Faust
Der Schaffensprozess:
- 1749: Goethe wird am 28.08. in Frankfurt geboren
- 1770: Urfaust: Angeregt durch den Prozess gegen die
Kindsmörderin Susanne Margaretha Brandt beginnt Goethe die Arbeit an seinem
Faust. In dieser als Urfaust bezeichneten Fassung steht die Liebestragödie um
Gretchen im Vordergrund
- 1788: Faust – ein Fragment: Aus dem Urfaust entwickelte
Goethe die Fassung „Faust – Ein Fragment“, die 1788 vollendet war.
- 1790: „Faust – ein Fragment“ wird gedruckt. Neben der
Liebestragödie um Gretchen wird die Tragödie des zweifelnden und scheiternden
Wissenschaftlers sichtbar.
- 1797: Faust, Die Tragödie: Goethe fügte dem Fragment die
einleitenden Szenen „Zuneigung, Vorspiel im Theater und Prolog im Himmel“
hinzu.
- bis 1806: Die endgültige Fassung der bereits im Urfaust
und im Fragment enthaltenen Szenen sowie die Ausführung der „Walpurgisnacht“
erfolgen.
- 1808: Der Werk „Faust - Der Tragödie erster Teil“ geht in
Druck. Aus der Geschichte um ein unglücklich gemachtes Mädchen und einen
zweifelnden Wissenschaftler war ein Menschheitsdrama zwischen Himmel und Hölle
geworden.
- 1832: Goethe stirbt am 22.03.1832 in Weimar.
- 1887: Mehr als fünfzig Jahre nach Goethes Tod fand man im
Nachlass des Weimarer Hoffräuleins von Goechhausen eine Abschrift jener Szenen,
die Goethe selbst 1775 mit nach Weimar gebracht hatte und die mit der
Bezeichnung des Entdeckers Erich Schmidt als „Urfaust“ in die Werkgeschichte
eingegangen ist. Der Urfaust wird veröffentlicht.
Die Dichtung und ihr Publikum
Direktor:
- unternehmerische Gründe (Vers 37,38)
- effektvolles Theater (für jeden etwas) (Vers 89-100)
- erfinderisch, innovativ und masseorientiert (Vers 47f,
128-131)
Dichter:
- ist dem Massenpublikum gegenüber abgeneigt (Vers 59-62)
- ist gegen Ablenkung vom eigentlichen Werk durch Effekte
etc (Vers 104-106)
- Dichtung ist für die Ewigkeit (Vers 66-74)
- Der Dichter will die Herzen bewegen und die Menschen
verändern (Vers 139-191)
Lustige Person:
- Publikum will Spaß (Vers 77, 78)
à Unterhaltung
- Dichtung: gegenwärtig, phantasievoll, vernünftig,
verständlich, Empfindung, Leidenschaft, trotzdem Narrheit / Humor (vor allem)
(Vers 86,87)
(à
Narrenfreiheit)
- aus dem Menschenleben gegriffen (Vers 167)
Vergleich zu Hiob
Prolog im Himmel
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Hiob
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- Mephistopheles klagt Gott an, dass es den Menschen nicht
gut geht
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- Satan ging über die Erde
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- der Herr fragt nach seinem Knechte
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„-„
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- der Herr prahlt mit dem Gehorsam des Faust
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- der Herr prahlt mit dem Gehorsam von Hiob
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- Mephistopheles fordert ihn heraus
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- Satan fordert ihn heraus
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- der Herr stimmt zu und überlässt den Menschen
Mephistopheles
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- der Herr stimmt zu und überlässt dem Menschen Satan
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- die Wette beginnt
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„-„
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Die Wette (V.1692-1706)
Faust sucht…
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Mephisto bietet…
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- will in den Rang des Mephisto (1745)
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- Faust darf naschen (1761)
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- faul sein (1692)
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- ewiger Glanze (1782)
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- sich selbst gefallen (1695)
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- Erfüllung aller irdischen Triebe (1760ff)
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- Sinnlichkeit (1750)
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- Dienerschaft für Faust (1648)
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- Leidenschaft (1751)
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- Ablenkung (1854ff)
à Zerstreuung,
Abwechslung
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- Schmerz + Genuss (1756)
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- Erfüllung aller materiellen Wünsche (1817ff)
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- Gelingen + Verdruss (1757)
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- „alles“ (1771f)
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- Krone der Menschlichkeit (1804)
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- Erfahrungen und Gefühle, die der „einfache Mensch“ in
seinem sozialen Umfeld macht (1770ff)
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- Befreiung vom Wissensdurst (1784ff)
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- Faust sucht nach allem menschlichen / menschlicher
Zufriedenheit (hat er das erreicht möchte er zufrieden sterben) (1700ff)
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Die Studenten verkörpern bereits, was Mephisto auch mit
Faust anstrebt: „… nur tierischer als jedes Tier zu sein“ (286)
- die Menschen haben „tierische Namen“: Frosch, Brander
- benehmen sich „wie Tiere“, unter Alkoholeinfluss
- sie lassen sich gehen
- sind nicht verkopft
Der Herr sieht den Menschen
- „Es irrt der Mensch, solang er strebt“ (317)
à die Menschen
werden ihr Leben lang irren, auch wenn sie sich dessen nicht bewusst sind, also
meinen alles zu wissen
- „Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange ist sich des
rechten Weges wohl bewusst“ (328f)
à ein guter
Mensch hat ein Gewissen, weiß wann er Unrecht tut und wendet es ab
- „Des Menschen Tätigkeit kann allzu leicht erschaffen, er
liebt sich bald die unbedingte Ruh“ (340)
à der Mensch ist
faul und braucht den Teufel um angetrieben zu werden
- „Weiß doch der Gärtner, wenn das Bäumchen grünt, dass Blüt
und Frucht die künft’gen Jahre zieren“ (310f)
à vergleicht die
Menschen mit Blüten und Früchten eines Baumes
Mephistopheles Bild vom Menschen
- triebgesteuert („nur tierischer als jedes Tier zu sein“,
286)
- Mensch fühlt sich zu allem berechtigt („Er nennt’s
Vernunft und braucht’s allein“, 285)
- Mensch gefangen, in seinem Trott festgefahren (288-291)
- will alles wissen, gierig („In jeden Quark begräbt er
seine Nase“, 292)
Charakterisierung Faust
- verliebt in Gretchen
- „bedingungslos“ verliebt
- kann keine klaren Gedanken mehr fassen
- fordernd und fast schon gierig
- fürsorglich / hat Mitleid
Charakterisierung Gretchen
- hübsch und umwerfend -
einfühlsam
- Angst zu sündigen -
schüchtern und ängstlich
- kein Selbstbewusstsein -
fromm
- naiv, noch sehr jung -
bescheiden
- liebt Faust -
nicht egoistisch
Das Verständnis von Religion in Szene 19 (Marthens
Garten)
Faust
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Margarete
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- will nicht an Gott glauben (3422)
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- Unhinterfragte Sicherheit im Glauben (3421)
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- ehrt die Sakramente (3424)
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- Kirchenfrömmigkeit
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- hinterfragt den Glauben an Gott (3428f)
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à ein
dogmatischer Kirchenglaube gewinnt zunehmend an Tiefe
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- glaubt an den „Allumfasser“, „Allerhalter“ (3348f)
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- glaubt daran dass Gott für alles verantwortlich ist
(3440ff)
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- er nennt es nicht Gott, sondern Glück, Herz, Liebe
(3454)
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- glaubt nicht an den Namen (3457)
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- Religion als Gefühls- und Herzensangelegenheit (3448/51)
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- kein Dogmatismus (3462ff)
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- Erkenntniszweifel (3428f, 2455)
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à tolerante
Position, die den eigenen Unglauben mit Gegenfragen kaschiert
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Wer ist Mephisto?
1) Teufel (343), das Böse (353), Gegenspieler Gottes (1381,
1336), Sohn der Hölle (1397)
à tierische Natur
des Menschen (286)
- kann reduziert werden auf die sexuelle Dimension
è religiös-ethische
Ebene
2) vereinendes Prinzip (1335-38)
à Chaos (1384),
Zerstörung (1343), Nichts (1363)
à Gesinde, Volk à kein ebenbürtiger Gegner Gottes, sondern
Handlanger „Schrittmacher des Menschen“ (342,1335f)
è
philosophische Ebene
3) Schalk
à satirisch,
humorvoll
à kritisch
auch Kälte, Teilnahmslosigkeit, Verachtung
è
anthropologische Ebene
Historischer
Hintergrund
- Ort ist Deutschland (Leipzig und
der Harz)
- Lebenszeit des historischen Faust (ca. 1480–1538), Wende vom Mittelalter zur Neuzeit
- gotischen
Studierstube
- Zeitgenosse Luthers (1483–1546) à Bibelübersetzung
- mittelalterliche Alchemie, beurteilt er sehr kritisch
- selbst setzt er auf Magie,
Geisterbeschwörung, Offenbarungen
Epochale Einordnung
- Weimarer Klassik (1786-1805)
- Klassik (1788 – 1805)
- Klassik = eine kulturelle
Hochleistung eines Volkes
- literarisch -> Höhepunkt einer Entfaltung einer Nationalliteratur
- Das klassische Schönheitsideal
verbindet Verstand und Gefühl, Geist und Natur.
- Idealbild: Der Mensch soll gut,
edel und hilfreich sein. Er ist im Denken und Fühlen ausgeglichen, gesunder
Körper und gesunder Geist sollen harmonieren. Ideale sollen in dieser Welt
verwirklicht werden. Verbindung von Geist und Natur. Erziehung strebt danach
diese Ziele zu erreichen.
- Entelechie: Jeder Mensch hat ein
Ziel in sich, dass er zu erreichen versucht. Erziehung soll dabei behilflich
sein. Das Humanitätsideal der Klassik drückt sich durch die Menschen aus, die
ausgeglichen sein sollen.
- Klassik: Zentrales ist das
Schöne, Harmonie, Ausgewogenes zwischen Kopf und Herz.
Darstellung der vollendeten,
diesseitigen Persönlichkeit, Person hier und jetzt, Streben nach Humanität,
nach dem Guten, Wahren und schönen (ist das höchste Ziel menschlichen Lebens,
selbst im tragischen Scheitern -> Faust).
Weimarer Klassik
- „Viergestirn“ Wieland, Goethe, Herder und
Schiller wirkte in Weimar
- Die Weimarer Klassik dauerte etwa
bis zu Schillers Tod 1805
- gemeinsame Schaffensperiode der
befreundeten Dichter Goethe und Schiller von 1794 bis 1805
Definition
des Begriffs
- im Laufe des 19. Jahrhunderts
geprägt
- zwei unterschiedliche Definitionen des Begriffs Weimarer Klassik:
- weit gefasste Definition
-
bezieht sich auf die Zeit und den Ort des Wirkens von Wieland, Herder, Goethe
und Schiller.
- nie
zeitgleich außergewöhnliche persönliche Beziehungen aller Vier zueinander
- enger gefasste Definition
-
bezieht sich auf die etwa 11-jährige gemeinsame Schaffensperiode von Goethe und
Schiller
-
Beschränkung der Definition auf die intensive persönliche Freundschaft
- „Ästhetische Allianz“ in der Dichtung
- nach
Schillers Tod à Goethe führt die Allianz inhaltlich weiter
-
Schiller lebte und arbeitete die erste Hälfte der klassischen Epoche in Jena
(bis Dezember 1799)
-
großer Teil der Kommunikation über Briefe und gegenseitige Besuche
- Die
Dichterfreundschaft zwischen Goethe und Schiller und deren Werke aus dieser
Zeit bilden somit, aus literaturwissenschaftlicher wie auch historischer Sicht,
eine wesentlich genauere und besser anwendbare Definition des Begriffs.
Voraussetzungen
für die Weimarer Klassik
- Französische Klassik
à weltweit als Höhepunkt der Bestrebungen seit der Renaissance betrachtet, die Dichtung der Antike
aufleben zu lassen
- Tod des Sonnenkönigs 1715
- lösen von Vorbildern
- neu: realistisch-aktuelle und
dann zunehmend mittelalterliche, exotische, märchenhafte
Stoffe
- Bemühungen, Beschäftigung mit
der Antike zu retten
- Rückkehr zu den Quellen (Reiseliteratur über antike Stätten und die
beginnende Archäologie)
- Johann Joachim
Winckelmann:
- „Gedanken über die „Nachahmung
der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst““
- „seine „Geschichte der Kunst des
Altertums““
- ästhetische Betrachtung der
griechischen Kunst
à Grundlage für die Zeit der „deutschen“ Klassik
- Das Prunkvolle der Französischen
Klassik wurde damit zum bürgerlich Schlichten gemacht
Zeitlicher
Ablauf
- Ausgangspunkt: verwitwete
Herzogin Anna
Amalie von Sachsen-Weimar-Eisenach ruft zur Erziehung ihrer beiden
Söhne 1772 Christoph Martin Wieland nach Weimar
- 1775 Goethe kommt nach Weimar -
auch als Prinzenerzieher
- vorher: Führer des Sturm und Drangs (durch den Briefroman "Die Leiden des
jungen Werthers")
- September 1788 – Goethe lernt
Schiller in Rudolstadt kennen
- Begegnung war für beide eher
ernüchternd: Goethe hielt Schiller für einen Heißsporn des Sturm und Drangs,
und Schiller sah Goethes dichterische Herangehensweise in starkem Kontrast zu
seiner eigenen.
- 1776 Goethe holt Johann Gottfried
Herder nach Weimar
- 1794 – Annährung von Schiller
und Goethe
- Schiller und Goethe
beeinflussten einander ungemein
Kennzeichen
und Merkmale
- Erfahrung der schwierigen
Durchsetzbarkeit der Ideale der Französischen
Revolution (Freiheit,
Gleichheit und Brüderlichkeit)
à genereller Einfluss auf den gesamten deutschen
Kulturbetrieb
- Einfluss auf Autoren der
Weimarer Klassik, Werk von Ludwig van Beethoven
- Bezugspunkt à
Literatur des Sturm und Drang
à auch hier: aus der Aufklärung resultierender
Wertekonflikt (zwischen Vernunft und Gefühl) nicht befriedigend gelöst werden
à führte zu zahlreichen Katastrophen in den Texten
- Streben nach einem harmonischen
Ausgleich der Gegensätze
- Anlehnung an das antike
Kunstideal
à Suche nach Vollkommenheit, Harmonie, Humanität und
Übereinstimmung von Inhalt und Form
- universaler Zusammenhang aller
Erscheinungen
- Geschichte als wichtigster
Bezugspunkt
- Auseinandersetzung mit der Französischen
Revolution
- nicht durch gewaltsamen Umsturz
(Französische Revolution), sondern durch evolutionäre Fortentwicklung (langsame
Höherentwicklung) der Gesellschaft gelange man zu den aufklärerischen Idealen
Allgemeine Geschichte
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Weimarer Klassik (1786 – 1805)
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Naturwissenschaften, Technik, Medien
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1789 Französische Revolution
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F. Schiller (1759-1805)
„Maria Stuart“ (1800)
„Wilhelm Tell“ (1804)
J.W. Goethe (1749-1832)
“Faust” I (1808)
“Faust II (1832)
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1791/92 Erfindung des optischen
Flügeltelegrafen
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1793 Hinrichtung Ludwigs XVI
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1796 Erfindung der Lithografie
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1804-1814 Napoleon I. Kaiser der Franzosen
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