Textanalyse
„Frau auf der Bettkannte“ von Botho Strauß
In
der Kurzgeschichte „ Frau auf der Bettkannte “ von Botho Strauß,
welche 1987 erschienen ist, geht es um eine Frau, dessen Mann ohne
ein Wort zu sagen abgereist ist.
Aufgrund
ihrer langen gemeinsamen Geschichte und in der Bewältigung immer
wiederkehrender Konflikte, glaubt sie an die Unauflöslichkeit ihrer
Beziehung.
Direkt
am Anfang (Z.1-9) erfährt man von einer Frau, welche alleine in
einem Hotelzimmer in Lissabon aufwacht. Sie ist fassungslos und muss
sich der Abreise ihres Mannes erst einmal bewusst werden. Im zweiten
Abschnitt (Z.10-25) äußert die Frau nochmals ihre
Fassungslosigkeit, aber auch ihr Schwanken zwischen Stolz, innerer
Verletzung und Wut. Sie redet sich ein, es sei nur ein kleiner
Zwischenfall (Z.21), welcher sich schnell wieder in Luft auflösen
wird. Im dritten Abschnitt (Z.26-54), fragt sich die Frau, was sie
nun mit dem Tag anfangen solle. Doch die Gedanken an die schönen
Zeiten mit ihrem Mann überwiegen die Planung des Tages. Ihre
Gedanken an die schöne Zeit mit ihrem Mann wandeln sich jedoch
schnell wieder in Wut um. Sie kann und will es nicht verstehen, wie
er ohne ein Wort abreisen konnte, das hatte sie ihm nicht zugetraut.
Für einen kurzen Moment überfliegen sie die Zweifel, ob ihn
vielleicht doch etwas gequält hatte (Z.53). Doch diese Gedanken
stößt sie schnell wieder von sich. Der vierte Abschnitt (Z.55-82)
ist wieder ein ständiges Auf und Ab ihrer Gedanken. Sie will
einerseits ihren Mann für einen Moment vergessen und sich einen
schönen Tag machen, aber auch ja keinen möglichen Anruf verpassen.
Sie merkt plötzlich, dass der diesmalige Konflikt einen Riss
hinterlassen hat (Z.77). Nimmt sich aber vor hart zu bleiben und
will, dass er genauso leidet wie sie. Der letzte Abschnitt (Z.81-89)
besteht aus Vermutungen, die sie bezüglich seines Aufenthaltsorts
abgibt. Als Fazit zieht sie aus ihren Gedankengängen, dass er sie
genauso wenig los ist wie sie ihn.
Die Frau erwacht alleine in einem Hotelzimmer in Lissabon.
In
der Kurzgeschichte tritt überwiegend ein personales Erzählverhalten
auf. Es wechselt zwischen einem inneren Monolog und erlebter
Rede. Doch es gibt auch Ausnahmen wie, „Sie musste sich wehren, und
dann konnte sie nicht mehr zurück.(Z.11-12) Hierbei handelt es sich
um ein neutrales Erzählverhalten.
Der
Anfang hat einen unvermittelten Beginn, der Leser wird in die
Situation regelrecht hineingeworfen. Man wird direkt mit der Handlung
konfrontiert. Die Frau in der Überschrift wird ohne Artikel
eingeführt, sie bleibt den ganzen Text über anonym. Beim ersten
Satz handelt es sich um einen hypotaktischen Satzbau. Dieser ist sehr
informativ und beschreibt die Lage, in der sich die Frau befindet.
Das „Hände zwischen die Knie pressen“ (Z.3), deutet oft auf
Verärgerung oder Frustration hin. Diese Emotionen werden bei ihr
durch die Abreise ihres Mannes erzeugt. Der mit Bindestrich
abgegrenzte Satz „zur Besinnung kommen, heißt, es nicht fassen
können“ (Z.4-5), veranschaulicht sehr gut ihre Fassungslosigkeit.
Sie muss erst einmal ihre Gedanken ordnen und die für sie ungewohnte
Situation verdauen.
Nach diesem Schachtelsatz folgen gleich 7 kurze
Sätze, welche jeweils mit einem Fragezeichen enden. Sie machen den
Text interaktiv und beziehen den Leser mit ein und fordern ihn zum
Nachdenken auf. Sätze wie „Was soll ich tun? Eine Entscheidung
treffen? Keine Entscheidung treffen?“(Z.6-7), deuten wieder auf die
Ratlosigkeit und Unsicherheit der Frau hin. Sie ist überfordert mit
der Situation und fragt sich, was jetzt das Beste wäre zu tun. In
Z.8 handelt es sich um eine Anapher. Das jeweils erste Wort von „Er
ist weg. Er ist wirklich abgereist“(Z.8), verdeutlicht ihre
Fassungslosigkeit über die Abreise ihres Mannes. Die Zeilen 10-14
könnten einen Einblick in die Beziehung letzter Jahre sein. Sie
redet von dem „Jähzorn“ und der „unbeherrschten Bosheit“
ihres Mannes. (Z.10) In Z.11 kommt es zu einem kurzen
Konjugationswechsel. Deutlich wird dies an den Worten „Sie musste
sich wehren, und dann konnte sie nicht mehr zurück.“(Z.11-12) Die
Konjugation „ich“ wechselt zu „sie“, das heißt, der Erzähler
begibt sich für einen kurzen Moment außerhalb des personalen
Erzählens. Dieser Satz zeigt auch, dass sie sich gegen sein
Verhalten gewehrt hat, das aber ein Streit auslöste und eine Abreise
ihres Mannes mit sich führte. Es kam zu einem eruptiven „Aufbruch
im Zorn“ (Z.14) und dem „Ende“. (Z.14) Immer wieder wird die
Fassungslosigkeit der Frau deutlich, durch Sätze wie „Er ist
wirklich weg“. (Z.14) Vorallem das „wirklich“ verdeutlicht
dies, beziehungsweise bringt es zum Vorschein. Es scheint öfters
gekriselt zu haben zwischen Mann und Frau, denn die Frau meint, dass
es „diesmal ein tiefer kalter Schnitt ist“. (Z.17) Das Wort
„diesmal“ spielt dabei eine große Rolle. Die mit zwei
Ausrufezeichen versehenden Sätze „So kann er nicht umgehen mit
einem anderen Menschen! Das muss er für immer wissen!“(Z.19-20),
erzeugen eine „laute, gereizte Stimmung, oder auch den Eindruck von
Hysterie. Unumstritten ist die schon länger anhaltende Beziehung.
Sie bezeichnet diese im Text als „lange, große Geschichte“.
(Z.22) Sie glaubt auch diesmal an einen nur „kleinen fiesen
Zwischenfall“ (Z.21-22), das heißt die Abreise bedeutet für sie
keinesfalls das Ende der Beziehung.
Der neue Absatz (Z.26) beginnt mit einer Anapher. Das zweifach
vorkommende „was“, verdeutlicht ihre hin und her Gerissenheit.
Sie weiß nicht, was sie mit dem Tag anfangen soll. Von Z.26-31
erkennt man einen paraktischen Satzbau. Die einzelnen Textbausteine
erlangen dadurch eine stärkere Wirkung. Besonders deutlich wird hier
wieder ihre Unentschlossenheit, beispielsweise durch die an sich
selbst gerichteten Fragen „Was werde ich tun? Was fange ich an?“
(Z.26) Auch die Zeilen 35-39 gehen auf die bisher geführte
Beziehung zwischen Mann und Frau ein. Sie redet von „Ausfällen,
die immer dazwischenfahren wie der Blitz.“(Z.37-38) Der Blitz steht
hier für etwas schnell Vorbeigehendes, das so schnell und plötzlich
geht, wie es auch gekommen ist. Anschließend redet sie abermals von
ihrer gemeinsamen „Geschichte“. (Z.39) Sie meint, die
Auseinandersetzungen hätten sie immer kräftiger zusammengetrieben.
(Z.40-41), dass es diesmal aber anders ist. In den Zeilen 47-52
fallen wieder die häufig auftretenden Ausrufezeichen, aber auch
Fragezeichen auf. Sie veranschaulichen einen ständigen Wechsel von
Wut, Ratlosigkeit und Unverständnis. Auffallend sind in den Zeilen
55-60 die zweimal vorkommenden Gedankenpausen. Diese tauchen nach
festen Entschlüssen auf. Beispielsweise nach „bloß nicht hier
sitzen bleiben! .......“. (Z.56) Sie braucht eine Weile und
widerspricht ihrem festgesetzten Entschluss wieder mit einer Frage.
Sie befindet sich in einem Zwiespalt. Einerseits möchte sie
unbedingt wissen wo ihr Mann sich befindet, dies belegt der Satz „Ein
einziger Anruf könnte die Befreiung bringen“ (Z.58), andererseits
ist sie aber zu stolz sich ihm hinzugeben und zum Telefon zu greifen.
In Z.64 taucht eine Epanalepse auf. Es handelt sich um eine
Wiederaufnahme eines Wortes in dem Satz „ Es heißt Lissabon, wo
ich bin, und ich werde einfach hineingehen und sehen, sehen. (Z.64)
Dieses zweimalige Verwenden von dem Wort „sehen“, macht auf mich
einen Eindruck von Unschlüssigkeit. Das zweite „sehen“
entkräftet ihren Plan, in die Stadt zu gehen wieder. Zum Vorschein
kommt abermals ihre Unsicherheit und hin und her Gerissenheit.
Anschließend überlegt sie sich, „vielleicht später eine Weile
vor den Bildern zu sitzen im Museum.“(Z.65) Das Museum mit den
Bildern meint vielleicht ihre Suche nach neuen Eindrücken um das
alte zu unterdrücken, zu vergessen. Oder auch eine Sehnsucht, die
Bilder in einem auslösen können. Wieder sehr hervorgehoben wird in
den Zeilen 66-68 ihre Unentschlossenheit. Aus „einem Tag“ (Z.66),
werden „zwei Tage“(Z.66) und aus „Ich schreibe einen Brief“
wird „Ich schreibe keinen Brief“. (Z.88) In Zeile 71 betont sie
nochmals, dass dieser Vorfall „alles übertrifft, was an Gemeinem
bisher geschah.“ (Z.71) Außerdem meint sie, „Meine Liebe braucht
keinen Peitschenhieb, sie ist nicht müd!“(Z.72) Sie will damit an
der Liebe zwischen beiden festhalten und nicht einsehen, dass es auch
das Ende sein könnte. Ihrer Meinung nach ist die Liebe, die zwischen
den beiden herrscht stark und kann Sachen wie diese überwinden. In
den Zeilen 73-75 wird wieder ein hypotaktischer Satzbau verwendet.
Die Frau stellt sich vor, wie es wäre, wenn ihr Mann käme. Das
anschließende „Nein.“ (Z.75) , demonstriert ihre
Entschlossenheit ihrem Mann nicht alles zu verzeihen. Doch sie steht
nicht hundertprozentig hinter ihrem Entschluss, da das „Nein“
anstatt auf ein Ausrufezeichen auf einen gewöhnlichen Punkt endet.
Man könnte meinen mit den Worten „Er wird der Verlierer sein und
er wird sich wundern, wie er leiden muss. Mein Mut wird hart, ich
merke es und es erleichtert mich.“(Z.78-80), schließt sie ihre
wilden Gedankengänge ab und versucht für den Rest des Tages ihren
Mann zu vergessen. Doch im Gegenteil, im letzten Abschnitt rollt sie
ihre Gedanken wieder auf und überlegt fieberhaft, wo er sich gerade
aufhalten und was er machen könnte. Allerdings sorgt dieser Teil
für Verwirrung. Die Frau vermutet ihren Mann in der Schweiz, oder
bei seinem Bruder. (Z.83-85) Anschließend jedoch ist sie sich
sicher, er wäre auf dem Weg nach Frankfurt (Z.85). Man bekommt
jedoch den Eindruck, dass sie ihren Mann sehr gut kennt, da sie sich
fragt ob er Whiskey trinkt, oder Zeitung liest. (Z.85-86) Die letzten
zwei Sätze vermitteln einem das Gefühl von einer Drohung. Sie kommt
zu dem Fazit, „ich bin ihn nicht los ist-er ist mich nicht los“
(Z.87) und meint, er könne sich „gediegen zurücklehnen in
welchem Sessel und an welchem Ort des Himmels und der Erde auch
immer“(Z.87-89), sie wird immer ein Teil von ihm sein. Den
Bindestrich zwischen „Ich bin ihn nicht los-er ist mich nicht los“,
verbinde ich mit einer Gedankenpause. Vielleicht zweifelt sie daran,
dass ihr Mann sie genauso wenig vergisst wie sie ihn.
Durch
das personale Erzählverhalten, hatte man das Gefühl sich mitten im
Geschehen zu befinden. Dies brachte Abwechslung und Spannung hinein.
Die Vermutung vom Anfang bestätigte sich in vielen Teilen des
Textes. Der Mann und die Frau führen eine Beziehung, welche zwar ein
auf und ab ist, jedoch der Frau nach aus einer unauflöslichen
Bindung besteht. Vorallem die Beschreibung „unsere lange, große
Geschichte“ (Z.21-22), hat meine Vermutung eindeutig bestätigt.