36)

Auch gänzlich gegensätzliche Beispiele seien genannt. Die „Fluchpsalmen“ verdanken ihre Entstehung der extremen Notsituation des Volkes oder eines einzelnen Beters (z.B.: Ps l37). Im Munde des reumütigen Sünders sind die „Bußpsalmen“ vorstellbar, usw.…

Über eine allgemeingültige Einteilung der Psalmen nach ihrer strukturellen Eigenart wurde viel diskutiert und geforscht. Sinnvoll erscheint eine Gliederung in folgende Gruppen:

Der HYMNUS ist ein Lobpreis Gottes, bei dem das Moment des Lobes im Vordergrund steht. Dieses Gebet ist auf Gott ausgerichtet und hat zumeist eine bestimmte theologische Aussage über Gott zum zentralen Inhalt; dies kann z.B. die Schöpfung sein (z.B.: Ps 8) oder die Größe Gottes (z.B.: Ps 65;134). Merkmal dieser Gebetsgattung ist das Fehlen der Bitte.

In dieser Gebetsform steht Gott in seiner Herrlichkeit im Zentrum, dies ist zugleich einziger Inhalt des Lobgesangs.

Das DANKLIED nimmt das Wirken Gottes zum Ausgangspunkt des Dankes und des Lobes. Das rettende Handeln Gottes wird erzählt und mit dem Dank für die Erhörung der vorangegangenen Bitte verbunden (z.B.: Ps l8;66;l47).

Im KLAGELIED bringt der Beter bittend seine Not vor Gott. Meist wird sie ausführlich dargestellt und sodann mit der Bitte um Gottes Beistand und Errettung verbunden. Dabei gesteht der Beter seine Schuld und Schwachheit ein und bringt damit zum Ausdruck, dass all sein Vertrauen auf seinen Gott gerichtet ist (z.B.: Ps 22;51;130). Charakteristisch für diese Texte ist die Einbindung des Gotteslobes auch in der Klage der Not.

In den Psalmen begegnet der/die einzelne Beter/in oder die betende Gruppe/das betende Volk JAHWE als einem zugewendeten, immer zur Hilfe bereiten Gott. Dieser Gott kann überdies unmittelbar und direkt angesprochen werden und greift selbst helfend ein. Er erweist sich als die letzte Zuflucht des Menschen, zugleich wird JAHWE als der einzig wahre und machtvolle Gott besungen.

Die literarische Intensität und die Tiefe der Psalmen spiegeln den reichen Erfahrungshintergrund, der hinter diesen Texten steht. Die Wirkgeschichte dieser uralten Gebete unterstreicht dies bis in die heutige Zeit.[6]

3.2      Gebet als Ausdrucksform des Glaubens im NT

Das Gebet spielt im Neuen Testament eine große Rolle. Es kommt sehr oft zur Sprache und da hier nicht alle Stellen behandelt werden können in denen es vorkommt, wurde für diese Arbeit entschieden, eines der wohl wichtigsten Gebete für uns Christen herauszunehmen. So geht diese Arbeit in diesem Punkt hauptsächlich auf das Vaterunser ein, es für Religionslehrer/innen und Multiplikator/innen sehr wichtig ist.

Auch behandelt diese Arbeit das Vaterunser hier deshalb etwas länger, weil sich auch der praktische Teil damit befasst.

3.2.1     Der Auftrag Jesu zu beten

Grundsätzlich dürfen wir nicht vergessen, dass das neutestamentliche Gebet das alttestamentliche voraussetzt und dass dieses teilweise sogar in ihm aufgenommen ist.[7]

Als Gebet Jesu sind uns nicht nur das im Matthäus- und im Lukasevangelium enthaltene, für die Jünger enthaltene Vaterunser überliefert, sondern auch Gebete, die Jesu selbst an Gott gerichtet hat. In den Evangelien nimmt Jesus selbst Stellung zum Gebet.

Das Wesen allen Betens ist Zwiegespräch mit Gott als einem Gegenüber. Sobald sich Absichten einschleichen, die von diesem Ziel ablenken, wird das Beten oberflächlich, und wenn dabei ein Reden mit Gott vorgetäuscht wird, wird es gotteslästerliche Heuchelei. Keiner unter den Gegnern des Gebets, die mit dem Hinweis auf dieses falsche Beten das rechte Gebet abtun wollen, hat diese Entstellung so trefflich charakterisiert und scharf gebrandmarkt wie Jesus.

Ein Beispiel liefert das Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner (Luk l8.l0 ff.). Der Pharisäer macht sich und anderen vor, er danke Gott. In Wirklichkeit hat er bei seinem Beten nur sich und die Menschen im Auge. Bei diesem von Jesus gerügten Beten gilt wirklich, was Feuerbach den Betenden überhaupt glaubt vorwerfen zu müssen: ihr eigenes Herz anzubeten. Der Pharisäer spricht nicht mit Gott, der Zöllner dagegen versucht im Bewusstsein seiner Sünde mit der Bitte um Gnade die Verbindung mit Gott.

Jesus sagt:“ Wenn du betest, geh in dein Kämmerlein und schließe die Tür zu. “Das griechische Wort für „Kämmerlein“ bezeichnet den abgelegenen, vor Dieben sicheren Raum im Haus in den niemand eindringt. Dort ist der Betende allein mit Gott. Dort ist Gott in besonderer Weise gegenwärtig. Er ist zwar überall, aber es gibt Orte, an denen es abseits von allen Ablenkungen leichter ist, ihn zu finden, und zwar so, dass er gerade mit jedem einzelnen das Zwiegespräch zu führen bereit ist.

Denn darauf kommt es an.

In Mt 6,7 (Wenn ihr betet, sollt ihr nicht plappern wie die Heiden, die meinen, sie werden nur erhört, wenn sie viele Worte machen) verwirft Jesus das „Plappern“, wie Luther das seltene griechische Wort übersetzt, und das „Viele-Worte-machen“ sowie die Meinung, dadurch Erhörung zu bewirken. Die Begründung ist für sein Verständnis des Gebetes besonders wichtig: „Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, ehe ihr bittet.“

Den unbedingten Willen Gottes, dass wir zu ihm beten, hat Jesus in seiner ganzen Radikalität erfasst. Daher die wiederholte, so eindringliche Aufforderung zur Beharrlichkeit beim Beten. Die Notwendigkeit dieser Beharrlichkeit entspricht dem göttlichen Willen. Das sollen die Gleichnisse vom bittenden Freund (Luk ll,5 ff.) und von der bittenden Witwe sowie dem ungerechten Richter (Luk l8,l ff.) veranschaulichen.

3.2.1.1    Bittgebet

Wir fragen zunächst nach dem vielfältigen Gegenstand des Bittgebetes.

Bitte um materielle Güter. Die Ablehnung der Bitte um materielle Güter kann durchaus nicht vom Neuen Testament aus gerechtfertigt werden. Der biblische Glaube an Gott als den Schöpfer verlangt die Respektierung des Materiellen, und dies ist auch der Glaube Jesu, den man in Gegenüberstellung zu Johannes dem Täufer einen „Fresser und Säufer“ genannt hat. (Mt ll,l9).So ist es auch nicht in seinem Sinn, wenn Exegeten schon im Altertum und bis heute die Brotbitte des Vaterunsers spiritualisieren.

Mit der Annahme, dass Jesus durchaus als Gegenstand des Bittgebets auch materielle Güter angesehen hat, soll nicht gesagt sein, dass diese den Vorrang haben. Aus dem Gebet Jesu ist schlechthin nichts ausgeschlossen. In allen Dingen soll zu Gott gebetet werden.

Dem Gebet um geistige Gaben kommt ein besonderer Platz in den Evangelien zu. Vor allem ist hier die Bitte um Sündenvergebung zu nennen. Im Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner erscheint sie sogar als Inbegriff allen rechten Betens, und im Vaterunser lesen wir sie bei Matthäus und Lukas.

Die Bitten um geistige Gaben sind zusammengefasst im Gebet für das Kommen des Reiches Gottes. Im Hinblick auf das schon auf Erden zu verwirklichende Reich Gottes, sagt Jesus zu seinen Jüngern: “Betet zum Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte sende.“ (Mt 9,38) Obwohl Gott es ist, der sein Heilswerk im Hinblick auf sein Reich ausführt, sollen wir dafür beten, und es bestätigt sich, dass nach Jesu Verkündigung Gott unser Gebet nicht braucht, aber will.

In der Bergpredigt fordert Jesus die Jünger auf, für ihre Verfolger zu beten: “Bittet für die, welche euch verfolgen(Mt 5,44)“. Er begründet diese Mahnung damit, dass sie sich als Söhne des Vaters erweisen sollen, der der Vater aller Menschen ist, also auch unserer Feinde. „…er lässt seine Sonne aufgehen über das Böse und Gute und lässt es regnen über Gerechte und Ungerechte“.

Gott hat auch sie erschaffen und hat sie in seinen Liebeswillen eingeschlossen. Nach mehreren Textzeugen hat Jesus selbst vor seinem Tod für die gebetet, die ihn, nicht wissend was sie taten, ans Kreuz brachten (Luk 23,34). Unser Gebet für unsere Mitmenschen stellt ein unsichtbares Band mit ihnen her, das uns mit ihnen verbindet, indem es uns und sie mit dem gemeinsamen Vater verbindet.

Auch hier gilt: Gott liebt alle Menschen, aber er will, dass wir als seine Geschöpfe füreinander beten. Wir sollen vollkommen sein wie unser Vater im Himmel, der uns nach seinem Bild geschaffen hat (Mt 5,48).

Diese Kraft der Fürbitte vollbringt das Wunder der Krankenheilungen Jesu. Sie vermag den Tod zurückzudrängen. Denn jede Krankheit ist ein Einbruch des Todes in das Leben, und jede Heilung ist daher Vorwegnahme des Sieges über den Tod.[8]

3.2.1.2    Dank- und Lobgebet

Wir haben bisher nur Bittgebete besprochen. Wie mit Recht gesagt worden ist, stehen sie in den synoptischen Evangelien im Vordergrund, während Lob- und Dankgebete selten vorkommen. In den Paulusbriefen und im Johannesevangelium überwiegen im Gegenteil die Lob- und Dankgebete. Wir haben aber bereits gesehen, dass daraus nicht geschlossen werden darf, für Jesus seien Dank- und Lobgebet unwichtig gewesen.

Wenn diese seltener erwähnt werden, so deshalb, weil Jesus wohl gemeinsame jüdische Gebetsgepflogenheiten mitbefolgte. Lobgebete haben meist, aber nicht ausschließlich liturgischen Charakter. Lobgebete werden daher besonders gemeinsam gesprochen. Von Jesus hören wir in Mk l4,26 und Mt 26,30, dass er auf seinem letzten Gang zum Ölberg mit den Jüngern Psalmen gesungen hat.

Die Psalmen sind weitgehend Lobgebete. Von Jesus ist in Mt ll,25 und Luk l0,2l ein Lob- und Dankgebet erhalten:“ Ich preise dich Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du dies vor den Weisen und Vernünftigen verborgen und es den Unmündigen aber offenbart hast… Ja, Vater, denn so war es das Wohlgefallen vor dir.“

Dass Jesus das Dankgebet keineswegs niedriger einschätzt, beweist auch die Erzählung von den zehn Aussätzigen (Luk l7,l2 ff.), von denen nur der eine, und zwar ausgerechnet ein Samariter, Gott für seine Heilung preist und dankt.[9]

3.2.2     Das Vaterunser

Kein Gebet ist authentischer, dem Betenden und dem Gebetenen angemessener als dieses. Wissen wir doch nicht zu sagen, was uns wirklich Not tut und was Gottes Ohr und Herz wirklich erreicht. Im Römerbrief macht uns der Apostel Paulus darauf aufmerksam: „So nimmt sich auch der Geist unserer Schwachheit an. Denn wir wissen nicht, worum wir in rechter Weise beten sollen; der Geist selber tritt jedoch für uns ein mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können.

Und Gott, der die Herzen erforscht, weiß, was die Absicht des Geistes ist: Er tritt so, wie Gott es will, für die Heiligen ein.“

Im Vaternamen ist für Jesus und damit auch für uns alles zusammengefasst, was uns die geheimnisvolle Größe Gottes nicht nur erträglich, sondern auch anbetungswürdig, liebenswert, vertrauenswürdig macht.

Mit der Anrufung Gottes als Vater eröffnen wir unser Beten und öffnet sich dem Christen das Vertrauensklima einer zuversichtlichen Grundstimmung, mit der man leben und sterben kann. Leider hat das Vaterwort in unserer Zeit viel an Inhalt verloren. Wie ja auch das, ihm ebenbürtige Wort „Mutter“. Sei es weil dem Kind nur schlechte Erfahrungen gegeben waren, oder weil der moderne Leichtsinn unverantwortlich damit umgeht.

Jesu ganzes Wirken ist begleitet vom Gebet, von der geistigen Einheit mit dem Vater, von dem er ausging und zu dem er zurückkehrt. Erinnern wir uns an ein paar Gegebenheiten, die die Evangelien berichten:

Bei seiner Taufe:“ Während er betete, öffnete sich der Himmel und der Heilige Geist kam sichtbar in Gestalt einer Taube auf ihn herab, und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Du bist mein geliebter Sohn, an dir hab ich Wohlgefallen.“ (Lk 3, 2l.22)

Viele Nächte verbrachte er in Zwiesprache mit seinem Vater: vor der Apostelwahl sowie nach der Brotvermehrung, bei seinem Vater war er in glücklichen Stunden, wie der Verklärung Jesu (Lk 9,28.35), oder bei der Auferweckung des Lazarus (Joh ll,4l) aber auch in der Leidensnacht im Garten Getsemani (Lk 22,4l), schlussendlich empfahl er sterbend seinen Geist dem Vater (Lk 23,46).

Nach seiner Auferstehung ist die Menschheit dem Vater erlöst verbunden: “Ich gehe zu meinem und eurem Vater, zu meinem und eurem Gott.“ (Joh 20,l7)

„…geheiligt werde dein Name!“

Was unsere Aufmerksamkeit verdient, ist die Reihenfolge der Bitten: Zuerst sollen wir uns die Anliegen Gottes zu eigen machen, dann die eigenen Bitten vorbringen. Allein diese Folge drückt mehr Ehrung, Anbetung und Hingabe aus, als viele Worte. Hier geschieht schon die entscheidende Wende vom Götzendienst zum Gottesdienst, von der Ich-Besessenheit zur ehrfürchtigen und dankbaren Anerkennung eines in jeder Hinsicht größeren Vaters.

Das Wort „heilig“ besagt einen Qualitätssprung. Jesus warnt uns davor, ihn zu missachten: „Gebt das Heilige nicht den Hunden“(Mt 7,6)

Heiliges ist Göttliches. Was immer daran Anteil erhält, ist neue Schöpfung, gnadenhaft, ehrfurchtgebietend, vorausgegebene Herrlichkeit.

Wenn die christliche Kunst ihre „Heiligen“ mit einem Heiligenschein schmückt, will sie mit diesem Symbol nicht irgendeine Tüchtigkeit hervorheben, sondern jene geheimnisvolle Würde, die unser Leben erhält, wenn der heilige Gott durch die heilige Kirche unser Tun und Leiden auf die Höhe der Nachahmung Gottes erhebt.

Dein Reich komme…

In der zweiten Vaterunserbitte:“ Dein Reich komme“ steht uns ein großes, allumfassendes Symbolwort vor Augen, tief verwurzelt im politischen wie im religiösen Bereich.

Es wird verständlich, dass die Erlösungsbotschaft Jesu das Ideal eines Reiches aufnimmt und auf höherer Ebene zu einem Erlösungsgut macht. In der Überwindung des Bösen öffnet die Gnade Gottes den Weg zu einer neuen Art von Sammlung in der Friedensordnung Gottes. Das Symbolwort „Reich“ wird zu einem Leitwort der Verkündigung Jesu. Nur ein paar Hinweise: Es steht am Beginn seines Auftretens: „Ändert euren Sinn, denn das Himmelreich ist nahe“ (Mt 4,17) – Matthäus nennt seine Predigt „Heilsbotschaft vom Reich Gottes“ (Mt 4,23).

Den Armen wird die Seligkeit des Reiches Gottes verheißen (Lk 6,20). Der Eintritt in das Reich hängt von seelischen Bedingungen ab, von schuldloser Unvoreingenommenheit: Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind, wird nicht hineinkommen. (Mk l0,l5).

Denn wie die Liturgie singt, es ist „ein Reich der Wahrheit und des Lebens, der Heiligkeit und der Gnade, der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens“ (Präfation vom Fest Christi des Königs).

…und dein Wille geschehe.

Wir kommen zur dritten Bitte des Vaterunsers. Sie schweigt noch von unseren Nöten und nimmt sich noch einmal der Anliegen Gottes an. Daran soll sich ja zeigen, ob unser Glaube nur von ihm redet oder ob er wirklich unser Herz zu ihm erhebt (wie wir in der hl. Messe so kühn behaupten).

Mit den Worten: „Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden“, bewegen wir uns auf einem hohen Niveau der Frömmigkeit. Nur echte Liebe und Weisheit vermag so zu sprechen. Es sind wohlwollende Absichten, daran ist nicht zu zweifeln. Sie bedeuten in ihrem hohen Anspruch auch ein hohes Glück. Die reine Naturerfahrung lässt viele Fragen offen, aber Gottes offenbarendes Wort weist den Weg von der Angst zur Hoffnung, von der Auflehnung zum Gehorsam. „Ich will nicht den Tod des Sünders…“ (Ex 33,ll)

Was der Schöpfer mit den großen Vorgängen im Kosmos und der Erdgeschichte beabsichtigt, können wir getrost ihm überlassen. Aber was soll mit der Menschheit, was soll mit mir geschehen? Die Frage scheint unlösbar. Dem Leichtsinnigen bietet sich der Streit der Meinungen zur Flucht aus der Verantwortung an. Solange er gesund und erfolgreich ist, schläft sein Bedarf an Religion.

Aber er wacht gewiss wieder auf, wenn ihn das Geschick schüttelt. Er sucht und findet schon in seinem leib-seelischen, seinem personal-sozialen Wesen Hinweise auf Pflichten, hinter denen der Wille des Schöpfers steht.

Wer ehrlich betet „Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden“, befindet sich im Brennpunkt der Religion, der Hingabe heißt und ewiges Leben verheißt.

…unser tägliches Brot gib uns heute…

Das Vaterunser belohnt jeden, der sich etwas Mühe gibt, den Sinn der alten Worte aufzuschließen. Wenden wir uns der Brotbitte zu.

Obwohl uns die eigenen Nöte schmerzhafter bewusst sind und es dringlicher erscheint, um ihre Beseitigung zu bitten, hat uns Jesus gelehrt, zuerst um Gottes Ehre besorgt zu sein. So haben wir eingesehen, dass wir nur dann in der Wahrheit leben, wenn wir die Urwirklichkeit Gottes anerkennen, ihm vor allen irdischen Werten den Vorzug geben, ihn heilig halten, seine Reichsordnung suchen und seinem Willen folgen.

Da alles von Gott ausgeht und alles einmal zu Gott zurückkehrt, können wir alles gewinnen durch seine Freundschaft und Gnade. Es geht also zunächst um das tägliche Brot als Mittel und Symbol für die leibliche Gesundheit. Aus Getreide gewonnenes Brot ist eines unserer Grundnahrungsmittel, was unsere Bitte eben so dringlich macht. Die Worte „täglich“ und „heute“ geben der Brotbitte das rechte Maß.

Die Menge soll dem Bedarf entsprechen, nicht der Gier. Das Evangelium illustriert das sehr anschaulich: Mit dem Gleichnis vom habsüchtigen Scheunenvergrößerer (Lk l2,l8) wird die maßlose Anhäufung verurteilt, mit dem Hinweis auf die Vögel (Mt 6,26), die unnötige, übertriebene Sorge.

Wer vom Brot spricht, muss auch vom weltweiten Hunger sprechen, den teils die Natur, teils Krieg, teils wirtschaftlicher Egoismus verschuldet.

Sein Brot mit Hungernden zu teilen, ist einer der Prüfsteine der Nächstenliebe, wie freilich auch die Verantwortung derer, von denen die Broterzeugung oder Verknappung abhängt.

Das ist nur zu wahr, denn Gott ist es, der uns als leibliche, hungrige Wesen erschaffen hat und darum die Erwartung berechtigt, dass er sich auch uns in leiblicher Not zuwendet und seine Güte in guten Menschen und guten Werken verwirklicht. Unsere Bitte ist also zugleich unsere Gewissenserforschung. Wir, die zum großen Teil in Überfluss leben, sollten die Brotbitte, in der wir „gib uns“ sagen, christlich und erhörenswert machen, indem wir alle Hungernden einschließen.

Im christlichen Brauchtum ist man mit der Gottesgabe des Brotes immer achtsam umgegangen und hat es als Ausdruck der Nächstenliebe auch immer mit Hungernden geteilt.

Wir dürfen noch einen Schritt weitergehen: Ein göttliches Siegel liegt auf dem Brot, seit Jesus seiner Kirche unter den Gestalten von Brot und Wein das Sakrament seiner Liebe und seines Blutes übergab.

…und vergib uns unsere Schuld.

Nachdem wir im Vaterunser um Brot gebeten und damit die Reihe der Bitten eröffnet haben, in denen es um unsere eigenen Nöte geht, bitten wir heute als Sünder um Vergebung. Diese Bitte ist, obwohl nicht allen bewusst, noch dringlicher als die Brotbitte. Denn Schuld ist schlimmer als Hunger. Gewiss, wir brauchen Brot und haben deshalb um Brot gebeten.

Die Solidarität der Nächstenliebe, die das Evangelium von uns verlangt, muss sich auf dem Boden der Wirklichkeit bewähren. Sie enthält auch die Solidarität im Bekennen unwürdigen Handelns, im Bereuen, im Bitten um Vergebung und in der Pflicht der Wiedergutmachung, auch wenn wir nur mit kleinen Anteilen am Unheil schuldig wurden.

Die erste große Erhörung unserer Bitte besteht schon in der Sendung eines Erlösers, der als Unschuldiger unsere Schuld auf sich nahm und eine grundsätzliche Versöhnung anbahnte. Wer von der Passion Jesu einen tiefen Eindruck empfing, weiß, dass er es sich nicht leicht gemacht hat. Wie dankbar sollten wir ihm sein, dass er dem Wort „Gnade“ einen so wunderbaren Inhalt gegeben hat: uns zu lieben, nicht nur mit Worten und Geschenken, die nichts ändern, sondern mit dem ganzen Ernst der Rettung aus dem Verhängnis der Schuld, der Rettung unseres so leichtfertig „verspieltem“ Lebens.

Unsere oberflächlich denkende und vordergründig beschäftigte Zeit spricht kaum noch von der Notwendigkeit der Sündenvergebung. Gewissenslasten sind ja auch nicht leicht zu fassen. Erst in den Folgen werden sie sichtbar. Sind wir dann ehrlich genug, an die heimlichen Wurzeln zu gehen?

Der Rückweg wäre freilich immer offen. Der Erlöser hat in einer der dunkelsten Stunden der Menschheit, als man ihn ans Kreuz schlug, eine grenzenlose Nachsicht aufleuchten lassen: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ (Lk 23,34)

Im Vaterunser hat er uns den Mut gegeben, in der gleichen Hoffnungsrichtung zu bitten: „Vergib uns unsere Schuld“ allerdings mit dem Zusatz: „wie auch wir vergeben unsern Schuldigern“, mit dem das Nehmen und Geben wieder ins Gleichgewicht kommt. Das Vergeben gehört zu den Forderungen des Evangeliums. Das Maß der Verwirklichung hat Bedingungen, die nicht immer in unserer Macht stehen.

Wie etwa beim Ideal der Feindesliebe, der Loslösung von Ehre und Besitz, des Gottvertrauens in Gefahr, der bescheidenen Demut. Immer entscheidet der Wille. Wir können Geschehenes nicht ungeschehen machen, dennoch liegt im Vergeben eine schöpferische Kraft. Nicht immer wird dies gelingen. Doch immer bleibt das Vergeben als Nachahmung der barmherzigen Liebe Gottes, ein Anteil am Sieg des Erlösungswerkes Jesu.

…und führe uns nicht in Versuchung, .

Schon der Jakobusbrief musste hier Missverständnisse ausräumen. Der Ausdruck: „In Versuchung führen“ ist nämlich mehrdeutig.

Der nächstliegende Sinn ist zwar: „als Verführer zum Bösen verleiten“, „einen schwachen Menschen boshaft zu Fall zu bringen“ – ein feindlicher Akt also.

Aber das Wort „Versuchung“ kann auch einen durchaus guten Sinn haben, den einer Gelegenheit zur Bewährung, Erprobung, Ermunterung im Guten. Den Sinn einer Herausforderung, die den Willen stärkt und stützt, nicht erdrückt – ein freundlicher Akt also.

Jakobus spricht es klar aus und der ganze Zusammenhang der Evangelien bestätigt es: Gott ist kein Versucher im boshaften Sinn (Jak l,l3). Das sind vielmehr unsere eigenen bösen Neigungen, die aufgeheizten Begierden, die ins Verderben locken (Jak l,l4-l5)

Wir dürfen es Jakobus glauben: „Glücklich der Mensch, der in der Versuchung stand hält. Denn wenn er sich bewährt, wird er den Kranz des Lebens erhalten, der denen verheißen ist, die Gott lieben.“ (Jak l,l2)

Drängt es einen gesunden Menschen nicht, sich großen Aufgaben zu stellen und mit der eigenen Kraft etwas in der Welt zu bewegen? Soll ich Gott bitten, mich zu schonen oder soll ich ihn bitten, mich zu fordern?

Die Brüder Johannes und Andreas hatten Karrierepläne und mussten sich von Jesus fragen lassen: „Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde?“ Ihre mutige Antwort: „Wir können es“ konnten sie allerdings später wahr machen. Aber in Demut nicht in Geltungssucht.

Auch Petrus war sich zu sicher, als er dem Herrn zusagte, ihn nie zu verleugnen (Mt 26,35). Schon wenige Stunden später trieben ihn die Verdächtigungen einer Magd in die Enge und er versagte völlig. Immerhin wachte sein Gewissen schnell auf und über den Weg bitterer Reue und getröstet von der nicht verlorenen Liebe und Beauftragung Jesu, fand er zur Treue bis in den Tod.

Erlöse uns von dem Bösen.

Wir kommen zur letzten der Vaterunserbitten. Sie ist in so allgemeinen Worten gehalten, dass man in ihr eine Art Zusammenfassung aller vorigen Bitten sehen kann.

Nur allzu gern wenden wir den Blick von dieser Last der Menschheitsgeschichte ab, um mit scheinbar mehr Erfolg an der Beseitigung der greifbaren Schäden zu arbeiten. Der Kirche blieb der Spott nicht erspart, sie hätte im eigenen Interesse die „Macht des Bösen“ erfunden. Die genauere Auskunft über unsere Krankheit und unsere Heilung verdanken wir dem Wort Gottes.

Wenn Gott überhaupt in unser Bewusstsein tritt, wird klar: letztlich entscheidet sich an ihm unser Schicksal. Seine Auskunft enthält so viel erbarmende Liebe, dass wir sie nicht als „Hiobsbotschaft“ bewerten dürfen, sondern als „ Frohe Botschaft“.

Unsere Überlegungen zum „Gebet des Herrn“ mögen dazu verhelfen, es uns wieder mehr vertraut zu machen.

Das Verb „bitten“ zeigt, dass hier Gott ähnlich wie im Alten Testament, allerdings im Hintergrund an der Versuchung nicht unbeteiligt ist, dass also eine göttliche Prüfung vorausgesetzt ist, obwohl dies nicht besonders gesagt wird. Dagegen ist der Gegenstand des Gebetes Jesu hier klar. Es handelt sich um die Bitte, dass Petrus in der Versuchung (nicht von der Versuchung) bewahrt werde: Ich habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht nachlasse. (Luk 22,23)

4      Aspekte zum Thema aus der christlichen Tradition

4.1      Lehre der Katholischen Kirche zum Gebet

4.1.1     II. Vat. Konzil und Gebet

Das II. Vatikanische Konzil nimmt das Gebet sehr wichtig. Wie jedes vorhergehende Konzil wurde es mit einem Gottesdienst und dem Gebet zum Hl. Geist eröffnet. Auch während des Konzils wurde gebetet. Einerseits von den Teilnehmenden und andererseits von den vielen Millionen Christen, die das Konzil mitverfolgten.

Gibt man in Google[11] die Begriffe „Zweites Vatikanum + Gebet“ ein oder schlägt man im Stichwortverzeichnis des Konzilskompendiums[12] das Wort „Gebet“ nach, stellt man fest, dass in jedem Dekret und in jeder Konstitution das Gebet eine wichtige Rolle spielt. Sowohl die Aufforderung zum Gebet, als auch das Gebet selbst ist dem Konzil wichtig. Gebetet wird für die Bischöfe, für die Kirche und deren Gemeinschaft, für die Welt, für die Familie, für die Mission, das Ordensleben und erstmals auch für alle Menschen, die nicht katholisch sind.

Das Konzil fordert alle Christen zur Gebetsgemeinschaft mit nichtkatholischen Christen auf. Auch streicht es hervor, dass Christus zum Heil für die ganze Menschheit (vgl. LG 1) gestorben ist. Darum kann das Gebet nichts separiertes Katholisches bleiben, sondern muss allen Menschen gelten.


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