Textanalyse:
Eis
Im
Juni 2010 erschien im „Philipp Reclam“ die Kurzgeschichte von
Helga M. Novak mit dem Titel „Eis“. Im Zentrum der Kurzgeschichte
stehen Themen, wie Mangel an Kommunikation, Gefühlskälte und
Ignoranz gegenüber Jugendlichen.
Inhaltlich
beschäftigt sich die Kurzgeschichte mit einem jungen Mann, der im
Park sein Eis fallen lässt und daraufhin einen älteren Herrn auf
einer Bank trifft und diesen mit Fragen attackiert und belästigt.
Der Herr ignoriert ihn und schenkt ihm keine Aufmerksamkeit, was den
Jungen leicht aggressiv macht. Im Verlauf des Textes stellt der
Jugendliche immer mehr Fragen und der Herr geht schlussendlich und
bekommt noch eine sehr private und nachdenkliche Aussage an den Kopf
geworfen. „Ich habe ihr was in den Tee getan“.
Der
Text weist alle Kriterien einer Kurzgeschichte auf, wie einen kurzen
und einfachen Satzbau, da vorwiegend Hauptsätze verwendet werden
(„Das Eis fällt in den Sand.“, „Was sagen Sie dazu?“). Vom
Sprachlichen kann man sagen, dass die Autorin einige
umgangssprachliche Begriffe verwendet („Trottel“, „Neger“)
und die Geschichte aus einer neutralen Erzählperspektive erzählt
wird.
Durch
ständiges Fragen versucht der verzweifelte Jugendliche die
Aufmerksamkeit des Pensionisten auf sich zu lenken („Was denken Sie
jetzt von mir?“, „Haben Sie da nicht gedacht, so ein Trottel?“)
und lässt das Gespräch weiterlaufen. Obwohl der alte Herr ihm
ausdrücklich erklärt, dies nicht gedacht zu haben, missversteht ihn
der junge Mann und löst eine weitere Provokation aus.
„Sie
denken wohl, ich kann mir kein zweites Eis kaufen. Sie halten mich
für einen Habenichts.“ Diese Aussage will meiner Meinung nach die
finanzielle Lage des Jungens zeigen, da alle Bemerkungen von ihm
eigentlich „Hilferufe“ beziehungsweise „Anliegen“ des Jungens
sind.
Leider
geht aber die ganze Geschichte nach hinten los, weil der Mann genervt
und gereizt ist. Das zeigt er eindeutig, als er dann die Zeitung
wieder aufmacht und weiterlesen will. Der Jugendliche will durch sein
ständiges Fragen (Was denken Sie jetzt von mir?) weiterhin die
Meinung des Erwachsenen über ihn wissen. Ähnliche Fragen ziehen
sich durch das ganze Gespräch bis zum Ende der Kurzgeschichte. Sein
Drängen auf diese Antwort lässt darauf schließen, dass er endlich
will, dass sich jemand mit ihm beschäftigt.
Schlussendlich
bekommt er die lang ersehnte Reaktion des alten Herrn „Ihre Mutter
hätte Sie öfter verhauen sollen. Das denke ich jetzt von Ihnen.“
Dieses Thema wollte der Protagonist anscheinend schon länger
ansprechen, was darauf schließen lässt, dass ihm dieser Punkt sehr
nahe geht und ihn beschäftigt. Er erzählt davon, dass sich seine
Mutter keine Sorgen gemacht hat, wie andere Kinder nach ihm geworfen
haben und änderte die Geschichte immer wieder, dass einmal er der
Schuldige war und dann wieder die anderen. Das will glaube ich
zeigen, dass er unbedingt die richtige Anerkennung von seiner Mutter
brauchte, weil sie nie so reagiert hatte, wie er sich das vielleicht
erhofft hatte.
Der
Mann reagiert nicht auf seine Provokationen - genauso wie die Mutter
nicht – da will der der Pensionist gerade gehen und da ruft der
Junge ihm nach: „Da habe ich ihr was in den Tee getan. Was denken
Sie jetzt?“ Es bleibt offen, was mit der Mutter passiert ist oder
was er ihr in den Tee getan hat. Das löst Ungewissheit aus und
bringt den Leser zum Nachdenken.
Der Titel „Eis“ symbolisiert
die Kälte und Gleichgültigkeit unter Menschen und der Junge
versucht die „Barriere“ durchs lutschen zum Schmelzen zu bringen,
aber scheitert kläglich. Verstärkt wird dies formal durch das
Fehlen von direkten Reden, obwohl der Text viele Dialoge enthält.