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Interpretation

Fabian von Erich Kästner - Inter­pre­ta­tion: Erstes Kapitel: Neue Sach­lich­keit

1.713 Wörter / ~6 Seiten sternsternsternsternstern_0.25 Autorin Pia M. im Apr. 2011
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Literaturanalysen zur Neuen Sachlichkeit: Die Abitur & Hausaufgabenhilfe: Interpretationen zu Erich Kästner, Joseph Roth, Irmgard Keun, Bertolt Brecht, Kurt Tucholsky (Textanalysen, Band 2)
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Dokumenttyp

Interpretation
Deutsch

Universität, Schule

Clara-Schumann Gymnasium Bonn

Note, Lehrer, Jahr

2011

Autor / Copyright
Pia M. ©
Metadaten
Format: pdf
Größe: 0.12 Mb
Ohne Kopierschutz
Bewertung
sternsternsternsternstern_0.25
ID# 6076







Erich Kästner – Fabian

Erstes Kapitel

 

Der im Jahr 1931, erschienene Roman „Fabian“ von Erich Kästner, thematisiert das Leben innerhalb Deutschlands in Folge der Nachkriegszeit des 1. Weltkriegs. Die Darstellung erfolgt durch den zum Romantitel gleichnamigen Protagonisten Fabian, der aus seiner Sicht die Geschehnisse innerhalb Berlins beschreibt. Einzuordnen ist der Roman in die neue Sachlichkeit, deren Dichter orientierten sich an der Realität und stellten sie objektiv dar.

Bei dem vorliegenden Textauszug handelt es sich um das erste Kapitel des Romans.

Der Protagonist Fabian sitzt in einem Cafe namens Spalteholz und studiert die Schlagzeilen der Abendblätter, welche jedoch keinerlei Wirkung auf ihn zeigen, trotz teilweise erschreckender Nachrichten. Nach Beendigung des Lesens, ruft Fabian den Kellner zu sich um zu bezahlen führt ein kurzes Gespräch mit ihm und verlässt anschließend das Cafe. Nach einer irreführenden Fahrt durch Berlin, entschließt sich der Protagonist  auf Rat seines Arbeitgebers hin Frau Sommer in der Schlüterstraße 23 aufzusuchen. Nach einer erneuten Fahrt durch Berlin erreicht er schließlich den Stadtteil, in dem sein gesuchtes Ziel liegt, welcher dem Protagonisten zu folge einem Rummelplatz gilt, der mit bunten Lichtern beschmiert sei. Am Ziel angekommen, trifft er auf einen grünlivierten Liliputaner, der ihm hilft seinen Mantel abzunehmen. Im Anschluss macht er Bekanntschaft mit einer eher üppigen Dame, die er als Frau Sommer identifiziert. Anschließend folgt Fabian Frau Sommer in ihr Büro in dem er über alle Regeln und Geschehnisse des für ihn bis dahin noch unbekannten Clubs aufgeklärt wird. Nach Betreten der weiteren Räumlichkeiten entpuppt sich der unbekannte Club als ein Etablissement, in dem Fabian zugleich Bekanntschaften mit zwei Frauen widerfahren. Die erste, eine kleinere mit schwarzem Haar weist er ab, wohingegen er für die zweite eine größere blonde Dame Sympathien hegt und sie kurze Zeit später gemeinsam in einem Taxi auf dem Weg zu ihrer Wohnung verschwinden.

 

Bei dem vorliegenden Auszug handelt es sich um einen auktorialen Erzähler, welcher zu Beginn des Romans überwiegend die Geschehnisse schildert, hingehend zum Ende des Romans aber dann durch eine Vielzahl von Dialogen verdrängt wird und lediglich Gedachtes oder Beschreibungen einzelner Personen erwähnt. Charakterisierungen der einzelnen vorkommenden Personen werden überwiegend indirekt vorgenommen und lassen sich nur mithilfe des Kontexts vermuten. So könnte man aufgrund des Verhaltens des Protagonisten darauf schließen, dass er ihm vieles Gleichgültig sei und er das eigene Schicksal lieber in die Hände anderer Personen lege, um der eigenen Verantwortung aus dem Weg zu gehen.

 

Die Gleichgültigkeit lässt sich direkt zu Beginn des Kapitels entnehmen, da Fabian, dem Protagonisten, Schlagzeilen wie „Skandal im Städtischen Beschaffungsamt“ (S.7) oder „Der Mord im Lainzer Tiergarten“ (S.7) handelt er eher als „Das tägliche Pensum. Nichts Besonderes“ ab. Bezogen auf das eigene Schicksal bedient er sich einem Kellner den er als sein Orakel für sein weiteres Handeln betrachtet, so stellt er ihm die Frage „Soll ich hingehen oder nicht?“ (S.7) woraufhin sich der Kellner für das nicht hingehen entscheidet, Fabian anschließend die andere Möglichkeit wahrnimmt. In dem Fall geht diese mögliche Charaktereigenschaft aus einem Dialog hervor. Die Charakterisierung des Protagonisten steht also im Wechsel zwischen Erzählung und Dialog, aus denen man schließlich Vermutungen über seine Person ziehen kann. Konkrete Eigenschaften einer Person hingegen werden lediglich in einem Dialog genannt, so dass sich der Erzähler an dieser Stelle eher bedeckt hält. Angewohnheiten einzelner Personen werden im Verlauf der einzelnen Dialoge erst erkennbar. So ist auffällig, dass der Protagonist gerne und oft ironische Antworten von sich gibt.

 

Die Personenkonstellation fällt in dem Kapitel eher gering aus und die Dialoge der einzelnen Personen, sind entweder geschäftlich geprägt oder haben eine persönliche Grundlage aus denen diverse Interpretationsansätze entstehen können, die ein Bild zur damaligen Lage widerspiegeln. So basiert die Beziehung zwischen Fabian und Frau Sommer auf geschäftlichen Attributen, sie erfragt lediglich seine Personalien „Die Personalien?“(S.9) und verweist ihn darauf welche Regeln er in ihrem Etablissement zu befolgen habe „Annäherungen der Mitglieder… Haben Sie mich verstanden, Herr Fabian?“(S.10). Auch das Siezen beider Personen spiegelt eine eher oberflächliche Beziehung wieder.

Die Beziehung zwischen dem Kellner und Fabian scheint auf den ersten Blick eine eher unwichtige Beziehung zu sein, ganz davon abzusehen, dass man überhaupt von einer Beziehung sprechen kann, da es sich an der Stelle lediglich um einen Small-Talk der beiden handelt. Grundsätzlich würde man also sagen können, dass es sich wie zu vor bei dem Verhältnis zwischen Frau Sommer und Fabian um einen rein geschäftlichen Dialog handle. Da Fabian ihn als Orakel für seine nähere Zukunft „missbraucht“ schafft er eine Vertrauensbasis zu ihm, in dem er sein Schicksal in die Hände des Kellners legt. Somit könnte man von einer erweiterten also einer höheren Beziehung als der einer oberflächlichen Beziehung zwischen Kellner und Fabian sprechen.

 

Zunichte macht Fabian diese Beziehung wieder selbst, in dem er sich gegen den Rat des Kellners entscheidet „Gut. Ich werde hingehen. Zahlen“ (S.7). Auch hier ist erkennbar, dass der Kellner trotz der großen Verantwortung welche ihm plötzlich obliegt, er immer noch Höfflich gegenüber seinem Gast ist, und ihn ebenfalls siezt, wodurch hervorgehoben wird, dass es sich eben nicht um eine intime Beziehung handelt, sie sich aber von einer normalen oberflächlichen bereits beginnt abzuheben. Es ergeben sich zwei weitere Konstellationen innerhalb des Textes, die beide mit Damen aus dem Etablissement sind. Die erste der beiden Damen, „ein kleines schwarzhaariges Fräulein“ (S.10) versucht schnellst möglich eine enge Bindung zu Fabian aufzubauen, so äußert sie Schmeicheleien wie „Sie wirken sympathisch“ (S.10) oder gibt vor zu wissen wann er geboren sei „Sie sind im Dezember geboren“ (S.10). Fabian hingegen macht zu Beginn bereits Andeutungen, dass er keinerlei Interesse an ihr hat und gibt Äußerungen von sich die sich als unpassend erweisen „Atomtheoretiker behaupten…“ (S.10), da sie die angeblich intime Atmosphäre zerstören. Schließlich ist es die Dame selbst, welche durch die Offenbarungen sie leide „an stellungssuchender Phantasie“ (S.11) dafür verantwortlich ist, dass sich Fabian abwendet. Auch hier ist erkennbar, dass sie trotz ihrer aggressiven Art sich ihm aufzudrängen, sie eine gewisse Distanz zu ihm wart, was wie bereits bei den anderen Personen, ebenfalls durch das Ansprechen in der Höfflichkeitsform erfolgt.

 

Die letzte Person der Personenkonstellation, ist eine große blonde Dame zu der sich Fabian gleich hingezogen fühlt „Schließlich fragte sie, ob er noch bleiben wolle; sie breche auf. Er ging mit.“ (S.11). Dieses Verhältnis unterscheidet sich immens von den anderen, zum einen bedient sie sich einer umgangssprachlichen Weise und beachtet keinerlei Höfflichkeitsformen „Sei nicht so empfindlich“ (S.12) Fabian hingegen missachtet diese Regel nicht „Ich wollte eigentlich, bevor Sie mich…“(S.12). Außerdem nimmt sie eine sehr dominante Rolle ein äußert Befehle ihm gegenüber, die er zu befolgen hat „Erstens ist dein Gesicht voll roter Flecken, und zweitens trinkst du bei mir eine Tasse Tee“ (S.12).

Besonders auffällig innerhalb der Dialoge ist, dass  Fabian oft ironisch Antwort wie Beispielsweise „ich wollte eigentlich bevor Sie mich erwürgen, noch einen Brief schreiben“ (S.12), wodurch die Leichtigkeit Fabians gegenüber allen möglichen Situation dargestellt wird.

 

Zeitgleich verdeutlicht dies die gegenwärtige Situation der Menschen, somit lässt sich sagen, dass die Ironie nicht nur ein Attribut Fabians ist, sondern Kästner diese Leichtigkeit, auf das gesamte Volk zutrifft. Gerade unter Berücksichtigung des historischen Kontexts, nach dem Krisenjahr 1929 in dem die Weltwirtschaftskrise war, ging Deutschland politisch den Bach runter. Dieses Motiv nutzt Kästner und will den Leuten wohlmöglich vermitteln, dass man nicht alles ignorieren kann, sondern den Dingen Beachtung schenken muss, da man ansonsten Krisen wie der Weltwirtschaftskrise 1929 ausgesetzt ist. Gerade diese Haltung der vollkommenen Leichtigkeit und Gleichgültigkeit kommt in Form von Fabian zur Geltung. Somit ist die Gleichgültigkeit nicht zufällig zu Beginn des Romans gesetzt worden, sondern soll der Mensch schon zu Beginn an damit konfrontiert werden, dass man nicht alles auf die Leichte schippe nehmen soll, zumindest wäre dies aus dem ersten Kapitel zu entnehmen, da sich dort der Gedankengang der Blauäugigkeit durchzieht.

 

Zudem bedient sich Kästner keineswegs seiner Phantasie, er beruft sich auf die neue Sachlichkeit und stellt die Geschehnisse so objektiv dar, wie es ihm nur möglich erscheint. Dennoch verknüpft er dies mit einem fiktiven Romanprotagonisten, der den Leser durch die einzelnen Schauplätze geleitet. Diese Person unterscheidet sich keineswegs von den geläufigen Menschen in Deutschland, weshalb lediglich die Fiktion des Protagonisten das einzig erdachte Kästners ist, alle weiteren Beschreibungen und Handlungen aber demzufolge auf einen Großteil der Bevölkerung zutreffen.

 

Damit diese Kritik, die Kästner hegt für jeden zugänglich ist, bedient er sich der Umgangssprache verzichtet fast bis auf wenige Ausnahmen Fachvokabular und verwendet zu dem nur Hauptsätze, so dass sich die Leser nicht in endlosen Sätzen verirren. Dies ist ebenfalls ein markantes Merkmal der neuen Sachlichkeit, so dass man meinen könnte man stehe neben dem Protagonisten und erlebe die Geschehnisse mit ihm. Er will somit den Text für jedermann zugänglich machen, und  zielt nicht auf eine besondere Schicht ab. Seine angestrebte Kritik basiert auf den Motiven der neuen Sachlichkeit, der sich auch Kästner zuordnen lässt. Wie viele andere Autoren fixiert er seine Thematik gerade in dem Kapitel auf die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Probleme der Weimarer Republik. Da sich jedoch keiner mit diesen Problemen auseinandersetzt versucht er diese aufzufangen und in dem Buch darzulegen. Abgesehen von der menschlichen sorgenfreien Haltung die im Roman durch den Protagonisten verkörpert wird, bedient sich Kästner einiger Stilmittel, wie Vergleichen und Metaphern um die Situation innerhalb der Städte einzufangen. So beschreibt der auktoriale Erzähler die Stadt als einen „Rummelplatz“ (S.8), und dass „die Sterne am Himmel […] sich schämen“ (S.8) könnten.  Der Rummelplatz spiegelt zum einen das Chaos innerhalb der Städte wieder, geht man jedoch weiter und bezieht den historischen Kontext mit ein, so könnte dies wohlmöglich metaphorisch gesehen eine Darstellung für das politische Chaos in Deutschland sein, da zur gegenwärtigen Zeit gerade nach der Weltwirtschaftskrise eine massive Arbeitslosigkeit herrschte, die keiner zu bewältigen wusste und es deshalb eine Vielzahl von Regierungen in Folge innerhalb Deutschlands gab.

 

Die Sterne könnten hingegen Kritiker des politischen Systems sein zu denen man auch Kästner selbst zählen könnte, so wie alle anderen Vertreter der neuen Sachlichkeit. Dass diese Kritiker weinen hängt wohlmöglich damit zusammen, das sie von niemandem wahrgenommen werden, zumindest nicht aus politischer Position, weshalb man mit Büchern und Texten versucht hat die breite Masse der Bevölkerung zu erreichen. Diese scheint sich bis dato eher weniger mit den Problemen der Weimarer Republik auseinander gesetzt zu haben, stattdessen scheint man diese vielmehr zu verdrängen und verirrt sich schließlich in Etablissements um alle Sorgen von sich abzuschütteln. Gerade diese Reaktionen bieten den Vertretern der neuen Sachlichkeit Angriffsfläche für Texte wie Fabian.

 


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