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Erörterung
Politik

Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

2, Croissant, 2011

Angelika P. ©
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ID# 44915







Ãœberlegungen zur einer Fiskalunion


Die vorliegende Abhandlung hat das Thema Fiskalpolitik der Europäischen Union zum Gegenstand der kritischen Auseinandersetzung. Es gilt zu klären, inwiefern man davon sprechen kann, dass in diesem Zusammenhang der Weg zu einer Fiskalunion geebnet wird.

Der theoretischen Analyse von ökonomischer Integration zufolge wäre die Konstruktion einer solchen Fiskalunion die logische Folge.1 Dieser Sichtweise nach folgt einem kommunalen Markt eine Freihandelszone. Eine Gemeinschaftswährung wiederum führt zu einem gemeinsamen Markt und eine Fiskalunion folgt letztendlich einer gemeinschaftliche Währung.

Um eine hintergründige Beschäftigung mit dieser Frage zu ermöglichen, gilt es in erster Linie näher auf die Ausgangslage einzugehen. Häufig liest man im Zusammenhang mit dem Fehlen der Fiskalunion innerhalb des wissenschaftlichen Diskurses von einem Geburtsfehler der Währungsunion.

Zahlreiche Wirtschaftsexperten weisen darauf hin, dass im Zuge der Schöpfung der Währungsunion die Gelegenheit nicht ergriffen wurde, auch gleich eine gemeinsame Finanzpolitik zu begründen. Hierin wird gemeinhin ein Fehler gesehen. Dieser Kritik ist denn auch begreiflich, betrachtet man das Exempel der Budget-Politik.

Denn Geld-Politik und Budget-Politikkönnen diametrale Auswirkungen entfalten. So mag eine auf die Eindämmung von Konjunkturüberhitzungenbedachte Geldpolitik (…) von einer expansiven Budgetpolitik konterkariert werden.“2 Der Umstand, dass die EG sowie einige Mitgliedstaaten der Währungsunion zur vermeintlichen Euro-Rettung hohe Summen für hochverschuldete Mitgliedstaaten bereitstellen, verstärkt die Forderung nach einer Vergemeinschaftung der Finanzpolitik Hiervon erhoffen sich Anhänger dieses Ansatzes die Korrektur des zu Beginn der Währungsunion gemachten Fehlers durch die Errichtung einer Fiskalunion.

Es gilt nun zunächst eine Definition der Begrifflichkeit Fiskalunion zu elaborieren. Die wissenschaftliche Diskussion hat keine unzweideutige und allgemeingültige Begriffsbestimmung hervorgebracht. Ein Ansatz geht davon aus, dass dieser Begriff ausschließlich einen Staat oder eine Staatenverbindung meinen kann, „in der nach demokratischen Regeln einheitlich über Steuern und Abgaben sowie öffentliche Ausgaben entschieden wird.“3

Es ist festzustellen, dass die partiell realisierte politische Union bislang keine klare Vision bezüglich einer gemeinsamen Fiskalpolitik erarbeitet hat. Illustrieren lässt sich dieses unzusammenhängende Prozedere mithilfe der innerhalb der gesamten Union herrschenden Unsicherheit hinsichtlich eines möglichen Finanzausgleichs und der Budget-Ausgestaltung der obersten Ebene.

Begriffe wie etwa derjenige der Transfer-Union stellen die Isolierung eines Teilaspekts aus dem fiskalischen Ganzen dar, „ohne dass dabei dieser Prozess „in die demokratische Legitimierung eingebunden sein muss. Allein dieser Mangel zeigt schon, wie missbräuchlich mit solchen institutionellen Aspekten umgegangen wird.“4

Eine Fiskalunion könnte auch mit einer zentralen Finanzstelle zum Aufkauf von Eurozonen-Bonds und mit von der EZB ausgegebenen EU-Bonds verbunden sein. Für diese Strategie der Finanzunterstützung von krisengebeutelten Mitgliedsstaaten, müsste es zu der Festlegung von Gemeinschaftsregeln zu Steueruntergrenzen und Staatsrenten kommen.

Zudem müsste eine Kontroll-Instanz der Europäischen Union für die nationale Budgetpolitik installiert werden.5

Eine Transferunion muss keineswegs die Zentralisierung von Steuern und Ausgabeentscheidungen auf supranationaler Ebene mit sich bringen. Die Zentralisierung solcher Entscheidungen würde die Gelegenheit zur stillschweigenden Risikoteilung durch ein supranationales Steuer- und Transfersystem schaffen.

Eine ökonomische Stabilisierung durch Schuldenmanagement auf der supranationalen Ebene würde diesen Prozess begleiten. In letztgenanntem Fall käme es zu einem Transfer der Effekte ungleichförmiger Schocks sowohl auf andere Länder als auch auf künftige Jahrgänge. Aus dieser Perspektive betrachtet, ist davon auszugehen, dass die Zentralisierung der innereuropäischen Fiskalpolitik einen viel heikleren politischen Schritt darstellen würde, als die Übernahme eines steuerlichen Transferprogramms.6

Das bisher Gesagte macht die Wichtigkeit der Frage nach den bedeutenden Faktoren für eine weitergehende Integration evident. Denn es gilt sich darüber im Klaren zu sein, dass die Krisenländer innerhalb der Union eine hohe Belastung für die anderen Mitgliedsstaaten repräsentieren – sowohl finanziell als auch hinsichtlich der Vertrauensgrundlage.

Hinzu kommt die vonseiten einiger Experten ausgesprochene Sorge vor sogenannten Spillover Effekten. Die Finanzpolitik eines Staates kann über mannigfaltige Wege in Form von externen Kosten auf andere Länder abfärben, beispielsweise durch das Einkommen und die Ausgaben, Inflation, Leihkosten oder finanzielle Notlagen.

Ist diese Gefahr solcher Spillovers nicht gegeben, sind Kollektivmaßnahmen obsolet.

Bereits die Gründer der europäischen Gemeinschaftswährung hatten vier Spillover Gefahren im Falle außerordentlicher Finanzdefizite ausgemacht: Das in finanzielle Bedrängnis geratene Land lässt sich die Schulden durch die Zentralbank bezahlen – ein Ablauf, der im Falle des Euro durch die unabhängige EZB prinzipiell nicht möglich sein sollte.

Dieser Ansatz der Schulden-Monetarisierung stellt den traditionellen Kurs in Richtung Inflation dar. Die Garantie der Unabhängigkeit der Zentralbank kann als adäquate Antwort hierauf gesehen werden.

Eine zweite Gefahr kann darin gesehen werden, dass die Aufnahme starker öffentlicher Kredite vonseiten eines Landes ein Anzeichen für fehlende finanzpolitische Disziplin ist. Dies kann sich negativ auf die internationalen Finanzmärkte auswirken. Denn wenn die internationalen Finanzmärkte auf ein außergewöhnlich hohes Defizit aufmerksam werden, könnte dies zu einer skeptischen Haltung gegenüber der gesamten Eurozone führen.

Ein drittes Risiko besteht in Form einer Zahlungsunfähigkeit bei zu hoher Schuldenakkumulation. Erste Anzeichen hierfür in Gestalt von Zahlungsausfällen haben meist massive Kapitalabflüsse zur Konsequenz in Kombination mit dem Aufkommen einer schweren Krise mit stark schwächelnder Konjunkturlage und damit einhergehender rapide anwachsender Arbeitslosigkeit.

In einer Währungsunion kann dies alles die anderen Mitgliedstaaten tangieren und den Wechselkurs der gemeinsamen Währung stark beeinflussen. Diese Art von Spillover kann sich auf die Aktienmärkte der gesamten Währungsunion ausdehnen.9

Die vierte Gefahr besteht in der Angst der anderen Mitgliedstaaten vor einem Zahlungsausfall eines Teilnehmers und den damit hinzukommenden Kosten. Diese Befürchtung bringt eine Vielzahl von Rettungsmaßnahmen in Gang. Dieser Fall sollte explizit durch Artikel 125 im Maastrichter Vertrag ausgeschlossen werden.

Dieses Vorgehen birgt jedoch die Gefahr einer Inflation.10

Generell kann eine Tendenz des politischen Betriebs zur Aufnahme von Krediten festgestellt werden, da das auf diese Weise erhaltene Geld für Maßnahmen eingesetzt werden kann. Die Kosten hierfür werden allerdings auf kommende Regierungen oder Generationen abgewälzt.

Aufgrund der kurzen Legislaturperioden ist die politische Klasse dieser Versuchung in besonderem Maße ausgesetzt. Die ausgesprochen hohen externen Kosten machen eine deutlich verbesserte Koordination notwendig.11 Zum einen verlangen die Errichtung einer Währungsunion und die damit einhergehenden engeren Verbindungen zwischen den Staaten eine Abstimmung der Finanzpolitik.

Daher ist die entscheidende Frage, inwiefern die Tatsache einer gemeinsamen Währung die Spillover Gefahren zu einem Grad erhöht, der die Inkaufnahme einiger Einschränkungen notwendig macht und rechtfertigt. Die Theorie bringt keine eindeutige Antwort auf diese Frage hervor.12

Die Forderung nach einem Mehr an fiskalpolitischer Integration wird bereits seit Jahrzehnten formuliert. Ihr folgten eine Reihe von Vereinbarungen und Maßnahmen, von denen einige präsentiert werden sollen. Wichtig war in diesem Zusammenhang der sogenannte Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP).

Dieser wurde im Sommer 1997 in Dublin ausgehandelt und zielte auf die Sicherung der Budgetdisziplin der Mitgliedstaaten im Sinne der Kriterien zur Konvergenz ab. Anhand dieses Paktes wollte man die Haushaltsdisziplin wahren und die Bedingungen für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum verbessern.

Nach einer Zweijahresfrist sieht dieser Ansatz eine Sanktionierung eines unverhältnismäßigen Haushaltsdefizits mittels Geldbußen vor. Auch Deutschland wies 2003 einen defizitären Haushalt auf. So wurde ein Verfahren eingeleitet, eine Frühwarnung ausgesprochen und Maßnahmen empfohlen.

Das Verfahren wurde im Jahre 2007 eingestellt. Bereits im zwei Jahre zuvor wurde der Pakt einer Neuformulierung unterzogen. Zu den Abänderungen zählte die Möglichkeit der Kommission, bei inadäquaten Haushaltsentwicklungen geradewegs - also ohne Zustimmung des Rates - Frühwarnungen an den betreffenden Mitgliedstaat auszusprechen, die stärkere Beachtung von Schuldenstand und Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte, die stärkere Berücksichtigung länderspezifischer Kontextbedingungen - insbesondere der Höhe und Entwicklung der Schuldenquote - hinsichtlich der ausgerufenen Haushaltsziele, sowie die Berücksichtigung dieser spezifischen Konstellationen und Entwicklungen bei der Inanspruchnahme des Defizit-Verfahrens mittels Ausnahmeregelungen und Fristverlängerungen.14

Zentral jedoch ist die verbindliche Abmachung einer abgestimmten Einführung detailliert spezifizierter Fiskal-Regeln auf nationalstaatlicher Ebene.15

Das strukturelle Defizit per anum soll demnach maximal 0,5 Prozent des BIPs betragen. Staaten die eine Verschuldung eindeutig unterhalb von 60 Prozent des BIPs aufweisen, erhalten eine Grenzwerterhöhung von höchstens 1 Prozent. Die Vorgaben des Fiskal-Vertrages stellen bezüglich der Neuverschuldung bislang den einschneidendsten Ansatz dar.

Allerdings sind bei Verstößen gegen diese auf Schuldenbremsung abzielenden Vereinbarungen keine Sanktionsmöglichkeiten auf EU Ebene geplant. Dennoch bestehen einige Möglichkeiten der Einflussnahme, etwa durch Anrufung des Europäischen Gerichtshofs.

Da eine Rückkehr zur Nationalwährung keine realistische Alternative darstellt, kann in der Fiskalunion und die ihr innewohnende Koordinationsverbesserung eine Aussicht auf Behebung der bei der Euro-Einführung begangenen Fehler gesehen werden.

Kritisch an der Errichtung einer solchen Union ist darüber hinaus die Tatsache zu bewerten, dass die Kreditnehmer das Recht erhalten, die Grundvoraussetzungen mitzugestalten, unter denen der Rettungskredit ermöglicht wird. Die Abgabe von Eigenverantwortlichkeit wird von Skeptikern ebenfalls kritisch beobachtet, denn inwiefern Brüssel in bestimmten Bereichen effektiver handeln kann als die nationalstaatlichen Regierungen ist fraglich.


Quellenverzeichnis


Balassa, Bela (1961): The Theory of Economic Integration, Homewood: R.D. Irwin

Baldwin, Richard / Wyplosz, Cahrles (2012): The Economics of European Integration, 4. Auflage, London: Mcgraw-Hill Professional


Hix Simon / Hoyland, Björn (2011):
The Political System of the European Union, 3. Auflage, New York: Palgrave Macmillan


Krause-Junk Gerold (2011): Die fehlende Fiskalunion – ein Geburtsfehler der Währungsunion?, in: Wirtschaftsdienst, 2011/2: 82 – 86.


Internet


Bundesregierung (2012) [online verfügbar] [Zuletzt aufgerufen: 19.01.2013]


Bundesregierung (2013) [online verfügbar] [Zuletzt aufgerufen: 19.01.2013]


Duden Wirtschaft (2009) [online verfügbar] [Zuletzt aufgerufen: 19.01.2013]



Issing, Otmar (2012): Die Währungsunion auf dem Weg zur Fiskalunion? [online verfügbar] [Zuletzt aufgerufen: 15.01.2013]


1 Vgl. Balassas 1961, 6ff.

2 Krause-Junk 2011, 82

3Ising 2012

4 Vgl. Ising 2011

5 Vgl. Hix 2011, 82f.

6 Vgl. Beetsma / Bovenberg 2001, 180.

7 Vgl. Baldwin / Wyplosz 2012, 470f.

8 Vgl. Baldwin / Wyplosz 2012, 471.

9 Vgl. Baldwin / Wyplosz 2012, 472.

10 Vgl.Baldwin / Wyplosz 2012, 472.

11Vgl. Baldwin und Wyplosz 2012, 470

12Vgl. Baldwin / Wyplosz 2012, 470ff.

13 Vgl. Duden Wirtschaft 2009.

14 Vgl. Deutsche Bundesbank 2005, 46f.

15 Vgl. Heinemann / Mösinger / Osterloh 2012, 173.


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