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Erörterung
Deutsch

Universität, Schule

Gymnasium Coswig

Note, Lehrer, Jahr

13 Punkte; 2016

Autor / Copyright
Nikolaus T. ©
Metadaten
Format: pdf
Größe: 0.04 Mb
Ohne Kopierschutz
Bewertung
sternsternsternsternstern
ID# 65833







Kurzfassung: Die Erör­te­rung bietet eine tief­ge­hende Analyse des Einsatzes des Grotesken in Fried­rich Dürren­matts Werk "Der Besuch der alten Dame". Sie beleuch­tet, wie Dürren­matt das Groteske nutzt, um präzise Themen und Charak­tere darzu­stel­len. Der Leser erhält Einblicke in die Verbin­dung zwischen dem Grotesken und der Zeit­kritik im Stück. Zudem wird erläu­tert, wie das Groteske zur Schaf­fung einer einzig­ar­tigen Bühnen­at­mo­sphäre beiträgt.
#Tragikomödie_Analyse#Literarische_Kritik#Dramatische_Elemente

Erörterung zu Friedrich Dürrenmatt: Der Besuch der alten Dame

Aufgabe:

Das Groteske ist eine der großen Möglichkeiten, genau zu sein.“ (Karl Schmidt: Friedrich Dürrenmatt: Der Besuch einer alten Dame. Erläuterungen und Dokumente. Durchgesehene Auflage. Stuttgart: Reclam 1999; hier: S.60ff.)

Erörtern Sie ausgehend von den Möglichkeiten des Grotesken in der Literatur Dürrenmatts Meinung in Bezug auf sein Werk „Der Besuch der alten Dame“.

Erörterung:

Für die meisten scheint das Groteske etwas zu sein, dass Verwirrung, Ablehnung oder Verwunderung hervorruft. Es ist etwas, das nicht „in die Rolle“ passt. Friedrich Dürrenmatt als einer der bedeutendsten Dramatiker es 20. Jahrhunderts beschreibt es al ein gutes Mittel, um „genau“ zu sein. Doch was meint er mit diesem Ausdruck? Meint er eine prägnante, einprägsame Schreibweise, eine Reduzierung der Szenen des Stückes oder eine Handlung, die auf genau einen Punkt hinverläuft?

Weiterhin schein es noch andere Möglichkeiten zu geben, das „Groteske“ zu verwenden / zu benutzen.

Anhand der Tragikomödie „Der Besuch der alten Dame“, welche 1955 von Dürrenmatt verfasst und ein Jahr später im Schauspielhaus Zürich uraufgeführt wurde, versuche ich, diese Fragen zu klären und die Meinung des Autors darzulegen.

Schon in Betrachtung der Gesamthandlung erscheint die Tragikomödie grotesk: Claire Zachanassian, eine Multimilliardärin, kehrt zu ihrem Heimatort Güllen zurück (dem Handlungsort des Stückes) und setzt eine Milliarde auf den Kopf ihres Jugendliebhabers Alfred Ill aus, um sich an ihm zu rächen.

Dies stellt schon einmal eine sehr ungewöhnliche, fast surreale Situation dar. Geht man tiefer in die Handlung hinein, so wir erkenntlich, dass in der Tat eine sehr genaue Beschreibung vorliegt. Dies beginnt beim Handlungsort an sich, Güllen: Es ist eine sehr verarmte, heruntergekommene Stadt mit verlotterten Bürgern, wie schon in der Regieanweisung des ersten Aktes deutlich wird. Grotesk wird das Ganze im folgenden Dialog der Bürger vom Bahnhof, die ihre wirtschaftliche Lage selbst als ein „Rätsel“ (S.17) bezeichnen, liegt doch das Städtchen in Mitteleuropa, ist infrastrukturell gut ausgebaut und kann eigenes Kulturgut aufweisen (vgl. S.14 f.).

Aber gerade die kleineren, vorerst nebensächlich erscheinenden Beschreibungen sind es, die das Groteske im „Besuch der alten Dame“ ausmachen und eine szenisch prägnante Atmosphäre generieren. So kommt der Autor in einer weiteren Regieanweisung selbst wieder zu Wort und beschreibt Claire Zachanassian als Protagonistin selbst als etwas „Groteske[s].“ (S.21 f.); mit ihrem „goldene[n] Armringe[n]“ und einem „Perlenhalsband“ wirkt sie geradezu „aufgedonnert“, ein Adjektiv, das durchaus nicht positiv zu verstehen ist und das Groteske verstärkt zum Ausdruck bringt.

Folglich entsteht ein sehr einprägsames, prägnantes „Bühnenbild“ beim Leser, welches aber sehr widersprüchlich erscheint und durch Vermischung von alltäglichen Elementen – eben wie einem Städtchen – mit fast absurden Dingen – wie einer Milliardärin, die mit einem Sarg und einem schwarzen Panther anreißt – zu einer Umwandlung der Welt führt, zu einem Verlust der Harmonie des Stückes in sich. U.a. ergeben sich hieraus unheimliche Handlungsabschnitte wie die Jagdszene des Panthers im Zweiten Akt des Stückes, in welcher die Güllener mit Gewehren über die Bühne „schussbereit“, „herumspähend“ und „herumschleichend“ gehen (S.74).

Diese Entfremdung der Welt, die Dürrenmatt hiermit vollzieht, ermöglicht ihm, das Augenmerk auf sehr spezielle Gebiete zu lenken. Das sind des Öfteren Zeitfragen bzw. die damalige Gegenwart, die Dürrenmatt mit seiner Literatur aufgreift; es ergibt sich also eine weitere Möglichkeit des Grotesken, nämlich der Zeitkritik. Auch im „Besuch der alten Dame“ ist diese auffindbar, wenn auch ein wenig versteckt. Claire Zachanassian beschreibt ihre Forderung bzw. ihr Angebot als einen Kauf der Gerechtigkeit (vgl. S.45), worauf die Güllener protestieren und das Angebot ablehnen. Hier wird Kritik an sehr reichen Leuten ausgeübt, die durch Bestechung o.ä. Gesetze umgehen können und somit „etwas Besseres“ sind als die meisten anderen Menschen. Genau dies versucht Dürrenmatt anhand der grotesken Situation darzustellen.

Aber auch die Güllener werden hinsichtlich ihres nachgebenden Verhaltens, also der Selbstverschuldung durch Kauf neuer Güter kritisiert, da sie nicht zu Ill halten und ihr Versprechen brechen. Der manipulierbare Bürger ist folglich auch ein Motiv der entfremdeten Welt Dürrenmatts.

Letztendlich schafft es Dürrenmatt, auf eine groteske, widersprüchliche Schreibweise seine Subjekte der Tragikomödie klar und genau zu definieren und miteinander in Beziehung zu setzen, sodass das Groteske die Normalität zu sein scheint.

Sein Zitat erscheint damit als Selbstreflexion, als eine Art Erklärung für seine Absicht, die er beim Schreiben verfolgt und trifft damit in vielerlei Hinsicht zu, nicht nur, dass durch die erreichte Genauigkeit die Handlungsorte, ausschweifende Beschreibungen und damit die Gesamtlänge der Tragikomödie reduziert werden, sondern eben auch der Übertrag von Zeitfragen möglich wird und darüber hinaus Zeitkritik ausgeübt werden kann.

Für den Zuschauer mag das Stück zuerst Verwirrung hervorrufen, da die Dinge nicht ganz so sind, wie sie scheinen, das Groteske und die damit verbundene Genauigkeit kommen hier meiner Meinung nach sehr gut zum Ausdruck und man realisiert, dass genau hierin der Sinn der tragischen Komödie auch etwas Widersprüchliches in sich – besteht: dem Grotesken, das die Handlung verpackt und die Gedanken des Stückes offenbart.


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