Rigide Richtlinien – Sinn, Unsinn und die Widersprüchlichkeiten
Inhaltsverzeichnis:
Inhalt Seite
1. Einleitung 1
2. Einorden in den Forschungsstand 2
3. Wo erfolgte die Sichtung und Auswahl der Talente in der ESA 3
4. Das Auswahlverfahren 4
5. Widersprüchlichkeiten in Anspruch und Wirklichkeit 9
6. Sinn und Unsinn rigider Richtlinien 11
7. Resümee 12
8. Quellenangaben 14
1. Einleitung:
Die Motivationen der Menschen die heutzutage Sporttreiben können ganz unterschiedlicher Natur sein. Die einen machen es zum Vergnügen und zum Spaß, die anderen aus Interesse an der Gemeinschaft, wieder andere zur gezielten Leistungssteigerung oder um die eigene Leistungsfähigkeit –nach Verletzung etc. - wieder aufzubauen (Reha).
Egal welche Motivationshintergründe vorherrschen, das Sportreiben – im normalen Maß-
hat unbestritten einen positiven Einfluss auf den Gesundheitszustand des Körpers.
Dies erkannte bereits die Staats- und Parteiführung der DDR und nahm dies zum Anlass den Sport mehr zu fördern. Argumente wie der körperliche Ausgleich und eine dadurch bedingte “Leistungssteigerung, die sich positiv auf die Arbeit auswirkt“ 1 sowie die
„allg. Volksgesundheit“2 dienten als Rechtfertigung.
Doch ein weiteres, viel ausschlaggebenderes Argument für die Intensivierung der Sportförderung war, das Vorantreiben des Leistungssports.
Hier lag aus Gründen der „Erhöhung des Nationalprestiges im Ausland“3 auch ganz klar die staatliche Schwerpunktsetzung.
Um aber wirklich gute und überzeugende Leistungen zu „produzieren“ und die damals schlechten demographischen Besonderheiten der DDR-Bevölkerung irgendwie zu kompensieren, musste eine Möglichkeit einer „flächendeckenden Talentauslese“ gefunden werden, um die Talente trotz der viel geringeren Bevölkerungszahl, im Vergleich mit den Sportnationen USA und UdSSR zu finden, zu sichten und entsprechend zu fördern.
Dies war die Geburtsstunde der ESA „Einheitliche Sichtung und Auswahl“.
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1,2,3 Lickfers, T.: Talentauslese und -förderung in der DDR Entstehung und Entwicklung der Einheitlichen Sichtung und Auswahl“ (ESA). Berlin, 2002
2. Einordnen in den Forschungsstand
Zur ESA liegt „noch keine umfassende, wissenschaftlich-kritische Untersuchung vor.“4
Lediglich SCHUHMANN (1998), HARTMANN (1999), TEICHLER (1999), VOGEL/ WÜRSCH (1993) und SENF (1993) geben einen Überblick über das Thema. In der DDR- Primärliteratur finden sich besonders Arbeiten von KUPPER (1970/ 1979/1980) und THIEß (1967/1968/1971) zur Talentauslese in der Zeitschrift „Theorie und Praxis des Leistungssports“. Zudem gibt es noch Diplomarbeiten der Deutschen Hochschule für Körperkultur. 5
Meine Arbeit stützt sich aber primär auf die Quellen Spitzer, Teichler, Reinartz (1998), Teichler, Reinartz (1999) und auf die Diplomarbeit von Torsten Lickfers (2002).
Ich möchte meine Arbeit wie folgt gliedern:
Ich möchte zunächst, bezugnehmend auf die „Schlüsseldokumente zum DDR-Sport“ von Spitzer, Teichler und Reinartz (1998) das Auswahlverfahren der ESA und der.....[Volltext lesen]
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Tabelle 2: Sportartenzuordnungsnummern
(Spitzer, Teichler und Reinartz, 1998)
Besondere Bedeutung kommt hier der Sportartenzuordnungsnummer „92“ zu.
Die Zahl steht für Sondersportart.
Die 92 wird einem Kind zugeordnet, das für keine Sportart die Normen erfüllt hat, jedoch in einer bestimmten Leistungskontrolle ein herausragendes Ergebnis erzielt hat, oder ein hervorstechendes Körpergewicht bzw. in der Körpergröße aufweist.
Dementsprechend wird dann überprüft, ob das Kind sich für eine Kampfsportart (bei hohem Gewicht) oder für Volleyball (große Körpergröße) als geeignet erweist.
Des Weiteren wird in diesem ersten Auswahlschritt der biologische Entwicklungsstand des Kindes mit einbezogen.
Hierzu wird das biologische Alter anhand der Körperhöhe und des Körpergewichtes geschätzt, um die Kinder in so genannten Alterskategorien 0 bis 6 einzuordnen (siehe Tabelle 3).
Tabelle 3: Biologische Alterskategorien
(Spitzer, Teichler und Reinartz, 1998)
Für die Kinder, die den ersten Auswahlschritt bestanden haben, folgt die Vorbereitungsphase zum 2. Auswahlschritt.
In diesem Zwischenschritt soll die erfolgreiche Durchführung des 2. Auswahlschrittes vorbereitet werden. Bezug nehmend auf die Ergebnisse des 1. Auswahlschrittes wird,
“unter Berücksichtigung der schulischen Leistung […] die persönlichen Interessen des Kindes mit den gesellschaftlichen Erfordernissen in Übereinstimmung gebracht“
(Spitzer, Teichler und Reinartz, 1998).
Den Mitarbeitern des DTSB (haupt- und ehrenamtlich) und den Lehrern werden,
entsprechend der Zielstellung, mit ihren Aufgaben im Weiteren Sichtungs- und Auswahlprozess vertraut gemacht.
Es wird dazu die inhaltliche und terminliche Gestaltung besprochen, es erfolgt eine Einweisung und Erläuterung der schriftlichen Unterlagen für den 2. Auswahlschritt sowie die Handhabung der Erfassungskarten bei sportartspezifischen Test- und Untersuchungsprogrammen.
Nach Auswertung und Komplettierung werden die Namenslisten, die die Anforderungen für den 1. Auswahlschritt erfüllt haben, den Kreisvorständen des DTSB zugesandt.
Dort erfolgt durch einen Funktionär eine sportartspezifische systematische Auswertung mit dem Ziel, die geeigneten Schüler zum 2. Auswahlschritt einzuladen.
Hier wird nach folgenden Punkten vorgegangen:
zunächst werden die Namen der Kinder gekennzeichnet bzw. gestrichen, die bereits für eine TZ /TS- Delegierung vorgesehen sind
zudem werden die Namen der Kindern gekennzeichnet, bei denen eine Einfacheignung vorliegt; die Sportart steht hier schon fest (Einladung)
hinzu kommen die Kinder, bei denen das Interesse oder eine außerunterrichtliche betriebene Sportart mit der ausgewählten Sportart überein stimmt (Einladung)
Zwischenrechnung: es wird nachgerechnet, wie viel Kinder je einer bestimmten Sportart zugeordnet sind
nun wird über eine Auflösung der Mehrfacheinigung an Hand der Leistungskontrollwerte bei Kindern, die nicht unter 1. bis 3. erfasst wurden
anschließend erfolgt eine zweite Zwischenrechnung
und abschließend werden die Sportarten festgelegt, in denen die Kinder mit der Zeichenzuordnung „92“.....
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3. Durch die Auswahl nach einheitlichen leitungsmäßigen, organisatorischen,
terminlichen und inhaltlichen Prinzipien wird der Aufwand der Trainer und Übungsleiter
vermindert.7
Diese 3 Hauptziele stellen den eigenen Anspruch der ESA dar.
Ich möchte zu jedem der drei Punkte die auftretenden Probleme und damit die Mängel in der Umsetzung aufzeigen.
Zu dem Hauptziel 1 „koordiniertes Handeln der Funktionäre und Mitarbeiter“ ist zu sagen, dass hier in der Umsetzung erhebliche Schwierigkeiten auftraten.
Die Sportlehrer an den Schulen waren für die Datenerhebung und Erfassung der getesteten Kinder verantwortlich Diesbezüglich bekamen sie zwar vom DTSB auch eine Einweisung, diese aber mangelhaft und nicht ausreichend war. Somit hatten die Sportlehrer Schwierigkeiten mit der Verfahrenswiese zu Recht zu kommen.
Sie lieferten die Erfassungsbögen unvollständig und zum teil auch nicht fristgerecht ab, da das Erfassungssystem für sie viel zu „kompliziert du zeitraubend“8 gewesen sei.
Diese fehlerhafte Bearbeitung der Leistungskontrollbögen führte zum einen, zur mehr
Arbeitsaufwand der DTSB – Datenverarbeiter, und zum anderen dazu, dass 8,5% (599) der Kinder nicht in die Auswahl mit einbezogen wurden. 9
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Somit ist eine „Totalerfassung“ und eine Chance wirklich „alle“ sportlich geeignete Kinder rechtzeitig zu erkennen überhaupt nicht realisierbar.
Zu der Aussage der Richtlinie Nummer drei, dass durch „die Auswahl nach einheitlichen leitungsmäßigen, organisatorischen, terminlichen und inhaltlichen Prinzipien [ .] der Aufwand der Trainer und Übungsleiter vermindert“ wird, ist folgenden zu sagen.
Von „einheitlichen Prinzipien“ kann man bei der ESA nicht sprechen.
Allein die Datenerhebung in den Schulen konnte gar nicht einheitlich ablaufen, da die instrumentellen und materiellen Gegebenheiten nicht an jeder Schule gleich waren.
Zum Beispiel gab es an manchen Schulen keine exakt ausgemessene Laufstrecke, oder es fehlten gar ganze Weitsprunganlagen. Somit stellten sich schon allein die Datenerhebung sowie das objektive Ausfüllen der Leistungskontrollbögen als Schwierigkeiten dar.
Hier kann man nun weder von einer „Einheitlichkeit“ noch von einem „vermindertem Aufwand“ sprechen.
In all den von mir ausgewählten drei Hauptzielen der ESA, gab es - wie oben aufgezeigt - deutlich sichtbare Differenzen, zwischen dem Anspruch der ESA an sich selbst und der wirklichen Umsetzung ihrer Ziele.
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10,11 Lickfers, T.: Talentauslese und -förderung in der DDR Entstehung und Entwicklung der Einheitlichen Sichtung und Auswahl“ (ESA). Berlin, 2002
6. Sinn und Unsinn rigider Richtlinien
Wie in meinem Gliederungspunkt 5 beschrieben, stellte es sich allein schon einmal als schwer heraus, überhaupt Talente zu finden, sie richtig zu sichten und sie dann auch noch erfolgreich in Trainingszentren zu delegieren.
Dennoch galten für die Kinder, die ins Einzugsgebiet der ESA fielen, rigide Richtlinien beim Auswahlverfahren. Wer beim Auswahlverfahren die vorgeschriebenen Normen des DTSB nicht erfüllte, wurde rigoros aussortiert. Dabei kam es aber paradoxer Weise zum größten Teil nicht auf die sportlichen .....
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12,13 Teichler, H.J., Reinartz, K., 1999 „Das Leistungssportsystem der DDR in den 80er Jahren und im Prozess der Wende“, S. 129
7. Resümee
Zusammenfassend kann man sagen, dass die von mir - in meinen Gliederungspunkten fünf und sechs - aufgezeigte Mängel, an der Vorgehensweise und Verfahrensweise der Einheitlichen Sichtung und Auswahl, zunächst deutlich mehr die umstrittene Seite der ESA beleuchtet hat.
Ich wollte darstellen, dass die ESA sich zwar auf der einen Seite an das Einhalten sinnloser und rigider Richtlinien bei dem Auswahlverfahren (Bsp. Ablehnung wegen 1cm zu wenig Finalkörperhöhe!) exakt gehalten hat, wiederum aber mit dem Einhalten der eigenen an sich selbst gestellten Ziele, es weniger genau nahm.
Ob die starken Diskrepanzen in der Effizienz der ESA zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten, begründet durch die mangelnde TZ/TS Abdeckung der ländlichen Regionen, oder das leichfertige Umgehen mit der Lehrereinweisung – die aber für die Datenerfassung die eigentlichen Personen waren – etc., all dies sind einzelnen Punkte die sich summiert haben und an der nicht geschafften Totalerfassung aller sportlich talentierten Kinder beigetragen haben.
Somit trägt die ESA in meinen Augen selbst, an der nicht geschafften Totalerfassung der sportlich talentierten Kinder, fast die alleinige Verantwortung.
Sicher gab es Widersacher, die es der ESA durch eigene wilde Sichtungen (Ruderverband suchten schon im Kindergarten selbständig nach den „Langen“) schwer machten, aber das die ESA im Endeffekt nur 60% Erfolgsquote aufweisen konnte, lag vielmehr an dem von mir aufgezeigten Perfektionismus auf der einen Seite und der Oberflächlichkeit auf der anderen Seite.
Abschließend ist hier allerdings festzuhalten, dass die ESA trotz meiner dargestellten umstrittenen Seite, erfolgreich mit ihrem Auswahlsystem war. Denn erinnern wir uns an das primäre Ziel der Staats- und Parteiführung bezüglich der Intensivierung der Sportförderung! Es ging darum, den Leistungssport in der DDR so zu fördern, dass die Leistungen der DDR-Sportler die der Westdeutschen deu.....
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TEICHLER, H.J./ REINARTZ, K.: Das Leistungssportsystem der DDR in den 80er Jahren und im Prozeß der Wende. Schorndorf 1999.