Zeit
Unterrichtsbeginn, Eröffnungsfragen: „Stell dir vor, du
solltest jemandem erklären, was Zeit ist. Welche Definitionen
würdest du geben? Was versteht ein Physiker unter Zeit, wo ist der
philosophische Aspekt?“
Das Raum- Zeit Problem ist ein umstrittenes erkenntnistheoretisches
Problem, teils empirischer, teils semantischer Natur
Die Zeit ist ein bedeutendes Thema in der Philosophie, auch weil sie
sich um den Begriff des Seins und um die menschliche Existenz dreht.
Viele Philosophen haben sich in ihren Werken mit dem Phänomen Zeit
auseinandergesetzt, von Platon und Kant bis Heidegger und Sartre. In
philosophischer Hinsicht wird Zeit vor allem als die Form des
Entstehens und Vergehens der Inhalte unserer Wirklichkeit verstanden.
Heidegger vermittelt in seinem Hauptwerk „Sein und Zeit“ im 20.
Jahrhundert, dass Zeitlichkeit eine Eigenschaft der Zeit ist mittels
der sie die Hinfälligkeit aller Wirklichkeiten bewirkt, bzw. die
Struktur des menschlichen Daseins, nach der der Mensch stets in Sorge
auf die Zukunft und schließlich auf den Tod hin bezogen ist.
Raum, Zeit, Unendlichkeit…
Unendlichkeit von Zeit und Raum
Begreift des Menschen Hirn wohl kaum.
Doch wär’s ihm gleichfalls unverständlich,
wenn sie womöglich wären endlich.
Das All hört auf an einer Wand?
Das geht uns über den Verstand.
Und somit bleibt es bis zum Schluss
Beim alten ignorabimus.
(P.Frankfurther)
Hat das Universum einen Anfang in der Zeit und ist es räumlich
begrenzt? Immanuel Kant bezeichnet in seinem Werk „Kritik der
reinen Vernunft“ 1781 diese Fragen als Antinomien, Widersprüche
der reinen Vernunft. Wenn das Universum keinen Anfang hätte, läge
ein unendlicher Zeitraum vor jedem Ereignis. Kant erklärt dies als
absurd und formuliert seine Antithese: wenn das Universum einen
Anfang hätte, läge ein unendlicher Zeitraum vor diesem Zeitraum.
Sowohl These als auch Antithese haben eine bestimmte Voraussetzung:
die Zeit reiche unendlich weit zurück. Es stellt sich nun die Frage,
ob ein Begriff von Zeit vor Beginn des Universums sinnvoll ist.
Dank Edwin Hubble ,1929 wissen wir dass unser Universum nicht
statisch und unveränderlich ist, sondern sich ausdehnt. Seine
Beobachtungen legten die Vermutung nahe, das Universum sei zu einem
bestimmten Zeitpunkt (Urknall) unendlich klein und dicht gewesen.
Ereignisse vor diesem Zeitpunkt können das gegenwärtige nicht
beeinflussen, alle Naturgesetzte verlieren ihre Geltung und Aussagen
über die Zukunft sind nicht mehr möglich.
Die Zeit beginnt mit dem Urknall.
Albert Einstein unterscheidet drei Arten von Zeit,(1) die subjektive
Zeit des erlebenden Menschen, dem der gleiche Zeitraum unter
gewissen Umständen sehr lang und unter anderen Umständen sehr kurz
erscheinen kann,(2) die objektive Eigenzeit physikalischer
Gebilde und (3) die relativen Zeiten mehrer Beobachter.
Die Subjektivität der Zeit ist ein Merkmal unseres täglichen
Zeitempfindens, dazu gehört auch das für Heidegger bedeutende
Phänomen der Langeweile.
Aus naturwissenschaftlicher Sicht hingegen ist Zeit eine
quantifizierbare, objektive Größe. Newton formuliert: „Die
absolute, wirkliche und mathematische Zeit fließt in sich und in
ihrer Natur gleichförmig, ohne Beziehung zu irgendetwas außerhalb
ihr Liegendes.“ Diese physikalische Bestimmung wird von Einstein
relativiert…
Zeit ist relativ (Albert Einstein, 1905 „Relativity“)- es gibt
keine absolute Zeit, die Naturgesetze müssen für alle Beobachter
unabhängig von ihrer Geschwindigkeit sein. Alle Beobachter müssen
die gleiche Lichtgeschwindigkeit messen können, wie schnell auch
immer sie sich bewegen.
Zitate zur Diskussionsanregung:
„Zeit ist das was wir haben, wenn wir unsere Uhren wegwerfen“
(Jürgen Aschoff)
„Jede Zeitspanne ist umso kürzer, je glücklicher man ist.“
(Plinius der Jüngere)
Oppositionen für das Unterrichtsgespräch:
Abstraktion vs. Realität
Angeborener vs. Aufgezwungener Rhythmus
Subjektiver vs. Physikalische Zeit
Gruppendiskussion: Besitzt der Mensch ein Zeitgefühl?
Versuch, eine Minute zeitlich abzuschätzen.
Was bedeutet innere Zeitwahrnehmung?
Die Zeitgestalt des
menschlichen Lebens (Martin Heider, „Denn Zeit ist Leben“)
Das menschliche Leben ist in seiner Spanne zwischen Geburt und Tod
durch Wachsen, Reifen und Altern und darüber hinaus durch eine
komplizierte Vielfalt biologischer Rhythmen bestimmt. Menschen fühlen
sich nicht nur von Stunde zu Stunde anders, sie sind auch
physisch-physiologisch immer wieder neu zusammengesetzt. So
selbstverständlich wir uns mit den diversen Uhren auskennen und uns
automatisch in der von ihnen gemessenen Zeit orientieren können, so
unbekannt sind uns gewöhnlich die angeborenen Uhren, die die
internen Zeitverläufe im menschlichen Körper anzeigen
2 möglichen Hypothesen für das Zustandekommen zirkadianer Rhythmen:
1.zeitgebender Mechanismus im Inneren (endogener Plan), unabhängig
von Informationen aus der Umgebung.
2. Für rhythmisches Verhalten zuständige Gehirnzentren arbeiten auf
der Grundlage von Informationen, die sie über sich ändernde
Umweltbedingungen erhalten, also zum Beispiel über ihre
Sinnesorgane.
Zirkadianer Rhythmus:
Biologische Schwingung, die auf einer endogenen Oszillation mit einer
Periodenlänge Tau beruht, die angeborenermaßen ungefähr 24 Stunden
beträgt. Die Schwingung ist selbsterregend und läuft unter
konstanten Bedingungen mit der ihr eigenen Periodendauer frei. Die
„biologische Uhr“ ist im SupraChiasmatischenNucleus im
Hypothalamus lokalisiert. Nach Ausschaltung des SCN verlieren viele
Vorgänge ihre circadiane Rhythmik (Herzfrequenz, Hormonausschüttung,
Lokomotorik, Fressverhalten etc.)
Brainstorming: Was bedeutet Zeit für uns im Alltag? Wie gehen
wir mit unserer Zeit um? Was bedeutet Langeweile?
Aus Wilhelm Schmid, Philosophie
der Lebenskunst
Grundlegende Technik: Die
Zeit gebrauchen
Das Leben spielt sich in der Zeit ab. Eine grundlegende Technik der
Lebenskunst ist daher der bewusste Gebrauch der Zeit .Die
existentielle Zeit gehört genutzt um sie nicht im bloßen Verbrauch
zu verlieren, sondern sich die Zeit selbst anzueignen. Der Gebrauch
der Zeit bereitet uns so einige Schwierigkeiten, der Grund dafür
liegt daran, dass deren Seinsweise immateriell, unkörperlich,
unsichtbar und unfassbar ist. Unser Bedürfnis das Unfassbare fassbar
zu machen hat uns dazu bewogen eine beträchtliche Anzahl von
verschiedenen Zeitmessgeräten zu erfinden, die uns dennoch nicht die
Möglichkeit bieten die eigentliche Frage zu beantworten: Was ist
Zeit? Diese Frage konnte wohl noch niemand beantworten.Für W.Schmid
relevant ist jedoch der simple Befund, dass “in allen Wesen, Dingen
und Verhältnissen offenkundig Prozesse wirksam sind, die bewirken,
dass ein gegenwärtiger Zustand , der mit großer
Selbstverständlichkeit die Wirklichkeit allein für sich
beansprucht, vergeht, und, wenn er vergangen ist, nicht
wiederherstellbar ist.“
Die Vergangenheit ist das, was sich das Selbst zurückwünscht, um
etwas noch einmal erleben zu dürfen oder um alles anders zu machen,
dieVergangenheit lässt sich aber nicht mehr zurückholen. Ein Grund
mehr, um mit unserer Zeit nicht leichtsinnig umzugehen.
In Senecas Schrift „Von der Kürze des Lebens“ (De brevitate
vitae) wir die Lebenszeit als kostbare Ressource bezeichnet, in der
eine zeitliche Erweiterung des geistigen Horizonts notwendig ist um
den gegenwärtigen Vollzug der Existenz im Licht des Vergangenen ,
sowie des künftigen zu sehen. Dadurch kann es zu einer Verdichtung
des Lebens in der jeweiligen Gegenwart kommen, in der allein gewählt
und gehandelt werden kann.
Als besonders prekär bezeichnet Schmid das Verhältnis des
gegenwärtigen zum Künftigen, denn es handelt sich hierbei um das
Verhältnis des Wirklichen zum Möglichen. Anschaulich dargestellt
wird dies durch die so genannte Schere der Zeit:
Zunächst ist die Schere weit geöffnet, wir haben den Eindruck
genug Zeit zur Verfügung zu haben um diverse Pläne zu realisieren.
In Wirklichkeit aber beginnt sich die Schere zu schließen, und der
Raum zur Realisierung wird zunehmend knapper. Die Zeitschere
zerschneidet die Zeit; das was ist und das, was sein wird rückt
immer näher zusammen. „Dass die Schere sich schließt ist nicht zu
verhindern; zu verhindern ist jedoch, durch den rechtzeitigen
Gebrauch der Zeit, das sie die besten Möglichkeiten zerstört.“
Aufgaben für die personale Lernperspektive:
Persönlicher Umgang mit der Zeit: Zeichnet eure Zeiteinteilung für
einen Wochentag auf. Stellt euren Wunsch-Tagesablauf dar und
vergleicht ihn, mit eurem wirklichen.
Eigenes Zeitempfinden: Stellt euch vor ihr müsstet ohne Uhr und
Kalender auskommen. Wägt die Vor- und Nachteile gegeneinander ab.
Philosophische Aspekte der
Zeit
Der Zeitaspekt in der Philosophie des Augustinus
Aurelius Augustinus (geb. 354 in Thagaste in Numibien, gest. 430 in
Hippo Regius) hat im Rückblick auf seinen bewegten Lebenswandel dem
Ablauf der Zeit hohe Bedeutung zugemessen. Vom lebenslustigen jungen
Mann (Lebensgemeinschaft mit Floria, wird mit 19 Vater) zum
intellektuellen Suchenden und Lehrenden (Rhetorikprofessur in
Mailand, Anschluss an Manichaer), vom Rückzug in die Askese (Taufe,
die "soliloquiae" entstehen) bis zum soziale Verantwortung
tragenden Kirchenmann (Bischof von Hippo Regius) hat Augustinus alle
zeitlichen Stationen seines Lebens in seinem Hauptwerk, den
"CONFESSIONES" niedergeschrieben.
Sie umfassen 13 Bücher: Band 1 bis 9 umfasst die Lebens- und
Seelengeschichte des Augustinus, Band 10 die Gegenwartssituation des
Schreibenden seit dem Tod seiner Mutter, Band 11, 12 und 13 sind
scheinbar nur Auslegungen des Schöpfungsberichtes, stehen aber sehr
wohl in engem Zusammenhang mit seinem persönlichen Leben. In den
letzten drei Bänden seines Werkes entwickelt Augustinus seine
Gedanken über Zeit, Gedächtnis und Ewigkeit.
Zeit ist für Augustinus nur ein Phänomen innerhalb der Schöpfung.
Für Gott ist alles Gegenwart. Anfang und Ende aller Dinge ruhen von
Ewigkeit an in ihm.
Das Gedächtnis ist die Fähigkeit des Menschen, Zeit bewusst zu
erleben (s. die Confessiones = Bekenntnisse, Soliloquia =
Selbstgespräche). Erinnern führt zur Vergegenwärtigung von
Vergangenem und ist damit eine Fähigkeit, die schon fast der
göttlichen Aufhebung aller Zeit nahe kommt. Erst durch lange und
manchmal schmerzhafte Erinnerungsprozesse wird Augustinus der Sinn
der eigenen Jugenderfahrungen (die ihm im Rückblick zunächst
sündhaft und töricht erschienen sind) und der gesamten
lebensgeschichtlichen Entwicklungsprozesse bewusst.
Zeit ist für ihn eine Ausdehnung der menschlichen Seele, die sich
erinnert (Vergangenheit), wahrnimmt (Gegenwart) und erwartet
(Zukunft). Mit dem Älterwerden schmilzt die Erwartung und wächst
die Erinnerung. Gegenwart muss in Vergangenheit übergehen, um Dauer
zu gewinnen. Ohne Gedächtnis würde sich der Seele nie eines
beharrenden Seins bewusst. Die Seele aber strebt nach Verewigung,
nach der Aufhebung der Zeit. Durch den Akt des Erinnerns bekommt der
Mensch eine Ahnung von der Zeitlosigkeit Gottes, die letzte
Selbstbesinnung der Seele auf ihren göttlichen Ursprung ist
allerdings nur durch Gnade möglich.
Der zeitliche Ablauf des Schöpfungsberichtes ist nach Augustinus
nicht wörtlich zu nehmen: Die Schöpfung wurde vor aller Zeit, im
Ganzen und auf einmal vollzogen. In Gott ruht alles Zeitliche in ewig
beschlossener Vollendung. Nur für den der Zeitlichkeit unterworfenen
Menschen ist diese Hilfskonstruktion notwendig.
Philosophie wird somit für Augustinus zu einem Prozess der
Selbsterkenntnis und Selbstfindung in Form von Rück - Er -
Innerungen. So lernt er auch die Bedeutung seines "wüsten"
Lebens in der Jugend als Vorstufe göttlicher Fürsorge zu
akzeptieren.
Als literarische Entsprechung findet sich dazu ein Gedicht von
Andreas Gryphius, der im 17. Jhd. seine Gedanken zu Zeit und
Vergänglichkeit des Menschen so ausdrückte:
" Mein sind die Jahre nicht, die mir die Zeit genommen;
Mein sind die Tage nicht, die etwa möchten kommen;
Der Augenblick ist mein, und nehm ich den in acht,
So ist der mein, der Jahr und Ewigkeit gemacht."
Der Zeitaspekt in der Philosophie von Immanuel Kant
Immanuel Kant (1724 - 1804) gilt als Begründer des Kritischen
Idealismus. In seinem Buch „Kritik der reinen Vernunft“
behandelt er vor allem Fragen der Erkenntnisphilosophie. Er versucht
dabei die gegensätzlichen Standpunkte der traditionellen
philosophischen Richtungen des Empirismus und des Rationalismus zu
überwinden und zu verbinden:
Empirismus: Alles, was der Mensch weiß, muss zunächst in
mühsamen Lernprozessen und durch Erfahrungen mit der Umwelt erobert
werden.
Rationalismus, subj. Idealismus:
Es gibt Vernunftwissen, das der Mensch vor aller Erfahrung und
unabhängig von Lernprozessen schon hat und bereits bei der Geburt
mitbringt.
Kants kritischer Idealismus
Menschliche Erkenntnis setzt sich immer aus zwei grundlegenden
Fähigkeiten zusammen:
A priori - Fähigkeiten: Fähigkeiten, "Wissen",
Strukturen, die der Mensch als Grundlagen für spätere
Lernmöglichkeiten von Anfang an mitbringt. Die "Hardware"
des menschlichen Geistes.
A posteriori - Fähigkeiten: Die Fähigkeit, von unserer Umwelt zu
lernen und Erfahrungen zu sammeln. Die "Software" des
menschlichen Geistes.
Für Kant gibt es also keine Erkenntnis ohne das Zusammenspiel beider
Fähigkeiten: "Anschauungen ohne Begriffe sind blind, Begriffe
ohne Anschauung sind leer." Das heißt: Erkenntnis ist nur durch
Erfahrung möglich, die Erfahrung selbst aber basiert immer auf a
priori - Fähigkeiten.
Für Kant sind also immer verschiedene Voraussetzungen notwendig:
Anschauen, Begreifen und Lernen (Erfahrungen sammeln). Alles, was der
Mensch wahrnimmt, nimmt er in räumlichen und zeitlichen Dimensionen
wahr. Nur so und nicht anders ist menschliches Erkennen möglich.
Dieses charakterisierende Merkmal gilt für alle Menschen immer und
überall.
Zeit ist daher bei Kant als die menschliche Fähigkeit definiert, die
Dinge im Fließen zu erleben und den Ablauf von Vorgängen als
Nacheinander zu erkennen. Erkenntnis ist nur innerhalb von Zeit- und
Raumdimensionen möglich und ist damit den subjektiven menschlichen
Voraussetzungen unterworfen.
Der Zeitaspekt in der Philosophie von Georg Wilhelm Friedrich
Hegel
Hegel setzt Zeit und Geist gleich. Zeit ist die Entfaltung des
absoluten Geistes.
Zeit ist für ihn das Hervorbringen der Geschichte durch die
Gesellschaft. Die Geschichte selbst verläuft nicht kontinuierlich,
sondern in Dreierschritten - dialektisch. Die Gegenwart enthält in
sich die Vergangenheit und ist bereits Vorwegnahme der Zukunft.
Das dialektische Geschichtsmodell Hegels ist dynamisch: Jede
Entwicklung bedeutet Bewegung in räumlichen und zeitlichen
Kategorien. Diese Bewegung verläuft allerdings nicht geradlinig
(=kontinuierlich), sondern sprunghaft und in Gegensätzen (=
dialektisch).
Dabei zeigt sich der sog. dialektische Dreischritt:
1.These- 2. Antithese- 3.Synthese
Dialektik ist also nicht eine bloße Denktechnik, sondern die wahre
Natur des Denkens und der Dinge. Sobald im Denken und Sein ein
bestimmter Zustand (These) erreicht ist, schlägt er in sein
Gegenteil (Antithese) um, woraus sich ein dritter Zustand (Synthese)
ergibt, der die vorhergehenden zwar enthält, aber auch über sie
hinausgeht.
Für Hegel bedeutet dieser Dreischritt im Wesentlichen den Weg des
absoluten Geistes: Von der Einheit der Welt mit dem Weltgeist
(These) über dessen Entfremdung (Antithese) bis zur absoluten
Rückkehr und Harmonie von Welt und Weltgeist (Synthese).
Zeit ist also für Hegel keine Qualität, die an die menschliche
Wahrnehmung gebunden ist, prägt aber ihrerseits sehr wohl jede Art
von menschlicher Erkenntnis und Weltgestaltung.
Die Zeit geht nicht, sie stehet still,
Wir ziehen durch sie hin;
Sie ist die Karawanserei,
Wir sind die Pilger drin.
(G. Keller)
Der Zeitaspekt in der Philosophie von Martin Heidegger
behandelt das Thema "Zeit" vor allem in seinem Hauptwerk
"Sein und Zeit".
Heideggers Vokabular und seine sehr spezielle Begrifflichkeit
erschweren den Zugang zu seinem Denken, dennoch hatte seine Analyse
der menschlichen Existenz große Wirkung auf die Philosophie seiner
Zeit.
Wichtig ist seine Unterscheidung zwischen dem "SEIN" an
sich und dem konkreten Seienden in den vielfältigen Ausformungen.
Der Mensch hat als einzig Seiendes ein besonderes Selbstverständnis
von und zu seinem Sein. Er kann sich seines Seins bewusst werden und
die Dynamik des Seins als Ganzheit von "gewesen-gegenwärtiger
Zukunft" verstehen.
Damit ist auch der spezifisch zeitliche Charakter des Existierens
gemeint. Existieren ist nie nur gegenwärtig, sondern wird durch
Vergangenes und vor allem durch den Entwurf in die Zukunft geprägt.
(Zukunftsorientiertes Modell).
Entscheidend ist dabei, dass der Mensch nicht durch eine vorgegebene
Natur gekennzeichnet ist, sondern durch die Art, wie er sein
"In-der-Welt-Sein" vertritt, sein Verhältnis zu den Dingen
und besonders zu den Mitmenschen. Das Sein als solches kann sich im
Menschen zeigen, wenn dieser sein "Sein-Können" nützt,
indem er alle Möglichkeiten ergreift, sich dieses Seins bewusst zu
werden.
Zeit wird bei Heidegger vor allem im Sinn von Zeitlichkeit,
Endlichkeit und Begrenztheit verstanden, allerdings nicht negativ,
sondern durchaus positiv gemeint. Erst indem wir uns bewusst machen,
sterben zu müssen, ergreifen wir unsere ureigenste Möglichkeit.
Erst das Bewusstsein des Todes ruft den Menschen zur eigenen
Selbstbestimmung und Entfaltung der eigenen Möglichkeiten auf. Jetzt
erst vollzieht er die "Zeitigung der Zeitlichkeit" - er
vollzieht die eigene endliche Existenz in der gemeinsamen Welt mit
anderen.
Heidegger kritisiert die Verabsolutierung der Gegenwart. Gerade indem
wir unsere zeitliche Begrenztheit akzeptieren, erleben wir den Wert
des begrenzten Lebens und verstehen Geschichtlichkeit neu:
Das "Ge-wesene" ist das noch Wirkende, was den Menschen
(individuell oder in der Gemeinschaft) zum "Wider-ruf" oder
zur "Wiederholung" von nicht entfalteten
Möglichkeitenaufruft.
Literaturhinweis:
Zeitschrift für Didaktik der Philosophie, Thema: Zeit, Heft 2/93,
Mai 1993, Schroedel
Wilhelm Schmid, Philosophie der Lebenskunst, 1998, suhrkamp
taschenbuch
Reutterer, Erkennen und Handeln, 1992, E.Dorner