Interpretation „Fünfzehn“
Kurzgeschichte von Reiner Kunze
Reiner
Kunzes Kurzgeschichte „Fünfzehn“ handelt von einem 15-jährigen Mädchen, welches
vom mutmaßlichen Vater in ihrer modischen und charakteristischen Art
beschrieben wird. Diese äußerst subjektive Beschreibung beinhaltet
außerordentlich viele dichterische Stilmittel, vor allem viele Metaphern und
Vergleiche.
Eine
objektive Beschreibung des Mädchens wird also von vornherein ausgeschlossen;
der Erzähler hat eine Distanz zu der Tochter, die unter anderem auf dem
Altersunterschied zwischen Jugendlichen und Erwachsenen beruht, was gleich am
Ende der Einführung festgestellt wird („Sie ist fünfzehn Jahre alt und gibt
nichts auf die Meinung uralter Leute.“ Z. 17f.)
Ein rebellisches Mädchen in modischer Kleidung trotzt altmodischen Ansichten in einer bunten Landschaft.
Im
Gegensatz dazu versucht der Erzähler, die Leser auf seine Seite, nämlich die
der Erwachsenen, zu ziehen, indem er sich direkt an sie wendet („Könnte einer
von ihnen sie verstehen, selbst wenn er sich bemühen würde? Ich bin über
dreißig.“ Z.19ff.)
Der
erste Eindruck, nämlich der eines eigenwilligen und selbständigen Teenagers,
wird teils sehr amüsant dem Leser vermittelt. Er erwähnt ebenfalls die Musik
der Jugendlichen und dessen Lautstärke (Z.24) und nennt den „Lustgewinn“ als
Ursache dafür.
Hier
zeigt sich eine doppelte Perspektive des Erzählers: Einerseits versucht er
seine Tochter nach seinen Vorstellungen zu Ordnungsliebe und konventionellem
Verhalten zu erziehen, andererseits lobt er aber auch ihr Verlangen nach
geistiger Unabhängigkeit („Ich glaube, von einem solchen Schal würde sie
behaupten, dass er genau ihrem Lebensgefühl entspricht.“ Z.9ff.) Ein weiteres
Beispiel ist die eben beschriebene Musik über dessen Lautstärke er sich zwar
beschwert, die er aber gleichzeitig als positive Motivation bzw.
„Teilbefriedigung ihres Bedürfnisses nach Protest“ (Z.25f.) beschreibt.
Des
Weiteren wird die absolute Unordnung in ihrem Zimmer und anderen Teilen der
Wohnung beschrieben (Z.35ff.). Sie versucht den „Nichtigkeiten des Lebens“ (Z.
46) aus dem Weg zu gehen und aus ihrem Handeln den maximalen Spaß zu ziehen.
Mit
all diesen Beschreibungen, die sich auf Lebensstil der meisten Jugendlichen
verallgemeinern lassen, will Kunze auf den Wandel der Jugendlichen aufmerksam
machen und auf den Drang andeutet, nichts mehr ernst zu nehmen und „Just for
Fun“ zu leben, also das Leben einfach zu genießen, was viele Erwachsene nicht
nachvollziehen können.
Anstatt
aggressiv dagegen anzukämpfen, kann auch eine simple, gut durchdachte List
angewendet werden, was hier ebenfalls getan wird, indem der Vater der Tochter,
die Angst vor Spinnen hat, sagt, er hätte gesehen, dass diese unter ihrem Bett
ihre Nester bauen würden. Darauf erleidet das Mädchen einen Schock und beginnt
panisch zu kreischen. Am Abend aber setzt sich das Mädchen darüber hinweg und
provoziert ihren Vater, indem sie ihre Schuhe auf das Klavier stellt, mit der
Bemerkung „Die stelle ich jetzt immer dorthin, damit keine Spinnen
hineinkriechen können“ (Z. 82ff.)
Einerseits spielt er darauf an, dass der
jugendliche Wandel zwar für viele Erwachsene abstrus erscheinen mag, aber auch
nachvollziehbar und verständlich sein kann, da die Jugendlichen sich, vor allem
in der Pubertät, von den Erwachsenen abheben wollen. Andererseits beschreibt er
aber auch seinen Versuch dem Mädchen Einsicht aufzuzwängen, indem er sie mit
der Spinnen-Lüge täuscht.
Veranlasst
dazu, eine Geschichte zu diesem heiklen und oft diskutierten Thema zu
verfassen, könnte er durch eine eigene Tochter oder einen eigenen Sohn geworden
sein.
Dieses
Thema bringt er, meiner Meinung nach, dem Leser sehr gut näher und ich denke
ebenfalls, dass diese Geschichte heute noch aktuell sein kann, bzw. dass der
Leser auch heute noch über dieses Thema nachdenken wird.