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Seminararbeit
Volkswirtschaftslehre

Universität Basel

6.0 (Bestnote), Dr.Oesch, 2013

Sebastian B. ©
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ID# 46859







Einkommensverteilung in China

Aktuelle Themen der Ökonomie, Frühlingssemester 2013


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung  3

2.Der Gini-Koeffizient –Messgrösse für die Einkommensverteilung  4

2.1Mathematische Herleitung  4

2.2Der Gini-Koeffizient als wirtschaftswissenschaftliche Grösse sowie Vor- und Nachteile   6

2.3Unterschiedliche Koeffizienten desselben Untersuchungsfeldes  6

3.Einkommensverteilung in China  7

3.1Die offizielle Schätzung des staatlichen Statistikbüros  8

3.2Die inoffizielle Schätzung des China Household Finance Survey Center der Southwestern University of Finance and Economics (SWUFE) in Chendgu   10

3.3Analyse des Wertunterschiedes  11

4.Exkurs in die statistischen Methoden der Schweiz  16

5.Schlusswort  17

6.Literatur- und Quellenverzeichnis  18

1.Einleitung

In letzter Zeit stellt China wirtschaftlich gesehen das am stärksten aufstrebende Land der Erde dar; es hat Japan im Jahre 2010 als zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt abgelöst und ist auf dem Weg zur USA aufzustossen. Mit der wachsenden Wirtschaftsgrösse steigt auch das weltweite Interesse am Reich der Mitte.

Dennoch scheint an Chinas ökonomischen Verhältnissen vieles undurchsichtig und kompliziert zu sein. Exemplarisch zeigt dies der im Januar 2013 erstmals seit zehn Jahren wieder veröffentlichte Gini-Koeffizient des staatlichen Statistikbüros (National Bureau of Statistics China NSB), welcher die Einkommensverteilung des Reiches der Mitte beschreiben soll. Mit 0.474 für das Jahr 2012 ist dieser deutlich unter dem Wert 0.61, welcher von der Southwestern University of Finance and Economics (SWUFE) in Chendgu berechnet wurde.

Die vorliegende Seminararbeit versucht diesen Wertunterschied zu erklären sowie Ursachen für diese Abweichung zu finden. Dazu wird im ersten Kapitel der Gini-Koeffizient mathematisch und theoretisch erklärt. Anschliessend werden die Resultate und die Arbeitsweise bzw. die statistische Methode der beiden oben genannten Institutionen beschrieben.

Diese Informationen werden im Kapitel 3.3 analysiert und jeweils einander gegenübergestellt. Den Abschluss des Hauptteils bildet ein Methodenvergleich mit der Schweiz. 

Eine wissenschaftlich breit abgestützte Informationsbeschaffung für die vorliegende Arbeit erwies sich als schwierig. Da der Gini-Koeffizient in China seit dem Jahr 2000 nicht mehr publiziert worden war sind beide Werte, die Ende 2012 bzw. Anfang 2013 veröffentlicht wurden, sehr aktuell.

Viele der relevanten Publikationen sind jedoch nur auf Chinesisch verfügbar. Dementsprechend war die Suche nach englischen und deutschen wissenschaftlichen Werken schwer. Aus diesem Grund beruhen die für diese Seminararbeit verwendeten Informationen meist auf Internetquellen, Medienartikel und die dazugehörigen Kommentare. 


2.                Der Gini-Koeffizient Messgrösse für die Einkommensverteilung

Der Gini-Koeffizient ist ein weltweit verbreitetes Mass zur Berechnung der relativen Einkommensverteilung eines Staates. Dank seines häufigen Gebrauchs ist er als eine wichtige internationale Vergleichsgrösse. Erstmals erwähnt wurde er vom Italienischen

Wirtschaftswissenschaftler Corrado Gini 1912 in seiner Arbeit "Variabilità e mutabilità" (Söderblom 2005). 

 

2.1Mathematische Herleitung

Mathematisch basiert der Gini-Koeffizient auf der Lorenzkurve. Um diese zu berechnen wird eine metrisch skalierte und nicht negative Datenreihe benötigt (Böker 2007, S 267). Diese Urliste wird aufsteigend geordnet x1 ≤ x2 ≤ . ≤ xn und anschliessend in einem Koordinatensystem grafisch dargestellt.

Hierbei werden auf der X-Achse der relative Anteil der Anzahl Merkmalsträger (von 0100) und auf der Y-Achse die „kumulierten prozentualen Merkmalsausprägungen“ (Delgado Ricabal S.8) beschrieben. Durch das Verbinden der die jeweiligen Werte markierenden Punkte entsteht die empirische Lorenzkurve, welche bei absoluter Gleichverteilung des Merkmales in einem 45 ̊Grad Winkel zur X-Achse verläuft.

 

Urliste der Lorenzkurve (Grafik 1) :

Aus der Grafik kann folgendes erkannt werden: Je grösser  die  Fläche  zwischen  der  dunkelblau eingezeichneten  perfekt  verteilte  Werte enthaltenden  Geraden  und  der  hellblauen

Lorenzkurve ist, desto ungleicher ist das Merkmal verteilt. Wird die dazwischen liegende Fläche nun durch die Fläche zwischen der Diagonalen und der X- Darstellung Achse dividiert, ergibt sich der Gini-Koeffizient.

 

 

 

 

Wird von dieser Gleichung 1 subtrahiert, da der Zähler stets 0.5[1] (ist, lässt sich die Gleichung leicht zu folgender Definition umformen:

𝐺 = 1 2 × 𝐹𝑙ä𝑐𝑒 𝑧𝑤𝑖𝑠𝑐𝑒𝑛 𝐷𝑖𝑎𝑔𝑜𝑛𝑎𝑙𝑒𝑛 𝑢𝑛𝑑 𝐿𝑜𝑟𝑒𝑛𝑧𝑘𝑢𝑟𝑣𝑒

 

Oder mathematisch ausgedrückt (n = Anzahl Messungen und vj = Y-Werte der Punkte):

 

 

 

Der Gini-Koeffizient kann somit nur Werte zwischen 0 und 1 annehmen. Hierbei beschreibt 1 eine vollständig asymmetrische Verteilung und 0 das perfekte Gleichgewicht der Zahlenwerte. 

 

2.2            Der Gini-Koeffizient als wirtschaftswissenschaftliche Grösse sowie Vor- und Nachteile

Seine weite Verbreitung verdankt der Gini-Koeffizient zum grössten Teil seinen intuitiv leicht verständlichen und gut interpretierbaren Resultaten, da sich die jeweiligen Werte auf das Intervall zwischen 0 und 1 beschränken. Zudem lässt seine „Dimensionslosigkeit Vergleiche über unterschiedliche Länder und Zeiträume“ (Petring Alexander 2011) zu.

Mathematisch ist er relativ leicht zu berechnen, was es erlaubt für seine Ermittlung sehr grosse Datenmengen zu verwenden.

Trotz dieser Vorteile ist der Gini-Koeffizient jedoch ein sogenanntes „globales Konzentrationsmass“ (Ronning Gerd 2005, S. 80) was bedeutet, dass für jeden Koeffizienten unendlich viele verschiedene mögliche Lorenzkurven existieren. Es bräuchte somit für jeden Gini-Koeffizienten eine eigene grafische Darstellung der Lorenzkurve um ihn richtig interpretieren zu können.

Zudem ist die einschlägige Datenerhebung, wie dies bei vielen Statistischen Untersuchungen der Fall ist, relativ teuer und aufwendig, da zur Berechnung des Koeffizienten äusserst viele individuelle Daten benötigt werden (UPTI 2008).

Die Gini-Endresultate sind laut china.org[2] von den Vereinigten Nationen folgendermassen skaliert:

        Weniger als 0.2: absolute Gleichverteilung

        0.2-0.3: relative Gleichverteilung

        0.3-0.4: vernünftige Verteilung

        0.4: UN-Warnschwelle

        0.4-0.5: grosse Kluft zwischen Arm und Reich

        mehr als 0.5: sehr grosse Kluft zwischen Arm und Reich

 

2.3Unterschiedliche Koeffizienten desselben Untersuchungsfeldes

Zwei Ökonomische Studien bezüglich des Gini-Koeffizienten, welche dasselbe Phänomen untersuchen, müssen nicht zwingend das exakt gleiche Resultat hervorbringen. Die Abweichungen können aufgrund folgender Faktoren entstehen:

        Qualität der Daten (unterschiedlich genaue Arbeitsweise)

        Granularität: Eine Analyse mit einem grossen Datensatz führt in der Regel zu einem grösseren Gini-Koeffizienten (Wikipedia, Gini-Koeffizient)

        Erfassung aller oder nur der meisten Haushalte (Graues Einkommen, Schwarzgeld, unzulängliche Bereitschaft zur Datenfreigabe der oberen Einkommensklassen).

        Unabhängige vs. abhängige Datenerhebung

        Gleiches oder unterschiedliches Untersuchungsmerkmal

        Einteilung der Haushalte in Einkommensgruppen

 

3.  Einkommensverteilung in China

Seit der ökonomischen Reform[3] in den 1970er Jahren hat sich die chinesische Wirtschaft stark weiterentwickelt. Die Volkswirtschaft wurde insgesamt neu strukturiert. Dabei wurde unter anderem die Exportwirtschaft liberalisiert, welche unter den neuen Bedingungen äusserst schnell gewachsen ist.

Seit den 1970er Jahren weist das Bruttoinlandprodukt Chinas eine durchschnittliche Wachstumsrate von 9.5% pro Jahr auf, was dazu geführt hat, dass China heute mit einem Bruttoinlandprodukt von 8,25 Billionen US-Dollar (Stand 2012) die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt ist. Die Arbeitslosenquote liegt bei ca. 4% (ebenfalls 2012) und die Inflationsrate bei 3%. Das BIP pro Kopf, welches bei 6`100 US-Dollar (im selben Jahr) liegt, ist dagegen unterdurchschnittlich verglichen mit den Industriestaaten (Statista 2012).

Der Gewinn aus diesem wirtschaftlichen Aufschwung hat sich jedoch ungleichmässig auf die verschiedenen Bevölkerungsschichten verteilt. Der Wert des Gini-Koeffizienten, welcher vom chinesischen Statistikbüro NSB (National Bureau of Statistics) am 18. Januar 2013 veröffentlicht wurde, liegt bei 0.474 (Luebke 5.2.2013).

Dieser unterscheidet sich jedoch von anderen unabhängigen Schätzungen, insbesondere von demjenigen Wert (0.61)[4] welcher von der Southwestern University of Finance and Economics (SWUFE) in Chendgu publiziert wurde. Die Differenz ist beträchtlich. Dabei muss jedoch angemerkt werden, dass sowohl der Wert der SWUFE als auch derjenige vom Nationalen Statistikbüro oberhalb der 0.4-Warnschwelle für gerecht verteiltes Einkommen liegt (Qiushu Journal, 22.1.2013).

In den nachfolgenden Kapiteln soll diese Abweichung genauer betrachtet werden. Hierbei werden die beiden betreffenden Institutionen untersucht und deren veröffentlichte Resultate. Die beiden Ergebnisse werden anschliessend miteinander verglichen um herauszufinden, wie solch ein Wertunterschied zustande kommen kann.

Die Bedeutung der jeweiligen Werte bezogen auf die Einkommensverteilung in China wird jeweils am Ende des Teilkapitels kurz erläutert.

 

3.1Die offizielle Schätzung des staatlichen Statistikbüros 

Ausländische und inländische unabhängige Institute, welche eigene statistische Untersuchungen in China vornehmen möchten, müssen beim Staatsrat[5] (State Council SC) ein Gesuch dafür stellen. Die Durchführung der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung[6] geschieht nach den Vorgaben des „System of National Accounts” (SNA) der Vereinten Nationen[7] (Moser et. al 2008).

Article 49: Measures for administration of non-governmental statistical investigations shall be formulated by the State Council.[…] Whoever makes use of statistical investigation to endanger national security, jeopardize public interests or engage in fraud shall be investigated for legal responsibility according to law.” (National Bureau of Statistics of China 21.09.2012)

Die Aufgaben des Statistikbüros sind im Statistics Law of the People's Republic of China geregelt. Dieses verpflichtet zur regelkonformen und wahrheitsgemässen Bearbeitung der statistischen Daten.

„Article 1: This Law is formulated in order to organize statistical work in a scientific and effective manner, ensure the truthfulness, accuracy, completeness and timeliness of statistical data, bring into play the important role of statistics in comprehending the actual conditions and strength of the country as well as in giving service to economic and social development, and promote the progress of the socialist modernization.” (National Bureau of Statistics of China 21.09.2012)

Der Gini-Koeffizient wird vom NSB anhand des Pro-Kopf-Nettoeinkommens der Land- und Stadtbewohner Chinas berechnet. Die neusten Ergebnisse beruhen auf dem durchschnittlich verfügbaren Einkommen von 400`000 Haushalten aus 31 Provinzen und autonomen Gebieten, zu denen 896 Gemeinden und 476 Städte gehören.

Die Daten der Stadt- und Landbewohner werden zu einer Gruppe zusammengefasst (China Media News 29.1.2013). Früher hingegen wurden nur 140`000 Haushalte in den Städten und 140`000 Haushalte auf dem Land erfasst. Diese Daten der Land- und Stadtbewohner wurden zudem getrennt betrachtet (Qian, 3.2.2013).

Nach Berechnungen des NSB wurde der Wert 0.474 für das Jahr 2012 ermittelt. Das Pro-KopfEinkommen der Bevölkerung Chinas liegt bei 24`565 Yuan (ca. 3`833 CHF)[8] in den Städten und bei 975 Yuan (ca. 125 CHF) auf dem Land. Von den Stadtbewohnern haben die reichsten 20 Prozent einen Pro-Kopf-Einkommen von 51`456 Yuan (ca. 8`030 CHF) und die ärmsten 20 Prozent einen von 10`354 Yuan (ca. 1615 CHF) (Xinzhen 6.2.2013).

Wie in einem NZZ-Artikel von Markus Ackeret erwähnt, lieg etwa 68% des Gesamteinkommens bei den reichsten 20% der Bevölkerung; die ärmsten 20% besitzen lediglich 5 % davon (Ackeret 25.1.2013). 

Grafik 2: Der offizielle Gini-Koeffizient der NSB in China von 2003 bis 2012; Quelle: 01/20/content_27741106.htm(Zugriff: 01.5.2013)

Die in der obigen Grafik erfassten offiziellen Werte für die Jahre 2003 bis 2012 zeigen die Entwicklung des chinesischen Gini-Koeffizienten auf. Sein Wert bewegt sich nun seit zehn Jahren zwischen 0.479 und 0.49. Im Jahre 2008 wurde der Höchstwert erreicht. Als offizielle Begründung dafür wurde vom Direktor des NSB Ma Jiantang die globale Finanzkrise genannt.

Seither wird ein Abwärtstrend beobachtet. Die Werte sinken aus der Sicht der Zentralregierung wegen der ökonomischen Umverteilungsprogramme in China, welche das Hauptziel einer „gerechte Gesellschaft mit ausgeglichener Einkommens-und Vermögensverteilung“ verfolgen (Heilmann April 2013).

 

3.2            Die inoffizielle Schätzung des China Household Finance Survey Center der Southwestern University of Finance and Economics (SWUFE) in Chendgu

Das China Household Finance Survey (CHFS) stellt eine Non-Profit Forschungseinrichtung dar, welche von der Southwestern University of Finance and Economics SWUFE gegründet wurde. Sie ist eine Forschungs- und Untersuchungsinstitution, welche Studien über den Finanzhaushalt Chinas durchführt und veröffentlicht (chfsdata.org).

Das CHFS hat im Dezember 2012 die Studie „The China Household Finance Survey“ über die Haushaltsfinanzen Chinas und den dazugehörigen Gini-Koeffzienten von 0.61 veröffentlicht. Die Untersuchung wurde mit der finanziellen Unterstützung vom Finance Research Institute of the People’s Bank of China durchgeführt (Bloomberg News 9.12.2012). 

Das Ziel der betreffenden Studie ist eine nationale Betrachtung der Einkommensstruktur Chinas aufzuzeigen. Dafür wurden Mikrodaten[9] über die Haushaltsfinanzen Chinas verwendet (chfsdata.org). Für die Untersuchung wurden Daten von 8438 Haushalten aus 25 Regionen gesammelt und ausgewertet (China Media News 29.1.2013).

Die Stichprobe der Studie umfasst 80 Landkreise. Innerhalb der Letzteren wurden vier Gemeinden ausgewählt, in welche jeweils durchschnittlich 25 Haushalte befragt wurden. Durch Multiplikation der Zahlen ergibt sich die Stichprobengrösse (8000). Bei der Stichprobenauswahl wurde darauf geachtet, dass die Testgruppen möglichst repräsentativ für die chinesischen Haushalte sind und es gleichzeitig ermöglichen, entscheidende Fragen zur Einkommensstruktur zu beantworten.

Aus diesem Grund wurden Haushalte aus wohlhabenden Gebieten, aus städtischen Gebieten sowie aus verschiedenen geografischen Regionen bei der Datenerhebung berücksichtigt (Chfsdata.org).

Das Ergebnis dieser Untersuchung zeigt, dass das Einkommen der Haushalte in ostchinesischen Provinzen 2.7mal grösser ist als dasjenige in Zentralchina. Der Gini-Koeffizient ist im Osten des Landes wesentlich höher als im Westen (Hu 12.10.2012). 57% des Gesamteinkommens liegen bei den reichsten 10% der chinesischen Bevölkerung.

In der Studie wurde zudem darauf hingewiesen, dass in den Städten Chinas 16.5% und auf dem Land 3.2% der befragten Personen auf die Teilnahme verzichtet hatten (The Economist 15.12.2012).

 

3.3Analyse des Wertunterschiedes

Im Theorieteil (Kapitel 2.3) wurden Gründe für die unterschiedlichen Koeffizienten desselben Untersuchungsfeldes aufgezeigt. Die nachfolgende Analyse dieses Wertunterschiedes ist nach den dort genannten Punkten gegliedert. Zu jedem Faktor wird die dazugehörige Theorie, hier in kursive Schrift gesetzt, kurz aufgegriffen.

Für das staatliche Statistikbüro Chinas wird in der Analyse stellvertretend die Abkürzung NSB verwendet und für das China Household Finance Survey der Southwestern University of Finance and Economics (SWUFE) in Chendgu das Akronym CHFS. 

   Qualität der Daten (genaue Arbeitsweise):

Die Aussagekraft der Daten hängt von der Qualität der statistischen Arbeit ab.

Das NSB erhält seine Daten von verschiedenen ihm unterstellten regionalen Statistikbüros. Diese Angaben werden für nationale Berechnungen weiterverwendet und schliesslich im Statistical Yearbook veröffentlicht. Eine ausreichende Kontrolle der Datenerhebung in 31 Provinzen und autonomen Gebieten, zu denen 896 Gemeinden und 476 Städten gehören ist trotz der strengen Regeln des Statistics Law of the People's Republic of China schwierig.

Das CHFS ist wie erwähnt eine unabhängige Non-Profit-Forschungsinstitution. Die Datenerhebung erfolgt dort somit nach einer sorgfältigen Stichprobenauswahl. Dazu wird d statistische Methode auf der Homepage des CHFS detailliert beschrieben. Die Interviews und Umfragen werden mit Hilfe standardisierter Fragebögen durchgeführt.

Diese sind ebenfalls auf der Homepage des Instituts (auf Chinesisch und Englisch) zu finden. Die erhobenen Daten werden für wissenschaftliche Arbeiten zur Verfügung gestellt.

Die Transparenz der statistischen Methode lässt darauf schliessen, dass die Forschungsarbeit eine gute Qualität aufweist. Die Güte der offiziellen Daten, deren Methode nicht veröffentlicht wurde, muss demnach als ungenügend bezeichnet werden. Diese Differenz kann für den Werteunterschied verantwortlich sein.

        Datenmenge:

Ein Grund für einen Wertunterschied kann die Granularität sein. Eine Analyse mit einem grossen Datensatz führt in der Regel zu einem grösseren Gini-Koeffizienten. 

Die Anzahl der Haushalte, welche in die Berechnung mit eingeflossen sind, unterscheidet sich bei der CHFS-Studie und der staatlichen Publikation beträchtlich: Das NSB liess 400`000 Haushaltsbefragungen auswerten; das CHFS hat lediglich 8438 Datensätze für seine Untersuchung gesammelt. Somit kann hier die Granularität als ein Grund für die Abweichungen der Werte nicht ausgeschlossen werden. 

Nur Daten aus demselben Zeitraum sollten miteinander verglichen werden.

In den meisten einschlägigen Medienartikeln wird dem Wert des China Household Finance Survey von 0.61 aus dem Jahre 2010 der Gini-Koeffizient des staatlichen Statistikbüros von 0.474 aus dem Jahr 2012 gegenübergestellt. Da das Statistikbüro jedoch nun nachträglich auch die Zahlen des GiniIndexes der vorherigen Jahre veröffentlicht hat, kann und sollte für den Vergleich dasselbe Jahrausgewählt werden.

Der Gini-Koeffizient lag demnach laut dem staatlichen Statistikbüro im Jahr 2010 bei 0.481. Die Differenz zwischen 0.474 und 0481 ist jedoch gering.

        Erfassung des gesamten Einkommens und Bereitschaft zur Datenfreigabe:

In statistischen Untersuchungen können bekanntermassen nicht sämtliche relevanten Daten erfasst werden. Das graue Einkommen etwa kann nicht gemessen werden. Ausserdem hängt es von der Bereitschaft der Befragten zur Datenfreigabe ab, ob die korrekten Informationen in die Berechnung einfliessen oder nicht.

Vor allem Vertreter einkommensstarker Haushalte verweigern die Teilnahme an statistischen Datenerhebungen oder setzen ihr Einkommen niedriger als es tatsächlich ist. In der Studie des CHFS wurde erwähnt, dass in den Städten 16.5% und auf dem Land 3.2% der Haushalte auf die Beteiligung an der Untersuchung verzichtet haben.

Demnach erfolgte die Erfassung der Einkommensgruppen sowohl beim NSB als auch beim CHFS nur unvollständig. An dieser Stelle müsste genauer untersucht werden, ob die chinesische Bevölkerung der unabhängigen Institution mehr Informationen bezüglich des Einkommens geliefert hat als dem staatlichen Statistikbüro und ob dadurch die Ergebnisse unterschiedlich stark verzerrt sind.

        Unabhängige Datenerhebung:

Die Unabhängigkeit der Datenerhebung ist für die Aussagekraft der Ergebnisse ausschlaggebend. Nur so kann eine wahrheitsgetreue Abbildung der Fakten erreicht werden. Je mehr Einfluss Informationen verfälschende Instanzen bei statistischen Datenbeschaffungen bzw. -sammlungen haben, desto stärker kann ein Wert in die von Ersteren gewünschte Richtung beeinflusst werden.

Der Leiter des staatlichen Statistikbüros NSB übt die Funktion des wirtschaftspolitischen Beraters[10] aus und hat durch die Bereitstellung der statistischen Informationen einen massgeblichen Einfluss auf die Wirtschaftspolitik des Landes. Zudem besitzt das State Council als oberstes Organ des nationalen Statistiksystems ebenfalls die Möglichkeit Werte zu seinen Gunsten zu manipulieren. 

Ob diese Zulassungspflichtindirekt einen Einfluss auf die statistische Arbeit haben kann müsste noch näher untersucht werden. Viele der für die vorliegende Arbeit verwendeten Medienartikel und Quellen jedoch bezeichnen die hier beschriebene Forschungsinstitution als professionell; im Vergleich zum NSB ist sie unabhängig. 

        Das Untersuchungsmerkmal:

Die Auswahl gleicher Untersuchungsmerkmale ist Voraussetzung für die Vergleichbarkeit zweier Studien.

Die Berechnung des Gini-Koeffizienten des NSB beruht bekanntlich auf dem Pro-KopfNettoeinkommen. Wie im Kapitel 3.2 bereits erwähnt, wird hier davon ausgegangen, dass bei der Studie vom CHFS mit dem gleichen Merkmal gearbeitet wurde.

        Einteilung der Haushalte in Einkommensgruppen:

Die Einteilung der zu untersuchenden Haushalte in Einkommensgruppen sollte so vorgenommen werden, dass Unterschiede innerhalb der Gruppen möglichst gering gehalten werden können. So können die statistischen Berechnungen repräsentativ für die Haushalte sein.

Das NSB veröffentlicht seine statistischen Arbeiten im Statistical Yearbook. Einige davon werden im Workingpaper des Brooks World Poverty Institute (BWPI) der Universität Manchester in England vom Januar 2010 kritisiert:


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