1. Die neuen Medien und die Rolle der Pädagogik
Im
Folgenden werden zu den neuen Medien und die Rolle der Pädagogik drei SteIIungnahmen
von Medienpädagogen dargestellt. Es handelt sich dabei um drei Thesen. In These
3 wird wie folgt argumentiert:·
→ die neuen Medien zerstören
eher die personelle Kommunikation als das sie sie fördern;
→ Kommerzinteressen führen
zu einseitiger Ausrichtung von Programminhalten und
→ dies und
Auslandserfahrungen gebieten es, die neuen Medien zu verhindern.
Nun
zu den Expertenmeinungen. In ihren Artikeln zeigen diese Experten eine starke
Tendenz zu These 3. Franz Dröge und Narciss Göbbel beschreiben Medienpädagogik
als ein Reparieren von Folgeschäden der technischen Kommunikation (TV) bzw.
Kompensation oder Erziehung zum kritischen Konsumenten (vgl. Neue Medien und
die Pädagogik 1981).
Für
beide Autoren steckt die Medienpädagogik nach der Einführung der Neuen Medien
in der gleichen Situation wie mit den alten Medien. Sie gehen davon aus, dass
sich die Fernsehinhalte aufgrund der gesellschaftlichen Situation nicht
wirklich ändern werden. Es wird sich wohl lediglich um eine >Kapazitätsausweitung<
handeln in einer verschärften Anbieterkonkurrenz, was zur Folge haben wird,
dass man wohl mit einer noch stärkeren Programmkonzentration auf die
sogenannten „ErfoIgsmodeIIe" rechnen muss. Das wiederum wird für beide
Autoren eine „explizite Entpolitisierung" nach sich ziehen, was ja durchaus
im Interesse der derzeitigen politischen Eliten Iiegt. Die von vielen propagierte
>Politisierung< wird nicht stattfinden.
Fr.
Dröge und M. Göbbel wollen die Medienpädagogik wegführen von einer
kompensatorischen Rolle hin zu einer Lebensgestaltungsfunktion für ihre
Zielgruppe. Diese Veränderung aber ist nur möglich, wenn sich unsere
gesellschaftlichen Strukturen so verändern, dass der Einzelne einen größeren
Spielraum für seine individuelle Lebensgestaltung erhält, was immer das auch
bedeuten mag.
Für
Martin Furian ist der Begriff der Neuen Medien ein Sammelbegriff für sehr
unterschiedliche Kommunikationsformen. Insgesamt beurteilt er das neue Kabel-
und Satellitenfernsehen negativ im Hinblick auf die personale Interaktion und
Kommunikation wie auch andere Autoren. Allerdings betrachtet er die Neuen
Medien differenzierter. Das Bildtelefon bewertet er insgesamt positiv für die
menschliche Kommunikation, es ist aber nur im Zusammenhang mit der Einführung
des Kabelfernsehens wirtschaftlich rentabel.
Insgesamt
aber beurteilt M. Furian jedes Mehr an Fernsehangeboten bzw. Programmen –
welchen Inhalts auch immer – negativ für die menschliche Interaktions- und
Kommunikationsfähigkeit und bringt dieses in direkten Zusammenhang mit
wirtschaftlichen Interessen. Für ihn bedeutet das, dass Medienpädagogik in den
Dienst dieser wirtschaftlichen Interessen gestellt werden soll, u.a. um
eventuelle negative Folgen zu verleugnen. Medienpädagogik soll mithelfen, die
Neuen Medien durchzusetzen.
Als
Folgen eines vermehrten Fernsehangebots – wobei Furian wie auch Dröge und
Göbbel eher eine Qualitätsminderung erwartet denn eine Verbesserung – erwartet
er aufgrund der bisherigen Forschungsergebnisse erhebliche Schädigungen
insbesondere bei Kindern und Jugendlienen und ein weiteres Auseinanderklaffen
von Bildung und dadurch eine weitere Entpolitisierung großer Teile der
Bevölkerung.
Für
Martin Furian ist es eine moralische und politische Pflicht als
Wissenschaftler, die Einführung der Neuen Medien hinaus zu schieben, da unter
den derzeitigen Bedingungen die Zuschauer im Allgemeinen nicht auf ein
derartiges Fernsehangebot vorbereitet sind. Er zitiert in diesem Zusammenhang
einen Bericht der Expertenkommission Neue Medien, in dem es heißt, dass
„Medienpädagogik allein nicht imstande ist, sinnvollen Fernsehgebrauch
vorzubereiten und negative Auswirkungen einer Ausweitung von Fernsehangeboten
vorzubeugen. Dies konnte nur durch ein Umdenken in der allgemeinen Erziehung
erfolgen.“ Wie oben zitierte Expertenkommission und auch die vorigen
Kommunikationswissenschaftler Fr. Dröge und N. Göbbel vertritt der
Massenmedienwissenschaftler M. Furian den Standpunkt, dass Kabelfernsehen
negative Auswirkungen auf eine unvorbereitete Bevölkerung hat. Er fordert vor
der Einführung u.a. noch eine Vorbereitungszeit von fünf Jahren, eine
konsequente Umformung der Schulen zu Erziehungseinrichtungen und eine
Verpflichtung der jetzigen Medien zu medienpädagogischem Handeln. Auch wenn
seine Forderungen erfüllt werden würden, bleibt für M. Furian die Frage offen,
ob es überhaupt sinnvoll ist, 40 Milliarden DM auszugessen. " Wie viel
Wohnungen sind das", fragt er in diesem Zusammenhang. Für den
Medienpädagogen Jürgen Hüther ist die Geschichte der Medienpädagogik bisher
eine Reaktion auf neue Medien geblieben und weniger ein pädagogisch-politisches
Handeln durch die Medien. Er fordert die Medienpädagogik auf, aus dieser
Tradition herauszutreten und die neuen Medien handelnd mitzugestalten, was für
ihn eine konkrete Intervention bedeutet. Gleichzeitig ist es klar, dass sich
die Medienpädagogik nur schwer gegen die hinter dem Kabelfernsehen stehenden
Kapitalinteressen bzw. -lobby durchsetzen kann. Die Einführung des
Kabelfernsehens dient grundsätzlich wirtschaftlichen Interessen und alle
anderen Begründungen sind lediglich Legitimationen für seine Durchsetzung. Da
Medienpädagogik in ihrer bisherigen Geschichte ihre Klientel nicht erreichen
konnte – es besteht eine große Diskrepanz zwischen der individuellen hohen
Fernsehkonsumbereitschaft bzw. Konsumorientierung und der grundsätzlichen
Bereitschaft, dieses Verhalten zu problematisieren – fordert er eine >aggressive<
Popularisierung von ökonomischen, politischen, sozialen und kulturellen
Veränderungen durch die ‘Neuen Medien.
Auch
für J. Hüther ist es eindeutig, dass es einer Vielzahl flankierender Maßnahmen
bedarf, das Kabelfernsehen
durch die Einrichtung offener Kanale zu mehr Bürgernähe fuhrt, muss doch der
Bürger erst lernen, mit offenen Kanälen u.a. umzugehen. Zum anderen verdient
wohl niemand an offenen Kanälen. Geld verdient wird letztlich durch die Werbung
und durch die von mir oben schon erwähnten erfolgserprobten Programmangeboten,
sprich u.a. Spielfilme.
Diese
vier Experten sowie auch die Expertenkommission würden alle These 2 zustimmen,
das nämlich die Neuen Medien die Fähigkeit des Menschen zu personeller
Kommunikation und Interaktion noch mehr zerstören. Ein Mehr an Fernsehangeboten
bedeutet eine noch größere Isolation des Einzelnen. Dazu noch ein Hinweis aus
einem Artikel in der BARMER Informationszeitschrift. Darin wird der
Psychotherapeut Prof. Rudolf Affemann aus Stuttgart zitiert. Er stellt darin
fest, dass gerade bei Heranwachsenden ein erhöhter Fernsehkonsum zu einer Art
Sucht führt, die es seiner Umwelt entfremden und hindern, das Leben selbst
aktiv zu gestalten. Soweit dieser Experte. Ein Mehr an Fernsehprogrammen
bedeutet ja auch nicht eine größere bzw. breitere Vielfalt – was ja durchaus wünschenswert
wäre, sondern vielmehr einfach eine größere Zahl an Stunden vor dem Fernseher
mit dem gleichen Angebot, da das kommerzielle Interesse etwas anderes nicht
zulassen wird. Gefordert wird darum auch nicht nur eine Hinauszögerung, sondern
vielmehr eine Verhinderung der Neuen Medien. Medienpädagogik war bisher
offensichtlich eher ein Reparieren von Folgeschäden als etwa das Lerne eines
reflexiven Umgangs mit dem Medium. Die hinter dem Kabelfernsehen stehende
Kapitallobby möchte die Medienpädagogik nun benutzen, um das neue
Kabelfernsehen durch zu setzen. Und das, obwohl die Erfahrungen im Ausland
negativ sind. Alles spricht gegen das Kabel- und Satellitenfernsehen, nur nicht
die Interessen des Kapitals und der Politiker.
2.
Wie manipuliert das Fernsehen?
Dem
Fernsehen wird im Allgemeinen die größte Objektivität zugestanden. Es vermittelt
den Eindruck, als berichte es wahrheitsgetreu und zuverlässig. lm Grunde wird
die Manipulation durch das Fernsehen nur schwerer wahrgenommen, da der
Zuschauer das Gefühl hat er sieht das Geschehen selber. Er glaubt an das, was
er sieht, nimmt es als Wirklichkeit wahr und kommt deshalb nicht auf die Idee, es
anzuzweifeln. Um zu erkennen, wie stark die Wiedergabe der Realität manipuliert
sein kann, musste er erfahren auf welche Art und Weise ein Fernsehprogramm
entsteht.
Die Manipulation im Fernsehen
lässt sich wie folgt gliedern:
1. Einflusse von
Parteien
2. Pflicht zur
Verschwiegenheit
3. Auswahl der Mitarbeiter
4. Auswahl der
Themen
5. Placierung im
Programm
6. Einflusse von
Moderatoren
7. Technische
Manipulation
2.1.
Einflusse von Parteien
Ein
Einfluss der Parteien wird deutlich bei der Neubesetzung verantwortlicher
Positionen. Die Einstellung ist immer weniger von der Qualifikation der
Bewerber, sondern von seiner Parteienzugehörigkeit abhängig. In einer Fernsehanstalt
wird jede Partei darauf achten, dass sie nicht zu kurz kommt. Wenn sich also
eine Partei unterdruckt fühlt, wird sie sich bemühen, eine neue Stelle zu
schaffen und sie mit einem Bewerber, der ihrer Partei angehört, zu besetzen.
Oft artet die Besetzung leitender Positionen in eine Machtprobe zwischen
Parteivertretern aus. Dem Anspruch, wahrheitsgemäß und kritisch zu informieren
kann ein so angestellter Journalist oder Redakteur nicht gerecht werden. Die
Politiker greifen nach den Medien, weil sie hier eine Möglichkeit sehen, ihre
Macht zu vergrößern.
2.2. Pflicht
zur Verschwiegenheit
Festangestellte
Mitarbeiter des Fernsehens haben durch ihren Dienstvertrag die Pflicht, über
vertrauliche Vorgange in ihrem Arbeitsbereich zu schweigen. ln einer
hierarchisch aufgebauten Fernsehanstalt erleichtert diese Pflicht allerdings
den Missbrauch der Macht und die Manipulation der Programme. So kann z.B. ein
Redakteur bei sendefertigen Programmen zu Schnitten gezwungen werden und hat,
da er dies nicht der Öffentlichkeit zuganglich machen kann, keine Möglichkeit,
sich zu wehren.
2.3. Auswahl
der Mitarbeiter
Um
Ärger mit unbequemen Sendungen zu vermeiden, bilden Fernsehredakteure oft eine
Gruppe von Mitarbeitern um sich, die auf dem gleichen Standpunkt stehen wie sie
selber. Diese Mitarbeiter und dessen Arbeit brauchen sie nicht. ständig zu kontrollieren.
Derjenige, der in einer Fernsehanstalt weiterkommen will, muss sich anpassen,
was heißt, geringen Widerstand zu leisten. Durch die Auswahl eines bestimmten
Mitarbeiterkreises wird der Zuschauer nur über einen beschränkten Teil der
Wirklichkeit informiert.
2.4. Auswahl
der Themen
Eine
unbequeme Sendung wird in der Regel nicht offen abgelehnt oder unterdrückt. Es
gibt genügend Dinge, die als Gründe vorgeschoben werden können wie: Mangel an
verfügbarer Sendezeit, die Produktionskosten übersteigen den Etat, die
Konkurrenz hat dieses Thema erst kürzlich behandelt, ein Kollege beschäftigt
sich schon mit diesem Thema. Zudem ist es so, das Produzenten und Redakteure
genau wissen, welche Themen erwünscht sind und welche nicht. Sie werden
selten oder gar nicht ein unerwünschtes Thema auswählen. Jede Fernsehanstalt
hat zwar eine Anzahl von kritischen Programmen, die sie vorzeigen kann, aber diese
Programme sind nur Ausnahmen, die der Rechtfertigung dienen. ·
2.5. Placierung
im Programm
Sehr
wichtig ist der Ausstrahlungstermin einer bestimmten Sendung. Spät am Abend
nimmt die Zuschauerzahl stark ab, da die Mehrheit der Zuschauer am nächsten Tag
um 6 oder 7 Uhr aufstehen muss. Oder eine Sendung wird am Nachmittag
ausgestrahlt, wenn die Mehrheit noch arbeitet. Kritiker haben oft darauf
hingewiesen, dass gerade aufklarende, kritische Programme zu diesen Zeiten
gesendet werden. Allerdings ist zu beobachten, dass zu den Hauptsendeseiten
leicht konsumierbare Programme höhere Einschaltquoten erreichen. Dies ist ein
willkommenes Argument, anspruchsvolle Programme zu ungünstigen Zeiten
auszustrahlen. Es gäbe auch die Möglichkeit, sich mit anderen Kanälen
abzusprechen und zur gleichen Zeit je einen "kritischen,
anspruchsvollen" Film zu senden, damit das Publikum nicht ausweichen kann.
Das Gegenteil ist ebenfalls möglich, indem man eine Sendung parallel zu beliebten
Sendungen wie z.B. Fußball Liveübertragungen sendet, wodurch sie möglichst
wenig Wirkung hat.
2.6. Einflusse
von Moderatoren
Der
Moderator hat deshalb einen großen Einfluss auf das Fernsehprogramm, weil er
teilweise die zuvor erwähnten Manipulationen ausübt, wie z.B.
Mitarbeiterauswahl. Er ist der Präsentierende und deshalb wird ihm auch der
Erfolg oder Misserfolg einer Sendung angerechnet. Wenn ein Einzelner diese
Macht hat, gibt es immer die Gefahr von falschen Entscheidungen und Unausgewogenheit.
2.7. Technische
Manipulation
Es
gibt mehrere Möglichkeiten der technischen Manipulation. Das offensichtliche, bewusste
Verfälschen einer Information z.B. durch Schnitte kommt nicht so oft vor. Anders
kann eine Information aber auch verfälscht werden z.B. indem bestimmte Bilder
oder Handlungen gleich bei der Aufnahme aus- gewählt bzw. weggelassen werden. Bin
Gesicht kann durch O die Beleuchtung entweder anziehend oder abschreckend
wirken, und ebenso kann der Klang einer Stimme verändert werden. Es gibt noch
die verschiedensten Möglichkeiten zur technischen Manipulation, wovon ich nur
noch eine, nämlich den Sende- ausfall, erwähnen will. Hierbei sieht der
Zuschauer durch Tastendruck des Bildmischers nur das leere Bild an Stelle des
eigentlichen Films. `
Die
neuen Medien werden sich in diesen Punkten kaum von den alten unterscheiden.
Den Politikern geht es nicht darum, das Programmangebot auszuweiten, um der Bevölkerung
einen Gefallen zu tun. Die Medien dienen ihnen zur Nutzung eigener ökonomischen
und politischen Interessen. Dem Staat geht es um Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit
einer Volkswirtschaft. Unsere Gesellschaft ist von geschäftlich erfolgsversprechenden
Entwicklungen geprägt. Da der Fernsehgerätemarkt mit 95% ausgelastet ist, kommt
es darauf an, in anderen Medienbranchen Profite zu machen. An der Durchsetzung
der neuen Medien sind mindestens drei Branchen interessiert:
→ die
Unterhaltungselektronik-Branche,
→ diaelektrotechnische
Industrie und
→ die werbetreibende Konsumgüterwirtschaft.
Medienpädagogik
und Bürger können nicht eingreifen. Sie können zwar ihre Meinung zu diesem
Thema formulieren, aber ändern können sie dadurch nichts, weil sie nicht handeln
dürfen. Obwohl es keine Untersuchungen gibt, die ein Bedürfnis der Bevölkerung
nach weiteren Programmen belegen, wird ihr dieses unterstellt. Der Staat beginnt,
Städte zu verkabeln, Satellitenübertragungen vorzubereiten und neue Telespiele,
Topprogramme usw. zu entwerfen. Von Medienpädagogik wird im Grunde nur geredet,
um die Bevölkerung und das eigene Gewissen zu beruhigen. Deshalb ist es
wichtig, rechtzeitig bestimmte Sachverhalte wie Datenschutz und Vertretung von
Minderheiten zu sichern.
3. Parteien-,
Verbands- und Produktionsöffentlichkeit: "Meinungsvielfalt" als Kompromiss.
Die Mediendiskussion spaltet sich
in zwei Interessengruppen.
1. Parteien-, Verbands- und Produktionsöffentlichkeit
(Parteien Verbände, öffentlich-rechtliche Anstalten und kulturindustrielle
Großkonzerne). ·
2. Spontane Gegenöffentlichkeit ·
Die
öffentliche Diskussion wird vorwiegend im ersten Bereich geführt und spaltet
sich dabei in zwei Hauptprobleme:
A) Bedrohung der Meinungsvielfalt durch Großkonzerne.
B) Repräsentanz der gesellschaftlich-relevanten Gruppen.
ln
der ersten Interessengruppe, mit der sich D. Prokop in dem folgenden Abschnitt
zunächst beschäftigt, werden alle Massenmedien zusammengeführt. Sowohl private
Vertreter wie z.B. Tageszeitungen, Illustrierte und Filmproduktionen, als auch Rundfunk,
Fernsehen und schließlich Kabelfernsehen. Innerhalb der ersten Gruppe stellen
sich unterschiedliche Probleme, zum einen für den privaten, zum anderen für den
öffentlich-rechtlichen Bereich. Es gibt aber auch Gemeinsamkeiten zwischen
diesen beiden Parteien, wie die Abhängigkeit beider Bereiche von der
Werbewirtschaft und dem gleichen Interesse gegenüber dem Konsumenten. Will man
die kulturelle Produktion verändern, so muss man diese in zwei Teile aufspalten:
1. Organisation (Form der
zugelassenen Kooperation der Produzenten und Kontrolle über die
Produktionsmittel).
2.
Institution (Formen und Inhalte des kulturellen Produkts).
Der
Konflikt im Bereich der Parteien-, Verbands- und Produktionsöffentlichkeit
besteht hauptsächlich in der "Erweiterung bzw. Konsolidierung der formalen
Repräsentanz der zugelassenen gesellschaftlichen Tendenzen im Spektrum der
angebotenen Meinungen". Da das Interesse an Legitimation bei beiden
Bereichen, öffentlich-rechtlichen und privaten Anbietern gleich groß ist,
werden Konflikte meist nicht in der Öffentlichkeit ausgetragen. Prokop macht
den Parteien den Vorwurf, dass sie nicht konsequent genug das Prinzip der
freien Konkurrenz im Medienbereich überwachen, sondern immer nur so weit
Entscheidungen treffen, wie die politischen Interessen aller beteiligten
"etablierten, politischen Machtträger" gewehrt bleiben. ·
Er
kritisiert ferner, dass für die Parteien auch ein Pressemonopol nicht die
Meinungsvielfalt aufheben würde, solange dieses bestimmte Monopol auch verschiedene
Meinungen in der Zeitung abdrucken würde. Er nennt diese Haltung "Pluralismus
in der Zeitung". Prokop wirft den Parteien vor, sie würden die "verlegerische
Macht" unterschätzen und schon einen rein "formalen Pluralismus"
akzeptieren.
3.1. Spontane
Gegenöffentlichkeit: Arbeit an den gesellschaftlichen Institutionen.
In
diesem zweiten Abschnitt befasst sich der Autor mit der oben erwähnten, zweiten
Interessengruppe, mit der spontanen Gegenöffentlichkeit. Prokop definiert die
spontane Gegenöffentlichkeit wie folgt: "Redaktionsstatuten-Bewegungen,
Teile der journalistischen Kritik, politische Filmemacher,
Publikumsinitiativen, Basisgruppen etc." Das Interesse dieser Gegenöffentlichkeit
ist anders als das der Parteien-, Verbands- und Produktionsöffentlichkeit. Sie
hat ein Interesse an "freier Artikulation und Verarbeitung von
Ereignissen...", ein Interesse also an lebendiger Produktion, statt an
Legitimation. Prokop gesteht allerdings auch ein, dass durch die bisherige
Mediengestaltung, mit ihrer starken Generalisierung und Abstraktion von
Information, die Massen gar keinen Wunsch mehr nach einer lebendigen
Nachrichtenübermittlung haben. Er sagt, dass durch die rein informelle
Nachrichtenübermittlung die Konsumenten insofern beeinflusst werden, dass sie
sich beispielsweise nicht mehr das Recht nehmen, ihre eigenen Erfahrungen frei
zu artikulieren. Es sollten daher unbedingt alternative Wege der
Nachrichtenübermittlung aufgezeigt werden, die viel starker auch subjektive
Erfahrungen der Konsumenten miteinbeziehen würden, sodass es überhaupt möglich
wird, sich von den bisherigen Konzepten zu lösen. Prokop benutzt hier das
Beispiel des Sports, der nicht mehr ausschließlich ein Mittel zur physischen
Disziplinierung sein soll, sondern der zu einem "Medien der Artikulation
von Erkenntnissen" werden könnte (Pantomime, Tanz). Diese spontane Gegenöffentlichkeit
fordert also ein Recht auf ungehinderte geistige Arbeit für alle, nicht nur für
Verleger oder Journalisten.
3.2.
Management: Kontrollinstanz lebendiger geistiger Arbeit
Das
Management symbolisiert die Trennung zwischen geistiger und körperlicher
Arbeit. Prokop bezieht sich hierbei auf Taylor der die Funktion des Managements
darin sieht, eine Verbindung zwischen der sogenannten Kopfarbeit und der
Handarbeit der Lohnarbeiter herzustellen. Diese Verbindungstätigkeit der
Manager bezeichnet Taylor ebenfalls als Kopfarbeit. Die Stellung des
Managements wird wohl durch folgendes Zitat noch etwas deutlicher: "In
dieser Funktion vertritt das Management die gesellschaftlichen Potenzen der
Kopfarbeit und versetzt die Arbeiterschaft in den ohnmächtigen Status einer
Summe von einzelnen Lohnarbeitern". Die eigentliche betriebliche Aufgabe
der Manager, die in der Privatwirtschaft oder aber auch bei den öffentlich-rechtlichen
Fernsehanstalten arbeiten, ist, wie Prokop meint, die lebendigen
journalistischen Fähigkeiten einzuschränken und die Möglichkeiten der reinen
Publikumsfixierung zu verbessern. Der Autor kritisiert, dass es den
Medienmachern mit Hilfe des Managements eben nur darauf ankomme, diejenigen
Produzenten zu fördern, die mit ihren Produkten die höchsten Einschaltquoten
erreichen. Es ist also weder die Kreativität, noch die kritische Fähigkeit des Produzenten
bei der Programmgestaltung gefragt. Daher wird auch nur sin sehr stark
generalisiertes Angebot der Medien aufgestellt, womit die ebenfalls stark generalisierte
Aufnahmefähigkeit der Konsumenten gedeckt werden soll. Prokop führt aus, das
erfolgreiche Produzenten mit hohen Einschaltquoten ein Gespür für diese Dinge
besitzen müssen:
1. Für die Strömungen an der Basis.
2. Für die Wandlungen des Markts. ·
3. Für das, was ihnen erlaubt ist.
Diese
drei Fähigkeiten müssten zu einem Konzept zusammengefügt und den Konsumenten
schmackhaft gemacht werden. Von Seiten der Redaktionsstatutenbewegungen im
Bereich der privaten Presse wurden, auf Grund der oben formulierten
Kontrollinstanz des Managements "Einschränkungen der Verfügungsgewalt des
Managements" gefordert. Dis Partien gewähren den Journalisten offiziell
ihr Recht, nichts gegen ihre Meinungen vertreten zu müssen, jedoch gibt es für
die Redakteure nicht die Möglichkeit einer Einflussnahme auf die grundsätzliche
Haltung einer Zeitung oder auf die Einstellung oder Entlassung von leitenden
Mitarbeitern. Diese Macht bleibt beim Verleger.
3.3 Möglichkeit
der spontanen Gegenöffentlichkeit.
Dieter
Prokop stellt zu Beginn dieses Kapitels deutlich heraus, dass die
"Entfaltungschancen der spontanen Gegenöffentlichkeit" von der
anderen Seite, nämlich von der Parteien-, Verbands-und
Produktionsöffentlichkeit, beeinflusst werden. Überwacht wird diese
Gegenöffentlichkeit, wie schon erwähnt, von der Kontrollinstanz des
Managements. Jedoch darf man nicht verschweigen, wie der Autor meint, das die
Vorteile der Produktionsöffentlichkeit gegenüber der Gegenöffentlichkeit nicht
nur durch den Besitz besserer Produktionsmittel und durch bessere Möglichkeiten,
die Öffentlichkeit zu organisieren, bestehen, sondern das diese Parteienöffentlichkeit
auch große Zustimmung der Massen selbst erfährt. lm Text wird dieser Aspekt als
Massenloyalität bezeichnet. Nachteile der Produktionsöffentlichkeit werden
darin gesehen, dass die speziellen Interessen der Konsumenten nicht mit einem
speziellen Medienangebot befriedigt werden, sondern dass ein generalisiertes
Medienangebot aufgestellt wird. Die spontane Gegenöffentlichkeit tritt für das
Prinzip von Produktion und Kooperation ein und stellt sich damit gegen die
bisherige Praxis der Produktionsöffentlichkeit, in der sowohl Künstler als auch
Journalisten durch das Management ständig in Konkurrenz zueinander gehalten
werden. Ferner tritt die spontane Gegenöffentlichkeit für den Abbau der
existierenden bürokratischen Hierarchien innerhalb der Medien ein. Damit tritt
sie auch für eine Demokratisierung von Personal- und Programmabschlüssen ein. Hierbei
muss allerdings darauf geachtet werden, das die "Entscheidungsträger rechtlich
und faktisch zur Entscheidung befähigt sind". Durch eine vermehrte
Mitbestimmung verspricht sich die Gegenöffentlichkeit schließlich eine
verbesserte Leistungsmotivation. Sie fordert nicht nur die Förderung der
Entwicklung von Künstlern und Journalisten, sondern sie sehe einen großen
Fortschritt auch darin, wenn es gelänge, Arbeitsgruppen, die aus Künstlern, Journalisten
und Publikum bestehen, zu bilden. Dadurch wäre es wesentlich leichter, auf
spezielle Bedürfnisse der Konsumenten zu reagieren. Weitere Überlegungen der spontanen
Gegenöffentlichkeit führen zu folgenden 4 Punkten:
1. Herauslösung
der Verfügungsgewalt über die Transportmittel öffentlicher Kommunikation aus dem
Zusammenhang mit privaten Kapital-Interessen.
2. Effektive
Mitbestimmung in allen personellen, wirtschaftlichen und redaktionellen Angelegenheiten.
3.
Publikumsmitbestimmung über Beirate aus Verbraucherverbanden, Gewerkschaften
und Publikumsgesellschaften.
4. Organisation aller Lohnabhängigen in einer
Mediengewerkschaft.
Der
Plan der Gegenöffentlichkeit, politisch arbeitende Gruppen zu bestimmten
Arbeitsprojekten zusammenzustellen, wird mit Hilfe des Medienprogramms der
Jungsozialisten verdeutlicht. Dieses Programm ist wiederum in sechs Punkte
gegliedert.
1. Beschaffung von
Kommunikationsmittel für gesellschaftliche Gruppen oder Minderheiten, die in
der bürgerlichen Presse kaum Erwähnung finden, wie z.B.: Frauen, Arbeiter,
Jugendliche und ethnische Minderheiten.
2. Organisation von Veranstaltungen
im Kommunikationsbereich, die Einzelnen oder Gruppen die Möglichkeit zur
Selbstdarstellung bieten.
3. Anfertigung von aktueller
Dokumentation zu lokaler Berichterstattung.
4. Einwirkung auf vorhandene
Medien durch Mitarbeit in den Medien (Leserbriefe, Gegendarstellungen). Kontakt
herstellen zwischen Redaktionen, Kinobesitzern und Bevölkerung. Veranstaltung
von Hearings, eigenes Publizieren und Flugblattaktionen zu aktuellen
gesellschaftlichen Problemen.
5. Kontrolle von Mitgliedern der
Rundfunkaufsichtsgremien durch Mitarbeit in diesen Gremien.
6. Mitwirkung an den kommunalen
Entscheidungen für den Medienbereich.
4.
Literatur
Kapitel
1:
|
Neue Medien und die Pädagogik in: Medien und Erziehung,
1981,
S. 66–84
|
Kapitel
2:
|
Manipulation im Fernsehen von Helmut Greulich in: Mediendidaktische
Modelle: Fernsehen, herausgegeben von Dieter Baacke 1973, Juventa Verlag
München Merz Medien und Erziehung 4/81
|
Kapitel
3:
|
Chancen spontaner Gegenöffentlichkeit –
Medienpolitische Alternativen von Dieter Prokop in: Kritische Medientheorien,
herausgegeben von Dieter Baacke, 1986
|