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Hausübung
Geschichte / Historik

Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald - EMAU

2010

Aleksandar E. ©
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Die Ursachen des russisch-livländischen Krieges


Inhaltsverzeichnis Seite


  1. Einleitung 1



1.1  Forschungsstand 1-2


  1. Vorgeschichte 2-3



  1. Ursachen des russisch - livländischen Krieges 3


3.1 Wirtschaftliche Gründe 4-5

3.2 Der Dorpater Zins 5-7


3.3 Die Wiedergewinnung altrussischen Landes 7-10

3.4 Die Persönlichkeit Ivans 10-11


3.5 Religiöse Gründe 12


4. Fazit 12-13


5. Literaturverzeichnis


1. Einleitung


„Der russische Zar hätte den Krieg nie angefangen, wenn er den freien Seeweg für seine Untertanen erreicht hätte.“[1] In der russischen Literatur des 20. Jahrhunderts blieb es bei der These, dass Ivan Groznyj wegen der Beziehungen zum Westen hin, in den Besitz der Häfen gelangen wollte und deswegen der Krieg gegen Livland, im Januar 1558, ausbrach.[2] Er sei ein weitsichtiger, wirtschaftlich orientierter Zar gewesen und da die Livländer ihm den Handel und somit den Zugang zum Westen hin verwehrten, gab es keine Alternative als Livland den Krieg zu erklären.

Denn das Moskauer Russland besaß keinen zur Abfertigung größerer Handelsschiffe geeigneten Ostseehafen.[3] Der Handel mit dem Westen lief deshalb vor allem über die livländischen Hafenstädte, in denen die Bürger von Livland den Handel für die russischen Kaufleute sehr erschwerten. Doch gab es weitere für den Ausbruch entscheidende Gründe, die eine wichtige Rolle für den Übergriff auf Livland gespielt haben könnten.

Hauptsächlich auf eben diese Ursachen soll der folgende Aufsatz eingehen. Ziel der Hausarbeit soll es sein, weitere wichtige Faktoren für den Krieg aufzuzeigen und zu beweisen, dass die wirtschaftlichen Beweggründe nicht der alles entscheidende Auslöser für den 25 Jahre andauernden Krieg gewesen waren.

Dabei wird zunächst ein kleiner Überblick über die sich, in dieser Zeit, veränderten Umstände im Ostseeraum, gegeben. Darauf werden die Ursachen, die zu der Begründung eines wirtschaftlichen Motivs führen, vorgetragen. Anschließend sollen vor allem die anderen Faktoren, wie die sogenannte Vocina-Idee, die „Machtgier“ bzw. Persönlichkeit des Herrschers, der Streit um den Dorpater Zins und kurz auch religiöse Gründe dargelegt werden.


1.2 Forschungsstand


Da Ivan IV. mit seinem Angriff am 22.01.1558 den livländischen Krieg entfesselte, haben vor allem die Beweggründe des Zaren die Forschung von Beginn an interessiert.[4] Das kriegerische Vorgehen Ivan IV. gegen Livland hat nicht verhindert, dass er als der Initiator über lange Zeit überwiegend positiv beurteilt worden ist.

Der Begründer dieser Auffassung ist Sergej Michajlovic Solovev. Er sagt, der Vorstoß des Zaren sei das gewesen was die Zeit erfordert hätte: eine direkte Verbindung mit dem Westen zu erreichen. Die Livlandpolitik Ivans IV. sei wirtschaftlich begründet und weitschauend gewesen. Auch Forsten äußert sich bewundernd über den „weitsichtigen Zaren“, dem es wohl zunächst um die ungestörten Beziehungen zum Westen gegangen sei und später, so Forsten, ging es dann um die Teilnahme am Kampf um das Dominium maris Baltici.[5] Michajlovic Karamzin stellt die Verhinderung des Zuzugs von Fachleuten nach Moskau durch die Livländer als besonders schwerwiegenden Grund für den Ausbruch des Krieges dar.

Viele sowjetrussische Historiker übernahmen diese Auffassung der wirtschaftlichen Begründung des livländischen Krieges. Denn sie entsprach einerseits den marxistischen Ansichten von der wichtigen Bedeutung wirtschaftlicher Faktoren für das historische Geschehen und andererseits der üblichen Verherrlichung Ivans IV., als fortschrittlichen Zaren.

Jedoch gibt es auch andere Meinungen so z.B. Nikolaj Alekseevie Polevoj, der dem Ehrgeiz Ivan Groznyj den livländischen Krieg zuschreibt.[6] Auch Norbert Angermann belegt und erklärt, dass die wirtschaftlichen Vorteile des Besitzes von Livland nicht als entscheidendes Motiv für Moskaus Vorgehen betrachtet werden sollte.

Er hebt stattdessen die Bedeutung der Persönlichkeit Ivans IV. hervor. Des Weiteren betrachtet auch Kirchner die ökonomischen Begründungen als nicht ausreichend und spricht anderen Faktoren wie die Machtgier Ivans und dessen politischen Expansionsdrang eine größere Bedeutung zu. [7]

Dieser Überblick zeigt also das die wirtschaftliche Begründung des Krieges, die man zwar in der Mehrzahl der Veröffentlichungen findet, bei einigen Historikern auf Irritationen traf.


2. Vorgeschichte


Die politischen Verhältnisse im Ostseeraum veränderten sich im Laufe des 16. Jahrhunderts erheblich.[8] In den 1520er Jahren zerbrach endgültig die Kalmarer Union und die Hanse verlor als politischer Bund ihre Bedeutung. In Livland blieb nach Einführung der Reformation eine Lösung der inneren Krise aus und die aufstrebenden Moskauer Herrscher waren zugleich Nachbarn des geschwächten Livland geworden, durch deren Herrschaftsübernahme in Nowgorod 1478 und in Pleskau 1510. Die nun „neuen Mächte“, (u.a. Russland, Norwegen, Schweden) hatten gegenüber vergangener Jahrhunderte beträchtlich an Stärke gewonnen.

Die Länder des Ostseeraumes rückten näher zusammen und das bedeutete die Konflikte verschärften sich. So wurden auch die zwei an Livland angrenzenden und untereinander rivalisierenden Staaten, das Moskauer Großfürstentum und Polen-Litauen, immer stärker und wollten ihre Macht im Baltikum verstärken. [9]Sie wollten jeder für sich den Handelsprofit in die eigenen Hände fließen lassen.

Das Interesse an dieser Region nahm ebenfalls in Dänemark und Schweden zu. Ein Krieg um die Vorherrschaft über die Ostsee wurde unvermeidlich. Alt-Livland selbst war in der Mitte des 16. Jahrhunderts in fünf lose Teilstaaten gegliedert, welche sich oftmals eher feindselig gegenüber standen und daher war das Land ein schwaches Staatengebilde. Nachdem die livländisch-russischen Verhandlungen scheiterten, auf die an anderer Stelle näher eingegangen wird, fielen die Truppen Ivan Groznyjs im Januar 1558 in Livland ein.[10] Diese begannen zwar ausländische Hilfe zusuchen, jedoch versuchte jeder Kleinstaat dies im Alleingang, was schließlich zum Untergang Alt-Livlands führte.[11] So begann der 25 Jahre währende Krieg, der zum Ende der Konföderation und zur Aneignung livländischer Gebiete durch Russland, Polen-Litauen, Schweden und Dänemark führte.[12]

Zu Beginn der Herrschaft Ivans IV. betrug die Fläche seines Landes rund 2,8 Millionen km² zum Ende seiner Regentschaft ganze 5,4 Millionen km².[13]


3. Ursachen des russisch–livländischen Krieges


Mit dem Einmarsch russischer Truppen in Livland sandte Ivan IV. eine Kriegserklärung an die Livländer.[14] In dieser geht er auf die Begründung seines militärischen Vorgehens ein und wies auf drei Forderungen hin, zu denen sich die Livländer verpflichtet hätten, diese dann aber wohl nicht eingehalten hatten. Bei diesen Forderungen handelte es sich um die Übergabe der alten Kirchen an russische Kaufleute, die Zahlung des Stiftes von Dorpat und die Erlaubnis zum direkten Handel der Russen mit ausländischen Kaufleuten in Livland.


Diese Forderungen wurden nicht zufällig in die Kriegserklärung aufgenommen, sie standen damals im Mittelpunkt der vorhergegangenen russisch-livländischen Verhandlungen. Vor allem aber diente die dritte Forderung zur Begründung der These, dass Zar Ivan aus wirtschaftlichen Motiven gehandelt hatte. Es ging ihm um einen „Vorstoß zur Ostsee“ und um bessere und ungestörte Beziehungen zum Westen.

Wie schon gesagt wurde, besaß Russland selbst keinen geeigneten Ostseehafen und so lief der Handel mit dem Westen über Litauen, Finnland, größtenteils jedoch über livländische Hafenstädte.[15] Den russischen Kaufleuten, die nach Livland kamen, wurden viele Schwierigkeiten in den Weg gelegt.[16] Bereits im Vertrag vom Jahre 1503 zwischen dem livländischen Orden und Moskau, hatte Ivan III. den freien und ungehinderten Handel des russischen Staates mit allen Ländern Europas gefordert.[17] Die Obrigkeiten der livländischen Städte hielten diese Abmachungen jedoch nicht ein.

Alle livländischen Städte bemühten sich darum den gewinnbringenden Russlandhandel in ihrer Hand zu monopolisieren. So durften sich die russischen Kaufleute nur in für sie besonders vorgesehenen Stadtteilen und Straßen bewegen. Bereits im Jahre 1510 war es Pskover Kaufleuten verboten, in Riga länger als 14 Tage ein und denselben Lagerraum zu benutzen. Unter diesen Umständen war es für die einheimischen Kaufleute leicht, die Preise für russische Ware zu drücken und den russischen Kaufmann zu schnellen Geschäftsabschlüssen zu bringen.[18] Im Jahre 1557 gaben die Dorpater selbst zu, dass ihre Wieger den russischen Kaufmann einen großen Abbruch brachten.

So wurde dessen Ware von „Zerteilern“ geprüft, diese „zerteilten“ die Ware in Stücke, denn nur so durfte es verkauft werden. Dabei wurde sie so zerschnitten, dass ein großer Abfall entstand, der den „Zerteilern“ zufiel.

In den russisch-livländischen Verhandlungen wurden diese Vorgehensweisen immer wieder diskutiert. 1554 unterzeichnet der Ordensmeister einen Vertrag mit Moskau, in dem er bestätigte, dass die in den livländischen Städten tätigen Kaufleute untereinander Handel betreiben konnten. An dieser Stelle soll erwähnt werden, dass die livländischen Städte für die Erhaltung des Friedens mit dem Großfürstentum Moskau waren und mit ihrem Verhalten keinen Krieg provozieren wollten.

Doch es stellt sich nun hier die Frage ob dieses Motiv bzw. das angestrebte wirtschaftliche Ziel ausschlaggebend war. Moskau war schon Strandherr am Finnischen Meerbusen und konnte sich dort zweier Häfen bedienen: der Nu und Ivangorods.[20] Weiter gibt es in den russischen Akten des 16. Jahrhunderts kein einziges Zeugnis dafür, dass Ivan IV. sich das Ziel gestellt hätte, einen Durchbruch zur Ostsee zu erlangen. [21] Dieser Gedanke stammte eher aus Westeuropa.

Denn für die Existenz ihrer Städte war der Seehandel notwendig.[22] Sie hätten in jedem Fall danach gestrebt, Küsten, Häfen und Faktoreien in ihren Besitz zu bekommen. Sie konnten sich ihre Existenz nicht ohne die zivilisierte Welt Westeuropas vorstellen. So wurde Ivan IV. die Prinzipien und Gedanken der europäischen Politik zugeschrieben.

Andere Kriegsgründe konnte man sich einfach nicht vorstellen.


3.2 Dorpater Zins


Während der Verhandlungen im Dezember 1557, kurz vor Ausbruch des Krieges, einigte man sich hinsichtlich des Handels und des Zuzugs von Fachleuten ohne große Schwierigkeiten.[23] Die Zuspitzung des Konfliktes hing vielmehr an der Frage des Dorpater Zinses. In dieser Angelegenheit wurde von den Livländern die Zahlung eines Zinses verlangt.

Die Dorpater Behörde kannte als einzigen Grund für diese Zinsforderung eine althergebrachte Steuer der Grenzbauern von Neuhausen.[24] Die Zinsforderung Moskaus war demnach darin begründet, dass früher einmal ein Abkommen mit den Russen aus Pleskau getroffen wurde, in dem die Neuhauser Bauern das Recht hatten im Pleskauer Gebiet Honigbäume zu nutzen. Da die Russen von diesen Bäumen jedoch selber Gebrauch machten, wurden die Zahlungen eingestellt.

Die Moskauer begründeten ihre Forderung jedoch damit, im 13. Jahrhundert dem deutschen Orden gestattet zu haben, in diesem Gebiet eine Siedlung zu gründen. Im Gegenzug für das Land sollten sie sich zu Zinszahlungen gegenüber dem russischen Großfürsten verpflichten. Die Forderung einer jährlich vom Dorpater Bischof an den Moskauer Großfürsten zu entrichtenden Abgabe wurde erstmals 1463 in den Vertrag mit Pleskau aufgenommen.[25] Für die Jahre 1464 bis 1474 ist ein solcher Zins gezahlt worden, später folgten jedoch keine Zahlungen mehr.

Bei den Verhandlungen vom 8. Dezember bis zum 11. Dezember 1557 kam es dann zu erneuten Auseinandersetzungen aufgrund des Dorpater Zinses.[27] Die livländische Gesandtschaft verkündete, dass man eine Untersuchung in dieser Angelegenheit vorgenommen habe und diese hätte gezeigt, dass der russische Zar nicht das Recht auf einen Zins hätte.

Der Zar antwortete am 9. Dezember , dass der Dorpater Zins im Vertrag von 1554 angenommen worden wäre und da die Livländer, seiner Meinung nach, auch sonst keinen weiteren Punkt des Vertrages eingehalten hätten, kündigte er an, ein Heer gegen Livland zu senden, das nun fühlen würde, was das Beste für das Land sei. Diesem Standpunkt gegenübergestellt, gaben die livländischen Gesandten nach.

In den folgenden Tagen wurden die Gesandten zu immer höheren Zinszahlungen gezwungen. Nachdem die Zinsfrage endlich geklärt war, ging man dazu über auch die anderen Streitpunkte zu besprechen, bei denen man eine schnelle Einigung erreichen konnte. Es gelang ihnen über die gegenseitigen Handelsverhältnisse in Einklang zu kommen. Als jedoch deutlich wurde das die livländischen Gesandten gar kein Geld bei sich hatten, machte sich Unglaube breit: „ Habenn Ihr den das Gelth nichtt bey euch“ und später „Haben Ihr denn gar nichts by euch“.[28] Die livländischen Gesandten hatten tatsächlich kein Geld bei sich und so wurde ihnen am folgenden Tag befohlen, abzureisen.

Der Ablauf des gesamten Konflikts spricht nicht für die Annahme eines Vorrangs für das wirtschaftliche Motiv.[30] Auch dass die Zinsforderungen kein Vorwand für den Krieg gegen Livland waren, wurde hier nachgewiesen. Der Zar ließ sich auf Kompromisse in den Verhandlungen der Höhe des Zinses ein und er griff nicht sofort Livland an, er nutzte ihre Weigerung den Zins zu zahlen nicht sofort als Vorwand zur Entfesselung des Krieges.[31] Er wollte eine Einigung erreichen, nur nachdem Ivan das Geld nach Ablauf der Zahlungsfrist forderte und sich erwies, das keines da war, ließ er den Aufmarschbefehl erteilen.

Inwieweit da schon der Gedanke an eine ganze Eroberung von Livland gereift war, kann an dieser Stelle nicht beurteilt werden.


3.2 Die Wiedergewinnung altrussischen Landes


Großfürst Vasilij III. und dessen Vater Ivan III., Großvater von Ivan IV., hatten in ihrer langjährigen Herrschaft das „Sammeln russischen Landes“ vorläufig abgeschlossen.[32] Die Eroberung von Smolensk 1514 und die Einverleibung des Fürstentums Rjazán 1521 waren die letzten Etappen gewesen. Sie hatten sich ein mächtiges Reich mit dem Zentrum Moskau geschaffen.

Die Begründung des Herrschaftsanspruchs ergibt sich zum Einen aus der ältesten russischen Chronik.[35] In dieser sind u.a. die Stämme der Esten, Letten und Liven genannt, die an die Rus Tribut zahlten. In derselben Chronik steht, dass Jaroslav der Weise 1030 die Esten besiegt und an der Stelle des späteren Dorpat, die Burg Jurev gegründet hatte. Weiter überliefert sind einzelne Tributzahlungen von Einwohnern Livlands an russische Fürsten.

Man kann davon ausgehen, dass Ivan IV. diese betreffenden Stellen kannte und daraus seine Forderungen stellte. Zum Anderen ergeben sich seine Forderungen aus der Überzeugung, dass vom altrussischen Kiever Reich zum Moskauer Staat eine gewisse Kontinuität bestand. Schon Ivan III. eroberte aufgrund dieser Überzeugung, die von den Litauern erkämpften Westgebiete des altrussischen Staates.

Auch er erhob hier den Anspruch seiner Votcina. So sah wohl auch Ivan Groznyj Livland als das Erbe seiner Väter.

Jedoch wurde dieser Gedanke der Wiedergewinnung altrussischen Landes weder bei den Verhandlungen im Dezember 1557 noch in der Kriegserklärung im Januar 1558 vorgebracht. Auch nach der bloßen Bezeichnung Livlands als „Votcina“ sucht man in den Berichten und sonstigen russischen Aufzeichnungen bis einschließlich 1558 vergebens. So kann davon ausgegangen werden, dass diese Idee erst Ende 1558 oder Anfang 1559 Gestalt annahm.


Günstige Gelegenheiten für einen Angriff wurden von ihm nicht wahr genommen.

Es kann festgehalten werden, dass der Gedanke einer Eroberung ganz Livlands zum ersten Mal unter Ivan IV. gebildet wurde. Vom ersten konkreten Gehalt für diese These ist die Angabe, dass Moskau bei den Verhandlungen von 1550 die Bitte um eine Verlängerung des Vertrages über den Frieden zwischen Livland und Moskau zurückwies.

Dieses Verhalten sollte keine Kriegsabsicht erzeugen. Es war eher ein Versuch, die gestellten Forderungen, nach freiem Handel in Livland und Durchzug von Fachleuten, durch die Ausübung von Druck durchzusetzen. Viel ernster war die Lage in den Verhandlungen von 1554. In denen Ivan angab er sei willens sich den Zins von Dorpat zu holen, wenn diese nicht zahlen würden.

Als die Verhandlungen 1557 wegen des Dorpater Zinses in eine Sackgasse liefen und der Zar damit drohte ein Heer gegen Livland zu schicken, wenn die Livländer nicht die unterzeichneten Forderungen einhielten, waren die ersten Anzeichen für ein militärisches Vorgehen gegen Livland gegeben .[36] Daher kann man davon ausgehen, dass in diesen Jahren durchaus immer wieder Überlegungen bezüglich eines gewaltsamen Vorgehens gegen Livland aufkamen.[37] Nach den russischen Äußerungen hatte der Zar aber nur das Ziel vor Augen, die Forderungen durchzusetzen und den Dorpater Zins zu erhalten.

Obwohl bereits seit dem Frühjahr 1557 russische Truppen an der livländischen Grenze stationiert zu sein schienen, wurde der Beschluss Livland anzugreifen erst Mitte Dezember 1557 getroffen. In der Anfang 1558 abgefassten Kriegserklärung ist immer noch keine Rede von einem Eroberungskrieg.[39] Die am 22. Januar 1558 einfallenden russischen Heere waren den schwachen Kräften Livlands weit überlegen.[40] Sie konnten weder die kleinen Burgen halten, noch das flache Land schützen.

Dorpat wurde drei Tage angegriffen, doch ging es hier wie überall nur um die Verwüstung und das Niederbrennen der Vorstädte. Im Februar zogen sich die Truppen wieder auf russisches Gebiet zurück. Der nur wenige Wochen dauernde Plünderungsfeldzug hatte gezeigt, dass Livland zur Verteidigung nicht fähig war. Wenn Ivan IV. von Beginn an zur einer Eroberung des Landes entschlossen gewesen wäre, hätte er sofort mit der Einnahme bedeutender Städte beginnen können, um der Organisation eines breiteren Widerstandes und dem Eintreffen auswärtiger Hilfe zuvorzukommen.[41] Der militärische Vorstoß stellte wohl zunächst nur die angekündigte Erpressungs- und Strafaktion dar.[42] In der Folgezeit provozierten die Narvaer durch unüberlegte Aktionen Angriffe russischer Truppen.

Eine freiwillige Übergabe der Stadt kam allerdings nicht zustande, doch ein Stadtbrand am 11. Mai bot den Russen die Gelegenheit zum Handstreich, so das eine aus Moskau kommende Gesandtschaft in die russisch besetzte Stadt einzog. [45] Von dem Wunsch ganz Livland zu erobern, erfahren wir erstmals durch den Narvenser Ratsherrn Joachim Krumhausen.[46] Nach seiner Rückkehr aus Moskau 1558 ließ er den Revalern mitteilen, dass Ivan IV. ihm gegenüber geäußert habe, dass er beabsichtige „das ganze Land“ einzunehmen.

Entsprechend dieser Äußerung des Zaren, begannen die russischen Truppen wenige Wochen nach der Einnahme Narvas mit der Besetzung weiterer Städte. Überall gründete er orthodoxe Kirchen, wodurch die Absicht, das Land dauerhaft in Besitz zu nehmen, deutlich wird.

Insgesamt geht aus diesem Verlauf hervor, dass Ivan die Absicht, Livland zu erobern, spätestens Ende April 1558 gefasst hatte.[47] Wie schon erwähnt wurde, sind in den Berichten der russisch-livländischen Verhandlungen und in sonstigen russischen Äußerungen keine Bezeichnungen für Livland als seine „Votcina“, bis einschließlich 1558, zu finden.

Es zeigt sich also auch hier, dass die Eroberungspolitik von Ivan weiterer Gründe bedarf.


3.4 Persönlichkeit Ivan IV.


Um den Ausbruch des Konfliktes zu verstehen, sollte auf die Persönlichkeit Ivan IV. ein Blick geworfen werden.[49] Es soll gezeigt werden, inwieweit persönliche Anliegen und sein Charakter eine Rolle in der Auseinandersetzung spielten. Ivan Groznyj verlor in frühen Jahren seine Eltern, seine Erziehung wurde ab 1547 vom Pope Sil’vestr übernommen.

Diesem gelang es zunächst Ivan IV., der schon in frühen Jahren seine grausame Seite zeigte, einigermaßen unter Kontrolle zu halten. Der Kreis um Sil’vestr, die Izbrannaja Rada (der „Ausgewählte Rat“[50]) konnte in der Folgezeit vor allem mit der Eroberung von Kazan einen großen Erfolg in der Außenpolitik verzeichnen, der Moskauer Staat schien in der ersten Hälfte der 50er Jahre einer ungeahnten Blüte entgegenzutreten.

Die Izbrannaja Rada plante einen weiteren Ausbau in den Osten und wollte einen Krieg mit Livland unbedingt verhindern.

Diese Tatsache weist auch daraufhin, dass seine Politik der der Izbrannaja Rada völlig entgegengesetzt war. Ab wann der Zar über die Außenpolitik allein bestimmte, lässt sich schwer zu ermitteln. Wahrscheinlich gehen schon die Forderungen der Zahlungen des Dorpater Zinses von 1554 auf ihn zurück. Denn bei den russisch-livländischen Verhandlungen des Jahres 1550, in der Zeit als die Moskauer Politik noch von der Izbrannaja Rada bestimmt wurde, traten die Forderungen nach freiem Handel für die russischen Kaufleute und dem Zuzug von Fachleuten in den Vordergrund.[51] Im Gegensatz zu Ivan, den die Lage der russischen Kaufmannschaft wenig interessierte, begünstigte die Rada während ihrer Regierungszeit die Städte und den Handel.

Zar Ivan IV. ging es bei den folgenden Verhandlungen vor allem um die Zahlung des Dorpater Zinses. Sicher lässt sich sagen, dass er 1557/58 über die Politik in Livland bestimmte.[52] Das zeigte sich zum Einen durch sein gekränktes und abruptes Verhalten, als sich herausstellte, das die livländische Gesandtschaft keine Geldzahlungen bei sich trug, was schließlich zum Aufmarschbefehl führte.


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