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Referat
Religionswissenschaft­en

Otto-Friedrich-Universität Bamberg

2009

Hanna S. ©
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ID# 3143







Familiäre Lebensformen

in der modernen Gesellschaft (U. Beck)


1. Individualisierung – eine Begriffsklärung


Die Biographie der Menschen wird aus traditionalen Vorgaben und Sicherheiten, aus fremden Kontrollen und überregionalen Sittengesetzen herausgelöst, offen, entscheidungsabhängig und als Aufgabe in das Handeln jedes einzelnen gelegt.

Die Anteile der prinzipiell entscheidungsverschlossenen Lebensmöglichkeiten nehmen ab, und die Anteile der entscheidungsoffenen nehmen zu. Normal-biographie verwandelt sich in Wahlbiographie – mit allen Zwängen und „Frösten der Freiheit“.


2. Familie und Individualisierung: Stationen des historischen Wandels


■ Die vorindustrielle Familie


-       Die vorindustrielle Familie war vorrangig eine Arbeits- und Wirtschaftsge-

meinschaft

- Sämtliche Familienmitglieder hatten ihren festen Platz und ihre festen Auf-

gaben

-       Ihre Tätigkeiten waren aufeinander abgestimmt und dienten dem Hauptziel der

Erhaltung des Hofs/Handwerkbetriebes à Gemeinsamkeiten in Belastungen, Erfahrungen, Anstrengungen à Enge Gemeinschaft einerseits, Einzelper-sonen und ihre Neigungen blieben andererseits außer Acht à Spannungen

àDie vorindustrielle Familie war häufig eine „Notgemeinschaft“, die auf einem Ab-

hängigkeitsverhältnis basierte


■ Familie zur Zeit der Industrialisierung und Sozialstaatentwicklung


-       Die Familie verlor ihre Funktion als Arbeits- und Wirtschaftsgemeinschaft

-       Das Verhältnis von Arbeitsmarkt und Familie rückte in den Vordergrund

-       Die Forderungen der Leistungsgesellschaft rückten die Einzelperson in den Vordergrund und drängten die Gemeinschaft zurück

-       Zunächst wurden vorwiegend Männer in die außerhäusliche Erwerbsarbeit eingebunden, Frauen wurden auf Heim, Haushalt und Kinder verwiesen à Eine neue Form wechselseitiger Abhängigkeit entsteht

-       Durch die langsame Entwicklung des Sozialstaates (ab Ende 19.Jh.) wurden Sicherungsleistungen eingeführt à mehr soziale Gerechtigkeit, steigende Un-

abhängigkeit von der Familie

àZur Zeit der Industrialisierung und Sozialstaatentwicklung wurden individuelle Le-

bensentwürfe gefördert


■ Familie in der Mitte des 20. Jahrhunderts


- Immer mehr Frauen wurden durch Veränderungen in Bildung, Beruf,

Rechtssystem etc. aus der Familienbindung herausgelöst und konnten immer

weniger Versorgung über den Mann erwarten à Zwang zur Selbstversorgung/

Selbständigkeit steigt

- Frauen entwickelten daher zunehmend Lebens- und Existenzsicherungspläne,

gegebenenfalls auch ohne Mann à Frauen beginnen sich als Einzelpersonen

mit individuellen Interessen, Wahlmöglichkeiten und Zukunftsplänen zu sehen

àDie Veränderungen zur Mitte des 20. Jahrhunderts beschränken die Macht von

Familie und Mann, ein Zwang zur Solidarität wurde weiter zunehmend unter-

brochen


  1. Ursachen für die Individualisierung (neben einkommens- und bildungs-bezogenen Niveauverschiebungen)


■ Mobilität:

Die Lebenswege der Menschen werden aus den Herkunftsfamilien herausge-


■ Sozialstaatliche Sicherungs- und Steuerungssysteme:

Diese senken die grundlegenden Risiken der Lohnarbeiterexistenz (z.B. Arbeits-losenversicherung, Krankheitsschutz)


■ Konkurrenzbeziehungen:

Diese sind verbunden mit einem immer früher einsetzenden Zwang zur indi-viduellen Abschottung und Vereinzelung in immer mehr sozialen Beziehungen


■ Urbane Großstadtsiedlungen:

Immer mehr alte Wohngebiete mit lockeren Bekanntschafts- und Nach-barschaftsbeziehungen werden durch diese ersetzt


  1. Individualisierung und die Inszenierung des Alltags


■ Divergierende Zeitrhythmen und Aufenthaltsorte


- Trend in Richtung Individualisierung macht das Familienleben zum „Balance-

Akt“ und wirft Fragen nach Ressourcenverteilung und Gerechtigkeit zwischen

- Außerhäusliche Aktivitäten aller Familienmitglieder führen dazu, dass der

Alltag nicht mehr an einem gemeinsamen Ort stattfindet à gemeinsamer

Rhythmus verschwindet, zeitliche Bedingungen werden vorgegeben à Ver-

knüpfung der Tagesabläufe erschwert sich à Unstimmigkeiten steigen

à Zur heutigen Zeit wird Familie zu einer Art streng kalkulierten Kleinunter-

nehmen. Sie steht in ständigem Kampf zwischen Ansprüchen eigener versus

gemeinsamer Zeit


■ Multikulturelle Familien


- Der Radius der Heiratsmöglichkeiten war früher eng durch die Kriterien der Herkunft begrenzt, dies schloss Stand, Besitz, ethnische Zugehörigkeit und Religion mit ein

- Heute ist die Lebenswelt stärker durchmischt. Verschiedene Schichten, Milieus und Regionen begegnen einander- und heiraten untereinander

- Fragen über Lebensweisen entstehen, für die es keine direkten Vorbilder gibt à Durch unterschiedliche Lebenslagen zwischen den Partnern entsteht die Gefahr eines Ungleichgewichts in der Partnerschaft


■ Scheidung und Scheidungsfolgen


-       Die Anzahl der Scheidungen ist im Laufe des 20. Jahrhunderts stark angestiegen. Eine Scheidung führt dazu dass sich Lebenslagen von allen Familienbeteiligen ändern

-       Häufig sind eine Veränderung des Tagesablaufs, ein Wechsel der Umgebung, ein sozialer Wechsel und ein sinkender Lebensstandard (der besonders Frauen und Kinder betrifft) die Folge

-       Trennungen können lebenslange Störungen bei den betroffenen Kindern mit sich ziehen. Scheidungskinder müssen früh lernen Bindungen aufzugeben und mit Abschied umgehen. Sie erfahren früher als ihre Altersgenossen, dass Beziehungen zerbrechlich sind und Trennungen ein Normalereignis im Leben darstellen



-       Häufig heiraten Geschiedene wieder oder leben mit einem neuen Partner zusammen, der evtl. auch schon verheiratet ist oder Kinder mitbringt à Immer mehr Kinder wachsen mit einem nicht-biologischen Elternteil auf, es entstehen Querverbindungen und komplexe Beziehungsnetze

-       Wer zur Familie gehört ist nicht mehr eindeutig klar, eine eindeutige Definition ist im Rhythmus der Trennungen und Neuverbindungen untergegangen

-       Das Aufrechterhalten von Beziehungen ist nicht mehr ein selbstverständlicher, sondern eher ein freiwilliger Akt à Wahlverwandtschaften entstehen, der Ver-pflichtungscharakter von Bindungen nimmt ab


5. Resümee


-       Familie wird mehr und mehr zur Wahlgemeinschaft, zu einem Verbund aus

Einzelpersonen mit eigenen Erfahrungen, Interessen und Lebensplänen- aber auch eigenen Risiken und Zwängen



- Einerseits besteht der starke Wunsch nach Individualisierung, andererseits

auch nach Bindungen, welche jedoch im Heute bezüglich Art, Dauer, Umfang und Verpflichtungscharaker verschieden zu früheren sind à Beziehungs-vielfalt


- Die traditionelle Familie verschwindet zwar nicht, verliert jedoch ein Stück weit ihr Monopol à Es entstehen zunehmend Zwischen- und Nebenformen, sowie Vor- und Nachformen


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Literatur:


Beck, Ulrich: Jenseits von Stand und Klasse? Soziale Ungleichheiten, gesellschaftliche Individualisierungsprozesse und die Entstehung neuer sozialer Formationen und Identitäten, in Kreckel, Reinhard (Hg.): Soziale Ungleichheit, Göttingen 1983, 35-74.


Beck, Ulrich: Eigenes Leben. Skizzen zu einer biographischen Gesellschaftsanalyse, in: Beck, Ulrich u.a.: Eigenes Leben. Ausflüge in die unbekannte Gesellschaft in der wir leben, München 1995, 11-192.



Beck-Gernseheim, Elisabeth: Auf dem Weg in die postmoderne Familie – Von der Notgemeinschaft zur Wahlverwandtschaft, in: Beck, Ulrich/Beck-Gernsheim, Elisabeth (Hg.): Riskante Freiheiten. Individualisierung in modernen Gesellschaften, Frankfurt 1994, 115-138.


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