Entwicklungspsychologie (I) bei K. Landerl
Entwicklungspsychologie = Beschreibung und Erklärung der Veränderungen im menschlichen Erleben und Verhalten aufgrund von Einflüssen der Biologie, des Individuums und der Umgebung
Inhalte und Methoden
Wie beeinflussen biologische und umweltbedingte Faktoren gemeinsam die Entwicklung?
Emmy Werner: wissenschaftliche Begleitung des Geburtsjahres 1955 auf Hawaii (698 Kinder) → Längsschnittstudie
· Informationen über Geburtskomplikationen
· Familienbeobachtungen und Elternbefragungen im Alter von 1 und 10 Jahren
· Interview mit Lehrpersonen
· Einsicht in Akten
· Standardisierte Intelligenz- und Persönlichkeitstests im Alter von 10 und 18 Jahren
· Interviews im Alter von 18 und 30 Jahren
Identifikation biologischer und sozialer Risikofaktoren, aber auch Untersuchung protektiver Faktoren, die Resilienz hervorrufen können (= Fähigkeit, sich unter schwierigen Bedingungen trotzdem positiv entwickeln zu können)
Warum untersucht man die Kindesentwicklung?
· Volkstheorien der kindlichen Entwicklung beeinflussen Erziehungspraktiken
o „spare the rod and spoil the child“ → körperliche Bestrafung
o „your baby is born to be a reasonable, friendly human being“ → Gesellschaft „verdirbt“ Kinder
· Sozialpolitische Entscheidungen treffen
o Krippenplätze (ab welchem Alter?)
o Vorschulprogramme
o Kinder als Zeugen (am effektivsten wenn Kinder kurz nach der Tat und nur einmal befragt werden)
· Wesen der Menschen verstehen
Mechanistische Sichtweise
· Mensch ist inhärent passiv, reagiert auf Stimulation der Umwelt
· Bestimmte Verhaltensweisen können mit dem Alter zu- oder abnehmen (graduell, aber keine qualitative Veränderung)
· Entwicklung = kontinuierlicher Prozess
Organismische Sichtweise
· Mensch ist ein biologischer Organismus, der mit der Umwelt interagiert
· Entwicklung bewirkt eine biologisch determinierte Reifung
· Betonung der Interaktion zwischen Reifung und Erfahrung → führt zu neuen internen psychologischen Strukturen zur Verarbeitung der Umwelt
· Aktive Konstruktion
Lange Zeit Thema für philosophische Diskurse
· Platon
· Aristoteles (Umwelteinflüsse)
· Rousseau (Kind ist perfekt wenn es zur Welt kommt, Umwelt → schlecht)
· John Locke (tabula rasa)
Erst seit Anfang des 20. Jahrhunderts → Entwicklung als wissenschaftliche Disziplin
· Freud (hat selbst nie mit Kindern gearbeitet, nur Erwachsene zu ihrer Kindheit befragt)
· Watson (Behaviorismus, Konditionierung)
· Piaget (erster mit breiter Theorie zur Entwicklung)
· Binet/Simon (Entwicklung des ersten Intelligenztests, um Kinder mit Förderungsbedarf zu identifizieren)
Empirische Designs zur Untersuchung von Veränderungen mit dem Alter
Querschnittstudien: Vergleich von verschiedenen Altersgruppen
· keine Auskunft über Kontinuität von Entwicklungen
Längsschnittstudien: wiederholte Messungen an derselben Gruppe
· erlaubt Erhebung von intra- (innerhalb des Kindes) UND interpersonellen (zwischen Kindern) Veränderungen
· Probleme:
o hoher Zeitaufwand
o hohe Kosten (nur Förderungen für Studien mit Dauer von max. 3 bzw. mit Ansuchen um Verlängerung 6 Jahren)
o participant attrition – selective survivorship = Ausfall aus Längsschnittstudie
§ Kinder wollen nicht mehr teilnehmen z.B. weil sie (beispielsweise bei Lesestudie) nicht so gut lesen können → schlechtere Teilnehmer fallen weg → Verlust von Repräsentativität → deshalb ist Motivation und Unterhaltungswert bei Tests wichtig
§ Klasse wiederholen oder überspringen → bessere und schlechtere Teilnehmer fallen weg
o Effekte der wiederholten Testung: oft wiederholter Test wird zur Übung → Ergebnis spiegelt die Leistung des Kindes besser dar, als sie tatsächlich ist
o Oftmals kommen Forscher später darauf, dass sie am Anfang der Testung noch weitere Variablen hätte testen sollen
o Kohorteneffekte (säkuläre Veränderung in Körpergröße, Intelligenz, Einstellung, Freizeitaktivität, Alltag)
Mikrogenetische Designs: Kinder, bei denen man eine bestimmte Entwicklungsveränderung erwartet, werden mit einer Erfahrung konfrontiert, von der man annimmt, dass sie eine Veränderung hervorruft → Verhalten wird veränderungsbegleitend genau untersucht
Bsp.: Rechnen lernen (mehrere Strategien) im Kindergartenalter
Sequentielle Designs: wiederholte Messung an verschiedenen Altersgruppen (Mischung aus Längs- und Querschnittstudien)
· Gruppe getestet → nach 8 Jahren erneut getestet
· Querschnitt-Leistung schlechter, Längsschnitt-leistung konstant
Forschungsmethoden
Babytagebücher
· Charles Darwin (1877) beschreibt seinen erstgeborenen Sohn („Doddy“)
· Clara und William Stern (~1928) beschreiben den Spracherwerb ihrer 3 Kinder („Die Kindersprache“)
· Video Youtube „Language Acquisition 1“: Neurowissenschaftler beobachtet Spracherwerb seiner Tochter rund um die Uhr zwischen Geburt und 3 Jahren
Probleme:
· Generalisierbarkeit (nicht für alle/andere Kinder geltend)
· Beobachtung unsystematisch, retrospektiv
Vorteile:
· Beobachter kennt Kind sehr gut, kann Entwicklung sehr gut beobachten
· Beobachtungen können als Grundlage zur Entwicklung einer Theorie genutzt werden
Interviews
· Z.B. Eltern/Lehrer → Zuverlässigkeit der Angaben? → Gedächtnis/soziale Erwünschtheit (Eltern antworten falsch, da Kind z.B. noch nicht so gut lesen kann)
Naturalistische Beobachtungen
· Z.B. Hausbesuche zur Beobachtung der Familiensituation
· Aufnahmen der natürlichen Sprachproduktion
· Problem: oftmals wird Verhalten in diesem Moment gar nicht gezeigt
Strukturierte Beobachtungen
· Z.B. „fremde Situation“ zur Beobachtung der Mutter-Kind-Interaktion
· Verfahren zum Belohnungsaufschub
· Marshmallow-Test: Selbstkontrolle → Vorhersage für Erfolg im Beruf und Zufriedenheit
Experimentelle Methode
· Explizite Variation der unabhängigen Variablen unter kontrollierten Bedingungen und Beobachtung der Auswirkungen auf die abhängige Variable erlaubt Aussagen über kausale Einflüsse von Reifung, Lernen und Erfahrung auf das Verhalten
· Problem: ökologische Validität
Experiment: Verstehen Kinder, dass Bilder nur 2D-Abbildungen der Realität sind?
Abhängige Variable: Verhalten, an dem man erkennt, dass sie es verstehen
Unabhängige Variable: Fotos (schwarzweiß/Farbe)
Psychologischer Test
· Instrumente zur quantitativen Erhebung bestimmter psychologischer Merkmale erlauben Vergleich mit repräsentativer Normstichprobe
· z.B. motorische Entwicklung, Sprachentwicklung, Intelligenz, Persönlichkeitsmerkmale, Schulleistung (PISA)
Korrelationsstudien
· concurrent: beide Merkmale werden gleichzeitig erhoben (z.B. Korrelation der IQ‘s eineiiger Zwillinge)
· keine Aussage über Kausalität, nur dass die 2 Merkmale in Verbindung stehen
· Prädiktiv (Längsschnittstudien)
· Z.B. Anzahl richtiger Greifbewegungen von Kindern im Alter von 9 Monaten korreliert mit IQ von Kindern mit 3 Jahren
Video Pränatale Entwicklungsformen
· 5 Sinne, Gedächtnis und Lernen funktioniert schon vor Geburt
· Sinne sind darauf ausgerichtet, was die Mutter schmeckt, riecht und auf Geräusche der Umgebung
· Nervensystem noch nicht vollständig ausgebildet
· Fetus hört Geräusche, die die Mutter aussendet (Stimme) → nach der Geburt erkennt das Baby die Stimme der Mutter
· In der 35. SSW kann es verschiedene Lautstärken und Tonhöhen unterscheiden
· Daumenlutschen: rooting Reflex (Wange des Babys berühren → sie drehen den Kopf zum Finger und nuckeln daran)
· Fruchtwasser ändert sich je nach Mahlzeit der Mutter → Fetus reagiert darauf
· Trennung zwischen Geruchs- und Geschmackssinn erst nach der Geburt
· 7. SSM: schaukeln, sich drehen, Kopf heben
· Kind reagiert auf Bewegungen der Mutter
· Piaget → Sinne unabhängig
· Redundanzeffekt (bei Wachteln): lernen schneller bei Reiz, der im Ei schon dargeboten wurde + Licht → auch bei Fetus
· Fetus reagiert darauf wenn Mutter direkt mit ihm spricht
Phasen der pränatalen Entwicklung
Bezeichnungen
· Befruchtung – 2 Wochen: Zygote (bis sich Zygote in Gebärmutter einnistet)
· 3. – 8. Woche: Embryo (Organe und Körpersysteme entwickeln sich durch Prozesse der Zellteilung, Zellmigration, Spezialisierung und des Absterbens von Zellen durch hormonelle Einflüsse)
· 9. Woche – Geburt: Fetus/Fötus (fortgesetzte Entwicklung der körperlichen Strukturen und schnelles Körperwachstum; steigendes Verhaltensniveau, sensorische Erfahrung und Lernen)
· Stammzellen = embryonale Zellen vor der Spezialisierung
Cephalo-caudale Entwicklung
· Bereiche in Kopfnähe entwickeln sich früher als die weiter vom Kopf entfernt liegenden Körperbereiche
Proximo-distale Entwicklung
· Bereiche der Körpermitte entwickeln sich früher als Extremitäten
· Wachstum/Differenzierung zu Beginn der Schwangerschaft viel schneller als in späteren Stadien
Wichtige Zwischenschritte ab der 4. Schwangerschaftswoche
· Gesicht hat den Ursprung in 4 Falten vorne am Kopf des Embryos
· Runder Bereich im Kopf → Auge
· Herz ist sichtbar; schlägt und bringt Blut in Umlauf
· Auf der Seite → Arm- und Beinknospen
5. – 6. Schwangerschaftswoche
· Embryo schwimmt frei im Fruchtwasser
· Schnelle Gehirnentwicklung
· Anfänge des Auges und der Nase
· Allmählich separate Finger
· Spontane Bewegungen wenn Embryo seinen Rücken krümmt → Mutter kann diese jedoch nicht spüren
9. Schwangerschaftswoche
· Kopf nimmt ca. halbe Länge ein
· Ohren bilden sich aus
· Innere Organe sind vorhanden → müssen sich noch weiterentwickeln
· Hoden: beginnen Testosteron zu produzieren → geschlechtliche Unterscheidung
· Rippen bilden sich aus
· Ellbogen, Finger und Zehen sind angelegt
· Nägel wachsen
· Fetus reagiert auf äußere Bewegungsreize z.B. Berühren des Mundbereichs → Wegdrehen des Kopfes (später: Hindrehen)
11. – 12. Schwangerschaftswoche
· Augen sind verschlossen
· Finger sind klar voneinander abgegrenzt
· Äußere Genitalen haben sich entwickelt → Geschlecht ist bei richtiger Lage erkennbar
· Anstieg der Bewegungen
o Brust → Atembewegungen (obwohl Kind ja erst nach der Geburt atmen muss)
o Reflexe (greifen, schlucken, saugen)
o Arme und Beine befinden sich in nahezu permanenter Bewegung (Mutter spürt diese immer noch nicht)
16. Schwangerschaftswoche
· Saugen am Daumen (wenn die Hand den Mund streift → Saugreflex)
· Dichte Behaarung
· Fettige Schicht schützt Haut vor Flüssigkeit
20. Schwangerschaftswoche
· Längere Zeit mit Kopf nach unten
· Nimmt schnell an Gewicht zu
· Fruchtblase wird eng
· Bewegungen werden weniger (da weniger Platz und Cortex wird ausgebildet → Kontrollfunktion)
· Einzelne Gesichtsausdrücke erkennbar
o Augenbrauen hochziehen
o Stirn runzeln
o Mund bewegen
28. Schwangerschaftswoche
· Punkt der Lebensfähigkeit
· Gehirn und Lunge sind entwickelt → Fetus hat auch ohne medizinische Eingriffe Überlebenschance
· Augen können sich öffnen → bewegen sich insbesondere in Phasen des REM-Schlafs (schnelle Augenbewegungen)
· Hörsystem funktioniert
o Fetus hört und kann darauf reagieren (z.B. Schreckreaktion)
· Gehirnwellen sind denen eines Neugeborenen sehr ähnlich
Verhalten: Bewegung des Fetus
· Spontane Bewegungen: ab der 6. Woche
· Verhaltensrepertoire: Arm- und Beinbewegungen, Finger wackeln, Nabelschnur greifen, Kopf und Augen bewegen, gähnen, schlucken, saugen
· In der 12. Woche: fast alle Bewegungen, die ein Neugeborenes zeigt, sind vorhanden
· Individuelle Unterschiede im Aktivitätsniveau
· Kontinuität von prä- zu postnatalem Bewegungsverhalten
· Zirkadianer Rhythmus (Tagesrhythmus → Feten sind in der Nacht am aktivsten; auf vestibuläres System zurückzuführen)
Erleben des Fetus
Erste Wahrnehmung
· Entwicklung des sensorischen Systems hat bei allen Säugetieren gleiche Reihenfolge
· Sensorisches System funktioniert schon bevor es zur Gänze ausgebildet ist
Empfinden von Berührungen
· Entwickeln sich als erstes
· Taktile Reizung als Ergebnis eigener Aktivität
· 8. Woche: Stimulation der Mundregion → Bewegung
· 12. Woche: Berührung der Finger → Greifreflex
Geruch- und Geschmackssinn
· Unklar, welche Gerüche und Geschmäcker Fetus wahrnimmt
· Feten trinken mehr Fruchtwasser, wenn es gesüßt ist (Verfärbung im Urin der Mutter)
o Studie mit Schwangeren mit zu viel Fruchtwasser (DeSnoo)
· Neugeborene bevorzugen Süßes gegenüber Bitterem
· Neugeborene erkennen Geruch der Milch der eigenen Mutter (getestet mit Wattebausch, der in Milch der Mutter und Milch einer anderen Frau getränkt wurde → neben Kopf gelegt → Neugeborenes dreht sich in Richtung der Milch der Mutter)
Vestibuläres System
· Fetus bewegt sich und dreht sich viel im Uterus
· Im Innenohr: 3 flüssigkeitsgefüllte Kanäle, die zueinander rechtwinkelig sind → Bewegung der Flüssigkeit stimuliert Härchen in der Innenwand → Weiterleitung und Verarbeitung im Gehirn
· 25. Woche: „Righting reflex“ → Kurz vor der Geburt steht Fetus am Kopf
· Vestibuläre Stimulation ist wichtig für Entwicklung → Kind bewegt sich am meisten wenn Mutter ruhig
· Frühgeborene haben Defizite in der neuro-behavioralen Entwicklung → vermutlich aufgrund von mangelnder vestibulärer Stimulation (Bewegung der Mutter)
· Leichte Bewegungen verbessern Gewichtszunahme und visuelle Responsivität
Visuelles System
· Nur wenig visuelle Stimulation im Uterus → Sehsinn bei Geburt am schlechtesten entwickelt
· 26. Wochen: können zwischen Licht und Dunkelheit unterscheiden (getestet, indem man eine Taschenlampe zum Bauch hält)
· Visuelles Tracking → sehen eher dorthin, wo es Interessantes gibt
· Neugeborene können nur bis zu einer Distanz von ca. 30 cm sehen
Auditorisches System
· 24. Woche: Reaktion auf niederfrequente Geräusche
· Geräusche im Uterus: Herzschlag der Mutter, Verdauungsgeräusche, Stimme der Mutter
· Sehr laute Geräusche: hoher Herzschlag beim Fetus, Erstarren, Entleeren der Blase
Lernen des Fetus: Habituation
· Einfache Form des Lernens
· Abnehmen der Reaktion auf wiederholte oder andauernde Stimulation
· Frühester Zeitpunkt (Habituationsreaktion): 32. SSW
o Zentrales Nervensystem ist ab da so weit entwickelt, dass Lern- und Gedächtnisleistungen möglich sind
· Dishabituation: neue Reaktion → wieder hoher Herzschlag
· MEG (Mischung aus EEG und MRT) bei Feten
o Gehirnaktivität messen mit Ultraschall
o Bei Neugeborenen nur während sie schlafen möglich
o Akustische Stimulation (2 Töne im selben Abstand)
o Nach gewisser Zeit: 4 Töne statt 2 → MEG schlägt aus → Feten erkennen Unterschied! (Mismatch-negativity Paradigma oder Oddball Paradigma)
Lernen des Fetus: Transnatales auditives Lernen
Stimme der Mutter
· 2 Stunden nach der Geburt → stärkere Bewegungsreaktion bei Stimme der Mutter
· In einem non-nutritional sucking paradigm saugen Säuglinge wenn sie Stimme der Mutter hören
· Stimme im Uterus und Stimme nach Geburt klingen anders → eher Sprachrhythmus ausschlaggebend
Differenzierung zwischen Sprachen
· 4 Tage alte Säuglinge bevorzugen Muttersprache
Wiedererkennung von Geschichten
· Während der letzten 6 Schwangerschaftswochen liest Mutter 2 x täglich 3 Minuten lang einen bestimmten Text vor
· Ergebnis: nach der Geburt saugen Kinder stärker bei gleicher Geschichte (auch bei fremder Stimme)
Genetische Risiken
· Chromosomenanomalien: Fehlen oder mehrfaches Vorhandensein eines Chromosoms oder Chromosomenabschnitts
· Verursachen 50 – 70% der Fehlgeburten im ersten Trimester
· Zunahme des Risikos steigt mit Alter der Mutter (Eizellen älter, deshalb risikoanfälliger)
· Down Syndrom (=Trisomie 21): 21. Chromosom 3 x vorhanden → Kind jedoch lebensfähig, da auf dem 21. Chromosom nicht so wichtige Informationen gespeichert
Mütterseitige Faktoren
· Alter: alt UND jung (hauptsächlich durch Umfeld)
· Ernährungsstand → zu wenig Folsäure schlecht
· Krankheit
· Emotionaler Stress: Zusammenhang zwischen Ängsten/Depressivität in der Schwangerschaft mit Verhaltensauffälligkeiten im Alter von 4 Jahren
Schädliche Umwelteinflüsse (Teratogene)
· Starker Nikotinkonsum der Mutter
o Höheres Risiko für Frühgeburten und niedriges Geburtsgewicht
o Höheres Risiko für sudden infant death syndrome
o Höheres Risiko für Aufmerksamkeitsstörungen
· Starker Alkoholkonsum der Mutter
o Höheres Risiko für Führ-, Fehl- und Totgeburten
o Erhöhte Mortalität unter Neugeborenen
o Vermehrt Aufmerksamkeitsdefizite, mentale Retardierung und schlechte Schulleistung
· Konsum illegaler Drogen
· Potentiell schädliche Umwelteinflüsse sind generell schwierig zu untersuchen, da sie oft zusammen auftreten
Wie schädlich ist Alkoholkonsum in der Schwangerschaft?
· Versuch am Menschen schwierig → Tierversuch an Mäusen
· Ergebnis: auch Mäuse erlitten Missbildungen im Gesicht
Alkoholembryopathie
· Gesichtsanomalie
· Geistige Retardierung
· Aufmerksamkeitsstörungen
· Hyperaktivität
· 3 von 1000 Kindern
Sensible Phase: Contergan-Kinder
· Zeit, in dem ein sich entwickelnder Organismus gegenüber schädigenden Einflüssen am anfälligsten ist
· Contergan = Schlafmittel, von dem man gedacht hat, dass es nicht schädlich ist
· Körperteile der Kinder fehlten oder waren zu klein
Wovon hängt die Wirkung von Teratogenen ab?
· Zeitpunkt, Menge, Dauer der Einwirkung
· Vorhandensein mehrerer Faktoren → kumulativer Effekt
Modell multipler Risiken
· Faktoren oft gemeinsam
· Entwicklungsresilienz = erfolgreiche Entwicklung trotz mehrfacher Risiken
· Günstige Faktoren:
o Wohlwollende Fürsorge von mindestens einer Person
o Bestimmte Persönlichkeitseigenschaften (Intelligenz, Empathie, Bewusstsein, gesetzte Ziele erreichen zu können)
Ungünstige Geburtsausgänge
· Säuglingssterblichkeit: 4 von 1000
· Untergewicht: < 2500g (Durchschnitt: 3400g)
· Frühgeburt: 35. Schwangerschaftswoche oder früher
o Chaotische Verhaltenszustände
o Anspruchsvoller in Fürsorge, aber weniger belohnend für Eltern
o Häufiger ablenkbar und hyperaktiver, Lernschäden
o Häufiger soziale Probleme (einschließlich Peers)
Sudden Infant Death
· Es ist unklar, warum sich Körperfunktionen plötzlich abstellen (in der Nacht)
· 1. Theorie:
o 3. Monat → Umstellung des vegetativen Nervensystems → Cortex hat mehr Kontrolle (Schwangerschaft ist eigentlich zu kurz; Gehirn zu groß)
o Man soll daher Kind nicht zu warm anziehen (im Winter)
· 2. Theorie:
o Erstickung
o Z.B. Decke vor Mund → Reflexe reagieren nicht richtig (deshalb soll Kind auf Rücken schlafen)
· Kritische Phase des Sudden Infant Death: 2. Bis 5. Lebensmonat (nie nach 1. Geburtstag)
· Risikofaktoren:
o Frühgeburt
o Rauchen
o Alter der Mutter (Kinder von Müttern unter 21 Jahren besonders gefährdet)
Entwicklung von Gehirn und Rückenmark
· Neurogenese: Vermehrung der Neuronen durch Zellteilung: 18 Wochen nach Befruchtung abgeschlossen
· Anzahl der Nervenzellen verdoppelt sich innerhalb der ersten 8 Wochen
· Höchstproduktion bei 250000 neuen Zellen pro Minute
· 2. Monat: äußere Zellschicht des Embryos entwickelt sich zur Neuralfurche und dann zur Neuralröhre
· Neuralröhre wird zum Rückenmarkkanal → erste vom Rückenmark gesteuerte Bewegungen in der 7. – 8. Woche
· Am oberen Ende der Neuralröhre bildet sich Gehirn aus
· 3 Gehirnbläschen: Vorder-, Mittel-, und Hinterhirn
· 9. Woche: vorderer Teil → 2 Hemisphären → cerebraler Cortex
· Hinterer Teil des Vorderhirns: „Relay-Station“ → leitet sensorische Empfindungen an Cortex
· Mittelhirn: Reflexe
· Hinterhirn: Muskelkoordination, lebenserhaltende Funktionen (Atmung)
· Mitte der Schwangerschaft: cerebraler Cortex wölbt sich über andere Gehirnteile
· Cortex beginnt Nervenimpulse zu inhibieren → Bewegungen nicht mehr rein reflexiv sondern zunehmend unter kortikaler Kontrolle (15. SSW: relativ wenige Bewegungen, dann Reorganisation der reflexiven Abläufe)
· Wichtige Prozesse (während gesamter Kindheit):
o Synaptogenese (es dürfen auch nicht zu viele Synapsen sein)
o Myelinisierung
o Programmierter Zelltod (Apoptose, „pruning“ → „beschneiden“ der Synapsen)
· 24. SSW: Kind zeigt erste Lernkapazität (z.B. Habituierung auf auditive Stimuli) → Fötus reagiert auf Umwelt
· Erfahrungsgeleitete Plastizität: Erfahrungen der Umwelt bestimmen welche Bereiche des Gehirns (mehr) benutzt werden
· Gehirnentwicklung bis in die Pubertät (Abb. 3.8)
· Präfrontaler Cortex entwickelt sich erst später → planen, organisieren, kontrollieren (exekutive Funktion)
· Abb. 3.9: blau → weiße Masse (Verbindungen zwischen Nervenzellen) → zuerst sensorische Areale (Auditiv und visuell)
Video Gehirn:
· Zellektopie: Zellen am falschen Platz (z.B. Autismus, ADHS, Legasthenie)
· Stammzellen passen sich der Umgebung an, aber Neurone haben festgelegten Migrationsplan
Kognitive Entwicklung – Piaget’s Theorie
Vor Piaget (Behaviorismus, Psychoanalyse)
· Kind ist passiv den Einflüssen der Umwelt ausgesetzt
· Kind zeigt Verhalten, das Belohnt wird und vermeidet Verhalten, das bestraft wird
· Gemeinsamkeit zwischen Behaviorismus und Psychoanalyse
Konstruktivismus
· Kind konstruiert aktiv sein Wissen über die Umwelt
„Genetische Epistemiologie“
· Genetisch → Genese
· Woher kommt Wissen im Kind zustande?
· Wie wird Wissen erworben?
Annahme:
Falschantworten seien nicht zufällig, lassen Rückschlüsse auf Denkweise der Kinder zu → Suche nach systematischen Fehlermustern und nach logischen, in sich konsistenten Erklärungen für diese Fehlermuster
Methode:
Klinisches Interview: Kinder werden befragt, was sie wissen und geben Antworten, in denen sie erläutern und begründen
Zentrale Versuchspersonen: Piaget’s eigene Kinder (Jaqueline, Lucienne, Laurent)
Assimilation
· Terminologie stammt aus Bereichen der Biologie/Zoologie und Logik
· Anpassung neuer Informationen an bestehende kognitive Strukturen
· z.B. Rassel zuerst in den Mund, dann schütteln → Lärm
Akkomodation
· Anpassung kognitiver Strukturen
· Für Piaget: bei Babys → tun = denken (keine Vorstellungsmöglichkeit)
· Anpassung des Organismus an die Umwelt
· Erzielung eines Äquilibrums (=natürliches Gleichgewicht zwischen Individuum und Umwelt)
Das Stufenmodell der kognitiven Entwicklung
· Abbildung: Piagets four stages of cognitive development
· Qualitativ anderes Denken → diskontinuierliche Entwicklung
· 2 – 6/7 Jahre: präoperationale Stufe
· 6/7 – 11/12 Jahre: konkret operationale Stufe
· 11/12 – upwards: formal operationale Stufe
Sensomotorische Stufe
· Säugling konsumiert Wissen über Umwelt durch eigenes Handeln
· Perzeption (=Wahrnehmung) ist nicht ausreichend entwickelt um Informationen über die Welt zu liefern
· 6 Substufen → Handlungsschemata werden komplexer
Substufe VI: Symbolische Repräsentationen
· Kind kann nicht mehr nur in Realität handeln, sondern Handlungsabläufen mental planen und erproben
· Evidenz für Vorhandensein von Symbolfunktion:
o Verzögerte Nachahmung (z.B. Verhalten von anderem Kind später nachmachen)
o Symbolspiel (z.B. mit Bananen telefonieren)
o Spracherwerb
· Symbole stehen in arbiträrer Beziehung zum Referenten
· Ein Symbol (Wort) steht für ein Objekt und repräsentiert dieses
Erwerb der Objektpermanenz
· Verständnis, dass Objekte ihre Identität beibehalten, auch wenn ihre Lokation verändert wird und dass sie auch existieren, wenn man sie nicht sieht
· Vorher: Kind glaubt, dass Dinge nur existieren, wenn man etwas mit dem Ding macht
Systematische Suchfehler
· Kind sieht wie Objekt versteckt wird, sucht jedoch nicht danach
· z.B. A-nicht-B-Suchfehler
o 2 Suchorte (A und B) → z.B. 2 Decken
o Spielzeug wird unter einer Decke versteckt → Kind holt es unterhalb heraus
o Kind wird nach dem Verstecken ein paar Sekunden daran gehindert zu greifen
o Mehrere Versuche
o Nachher → Versuchsleiter gibt Spielzeug unter andere Decke (Kind sieht dies) → Kind sucht trotzdem unter der ersten Decke
o Piaget behauptet, dass Kind glaubt, dass es durch Handeln das Spielzeug erzeugen kann            Â
· Ende des sensomotorischen Phase → Erwerb der Objektpermanenz (=mentale Repräsentation eines Objekts
Neuere Befunde zur Objektpermanenz
· Neugeborene besitzen Kernwissen (core knowledge) über die Welt, dieses wird durch Erfahrung ausdifferenziert und erweitert (Spelke und Baillargeon)
o Schirm geht von vorne nach hinten → Kinder beobachten dies
o Hinter dem Schirm befindet sich ein Würfel
o Aufmerksamkeit bei Dishabituationseffekt → beim unmöglichen Versuch (Kinder schauen länger hin)