Der
Roman „Der Junge im gestreiften Pyjama“ ist vom irischen Autor
John Boyne im Jahr 2006 unter dem englischsprachigen Titel „The Boy
in the Striped Pyjamas“ verfasst worden. In dem Roman, welcher
anfangs in Berlin und danach in Aus-Wisch spielt, wird die Geschichte
eines neunjährigen Jungen namens Bruno erzählt, der zur Zeit des
Nationalsozialismus lebt und in einem dem damaligen NS-Regime
durchaus wohlgesinnten Haushalt aufwächst.
Die
zu charakterisierende Figur ist neun Jahre alt und heißt Bruno. Der
Nachname der Familie wird während des gesamten Romans kein einziges
Mal erwähnt. Bis zu seinem neunten Lebensjahr wächst der Schüler
in einem großen Haus in Berlin auf, welches „sich in einer ruhigen
Straße“ (S.19) befindet. Wegen der Arbeit des Vaters zieht die
Familie nach Aus-Wisch um, was Bruno alles andere als gut findet. Er
beurteilt den Umzug mit folgenden Worten: „Ich glaube, das war eine
schlechte Idee“ (S.22).
Im
Vergleich zu anderen neunjährigen Jungen ist Bruno verhältnismäßig
klein, worunter er – wie folgendes Zitat belegt – leidet: „Es
war eine Quelle ständiger Enttäuschung für ihn, dass er nicht so
groß war wie die anderen Jungen in seiner Klasse“ (S.33). Im
Unterschied zu Schmuel, seinem jüdischen Freund auf der anderen
Zaunseite, ist Bruno normalgewichtig, da er genug zu essen bekommt.
Er wird jedoch im Vergleich zu Schmuel als „dicker“ (S.245)
beschrieben. Darüber, was Bruno in Aus-Wisch tagtäglich anhat, wird
im Roman kaum ein Wort gesagt, sehr wohl aber darüber, was er beim
Besuch des Furors im Berliner Haus getragen hat: „Bruno trug
dunkelbraune kurze Hosen, ein reinweißes Hemd und eine dunkelbraune
Krawatte“ (S.148). Dieses Gewand
entspricht vor allem farblich jener Kleidung, welche zur Zeit des
Nationalsozialismus üblich war. Zu
Brunos auffälligen Kennzeichen können seine großen,
karamellbonbon-farbenen Augen gezählt werden.
Der
9-Jährige reagiert auf überraschende, beeindruckende oder
unerwartete Neuigkeiten stets mit derselben Bewegung beziehungsweise
demselben Gesichtsausdruck, sodass man diesbezüglich von einer
Gewohnheit sprechen kann. Sobald er etwas Neues sieht oder hört,
werden seine Augen groß. Sein Mund formt ein O und er breitet
augenblicklich seine Arme aus (vgl. S.14). Auf diese typische
Verhaltensweise sowie auf Brunos Ausspracheprobleme bei gewissen
Wörtern wird im Buch mehrfach hingewiesen. Beispielsweise kann Bruno
den Namen seines neuen Zuhauses nicht richtig aussprechen und daher
sagt er ständig „Aus-Wisch“ (S.35). Vor allem seine um drei
Jahre ältere Schwester Gretel ist genervt, „dass er […] den
Namen ihres jetzigen Zuhauses immer noch falsch aussprach“ (S.236).
Vieles deutet darauf hin, dass es
sich bei Brunos neuem Aufenthaltsort um Auschwitz handelt, einen Ort
in Polen, wo sich das größte deutsche Vernichtungslager während
der NS-Zeit befand.
Zu
Brunos Familienkreis gehören sein Vater Ralf, seine Mutter, deren
Vorname nicht genannt wird, seine zwölfjährige Schwester Gretel
sowie seine Großeltern Nathalie und Matthias (vgl. S.116 f.).
Besonders wichtig sind dem Protagonisten zu Romanbeginn seine drei
Freunde Karl, Martin und Daniel. Im Verlauf des Romans vergisst Bruno
jedoch allmählich die Namen seiner Berliner Freunde. Dafür hat er
nun einen anderen Freund, nämlich Schmuel. Dies bringt Bruno
folgendermaßen zum Ausdruck: „Du bist mein bester Freund, Schmuel“
(S.263). Aufgrund der Beschreibung der Häuser und dem Vorhandensein
von Dienstpersonal kann angenommen werden, dass Bruno in einem sehr
wohlhabenden Haushalt aufwächst. Der Hinweis, „dass der Furor
Großes mit ihm [= Vater] vorhatte“ (S.10) lässt die politische
Einstellung von Brunos Vater zum Nationalsozialismus erahnen. Zu
Brunos Hobbys zählen sowohl das Forschen (vgl. S.20) als auch das
Rutschen über das Treppengeländer (vgl. S.17).
Natürlich
kann man nicht von einem neunjährigen Jungen eine geistige Reife wie
von Erwachsenen erwarten, aber selbst für sein Alter wirkt Bruno
äußerst kindlich und naiv. Beispielsweise vertritt er die Ansicht,
dass „[e]in paar Wochen in Aus-Wisch […] okay [sind], solange es
nicht für ein ganzes Monat ist“ (S.35). Außerdem glaubt er, dass
Gretels Puppen sprechen können und ihn hinterher verpetzen, wenn er
unerlaubterweise ihr Zimmer betritt. Brunos kindlich-naive Art zeigt
sich auch darin, dass er sich kein Blatt vor den Mund nimmt, sondern
stattdessen sagt, was er sich denkt: „Ich glaube, wir sollten das
Ganze hier vergessen und gleich wieder nach Hause fahren“ (S.22
f.). Darüber hinaus kann Bruno als politisch uninformiert bezeichnet
werden, denn er hat keine Ahnung, was sein Vater beruflich macht und
was sich jenseits des Zaunes abspielt. Das Verschwinden von Schmuels
Vater erklärt sich Bruno auf seine eigene Art und Weise: „Ich
nehme an, die Männer wurden zur Arbeit in eine andere Stadt gebracht
und müssen dort ein paar Tage bleiben, […]“ (S.241).Neben diesen
kindlich-naiven Charaktereigenschaften wirkt Bruno aber durchaus
wissbegierig. Er forscht gerne und stellt viele Fragen, welche
oftmals jedoch unpassend sind und wiederum als ein Zeichen für seine
Unwissenheit angesehen werden können. Zum Beispiel hat Bruno keine
Ahnung, wer der Furor ist und bettelt mehrfach nach einer Erklärung:
„Wer ist der Furor?“ (S.146).
Brunos
Verhältnis zu seinem Vater ist zwiespältig. Einerseits schätzt er
seinen Vater und hält ihn für einen guten Soldaten (vgl. S.174).
Andererseits hat Bruno auch ein wenig Angst vor ihm und daher klopft
Bruno nur „zaghaft an die Tür“ (S.59) zu seines Vaters Büro.
Besonders innig ist Brunos Verhältnis zu seinen Großeltern, vor
allem zu seiner Großmutter, welche er in Aus-Wisch sehr vermisst:
„Die beiden Menschen, die Bruno am meisten fehlten, waren Großvater
und Großmutter“ (S.110). Zwei Personen kann Bruno den gesamten
Roman hindurch nicht ausstehen. Dabei handelt es sich zum einen um
Oberleutnant Kotler, unter anderem deshalb, weil dieser ihn permanent
„kleiner Mann“ (S.201) nennt, zum anderen um den Furor. Brunos
Abneigung gegenüber ihm wird im Roman mit folgendem Satz
verdeutlicht: „Was für ein furchtbarer Mann, dachte Bruno“
(S.154).
Optisch
wird Bruno aufgrund des notwendigen Haarschnitts seinem Freund
Schmuel immer ähnlicher. Abgesehen von dieser äußerlichen
Veränderung kann man im Laufe des Romans auch einen
verhaltensmäßigen Wandel feststellen, denn Bruno entwickelt
zunehmend „eine Vorliebe für sarkastische Bemerkungen“ (S.205),
vor allem gegenüber Oberleutnant Kotler.
Zusammenfassend
kann gesagt werden, dass Bruno eine der beiden Hauptrollen im Roman
einnimmt und wegen seiner freundlichen und stets hilfsbereiten Art
sehr sympathisch, wenngleich vielleicht etwas kindlich-naiv wirkt. Er
scheint der Einzige in der Familie zu sein, der von den Vorkommnissen
auf der anderen Zaunseite überhaupt nichts weiß, was ihn letztlich
auch das Leben kostet. Insofern verliert Bruno aufgrund seiner
Unwissenheit, seiner Neugier sowie seiner Hilfsbereitschaft am Ende
sein Leben.