Erich Kästner – Fabian
Erstes Kapitel
Der im Jahr
1931, erschienene Roman „Fabian“ von Erich Kästner, thematisiert das Leben
innerhalb Deutschlands in Folge der Nachkriegszeit des 1. Weltkriegs. Die
Darstellung erfolgt durch den zum Romantitel gleichnamigen Protagonisten
Fabian, der aus seiner Sicht die Geschehnisse innerhalb Berlins beschreibt.
Einzuordnen ist der Roman in die neue Sachlichkeit, deren Dichter orientierten
sich an der Realität und stellten sie objektiv dar.
Bei dem
vorliegenden Textauszug handelt es sich um das erste Kapitel des Romans.
Der
Protagonist Fabian sitzt in einem Cafe namens Spalteholz und studiert die
Schlagzeilen der Abendblätter, welche jedoch keinerlei Wirkung auf ihn zeigen,
trotz teilweise erschreckender Nachrichten. Nach Beendigung des Lesens, ruft
Fabian den Kellner zu sich um zu bezahlen führt ein kurzes Gespräch mit ihm und
verlässt anschließend das Cafe. Nach einer irreführenden Fahrt durch Berlin,
entschließt sich der Protagonist auf Rat seines Arbeitgebers hin Frau Sommer
in der Schlüterstraße 23 aufzusuchen. Nach einer erneuten Fahrt durch Berlin
erreicht er schließlich den Stadtteil, in dem sein gesuchtes Ziel liegt,
welcher dem Protagonisten zu folge einem Rummelplatz gilt, der mit bunten
Lichtern beschmiert sei. Am Ziel angekommen, trifft er auf einen grünlivierten
Liliputaner, der ihm hilft seinen Mantel abzunehmen. Im Anschluss macht er
Bekanntschaft mit einer eher üppigen Dame, die er als Frau Sommer
identifiziert. Anschließend folgt Fabian Frau Sommer in ihr Büro in dem er über
alle Regeln und Geschehnisse des für ihn bis dahin noch unbekannten Clubs
aufgeklärt wird. Nach Betreten der weiteren Räumlichkeiten entpuppt sich der
unbekannte Club als ein Etablissement, in dem Fabian zugleich Bekanntschaften
mit zwei Frauen widerfahren. Die erste, eine kleinere mit schwarzem Haar weist
er ab, wohingegen er für die zweite eine größere blonde Dame Sympathien hegt
und sie kurze Zeit später gemeinsam in einem Taxi auf dem Weg zu ihrer Wohnung
verschwinden.
Bei dem
vorliegenden Auszug handelt es sich um einen auktorialen Erzähler, welcher zu
Beginn des Romans überwiegend die Geschehnisse schildert, hingehend zum Ende
des Romans aber dann durch eine Vielzahl von Dialogen verdrängt wird und
lediglich Gedachtes oder Beschreibungen einzelner Personen erwähnt.
Charakterisierungen der einzelnen vorkommenden Personen werden überwiegend
indirekt vorgenommen und lassen sich nur mithilfe des Kontexts vermuten. So
könnte man aufgrund des Verhaltens des Protagonisten darauf schließen, dass er
ihm vieles Gleichgültig sei und er das eigene Schicksal lieber in die Hände
anderer Personen lege, um der eigenen Verantwortung aus dem Weg zu gehen.
Die
Gleichgültigkeit lässt sich direkt zu Beginn des Kapitels entnehmen, da Fabian,
dem Protagonisten, Schlagzeilen wie „Skandal im Städtischen Beschaffungsamt“
(S.7) oder „Der Mord im Lainzer Tiergarten“ (S.7) handelt er eher als „Das
tägliche Pensum. Nichts Besonderes“ ab. Bezogen auf das eigene Schicksal
bedient er sich einem Kellner den er als sein Orakel für sein weiteres Handeln
betrachtet, so stellt er ihm die Frage „Soll ich hingehen oder nicht?“ (S.7)
woraufhin sich der Kellner für das nicht hingehen entscheidet, Fabian
anschließend die andere Möglichkeit wahrnimmt. In dem Fall geht diese mögliche
Charaktereigenschaft aus einem Dialog hervor. Die Charakterisierung des
Protagonisten steht also im Wechsel zwischen Erzählung und Dialog, aus denen
man schließlich Vermutungen über seine Person ziehen kann. Konkrete
Eigenschaften einer Person hingegen werden lediglich in einem Dialog genannt,
so dass sich der Erzähler an dieser Stelle eher bedeckt hält. Angewohnheiten
einzelner Personen werden im Verlauf der einzelnen Dialoge erst erkennbar. So
ist auffällig, dass der Protagonist gerne und oft ironische Antworten von sich
gibt.
Die
Personenkonstellation fällt in dem Kapitel eher gering aus und die Dialoge der
einzelnen Personen, sind entweder geschäftlich geprägt oder haben eine
persönliche Grundlage aus denen diverse Interpretationsansätze entstehen
können, die ein Bild zur damaligen Lage widerspiegeln. So basiert die Beziehung
zwischen Fabian und Frau Sommer auf geschäftlichen Attributen, sie erfragt
lediglich seine Personalien „Die Personalien?“(S.9) und verweist ihn darauf
welche Regeln er in ihrem Etablissement zu befolgen habe „Annäherungen der
Mitglieder… Haben Sie mich verstanden, Herr Fabian?“(S.10). Auch das Siezen
beider Personen spiegelt eine eher oberflächliche Beziehung wieder.
Die
Beziehung zwischen dem Kellner und Fabian scheint auf den ersten Blick eine
eher unwichtige Beziehung zu sein, ganz davon abzusehen, dass man überhaupt von
einer Beziehung sprechen kann, da es sich an der Stelle lediglich um einen
Small-Talk der beiden handelt. Grundsätzlich würde man also sagen können, dass
es sich wie zu vor bei dem Verhältnis zwischen Frau Sommer und Fabian um einen
rein geschäftlichen Dialog handle. Da Fabian ihn als Orakel für seine nähere
Zukunft „missbraucht“ schafft er eine Vertrauensbasis zu ihm, in dem er sein
Schicksal in die Hände des Kellners legt. Somit könnte man von einer
erweiterten also einer höheren Beziehung als der einer oberflächlichen
Beziehung zwischen Kellner und Fabian sprechen.
Zunichte
macht Fabian diese Beziehung wieder selbst, in dem er sich gegen den Rat des
Kellners entscheidet „Gut. Ich werde hingehen. Zahlen“ (S.7). Auch hier ist
erkennbar, dass der Kellner trotz der großen Verantwortung welche ihm plötzlich
obliegt, er immer noch Höfflich gegenüber seinem Gast ist, und ihn ebenfalls
siezt, wodurch hervorgehoben wird, dass es sich eben nicht um eine intime
Beziehung handelt, sie sich aber von einer normalen oberflächlichen bereits
beginnt abzuheben. Es ergeben sich zwei weitere Konstellationen innerhalb des
Textes, die beide mit Damen aus dem Etablissement sind. Die erste der beiden
Damen, „ein kleines schwarzhaariges Fräulein“ (S.10) versucht schnellst möglich
eine enge Bindung zu Fabian aufzubauen, so äußert sie Schmeicheleien wie „Sie
wirken sympathisch“ (S.10) oder gibt vor zu wissen wann er geboren sei „Sie
sind im Dezember geboren“ (S.10). Fabian hingegen macht zu Beginn bereits
Andeutungen, dass er keinerlei Interesse an ihr hat und gibt Äußerungen von
sich die sich als unpassend erweisen „Atomtheoretiker behaupten…“ (S.10), da
sie die angeblich intime Atmosphäre zerstören. Schließlich ist es die Dame
selbst, welche durch die Offenbarungen sie leide „an stellungssuchender
Phantasie“ (S.11) dafür verantwortlich ist, dass sich Fabian abwendet. Auch
hier ist erkennbar, dass sie trotz ihrer aggressiven Art sich ihm aufzudrängen,
sie eine gewisse Distanz zu ihm wart, was wie bereits bei den anderen Personen,
ebenfalls durch das Ansprechen in der Höfflichkeitsform erfolgt.
Die letzte
Person der Personenkonstellation, ist eine große blonde Dame zu der sich Fabian
gleich hingezogen fühlt „Schließlich fragte sie, ob er noch bleiben wolle; sie
breche auf. Er ging mit.“ (S.11). Dieses Verhältnis unterscheidet sich immens
von den anderen, zum einen bedient sie sich einer umgangssprachlichen Weise und
beachtet keinerlei Höfflichkeitsformen „Sei nicht so empfindlich“ (S.12) Fabian
hingegen missachtet diese Regel nicht „Ich wollte eigentlich, bevor Sie
mich…“(S.12). Außerdem nimmt sie eine sehr dominante Rolle ein äußert Befehle
ihm gegenüber, die er zu befolgen hat „Erstens ist dein Gesicht voll roter
Flecken, und zweitens trinkst du bei mir eine Tasse Tee“ (S.12).
Besonders
auffällig innerhalb der Dialoge ist, dass Fabian oft ironisch Antwort wie
Beispielsweise „ich wollte eigentlich bevor Sie mich erwürgen, noch einen Brief
schreiben“ (S.12), wodurch die Leichtigkeit Fabians gegenüber allen möglichen
Situation dargestellt wird.
Zeitgleich
verdeutlicht dies die gegenwärtige Situation der Menschen, somit lässt sich
sagen, dass die Ironie nicht nur ein Attribut Fabians ist, sondern Kästner
diese Leichtigkeit, auf das gesamte Volk zutrifft. Gerade unter
Berücksichtigung des historischen Kontexts, nach dem Krisenjahr 1929 in dem die
Weltwirtschaftskrise war, ging Deutschland politisch den Bach runter. Dieses
Motiv nutzt Kästner und will den Leuten wohlmöglich vermitteln, dass man nicht
alles ignorieren kann, sondern den Dingen Beachtung schenken muss, da man
ansonsten Krisen wie der Weltwirtschaftskrise 1929 ausgesetzt ist. Gerade diese
Haltung der vollkommenen Leichtigkeit und Gleichgültigkeit kommt in Form von
Fabian zur Geltung. Somit ist die Gleichgültigkeit nicht zufällig zu Beginn des
Romans gesetzt worden, sondern soll der Mensch schon zu Beginn an damit
konfrontiert werden, dass man nicht alles auf die Leichte schippe nehmen soll,
zumindest wäre dies aus dem ersten Kapitel zu entnehmen, da sich dort der
Gedankengang der Blauäugigkeit durchzieht.
Zudem
bedient sich Kästner keineswegs seiner Phantasie, er beruft sich auf die neue
Sachlichkeit und stellt die Geschehnisse so objektiv dar, wie es ihm nur
möglich erscheint. Dennoch verknüpft er dies mit einem fiktiven
Romanprotagonisten, der den Leser durch die einzelnen Schauplätze geleitet.
Diese Person unterscheidet sich keineswegs von den geläufigen Menschen in Deutschland,
weshalb lediglich die Fiktion des Protagonisten das einzig erdachte Kästners
ist, alle weiteren Beschreibungen und Handlungen aber demzufolge auf einen
Großteil der Bevölkerung zutreffen.
Damit diese
Kritik, die Kästner hegt für jeden zugänglich ist, bedient er sich der
Umgangssprache verzichtet fast bis auf wenige Ausnahmen Fachvokabular und
verwendet zu dem nur Hauptsätze, so dass sich die Leser nicht in endlosen Sätzen
verirren. Dies ist ebenfalls ein markantes Merkmal der neuen Sachlichkeit, so
dass man meinen könnte man stehe neben dem Protagonisten und erlebe die
Geschehnisse mit ihm. Er will somit den Text für jedermann zugänglich machen,
und zielt nicht auf eine besondere Schicht ab. Seine angestrebte Kritik
basiert auf den Motiven der neuen Sachlichkeit, der sich auch Kästner zuordnen
lässt. Wie viele andere Autoren fixiert er seine Thematik gerade in dem Kapitel
auf die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Probleme der Weimarer Republik.
Da sich jedoch keiner mit diesen Problemen auseinandersetzt versucht er diese
aufzufangen und in dem Buch darzulegen. Abgesehen von der menschlichen
sorgenfreien Haltung die im Roman durch den Protagonisten verkörpert wird,
bedient sich Kästner einiger Stilmittel, wie Vergleichen und Metaphern um die Situation
innerhalb der Städte einzufangen. So beschreibt der auktoriale Erzähler die
Stadt als einen „Rummelplatz“ (S.8), und dass „die Sterne am Himmel […] sich
schämen“ (S.8) könnten. Der Rummelplatz spiegelt zum einen das Chaos innerhalb
der Städte wieder, geht man jedoch weiter und bezieht den historischen Kontext
mit ein, so könnte dies wohlmöglich metaphorisch gesehen eine Darstellung für
das politische Chaos in Deutschland sein, da zur gegenwärtigen Zeit gerade nach
der Weltwirtschaftskrise eine massive Arbeitslosigkeit herrschte, die keiner zu
bewältigen wusste und es deshalb eine Vielzahl von Regierungen in Folge
innerhalb Deutschlands gab.
Die Sterne
könnten hingegen Kritiker des politischen Systems sein zu denen man auch
Kästner selbst zählen könnte, so wie alle anderen Vertreter der neuen
Sachlichkeit. Dass diese Kritiker weinen hängt wohlmöglich damit zusammen, das
sie von niemandem wahrgenommen werden, zumindest nicht aus politischer
Position, weshalb man mit Büchern und Texten versucht hat die breite Masse der
Bevölkerung zu erreichen. Diese scheint sich bis dato eher weniger mit den
Problemen der Weimarer Republik auseinander gesetzt zu haben, stattdessen
scheint man diese vielmehr zu verdrängen und verirrt sich schließlich in
Etablissements um alle Sorgen von sich abzuschütteln. Gerade diese Reaktionen
bieten den Vertretern der neuen Sachlichkeit Angriffsfläche für Texte wie
Fabian.