Jeden Tag stehen wir vor
Herausforderungen. Wir müssen Tag für Tag entscheiden, welchen Weg
wir einschlagen wollen und welche Ziele wir dabei verfolgen. All
diese Fragen sind für eine liebende Mutter, wenn sie sie in Bezug
auf ihre Kinder beantworten muss, eine immense Aufgabe. In der
Tragödie Medea von Euripides steht die Hauptfigur Medea vor einer
folgenschweren Entscheidung. Sie hadert mit sich selbst, ob sie ihre
Kinder umbringen soll. Die Tragödie basiert auf der Argonauthensage,
in der die Königstochter ihre Familie und ihre Heimat für ihren
Mann Jason verraten und verlassen hat. Zusammen mit diesem ging sie
nach Griechenland und bekam zwei Kinder. Am Anfang der Tragödie
erfährt man, dass Jason seine Frau betrogen und verlassen hat. Der
Vater, der neuen Frau Jasons ist König Kreon, welcher zu dieser Zeit
in Griechenland herrscht. Dieser beschließt Medea zu verbannen.
Aufgrund von erfolgreichem bitten ist es ihr möglich die Frist um
einen Tag zu verlängern. Sie entwickelt einen Plan um sich an ihrem
Mann zu rächen. Sie will ihre zwei Söhne und Jasons neue Frau
töten.
In den Versen 1016-1080 kommt es zum
Monolog Medeas, dem sogenannten Zornismonolog. Er befindet sich im
5. Aufzug der Tragödie. Medea, die bis zu diesem Zeitpunkt fest
davon überzeugt war ihre Kinder zu töten, hadert nun mit ihrem
Racheplan. Da sie der neuen Frau Jasons schon die vergifteten
Kleider zukommen lassen hat, hat sie nicht viel Zeit zum Nachdenken
und ist zum schnellen Handeln gezwungen. In ihrem inneren Zwiespalt
aus erkennt man, dass sie auf der einen Seite ist eine liebende
Mutter, die schon bei dem Gedanken ihre Kinder zu ermorden tiefe
Trauer erleidet. Auf der anderen Seite zeigt sie sich als verletzte
und rachedurstige Frau. Am Anfang des Monologes spricht sie von ihrer
Heimatlosigkeit, ihrem Kummer und ihren Verlustängsten. Dabei
benutzt sie den Ausruf „ Ach, ich Unselige wegen meines
Starrsinnes!“ indem man gut erkennen wie tief verzweifelt sie ist.
Sie empfindet ihr vorrangegangenes Leben als Sinnlos, wenn sie die
Kinder nicht Teil ihrer Zukunft werden. Durch die Wiederholung des
Wortes „umsonst“ in den Versen 1029 und 1030 wird dies noch
deutlicher. Am stärksten ist ihr Zweifeln in Bezug auf ihr Vorhaben
in den Versen 1036-1048. Sie stellt sich selbst und ihren Kinder, zu
denen sie spricht, viele Fragen. (V.1041, 1042,1043,1047). Sie zieht
es in Erwägung ihre Kinder mitzunehmen, weil sie einsieht wie
schrecklich ihr Vorhaben ist. (V. 1045-1047) Im Zusammenhang damit
benutzt sie den Ausruf „Fahrt hin, ihr Pläne!“ (V. 1044,
V.1048), aus dem man schließen könnte, dass sie ihren Racheplan
wirklich aufgeben will, zwei Mal. Aber in den Vers 1049-1055 ändern
sich ihre Gedanken schlagartig. Sie sieht sich gezwungen ihre Kinder
zu töten, denn sie will sich nicht „dem Gelächter aussetzen“
(V.1049). Man kann deutlich erkennen, wie verletzt und wütend Medea
ist, als sie Jason, seine neue Frau und dessen Vater in Vers 1050
als „Feinde“, die sie nicht unbestraft lassen kann, bezeichnet.
Ein letztes Mal wankt Medea mit ihrem Plan in den Ausrufen „Ach,
Ach! Nein, nicht, o Herz, tu du dies nicht!“ ( V. 1056) und „Lasse
sie, Unselige, schone die Kinder!“ (V.1057), aber mit der Aussage
„Da sie es müssen, will ich sie töten, die ich sie geboren.“
(V.1062-1063) gibt die Frau ihren endgültigen Beschluss bekannt. Im
weiteren Verlauf des Monologes verabschiedet sie sich von ihren
Kindern, indem sie ihnen einen Kuss auf die Hand gibt und sie umarmt.
Beim Sprechen benutzt sie Beschreibungen, wie „liebliche Umarmung“,
„weiche Haut“ und „süßer Kinderatem“, in denen man erkennen
kann, dass sie trotz ihres Entschlusses eine liebe Mutter ist. Um
ihre grausame Tat zu beschönigen und ihre Schuldgefühle zu
schmälern, gibt sie währenddessen Jason die Schuld am Unglück
ihrer Kinder (V. 1073-1074). Zum Schluss gesteht sie sich selbst ein,
dass der Zorn in ihr stärker ist als die Vernunft.
In Medea hat damit die rachedurstige
Seite gesiegt. Sie wird ihre Kinder töten um sich an ihrem Mann zu
rächen, ihn zu kränken und zu demütigen. Während des gesamten
Monologes hat der Leser die Möglichkeit ihre Gefühle
nachzuvollziehen und diese selbst zu durchleben. In dem Zwiespalt
soll deutlich gemacht werden, dass sie auch eine gefühlsvolle Seite
hat und selbst an der Schreckenstat zweifelt.
Im weiteren Verlauf der Tragödie
erfährt man, dass König Kreon und seine Tochter aufgrund der
vergifteten Kleider gestorben sind. Medea erzählt Jason von der
Ermordung ihrer Kinder und verbietet ihm die Kinderleichen zu sehen.
Dieser bricht zusammen, da er nun alles Wichtige in seinem Leben
verloren hat. Medea selbst verlässt danach das Land.