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Seminararbeit
Geschichte / Historik

Justus-Liebig-Universität Gießen - JLU Giessen

2015

Lea M. ©
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ID# 63406







Justus – Liebig – Universität

Proseminar: Alltag im Mittelalter

Dienstag 10-12 Uhr, Phil I, Haus C

Semester: 3, WiSe 2014/2015


Seminararbeit zum Proseminar Alltag im Mittelalter


Stimmte die Vorstellung der Menschen von Sterben und Tod im 15. Jahrhundert mit der Darstellung von Sterben und Tod in Bernt Notkes Lübecker Totentanz von 1489 überein?


Krusch


1

35394

Matrikel-Nr.:

Lehramt Haupt- und Realschule L2

Fächer: Deutsch und Geschichte

3. Semester

, den 24.2.2015

Gliederung


  1. Einleitung…1-2


  1. Vorstellung von Sterben und Tod im 15. Jahrhundert…2-6

    1. Der natürliche Tod (Alterstod)…3-4

    2. Tod durch Krankheit und andere Risiken…4-5

    3. Was geschah nach dem Tod? .5-6


  1. Der mittelalterliche Totentanz…6-9

3.1 Entstehung und Bedeutung…6-7

3.2 Die bildliche Darstellung…7-8

3.3 Die Verse bzw. Bildunterschriften…8-9


  1. Der Lübecker Totentanz (1489)…9-13

4.1 Zur Ikonographie des Lübecker Totentanzes…10-12

4.2 Zu den Versen des Lübecker Totentanzes…12-13

5. Schlussbemerkungen…14-15

6. Literatur- und Quellenverzeichnis

7. Abbildungsverzeichnis


1. Einleitung


„Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn's hoch kommt, so sind's achtzig Jahre, und wenn's köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen; denn es fährt schnell dahin, als flögen wir davon“ heißt es im neunzigsten Psalm1. Die Klagen, welche in diesem Psalm bekundet werden, sollten vielen Menschen vertraut gewesen sein, da in den Klöstern Woche für Woche der ganze Psalter gelesen wurde.

Der Tod war ein allgegenwärtiges Thema im 15. Jahrhundert. Sterben und Tod dominierten sowohl im religiösen, als auch im alltäglichen Bewusstsein der Menschen. Das Lebensumfeld, sowie die Lebensumstände der Menschen machten den Tod zu einem ständigen Begleiter. Katastrophen wie Kriege, Krankheiten und Unwetter, mangelnde Hygiene, Hungersnöte und die harte körperliche Arbeit, welche bereits in jungen Jahren verrichtet werden musste, führten zu einer niedrigen Lebenserwartung der Menschen.

Zwischen den Jahren 1348 und 1440 lässt sich ein sehr starker Bevölkerungsrückgang verzeichnen, welcher vor allem durch die Pestepidemien zu erklären ist. Die Pest war eine Infektionskrankheit, sie verschonte niemanden und überfiel die Menschen unverhofft, sodass oftmals zwischen Leben und Tod des Infizierten nur wenige Stunden lagen.2 Aber nicht nur durch die vielen verschiedenen tödlichen Krankheiten war der Tod ein allgegenwärtiger Begleiter der Menschen.

Auch durch die Kirche und die Religion war der Tod ein omnipräsenter Begleiter der Bevölkerung. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde das Leben sogar nur noch als eine Art Übergangsphase zum Leben nach dem Tod angesehen. Während seiner irdischen Lebenszeit hatte der Mensch die Möglichkeit sich dem Paradies würdig zu erweisen, indem er tüchtig und sündenfrei lebte.

Der Umgang mit dem Tod war im 15. Jahrhundert bei weitem anders, als wir es heute gewohnt sind. Man betete um einen guten Tod, auf den man sich in Ruhe durch Gebete, Werke der Buße und durch das Empfangen der Sterbesakramente vorbereiten konnte.3 Anders als heute war der Tod ein öffentliches Ereignis. In jeder Messe gedachten die Gläubigen der Toten, insbesondere in Messen, welche speziell für einen bestimmten Verstorbenen ausgerichtet wurden.

Auch der Umgang mit dem Tod in den verschiedenen Klöstern verdeutlicht ein weiteres Mal, welche Rolle der Tod für die Bevölkerung des 15. Jahrhunderts spielte.4 In Klöstern wurde traditionell an Stelle der Geburtsdaten das Sterbedatum jedes Klosterangehörigen notiert. Für die Mönche und Nonnen war dieser Tag weitaus bedeutender als der der Geburt, da der Tag des Todes den Übergang in das Paradies symbolisierte.

Um der Bevölkerung die Angst vor dem Tod zu nehmen gab es einige Vorschriften, welche zu Lebzeiten befolgt werden mussten. Folgte man diesen Vorschriften, so sollte man einen guten Tod sterben. Allerdings erschütterten Katastrophen, wie beispielweise die Pestepidemien, die Vorstellung von einem guten Tod. Innerhalb kurzer Zeit starben große Menschenmengen, die Bevölkerung hatte kaum mehr Zeit, sich auf den nahenden Tod vorzubereiten und wurde oftmals unerwartet von ihm überrascht und in kurzer Zeit dahin gerafft.5 Die ab dem 15. Jahrhundert aufkommenden Totentänze verdeutlichen diese ungeheure Macht des Todes über das Leben jedes einzelnen Menschen.

Die berühmten Totentanzgemälde des Mittelalters zeigen tanzende Skelette, welche Lebende aller Stände in ihren Reigen lockten. Dem Glauben nach waren diejenigen, die sich auf solch einen Tanz mit dem Tod einließen, einem schnellen, wenn nicht sogar sofortigen, Tod geweiht. In einem solchen Gemälde wurden die „profane Welterfahrung und Weltdeutung mit der religiös-erbaulichen Unterweisung und Handlungsorientierung“ kombiniert.6

Thema dieser Seminararbeit soll der mittelalterliche Totentanz von Lübeck aus dem Jahre 1489 sein. Untersucht werden soll die Vorstellung der Bevölkerung des 15. Jahrhunderts über Sterben und Tod, sowie die Darstellung von Sterben und Tod im Totentanzgemälde der Marienkirche in Lübeck von 1489. Anschließend soll analysiert werden, ob die Vorstellung der Bevölkerung und die Darstellung im Lübecker Totentanz in den wesentlichen Grundzügen übereinstimmt.

Abschließend soll die Thematik der Totentanzgemälde aus heutiger Sicht reflektiert werden. Anzumerken ist, dass die verschiedenen Forschungsergebnisse einzelner Forschungsinstitutionen sehr umstritten sind. Auf Grund dieser oftmals schwammigen Ergebnisse stellt sich das Treffen genauer Aussagen in gewissen Fällen als schwierig dar.


2. Vorstellung von Sterben und Tod im 15. Jahrhundert

Nach der heutigen Vorstellung gilt das Mittelalter als dunkles Zeitalter. Die Bevölkerung des Mittelalters litt unter anhaltenden Kriegen, großen Hungersnöten und Krankheitsepidemien. Die durchschnittliche Lebenserwartung der Menschen betrug etwa 30 Jahre.7 Der Tod war ein allgegenwärtiger Begleiter jedes Einzelnen. Zu Lebzeiten versuchten sich die Menschen auf den schnell nahenden Tod vorzubereiten um schließlich ins Paradies Gottes aufgenommen zu werden.

Der Tod ereilte die meisten Menschen nicht auf natürlichem Wege, sondern wurde durch eine der vielen fortwährenden Katastrophen ausgelöst. Einige wenige jedoch starben an einem natürlichen Tod. Im folgenden Kapitel soll die Vorstellung eines natürlichen Todes, eines Todes durch andere Risiken, sowie die weit verbreiteten Sterberituale des 15. Jahrhunderts untersucht und kurz dargestellt werden.

Auf Grund der Länge dieser Seminararbeit wird hierbei nur auf den Kindstod, den Tod durch die Pest und den Tod während des Krieges in seinen Grundzügen eingegangen. Eine ausführliche Untersuchung kann leider nicht stattfinden.


2.1 Der natürliche Tod (Alterstod)

Als natürlicher Tod galt im Mittelalter der Alterstod. Bei einigen Menschen ging im hohen Alter der Schlaf unmerklich in den Tod über.8 Das Bild des Schlafes als Bruder des Todes war im Mittelalter weit verbreitet, es beruhigte nicht nur den Sterbenden selbst, sondern auch die Angehörigen. Schon in der vorchristlichen Antike war dieser Glaube verbreitet. So sah beispielsweise Hesiod den Schlaf und den Tod als Zwillinge der Nacht.9 Man glaubte, dass der Sterbende nach einer Zeit des ‚Schlafes‘ unter den Toten aufersteht und somit zu ewigem Leben erweckt wird.10 Der Alterstod war kein plötzlicher Tod, sondern schlich sich über einen längeren Zeitraum ein.

Oftmals machte sich der nahende Tod durch Ausfallserscheinungen, Leid, Vorzeichen oder Visionen bemerkbar, sodass der Sterbende wusste, dass sein Körper gerade mit dem Tod rang und der Übergang vom Leben in den Tod nicht mehr lang entfernt war. Getreu dem Motto ‚Mors certa, hora incerta‘ („Der Tod ist gewiss, die Stunde ungewiss“11) bereiteten sich die Menschen zu Lebzeiten durch verschiedene Rituale, wie beispielsweise der Buße, auf den Tod vor.

Möchte man die Vorstellung von Sterben verbildlichen, so könnte man diesen Prozess wie folgt beschreiben: Der Tod lockte nach und nach alle Teile des Menschen auf seine Seite, bis schlussendlich auch der letzte Funke Leben in dem Sterben ausgelöscht worden ist und auf der Seite des Todes zu einem neuen, veränderten Leben erwacht. Zu einem späteren Zeitpunkt galt das Erdenleben unter der Bevölkerung des 15. Jahrhunderts nur noch als eine Art Übergangsphase zum Leben nach dem Tod.

Bei der Feststellung des Todes berief man sich weitestgehend auf die deutlichsten Symptome, wie beispielsweise die Verfärbung der Haut, Stillstand von Herz und Atmung, Erkalten und die eintretende Muskelstarre des Toten.12


2.2 Tod durch Krankheit und andere Risiken

Häufiger als der natürliche Tod war im 15. Jahrhundert allerdings der Tod durch verschiedene Krankheiten, sowie das Sterben während der andauernden Kriege oder durch große Hungersnöte. Der Umfang dieser Seminararbeit lässt eine ausführliche Beschreibung der Krankheiten und Risiken leider nicht zu, weshalb im Folgenden nur die wichtigsten Faktoren Kindstod, Sterben durch die Pest und der Tod auf dem Schlachtfeld kurz angerissen werden können.

Im Mittelalter waren vor allem Kinder besonders gefährdet, nicht nur durch Kinderkrankheiten. Oftmals wurden die Neugeborenen von der Mutter oder Amme zum Stillen mit ins Bett genommen und erstickten hierbei.13 Hatten die Kinder die ersten Lebensmonate gemeistert, so drohten ihnen im Krabbelalter bereits neue Gefahren. So wurden sie beispielsweise, während der Arbeit, von den Eltern oftmals allein und unbeaufsichtigt zurück gelassen, sodass sie der Umwelt und ihren tödlichen Gefahren hilflos ausgesetzt waren.

Nicht selten ertranken Kleinkinder in nahegelegenen Weihern, oder verbrannten sich während dem spielen tödlich an den lodernden Flammen der Feuerstellen.14 Hatte man das Krabbelalter durchlebt und das jugendliche Alter erreicht, so war man trotzdem weiterhin tödlichen Gefahren ausgesetzt.

Eine große Anzahl von Menschen starb während der großen Pestepidemien, wodurch auch ein starker Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen war. Die Pest war eine Infektionskrankheit und der Inbegriff einer tödlichen Seuche. Ihr Krankheitsbild verlief meistens tödlich und das binnen sehr kurzer Zeit.15 Bei der Pest muss zwischen vier verschiedenen Erscheinungsformen unterschieden werden: der Beulenpest, der Lungenpest, der Pestsepsis und der abortiven Pest.

Alle vier Erscheinungsformen führten in den meisten Fällen zu einem schnellen Tod, Überlebende gab es in der Regel nur wenige. Schenkt man alten Aufzeichnungen glauben, so lag die Sterberate der Beulenpest zwischen 30 und 80 Prozent, die der Lungenpest bei praktisch 100 Prozent.16 Von wem die Pest übertragen wurde, ob durch Ratten oder den Menschen und seine unhygienischen Lebensumstände selbst, ist ein wichtiger Streitpunkt unter den Wissenschaftlern des 20. Und 21. Jahrhunderts.17 Aus Angst vor der Pest reagierten die Menschen mit Flucht aus betroffenen Gebieten, dem Verbrennen von Erkrankten und sogenannten Totentänzen, die die Grausamkeit des großen Sterbens in Bilder und Worte fassen sollten.18

Die Ritter bereiteten sich oftmals dementsprechend vor. Sie bestellten ihre Häuser und nahmen vor ihrer Abreise feierlich Abschied von ihren Familien. Häufig starben die tapferen Krieger schon auf dem Weg zum Schauplatz des Kampfes an Hungersnöten, Krankheiten oder Unfällen.19

Die Sieger der Schlachten dankten noch auf dem Schlachtfeld Gott, schließlich konnten sie sich das Bergen der Toten von der gegnerischen Partei teuer bezahlen lassen. Kleidung, Schmuck und sonstige Wertgegenstände nahm man den Leichen ab und legte sie auf einem der zahlreichen Leichenberge ab.20


2.3 Was geschah nach dem Tod?

Im Mittelalter herrschte ein Neben- und Miteinander von Lebenden und Toten. Es war also üblich, dass die Angehörigen den Sterbenden auf seinem Weg begleiteten. Sie wachten in der Nacht an seinem Bett, sodass die Ruhe des Toten nicht gestört werden konnte. Üblich war auch, dass sich die Menschen auf den Tod, so gut es ging, vorbereiteten. Da das Leben nur als Übergangsphase zum Leben nach dem Tod angesehen wurde, wollten die Menschen so sündenfrei und tüchtig wie möglich leben, um später im Paradies Gottes aufgenommen zu werden.

Einige ereilte allerdings ein voreiliger Tod, sodass diese Menschen sich nicht auf ihren Tod vorbereiten konnten.21

Nach dem Tod erfuhren die Verstorbenen letzte Dienste und Ehrungen. Ein verpflichtendes Ritual der Pietät war es, dem Verstorbenen Augen und Mund zu schließen. Diese Aufgabe übernahmen oftmals die Angehörigen. Auch war eine letzte Waschung der Leiche vorgesehen, diese Aufgabe wurde meist von der Frau des Hauses übernommen. Das Waschen des Toten sollte für die kultische Reinheit sorgen, bevor dieser in das ewige Leben überging.

Da die meisten Menschen unbekleidet schlafen gingen mussten diese nach ihrem Ableben angekleidet werden, einige Menschen ließen sich hierzu zu Lebzeiten ein sogenanntes Totenhemd anfertigen.22 Anschließend wurde der Tote im Sterbehaus aufgebahrt, mit dem Gesicht gen Himmel gerichtet, sodass Freunde und Familie des Toten Abschied nehmen konnten.


Im folgenden Abschnitt sollen zunächst Entstehung und Bedeutung des mittelalterlichen Totentanzes dargestellt werden. Anschließend wird auf die bildliche und schriftliche Darstellung der Totentänze eingegangen. Auf Basis dieser Ausgangsinformationen soll im nächsten Kapitel das Totentanzgemälde aus der Lübecker Marienkirche aus dem Jahre 1489 näher untersucht werden.


3.1 Entstehung und Bedeutung

Im 14. Jahrhundert kam die bildliche Darstellung des Todes im Reigentanz mit den Lebenden aller Stände auf. Der Totentanz des Mittelalters gehörte ebenso wie das Momento mori oder die Ars moriendi zu der religiösen Bußeliteratur.23 Die bildliche Darstellung des Totentanzes ist darauf ausgerichtet, darzustellen dass der Mensch selbstverantwortlich sein Leben nach der christlichen Lebensgestaltung gestaltet um so sein ewiges Seelenheil erwerben zu können.24 Auffällig ist vor allem, dass in den Totentanzgemälden alle Menschen der unterschiedlichen Stände gleich sind, was darauf deuten lässt, dass, der Vorstellung nach, alle Menschen im Tod gleich waren.

Die ersten Totentanzgemälde sind häufig auf Friedhofs- oder Klostermauern zu finden, weshalb sie als bildliche Darstellung der Bußpredigten aufgefasst werden können. Die Darstellung von Bußpredigten durch Totentanzgemälde verbreitete sich schnell, nahm aber ganz unterschiedliche künstlerische Gestaltungszüge an. Anfangs waren Totentanzgemälde hauptsächlich auf Mauern von Kapellen und Kirchhöfen zu finden, diese Gemälde sind in den meisten Fällen aber nur durch Nachzeichnungen erhalten geblieben.

Diese Verse wurden auch als Momento mori bezeichnet.26 Das Totentanzgemälde der Kirche St. Robert in La Chaise Dieu gilt als das älteste erhaltene Gemälde und stammt aus dem Jahre 1410.27

Eine andere Theorie geht davon aus, dass die Totentänze des Spätmittelalters während der verheerenden Pestepidemien in Deutschland entstanden. Die grausame Darstellung von Sterben und Tod in den Gemälden sollte der Verarbeitung der gewonnenen Eindrücke während des Massensterbens dienen. Häufig wird an dieser Theorie kritisiert, dass die Pest nur eine von vielen tödlichen Krankheiten im Mittelalter war.

Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Pest im 14. Und 15. Jahrhundert eine völlig neue Krankheit war, während die Menschen mit anderen Krankheiten schon Erfahrungen und Wissen zur Heilung gesammelt hatten. Das Massensterben während der Pestepidemien nahm bis dato ungewohnte Ausmaße an.

Eine dritte und letzte Theorie geht davon aus, dass das Totentanzgemälde auf der, im Mittelalter weit verbreiteten, Legende von der Begegnung der drei Lebenden mit den drei Toten beruhen könnte. Dieser Legende zu Folge begegnen die Lebenden den Toten. Die Toten weisen die Lebenden auf die Vergänglichkeit ihres irdischen Lebens hin. Die Darstellung von Sterben und Tod durch einen Reigen aus Lebenden und Toten resultiert vermutlich aus der Vorstellung des mitternächtlichen Tanzes mit dem Tod.28 Kritiker erheben auch bei dieser Theorie ihre Stimmen.


3.2 Die bildliche Darstellung

Die Totentanzgemälde waren etwa ein bis zwei Meter hoch und konnten teilweise bis zu sechzig Meter lang sein. Die übliche Erscheinungsform waren Wandgemälde, welche sich häufig über mehrere Wände erstreckten.30

Charakteristisch für die Gemälde sind zum einen die Darstellung der verschiedenen Stände im Reigen, dem oftmals knochig dargestellten Tod und dem Motiv des gemeinsamen Tanzes.31 In den Totentanzgemälden wurden Menschen jedes Standes, jedes Alters, sowie jedes Berufes dargestellt. Durch äußerlich sichtbare Kennzeichen können die dargestellten Personen deutlich ihrem Stand zugeordnet werden.

Die einzelnen Repräsentanten der Stände stellen hierbei keine individuelle Person dar, sondern stehen symbolisch für den ganzen Stand. Der Tod wird in den Gemälden meist als knochiges Skelett dargestellt, oftmals nur mit einem Lendenschutz bekleidet. Sie sollen die Vergänglichkeit des sterblichen Menschen darstellen.

Der Tod bildet mit jeweils einem Standesvertreter ein Paar im Reigen. Die Toten packen die Lebenden und reißen diese sozusagen aus ihrem Leben heraus. Im 14. und 15. Jahrhundert galten die, in den Gemälden dargestellten, Toten als Zerstörer des irdischen Lebens.

Die Aufreihung der Stände in den Gemälden entspricht allerdings in den meisten Fällen auch der Hierarchie der Wirklichkeit. In fast allen Totentanzgemälden folgt der Reigen einem strengen Wechsel zwischen den weltlichen und geistlichen Teilnehmern. Hierdurch lässt sich auch die Paarung von Tod und Leben erklären. Auf Grund der abwechselnden Reihung kann auch darauf geschlossen werden, dass die bestehende Ordnung der Welt akzeptiert wurde.

Durch die Darstellung der einzelnen Stände im Tanz mit dem Tod werden alle Menschen angesprochen, sodass keinem Einzelnen die Schuld an etwas allein zugesprochen werden kann. Der Totentanz als Ganzes sprach also auch die ganze Gesellschaft an, weshalb hier der Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhoben werden kann.32


3.3 Die Verse bzw. Bildunterschriften

Die eindrucksvollen Totentanzgemälde wurden in den meisten Fällen noch durch Verse beziehungsweise Bildunterschriften in Latein oder der Volkssprache unterstützt. Aufgabe der Verse war es, die im Gemälde dargestellten Vorgänge noch einmal in schriftlicher Form darzustellen. In den Versen wandte sich der Tod an die einzelnen Vertreter der Menschheit, welche ihm jeweils mit einer Strophe antworteten.33 Der Tod erwidert die Antworten der Lebenden ebenfalls in einer Strophe, wobei er sich im letzten Vers bereits an den nächsten Menschen richtet.

Diesem Schema folgen nahezu alle Totentanzgemälde mit ihren dazugehörigen Bildunterschriften, so auch der Lübecker Totentanz von 1489.


4. Der Lübecker Totentanz (1489)

Der Totentanz der Marienkirche in Lübeck aus dem Jahre 1489 ist bis heute einer der berühmtesten Totentanzgemälde des Mittelalters. Schon im Jahr 1701 war das Original von Bernt Notke in einem so schlechten Zustand, dass es im Jahre 1701 komplett kopiert wurde. Auch die kaum noch lesbaren Verse unter dem Gemälde wurden, vor der Kopierung, von Pastor Jacob von Melle abgeschrieben.35 Das kopierte Gemälde wurde schließlich während einem Luftangriff im Jahre 194136 komplett zerstört.

In der Nikolaikirche in Reval ist bis heute noch ein Teilausschnitt eines Totentanzes mit 13 Personen erhalten. Lange war umstritten, ob es sich bei diesem erhaltenen Teil in Reval um einen Ausschnitt des Lübecker Totentanzes handeln könnte. Die Darstellung in beiden Gemälden ähnelt sich an einigen Stellen sehr stark, weshalb die Wissenschaft sich bis heute nicht hundertprozentig sicher ist, in welchem Verhältnis der Lübecker Totentanz zu dem Revaler Totentanz steht.37 Man hat sich weitestgehend darauf geeinigt, dass es sich bei dem Revaler Totentanz um eine eigenständige Replik Notkes handelt, welche später als der Totentanz von Lübeck entstand.



Abbildung 1, Beschreibung und Darstellung des Lübecker Totentanzes nach Kopie von Anton Wortmann (1842)


Die bildliche Darstellung des Lübecker Totentanzes zeigt einen Reigen aus 24 Ständevertretern. Zu sehen sind ein Querflöte spielender Tod, ein sargtragender Tod, der Papst, sowie der Tod abwechseln im Reigen mit Kaiser, Kaiserin, Kardinal, König, Bischof, Herzog, Abt, Ritter, Kartäuser, Bürgermeister, Domherr, Edelmann, Arzt, Wucherer, Kaplan, Amtmann, Küster, Kaufmann, Klausner, Bauer, Jüngling, Jungfrau, dem Sense schwingenden Tod und einem Kleinkind in der Wiege. (s.

Abb. 1)

Die Figuren sind durch ihre spezielle Kleidung eindeutig ihren Ständen zuzuordnen. Insgesamt werden 12 weltliche und 12 geistliche Ständevertreter dargestellt. Möglicherweise sollte durch diese Anzahl an Vertretern die Gesamtheit der Menschen, nach der allegorischen Bedeutung, bestehend aus 12 Propheten des Alten und 12 Aposteln des Neuen Testaments aufgezeigt werden.38

Im Hintergrund kann man die Stadtgrenze von Lübeck mit typischen Merkmalen wie den zwei Türmen der Marienkirche, dem Kaiserturm oder dem Dom, erkennen. (s. Abb: 2)




Geistliche und weltliche Vertreter wechseln sich ab und durch die Ergänzung von Kaiserin und Jungfrau werden auch die Frauen im Gemäldefries repräsentiert. Der Tod spiegelt jeweils den drohenden Tod eines geistlichen oder weltlichen Ständevertreters, sodass wirklich niemand aus dem Geschehen ausgeschlossen wurde. Auffällig ist, dass einige der Lebenden erschreckt schauen und versuchen sich dem Tod zu entziehen, dieser jedoch packt sie und zieht sie in den Reigen aus Lebenden und Toten.

Betrachtet man das Gemälde als Ganzes, so zeugt es von einer gewissen Dynamik. Die Skelette bewegen sich wild und nahezu ekstatisch, was auf eine gewisse Vorfreude schließen lassen könnte, während die Menschen unbeweglich und starr wirken.39 Das rücksichtslose Handeln des Todes stellt die gewaltige Macht des Todes über das Leben jedes Einzelnen dar, die Menschen sind ihm unterlegen und hilflos ausgesetzt.

Zwischen dem Tod und dem Wucherer kann man im Hintergrund zwei Skelette entdecken, welche freudig eine Dame in barocker Kleidung in Richtung des Reigens führen. (s. Abb. 3)




Die Intention könnte auf die Predigt zur Buß- und Fastenzeit zurückgeführt werden, da sich dort ausführlich mit der Vergänglichkeit des irdischen Lebens beschäftigt wurde. Des Weiteren spiegelt das Lübecker Totentanzgemälde ein wichtiges Grundprinzip des 15. Jahrhunderts wieder: die Vorbereitung auf den Tod während des irdischen Lebens. Eindrucksvoll stellt das Gemälde die Willkür des Todes dar.

Wenn der Tod ruft muss diesem Ruf Folge geleistet werden und alles Wehklagen hilft nicht, um sich vor dem Tod zu retten. Eine gewisse Angst vor dem Tod ist in dem Gemälde trotzdem zu erkennen, da ich die Lebenden in Abwehrhaltung dem Tod gegenüber zeigen.


4.2 Zu den Versen des Lübecker Totentanzes

Die Verse des Lübecker Totentanzes liegen in wie Teilen vor, jeder Teil überliefert allerdings nur einen Teil des ganzen Textes. Der Anfang des Textes ist im Revaler Totentanz enthalten. Die zweite Hälfte und einige andere Verse wurden im Lübecker Fragment enthalten. Sicher ist jedoch, dass die beiden Fragmente in Lübeck und Reval einen gemeinsamen Text wiedergeben.40


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