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Interpretation
Deutsch

Paderborn

2011

Ute V. ©

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ID# 12469







Effi Briest, Romananalyse, Teil: Weihnachtsessen in der Oberförsterei

Textanalyse Ausschnitt „Effi Briest“

 

Der Ehe-und Gesellschaftsroman „Effi Briest“, welcher der Epoche des Realismus zuzuordnen ist, von Theodor Fontane aus dem Jahr 1885 thematisiert den Ehebruch der Protagonistin „Effi“ und die sich daraus ergebende völlige Isolation von der Gesellschaft. Insgesamt handelt der Roman von der Selbst-und Fremdbestimmung und von dem Konflikt zwischen Individuum und Gesellschaft.

In dem vorliegenden Textausschnitt geht es um das weihnachtliche Festessen in der Oberförsterei der Rings. Im Verlaufe dieses Festmahls empört sich die geladene Sidonie von Grasenhapp mehrmals über Cora, die Tochter des Hauses, und ihr, in Sidonies Augen, unverschämtes Verhalten.                                                                                                                                                                Des Weiteren werden während des Abends unzählige Speisen und Getränke aufgetischt und das Essen mit einer Rede des Herrn Güldenklee abgeschlossen.                                                              Effi, ihr Mann Innstetten und Major Crampas sind ebenfalls bei jenem Weihnachtsessen anwesend. Innstetten ist teilweise in das Gespräch mit Sidonie eingebunden, wohingegen Effi in dem gesamten Textauszug nicht erwähnt wird.                                                                                                     Unmittelbar dem Essen vorausgegangen ist Effis Hauptrolle in dem  Schauspiel „Ein Schritt vom Wege“, dessen Regie Crampas führte.                                                                                                       Außerdem ist Effi zum Zeitpunkt des Geschehens schon einige Male mit Major Crampas ausgeritten und die beiden haben erste Bindungen geknüpft.                                                                          Nach dem Weihnachtsessen folgt die Rückfahrt in der Kutsche nach Kessin, wobei Crampas aufgrund eines Problems mit der Kutsche, in der sich auch Effi befindet, mitfährt. Darin findet der erste Kuss der beiden statt, wobei die Initiative von Crampas ausgeht. Aufgrund der Kontextualisierung kann man vorab schon einmal festhalten, dass der zu analysierende Ausschnitt im Kontrast zu Effis Leben vorher und nachher steht, da während des Abendessens sehr auf gesellschaftliche Werte und Normen geachtet wird, während Effi diese, unter anderem durch ihren Kuss mit Crampas, vorher und nachher bricht.

Betrachtet man also den vorliegenden Ausschnitt im Kontrast zu seinem Kontext, so wird deutlich, dass es sich bei dem Roman „Effi Briest“ sowohl um einen Gesellschafts- als auch um einen Eheroman handelt. Diese Aussage liegt darin zu begründen, dass der Ausschnitt des  19. Kapitels die Gesellschaft und ihre Auswirkungen auf einzelne Personen darstellt, wie beispielsweise Sidonie.                                                                                                                             Dieses Wechselspiel zwischen Individuum und Gesellschaft kommt auch während des weiteren Romans oft zum Tragen (z.B. Stellung Innstetten).                                                                      Allerdings kann man dem Roman in seinem Gesamtzusammenhang auch als Eheroman verstehen, da die 17-jährige Effi erst durch ihre Heirat mit Innstetten du deren Folgen, wie die Affäre mit Crampas, Probleme mit der Gesellschaft bekommt und schließlich von ihr verstoßen wird.             

                                                                                                                                                                                Die genannte Gesellschaft, der sich Effi im Verlauf des Romans nicht anzupassen weiß, wird in dem vorliegenden Textauszug in unterschiedlichen Facetten dargestellt.                                                                                                                                  Zunächst einmal ist die Familie Ring  als Ausrichter des Weihnachtsessen zu nennen, die sich offenbar sehr akribisch auf dieses Ereignis vorbereitet haben. An verschiedenen Punkten des Weihnachtsessen fällt auf, dass das Haus sehr prunkvoll geschmückt ist, um den Gästen zu imponieren (vgl.: S. 174, Z.29: „zahllose […] Silberkugeln“; S.175, Z.1, 2: „ Der Damast, die Weinkühler, das reiche Silbergeschirr“). Auch das den Gästen servierte Essen lässt darauf schließen, dass die Familie Ring ihren Gästen so viel von ihrer „an Glanz streifende[n] Wohlhabenheit“ (S. 175, Z.23f) zeigen will wie eben möglich. Dabei versuchen Sie sich immer wieder selbst zu übertrumpfen, indem beispielsweise das servierte Krausgebackene noch höher aufgetürmt ist als die „Kuchenpyramide“ (S.177, Z.17, 18).                                                                       Die Wertvorstellungen der Familie Ring scheint jedoch generell eher Herr Ring als Frau Ring zu vertreten, da nur der Herr des Hauses erwähnt wird, wie er „mit einer […] strahlenden Feierlichkeit“ (S.177, Z.20) den Wein eingießt. Obwohl Frau Ring durch ihre Abstammung von einem reichen Danziger Kornhändlerhaus das Vermögen mit in die Ehe gebracht zu haben scheint, verwaltet es ihr Ehemann. Wie für die damalige Zeit üblich zeigt er des Weiteren die Wohlhabenheit nach außen und gegenüber den Gästen, wohingegen Frau Ring sich eher „scheu und verlegen“ (S.175, Z.9) zurückhält. Herr Ring scheint außerdem sehr viel Wert auf die Meinung der Gesellschaft von sich zu legen, da er in der abschließenden Rede Güldenklees als ein Mann bezeichnet wird, „der so Recht ein Ring ist, wie er sein soll“ (S.178, Z. 16-18). Er versucht also die gesellschaftlichen Erwartungen an ihn optimal zu erfüllen, weshalb er auch das Essen so prunkvoll und gigantisch ausrichtet.                                                                                Im Verhalten der Rings kann man somit festhalten, dass Anspruch, nämlich von der Gesellschaft als großartiger Mann bezeichnet zu werden, und Wirklichkeit übereinstimmen. Jedoch gelingt ihm diese Ausgestaltung seines Lebens nur durch das Vermögen seiner Frau. Die anwesende Gesellschaft scheint trotzdem sehr viel von Herrn Ring zu halten, da er „alles Gute“ (S.178, Z.17) der Kessiner Gesellschaftskreise in sich vereint.    

Als  zweite auffällige Person ist Sidonie zu nennen, die offensichtlich trotz aller Bemühungen der Familie Ring etwas am Fest auszusetzen hat.                                                                                                       Zu Beginn des Essens scheint ihr vor allem das Verhalten von Cora Ring zu kokettierend und dem Anlass nicht angemessen (vgl. S. 176, Z.415). Sidonie bezeichnet sie als „unausstehliche[s] Balg“ (S. 175, Z.28) und stellt fest, sie könne mit ihrem Verhalten jederzeit Kellnerin werden (Z. 30,31). Des Weiteren kritisiert Sidonie den Pastor Lindequist, indem sie ihm vorwirft, Cora nicht auf eine angemessene Schule geschickt zu haben. Damit wird vor allem deutlich, dass sie bei sich selbst davon ausgeht, sie könne im Sinne der Gesellschaft beurteilen, was „richtig“ (S. 176, Z.8) und was falsch ist.                                                                    Sidonie verlangt von jedem Erzieher, dass er die Pflicht für seine Zöglinge übernimmt und sich gegen den „Geist der Zeit“ (S.176, Z.16) zu wehren weiß. Sie wissen zwar auch, dass  Pflicht etwas Unbequemes sei, allerdings müssen man trotz „schwach[em] Fleisch“ (S. 176, Z.23) zu widerstehen wissen.                                                                                                                         Im weiteren Verlauf des Gespräches mit Lindequist, das allerdings mehr wie ein Monolog Sidonies wirkt, beginnt diese, auch Herrn Ring zu kritisieren, da seine Mutter „Plättfrau“ (S. 176, Z.34) war. Es gebe zwar „schlimmeres“ (S. 177, Z.2) als das, allerdings müsse immer noch gesellschaftliche Ordnung gelten. Dadurch, dass Sidonie betont, was ein Förster „hat und was er nicht haben sollte“ (vgl. S. 177, Z.6-8), macht sie ihre Meinung sehr deutlich.        Demnach sind die bestehenden Gesellschaftsnormen unbedingt einzuhalten und niemanden ist es erlaubt, daraus auszubrechen.                                                                                                                       In der Figur der Sidonie wird sehr deutlich, inwiefern sich Anspruch und Wirklichkeit unterscheiden. Sie selbst spricht von Pflicht und Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, indem man sich auch bei Schwachem unter Kontrolle haben müsse. Im selben Moment allerdings nimmt sie sich „ziemlich ausgiebig“ (S. 176, Z.25) von dem Roastbeef und verhält sich des Weiteren extrem unhöflich und intolerant gegen die Ausrichter des Festes, indem sie über die Tochter und zugleich über den Herrn des Hauses herzieht.                                                          Dieses Verhaltensmuster zeigt, inwiefern Sidonie die gesellschaftlichen Normen und Werte vertreten möchte, jedoch selbst diese Werte nicht akzeptieren kann (z.B. Pflichtbewusstsein, Disziplin). Demnach wird Sidonie hier als Heuchlerin entlarvt.

Als dritte Personengruppe sind Innstetten und Lindequist zu nennen, die in dem Ausschnitt nicht sehr aus der Konversation hervorheben. Trotzdem kann man erkennen, dass beide nicht viel von Sidonies Hetzerei gegen die Rings halten (vgl.: S. 175, Z.35; S.176, Z.14) und deshalb auch sehr wenig zur Konversation beisteuern. Innstetten scheint es hier vor allem wichtig, in der Gesellschaft einen guten Stand zu haben. Diesen wird er nicht durch Lästereien gegen die Tochter des Hauses  aufbauen  und hält sich daher sehr bedeckt.                                    

Im Gesamtbild kann man sagen, dass in dieser Gesellschaft sehr auf die Wahrung des Scheins gegenüber der Außenwelt geachtet wird. Zum einen wird dies durch die vielen pompösen Einrichtungsgegenstände der Familie Ring, zum anderen durch die Verweisungen Sidonies auf die gesellschaftliche Ordnung deutlich. Alle Teilnehmer der Gesellschaft scheinen sehr bemüht einen möglichst positiven Eindruck auf die anderen Gäste zu machen, unter anderem indem am Ende noch einmal das „Preußenlied“ (S. 178, Z. 27f) angestimmt wird. Gestützt wird dieses Bild durch den feierlichen Anlass zu Weihnachten und das glamourös ausgestattete Haus der Försterfamilie.                                                                                                     Insgesamt steht dieses Gesellschaftsbild im extremen Gegensatz zu der vorherigen und nachfolgenden Handlung, da zum einen Effi dort wieder integriert wird. Des Weiteren bricht sie allerdings in dieser Rolle die beim Weihnachtsessen vorgestellten Normen und Werte durch den Ausritt und vor allem den Kuss mit Crampas. Sie nimmt an dieser gesellschaftlichen Szene beim Abendessen hingegen nicht aktiv teil. Dieser Umstand zeigt erneut, dass Effi nicht in der Lage ist sich gesellschaftlichen Werten und Normen, auf die gerade beim Essen höchsten Wert gelegt wird, zu fügen. Stattdessen bricht sie daraus  aus und bricht ihre Pflicht, Innstetten treu zu sein.                                                                                                            

Die Hauptintention des zu analysierenden Abschnitts ist es demnach, den Widerspruch des Verhaltens Effis zu den strengen und unantastbaren Werten und Normen der Gesellschaft aufzudecken. So wirkt Effis folgendes Verhalten noch kontrastierender.                                               Erreicht wird dieser Kontrast unter anderem durch Fontanes sprachliche und erzählerische Mittel. Zunächst beschreibt der Erzähler von S. 174- S.175 das Haus der Rings. Dabei ist der Erzähler nicht eindeutig neutral, da er durch Worte wie „zahllose Silberkugeln“, „herrschaftlich“ und „Glanz“ eine sehr eindrucksvolle Kulisse für das Weihnachtsessen schafft. Es wird deutlich, dass sich nach all diesen Dingen auch Effi in ihrem neuen „Nest“ in Kessin gesehnt hat. Allerdings zog sie mit Innstetten stattdessen in ein Spukhaus, das für Effi nie ein richtiges Zuhause darstellte, sondern nur Angst und Kontrolle.                                                            Durch diesen Kontrast wird verdeutlicht, warum sich Effi auf die Affäre mit Crampas eingelassen haben könnte. Ihr fehlte das, was sie sich immer erhofft hatte in ihrem Haus und in der Beziehung zu Innstetten. Außerdem konnte sie nie Teil der Gesellschaft werden, die in Kessin vorherrscht. Dies wird auch dadurch deutlich, dass Effi von dem Erzähler in diesem gesellschaftsorientierten Textauszug kein einziges Mal erwähnt wird.                                                 Durch die Einführung der Figur Sidonie erreicht der Erzähler die Verkörperung eines Individuums, das völlig überhöhte gesellschaftliche Erwartungen stellt, die sie selbst nicht erfüllen kann. Das Zitat aus der Bibel (vgl.: S. 176, Z.23), kann zunächst für Sidonies völlig falsche Selbsteinschätzung stehen, da sie kurz danach ausgiebig Roastbeef zu sich nimmt. Im weiteren Verlauf und vor allem bezogen auf Effi kann man das Zitat aber auch als Vorausdeutung auf den Kuss mit Crampas werten. Effi hält den gesamten Gesellschaftserwartungen nicht mehr stand und verfällt einer Affäre mit Crampas.                                            Um weiterhin die überhöhten gesellschaftlichen Erwartungen herauszustellen, nutzt Fontane ab S. 177, Z.33 den multiperspektivischen Dialog als objektives Gestaltungsmittel.                Er lässt verschiedene Gäste der Feier eine Rede zum Wohle des Hausherren halten, der sich immer so verhalten habe, wie man es von im erwarte (S. 178, Z.16, 17) und die Kessiner Kreise perfekt in sich vereine (S.178, Z.18-21). Dieser Anspruch bildet erneut einen Kontrast zu Effis späterem Verhalten, da sie sich weder so  verhält, wie es die Kessiner Gesellschaft von ihr verlangt, noch in diese integriert wird. Im Gegensatz dazu scheint Herr Ring der perfekte Kessiner Bürger zu sein, wobei niemand sich dafür interessiert, woher seinen Reichtum hat.                                                                                                                                                       In dieser Gesellschaft zählt nur der Schein nach außen, wobei, im Kontrast dazu, Effi diesen nicht wahren kann.                                                                                                                       

Insgesamt kann man festhalten, dass der vorliegende Textauszug einen Kontrast zu Effis weiteren Leben und vor allem der folgenden Kutschfahrt darstellt. Im Ausschnitt wird sehr viel Wert auf gesellschaftliche Ordnung mit Werten und Normen gelegt, die Effi nicht erfüllen kann. Sie bricht direkt nach dem gesellschaftlichen Abend aus der Ordnung aus, indem sie Crampas auf der Rückfahrt in der Kutsche küsst.                                                               Außer diesem inhaltlichen Aspekt wird jedoch an diesem Textauszug auch Fontanes Realismusauffassung deutlich.                                                                                                                      Die beschriebene Szene hätte so im realen Leben als ein gesellschaftliches Abendessen stattfinden können. Für Fontane war es wichtig, dass das literarisch Verarbeitete ein Bild seiner Zeit darstellt. Allerdings müsse das „Rohmaterial aus dem Marmorsteinbruch“, also die Handlung die im wahren Leben hätte geschehen können, erst durch künstlerische Mittel so verklärt werden, dass man es als literarische Kunst bezeichnen könne.                                                             Einige Mittel, die Fontane dazu nutzt, finden sich auch in diesem Textteil wieder. Zum einen wird sicherlich der Humor betont. Die Figur der Sidonie von Grasenhapp wirkt wie eine Person, die viel erzählt und erwartet, jedoch selbst wenig davon hält. Dies wird vor allem deutlich, als sie selbst die Bibel zitiert („Das Fleisch ist schwach“), danach allerdings direkt beherzt zum Roastbeef greift. Des Weiteren bringt Fontane den multiperspektivischen Dialog zum Einsatz, der die gesellschaftlichen Normen deutlich macht und wie ehrhaft es ist, diese zu erfüllen. Dadurch wird das Beschriebene real und objektiv sowie wenig vom Erzähler beeinflusst.                                                                                                                                                 Die Intention des Ausschnitts, nämlich einen Kontrast zu Effis Verhalten zu bilden, ist ebenfalls ein Mittel, das Fontane für seine Realismusauffassung nutzt. Er erzeugt dadurch ein erzählerisches Gleichgewicht und stellt so die jeweiligen Kontraste noch deutlicher hervor.                                                                                                                                                                                          Zusammenfassend kann man sagen, dass Fontane seine Romane so gestaltet, als hätten sie im wahren Leben passiert sein können, sie allerdings erst durch Verklärung zu literarischer Kunst macht                                     

 

 


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