Ein Jüngling liebt ein Mädchen - Heinrich Heine
Analyse und Interpretation
1.
Analyse
Das 1827 veröffentlichte Gedicht „Ein Jüngling liebt
ein Mädchen“ von Heinrich Heine aus dem Kapitel „Lyrisches Intermezzo“ aus dem
„Buch der Lieder“ behandelt das zeitlose Thema Liebeskummer.
Heine beschreibt in diesem Gedicht, in einem sehr
sachlichen und erzählenden Stil, die Geschichte eines jungen Mannes. Es
behandelt das Thema Liebeskummer und beschreibt die unerwiderte Liebe dieses
Mannes zu einer Frau.
Das Gedicht besteht aus drei Strophen mit jeweils vier
Versen. Es reimen sich jeweils der zweite und vierte Vers. Bis auf Vers fünf
und sechs ist das Gedicht im Zeilenstil geschrieben. In Vers fünf und sechs
findet sich ein Enjambement.
Das Metrum ist nicht beständig, sondern besteht aus
Jamben und Anapästen, wobei Vers eins, zwei und vier immer aus Jamben besteht
und Vers drei aus Anapästen. Am Versende wechseln sich männliche und weibliche
Kadenzen ab. Hierbei beginnt eine weibliche Kadenz gefolgt von einer männlichen
und so weiter. Dieser ständige Wechsel unterstützt den Inhalt des Gedichts -
den ständigen Wechseln zwischen den Personen und Gefühlen - stark. Das gesamte
Gedicht ist in Parataxen geschrieben.
Der junge Mann im Frack betrachtet sehnsüchtig die Frau auf der Bank.
Durch den berichtenden Stil werden so gut wie keine bildlichen
Figuren von Heine verwendet, dafür jedoch klangliche.
In Vers drei wiederholt sich das Wort „andre“. Diese Anapher
kann durch die verschiedenen Bedeutungen, die diesem Wort zugeordnet werden,
leicht beim ersten visuellen Überblick zu einer kurzweiligen Irritation führen.
So ist beim ersten Mal der Mann gemeint, den das Mädchen liebt, bei der
Wiederholung des Wortes jedoch ein Mädchen, in welches eben dieser Mann
verliebt ist.
Ein weiteres Klangbild, ein Homöoteleuton findet sich
in Vers sechs des Gedichtes mit den Worten „ersten besten“, hierbei stimmen im
Gegensatz zu Alliteration die Wortenden statt den Wortanfängen überein. Dieses
Klangbild führt zu einem guten und einfachen Lesefluss, was die Schlichtheit
und Sachlichkeit des gesamten Gedichts noch einmal hervorhebt. Zusätzlich wird
das darauffolgende Wort „Mann“, welches den Lesefluss abrupt beendet verstärkt
hervorgehoben und betont.
Vers sieben und acht beginnen beide mit dem Wort
„der“. Diese Anapher bezieht sich, genau wie die Wiederholung von dem Wort
„andre“ in Vers drei auf verschiedene Personen. Hierbei bezieht sich das erste
„der“ auf den Mann, den das Mädchen aus Trotz heiratet, die Wiederholung
bezieht sich jedoch auf den Jüngling.
Die Antithese in Vers neun und zehn „es ist eine alte
Geschichte, doch bleibt sie immer neu“ beschreibt die Zeitlosigkeit
dieser „Geschichte“ und drückt aus, dass obwohl es eine Geschichte ist, also
der Vergangenheit angehört, diese Geschichte sich in jeder Zeit und Epoche
wiederholen kann, also immer aktuell oder eben „neu“ bleibt.
Die einzige bildliche Figur und Poetisierung des
Gedichts findet sich in dem letzten Vers. Mit der Metapher „dem bricht das Herz
entzwei“ beschreibt Heine nicht nur die Gefühle des Jünglings, sondern auch von
jedem anderen, dem diese Geschichte widerfährt. Diese Metapher beschreibt sehr
eindringlich den Liebeskummer, den die Betroffenen haben und bekräftigt somit
die Aussage des Gedichts.
Während Heine in den ersten zwei Strophen die
männlichen Reime „erwählt-vermählt“ und „Mann-dran“ verwendet, folgt in der
letzten Strophe nur ein unreiner Reim „neu-entzwei“. Dieser unreine Reim unterbricht
die Harmonie des Gedichts und spiegelt den Inhalt desselben wieder. Da sich das
Gedicht weder an ein Reimschema, noch Metrum hält wird es der Universalpoesie
zugeordnet, welche mit ihrer offenen Form typisch für die Zeit der Romantik
ist. Die Hauptmotive der Romantik waren Liebe und Sehnsucht. Die Romantik steht
vor allem für das Streben nach Glück und dem idealen Leben. Da es nach
Auffassung der Romantiker kein glückliches Leben ohne Liebe gibt und die Liebe
ein wichtiger Schritt zu einem erfüllten Leben darstellt und auch ein sehr
starkes Gefühl der Menschen ist, wurde die Liebe eines der Hauptmotive der
romantischen Lyrik. Auch dieses Gedicht von Heine handelt von einer Form der
Liebe; der Liebeskummer, eine bestimmte und eher negative Form steht in diesem
Gedicht im Mittelpunkt. Somit lässt sich das Gedicht der Romantik zuordnen.
2.
Interpretation
Der Autor des Gedichts, Heinrich Heine ist als Harry
Heine 1797 in Düsseldorf geboren und 1856 in Paris gestorben. Heine wird oft
als der letzte Dichter der Romantik beschrieben, gleichzeitig wird ihm auch nachgesagt
derjenige zu sein, der diese überwunden hat. Sein Leben als Außenseiter, durch
seine jüdische Herkunft und den Zwang nach Paris zu fliehen, prägte seine
Schriften sehr.
Heine schrieb das Gedicht „Ein Jüngling liebt ein
Mädchen“ im Alter von circa 25 Jahren in Anlehnung an ein Ereignis seiner
Jugend.
Das Gedicht ist auffallend sachlich und kühl
geschrieben. Es werden nur Fakten aneinander gereiht, sodass sehr wenig Raum
für Interpretationen bleibt.
Durch die klaren Aussagen, denen jede Ausschmückung
und jedes Detail fehlt und die alltägliche Sprache, ist das Gedicht auf Jeden
zu jeder Zeit anwendbar und hat somit eine allgemeine Gültigkeit.
Die Liebe wird in diesem Gedicht, im Gegensatz zu den
meisten anderen Gedichten der Romantik nicht verherrlicht und ausgeschmückt
oder detailreich erklärt. Heine schreibt weder über Aussehen noch Ausstrahlung
der Personen in diesem Gedicht, das einzige Gefühl, was Heine darstellt ist der
Liebeskummer des jungen Mannes, doch selbst dieser wird nicht weiter vertieft,
sondern wie alles andere in diesem Gedicht nur festgestellt. Heine bringt damit
die Banalität der Liebe zum Ausdruck, ebenso wie den Zufall, mit dem sich die
Liebe auf die verschieden Menschen verteilt.
Heine stellt nicht das Scheitern der Liebe in den
Mittelpunkt des Gedichts, sondern die Tatsache, dass diese Geschichte jeden
treffen kann, jeden beliebigen Betroffenen verletzt und, dass es kein Trost ist
zu wissen, dass es anderen auch so geht, ging oder gehen wird.
In der letzten Strophe schreibt Heine es wäre eine
alte Geschichte, die doch immer neu bliebe. Und genau diese wahrheitsgemäße
Aussage macht er durch die klaren Statements möglich. Viele Menschen sowohl
damals als auch heute kennen das Gefühl von unerwiderter Liebe und auch in der
Zukunft wird es dieses Gefühl noch geben. Dieses Thema füllt ganze Bücher und
Filme, aber auch Schauspiele und Lieder.
„Wem sie just passieret,“, schreibt Heine weiter „dem
bricht das Herz entzwei.“ Mit dem Wort „just“ zeigt Heine wie unerwartet und
auch zufällig einen diese Situation treffen kann, sodass eigentlich niemand
davon ausgeht, selbst einmal davon betroffen zu sein. Wenn einem diese
Situation dann doch wiederfährt, unerwartet und zufällig, wie eben beschrieben,
dann reist es ihm oder ihr den Boden unter den Füßen weg und nur, wer dieses
Gefühl schon einmal erlebt hat, weiß wie es sich anfühlt.
Der eine oder andere Betroffene ist vielleicht in der
Lage besser mit dem Verlust umzugehen, doch ein gebrochenes Herz haben alle und
jeder muss lernen damit umgehen zu können und es zu überwinden.
Die verschiedenen Bedeutungen, die den gleichen Worten
(andern/andern V3; der/der V7/8) zukommen zeigen den wechselnden und zufälligen
Charakter der Liebe. Durch Verwendung der alltäglichen Sprache, der jede Ausschmückung
fehlt, stellt Heine die Alltäglichkeit der Liebe dar und, dass diese oft
vorkommt. So ist es normal, wenn diese auch einen selbst trifft.
Die betonte Gleichgültigkeit, mit der Heine die
Ereignisse schildert, lässt vermuten, dass eine persönliche Erfahrung mit
diesem Gedicht zusammenhängt.
Der junge Heinrich Heine verliebte sich 1814, mit 18 Jahren in seine Cousine
Amalie, auch Molly genannt aus Hamburg. Im Jahr 1816 wechselt er in das
Bankhaus seines Onkels Salomon nach Hamburg und berichtet voller Vorfreude
einem Freund: „Mit ihr kehrt auch meine Muse zurück. Seit 2 Jahr hab ich sie
nicht gesehen. Altes Herz was freust du dich und schlägst so laut!“
Doch dort angekommen musste Heinrich Heine feststellen, dass die Cousine
von seiner Liebe nichts wissen wollte. So schreibt er in einem Brief „Sie liebt
mich nicht!“ und weiter „In den ersten Wörtchen liegt der ewig lebendige
Himmel, aber auch in dem letzten liegt die ewig lebendige Hölle.“
Doch auch Amalies Liebe zu einem anderen Mann wurde nicht erwidert, woraufhin die
verzweifelte Amalie 1821 John Friedländer aus Ostpreußen, der ein Gutsbesitz in
Königsberg hatte heiratete.
Heine, der leer ausging, also in dem Fall der Jüngling
war, schrieb zunächst in Briefen an Freunde über diese Ereignisse, bis er seine
unerwiderte Liebe zu Amalie im „Buch der Lieder“ verarbeitete, aus welchem auch
das zu interpretierende Gedicht stammt. In Vers neun des Gedichts („Es ist eine
alte Geschichte“) zitiert Heine sich selbst. Denn genau diesen Satz schrieb er
auch in einem der Briefe an seine Freunde, in denen er seinen Kummer zum
Ausdruck brachte. In diesem Brief bezeichnete er seine Cousine Amalie auch als
eine Klippe, an welcher sein Verstand scheiterte. Auch wenn Heine ziemlich
schnell nach seiner Ankunft in Hamburg gemerkt hatte, dass seine Liebe nicht
erwidert wurde, hielt diese die ganze Zeit in Hamburg an und auch während
seines Studiums ab 1819 in Bonn ließ ihn seine Liebe zu ihr nicht los. Erst nach
der Hochzeit seiner Cousine, 1821 ließ seine Liebe für sie stark nach, sodass
er sie 1827, als er sie nach 11 Jahren wieder traf nur noch eine „dicke Frau,
der man nachsagt ich sey einst verliebt in sie gewesen“nannte.
3.
Fazit
Abschließend ist zu sagen, dass der Autor Heinrich
Heine die Erfahrungen mit seiner Cousine Amalie aus seiner Jugendzeit in
Hamburg und den darauffolgenden Jahren in diesem, der Epoche der Romantik zu
zuordneten Gedicht schildert. Heine beschreibt in diesem Gedicht die Gefühle
der Hilflosigkeit und Trauer, die ein gebrochenes Herz verursacht und die
Tatsache, dass dieses immer unerwartet eintrifft.
Durch die nüchterne Erzählweise, die er wählt kann das Gedicht auf jede
beliebige Person zu jeder beliebigen Zeit angewendet werden und ist somit
zeitlos.