Maturitätsarbeit
- Klasse A6a / Kantonsschule Zürich Nord
Die Ursachen des Bürgerkrieges im Libanon und
die Relevanz der ausländischen Einflüsse
Inhaltsverzeichnis
1. Vorwort
2. Karte des Libanons
3. Die Vorgeschichte des
Bürgerkrieges
3.1 Geografische
Gegebenheiten
3.2 Frühe Geschichte:
Beziehung der Maroniten und Drusen
3.3 Französische
Mandatsmacht
3.4 Unabhängigkeit und „Nationalpakt“
3.5 Die Bedeutung der
Za’im
3.6 Wirtschaftlicher
Aufschwung und Chehabismus
3.7 Fazit
4. Die Palästinenser als Faktor
im Libanon
4.1 Die
Palästinensische Massenflucht
4.2 Der
Schwarze September
4.3 Palästinenser
im Libanon
4.4 Fazit
5. Die Situation vor
dem Bürgerkrieg
5.1 Maroniten
5.2 Drusen
5.3 Sunniten
5.4 Schiiten
6. Der
Ausbruch des Bürgerkrieges
7. Das
Ende des Bürgerkrieges
8. Der
ausländische Einfluss
8.1 Die Rolle Israels
8.2 Die Rolle Syriens
8.3 Die Rollen USA/Sowjetunion
& der Einfluss des kalten Krieges
8.4 Die Rolle Frankreichs
8.5 Die Rolle Ägyptens
8.6 Die Rolle Irans
8.7 Die Rolle der arabischen
Staaten
9. Fazit
1. Vorwort
In der Geschichte der Menschheit war Krieg praktisch
ununterbrochen im Gange. Oft wurden - zumindest offiziell - Kriege im Namen der
Götter bzw. der Religion geführt, doch in vielen Fällen steht dahinter
territorialer Machtanspruch oder der Zugang zu Rohstoffen. In der folgenden
Arbeit möchte ich untersuchen, ob das auf den libanesischen Bürgerkrieg
ebenfalls zutrifft. War der Krieg wirklich nur ein Kampf zwischen Muslimen und
Christen? Oder steckt mehr dahinter? Ich behaupte, dass ein Krieg, der über ein
Dutzend Jahre gedauert und 90.000 Todesopfer gefordert hat, sich nicht nur auf
einen banalen Religionskonflikt zurückführen lässt. Der ausländische Einfluss
ist ein relevantes Thema bei dieser Arbeit, da sich der Libanon in mitten eines
extremen Spannungsfeldes befindet. Was für eine Rolle spielen Israel und
Palästina, die sowieso immer wieder für Furore in dieser Region sorgen? Oder
Syrien, das nach dem Bürgerkrieg noch bis 2005 im Libanon stationiert blieb?
Hat der kalte Krieg auch noch seine Spuren hinterlassen? Und welche Rolle
spielt Frankreich, die ehemalige Kolonialmacht Libanons? Alle diese Fragen
möchte ich in der folgenden Arbeit behandeln, verständlich darlegen und
erklären.
Ich habe den libanesischen Bürgerkrieg als
Thema ausgewählt, weil mein Vater gebürtiger Libanese ist, den Krieg hautnah
miterlebt hat und in einer Miliz kämpfte. Zuhause wurde praktisch nie über den
Krieg gesprochen, für meinen Vater war es eine traumatische Erfahrung, die er
vergessen wollte. Genau darum wollte ich mehr darüber erfahren. Ich wollte erfahren,
weshalb mein Vater gekämpft hat und nicht einfach geflohen ist.
Schnell sah ich ein, dass sich dieser Krieg
nicht so schnell erklären lässt. Es gab zu viele Parteien, zu viele Gruppen,
die mitgekämpft haben. Mit dieser Arbeit erhielt ich die perfekte Gelegenheit dieser
Sache auf den Grund zu gehen. Um die komplexen Zusammenhänge und die vielen
Gruppen verständlich zu erläutern, werde ich diese Arbeit wie folgt
strukturieren: Zuerst zeige ich die Vorgeschichte zum Bürgerkrieg auf, und
erläutere die wirtschaftliche und politische Lage der wichtigsten nationalen
Gruppen. Danach werde ich die Palästinenser als Faktor im libanesischen System
einbringen und die Auswirkungen des Nahostkonfliktes für den libanesischen
Bürgerkrieg aufzeigen. Der Ausbruch und das Ende des Bürgerkrieges werden
daraufhin präzise erläutert, während der ganze Verlauf des Bürgerkrieges
chronologisch dargestellt wird, da die vielen wechselnden Allianzen den Rahmen
dieser Arbeit bei weitem gesprengt hätten. Die ausländischen Einflüsse werden
am Schluss in einem eigenen Kapitel aufgezeigt. Zuletzt werde ich ein Fazit
ziehen, das meine Thesen widerlegt oder bestätigt. Die Karten am Anfang können
bei allfälligen geografischen Unklarheiten zur Hilfe gezogen werden.
2. Karte des Libanons
In der folgenden Arbeit werden mehrmals
geografische Begriffe verwendet. Diese Karte zeigt die geografischen
Gegebenheiten auf und ist hier eingesetzt um bei allfälligen Unklarheiten
während dem Lesen schnell nachschauen zu können.
3. Vorgeschichte
des Bürgerkrieges
„Aufgrund seiner relativen politischen Ruhe,
seines liberalen Wirtschaftssystem und seiner landschaftlichen Schönheiten
hatte der Libanon lange Zeit als die „Schweiz des Nahen Ostens“ gegolten.“ Beirut
wurde oft als „Paris des Nahen Ostens“ bezeichnet, was sicher treffender ist
als der Vergleich mit der Schweiz. Obwohl sich der Libanon einen Namen als
wirtschaftlich und politisch unabhängigen und ausgeglichenen Staat zwischen der
westlichen und arabisch-islamischen Welt gemacht hat, war diese Unabhängigkeit
und Ausgeglichenheit keinesfalls stabil.
Um die genauen Zusammenhänge und den – für die
Weltöffentlichkeit – unerwarteten Ausbruch erklären zu können, bedarf es einer
Einführung in die Geschichte des Libanons, dessen Konflikte ihren Ursprung
bereits im siebten Jahrhundert hatten.
3.1 Geografische
Gegebenheiten
Ein wichtiger Faktor für die politische
Entwicklung des Libanon sind seine geografischen Gegebenheiten. „Als im siebten
Jahrhundert die Einwanderung der religiösen und ethnischen Gruppen begann,
boten die entlegenen Täler des Libanon-Gebirges den Minderheiten Schutz vor der
Verfolgung und der Kontrolle aufeinanderfolgender muslimischer Herrscher und
Dynastien.“
Dies war die ideale Voraussetzung für die Unabhängigkeit des Landes. Der nahe
gelegene Küstenstreifen am Mittelmeer hingegen bildete eine wichtige Handelsbrücke
zwischen dem islamischen Orient und dem christlichen Abendland.
3.2 Frühe
Geschichte – Beziehung der Maroniten und Drusen
Die
für die historische Entwicklung des Libanon wichtigsten Minderheiten sind die
Maroniten und die Drusen.
Die Maroniten bilden eine christliche Sekte,
die aus der syrischen-antiochischen Kirche hervorgegangen ist. Ihr Name leitet
sich vom heiligen Mönch Maron ab, der Ende des vierten Jahrhunderts gelebt hat.
Im nördlichen Libanongebirge fanden die Maroniten Zuflucht vor den osmanischen
Herrschern. Durch die Kreuzfahrer, die zwei Jahrhunderte lang die heutige
libanesische Küste besetzt hielten, bauten sie sich enge Kontakte zu Frankreich
und dem Vatikan auf. Diese Beziehung wurde bestätigt durch einen Schutzbrief
von Ludwig IX (1250) und die Maroniten standen seitdem ununterbrochen unter dem
Schutz Frankreichs. Die Vereinigung mit der römischen Kirche wurde im Jahre
1181 (endgültig 1736) vollzogen. Dies führte dazu, dass sich die Maroniten mehr
und mehr wie eine europäische, westliche „Nation“ im Vorderen Orient fühlten.
Die
Sekte der Drusen entstand im elften Jahrhundert. Ihre Religionszugehörigkeit ist
durch die strenge Geheimhaltung der drusischen Lehre sehr schwer einzuordnen.
Ursprünglich war sie durch eine Abspaltung des ismailitischen Zweiges des schiitischen
Islams entstanden. Sie siedelten sich im Libanongebirge an, um sich der
Verfolgung der sunnitischen Muslime zu entziehen.
Die Drusen sind ein sagenumwobenes Volk, die
Konvertierung zum drusischen Glauben war nur in den Anfängen der Religion
möglich, heute muss man als Druse geboren werden. Die Drusen glauben im
Gegensatz zu den islamischen Lehren an Reinkarnation, Seelenwanderung und
parallele Welten. Dies zeigt deutlich, dass die Drusen sich nicht als Muslime
verstehen und somit eine eigenständige Religion bilden.
„Die Maroniten und Drusen bilden seit dem
elften Jahrhundert die Mehrheit der Bevölkerung des Libanon-Gebirges, dessen
politische Eigenständigkeit sie in den folgenden Jahrhunderten gemeinsam
verteidigten.“ Im Jahre 1627 vereinigten sich Drusen und Maroniten, es entstand
das Emirat Libanon [unter der Zentralgewalt des osmanischen Reiches], die
Grundlage des heutigen Libanon.
Im 19.Jahrhundert verschlechterte sich die Beziehung durch die Rebellion der
vorwiegend maronitischen Bauern gegen die mehrheitlich drusischen Feudalherren.
Im Jahre 1860 kam es schliesslich zu Massakern, bei denen etwa 3000 Christen
starben. Immer wieder wurden sie durch die sozialen Probleme der Bauern oder
durch die religiösen Differenzen begründet, doch schon damals zogen die
imperialistischen Mächte ihre Fäden im Libanon. Der nahe Osten wurde für die
westlichen Mächte wirtschaftlich immer interessanter und im Namen von
Hilfeleistungen für die eine oder andere Partei versuchten sie sich wichtige
Verbündete zu sichern. Am meisten Einfluss übten Frankreich auf der Seite der
Maroniten und England auf der Seite der Drusen aus. Unwichtiges Dorfgezänk
konnte zu einem internationalen Konflikt hochstilisiert werden, da zu dieser
Zeit Frankreich und England bereits die kleinste Provokation als einen
Kriegsgrund werteten. Auf französischen Druck hin wurde dann das Emirat Libanon
aufgelöst und es entstand der kleinere „Mont Liban“, das von einem christlichen
Gouverneur geleitet wurde, der jedoch immer noch dem osmanischen Reich
unterstand. Dies veranlasste viele Drusen zur Auswanderung aus dem
libanesischen Gebirge nach Syrien. Nun bildeten die Maroniten die Mehrheit der
Bevölkerung im Libanongebirge.
3.3 Französische
Mandatsmacht
Im Sykes-Picot Abkommen von 1916 teilten England
und Frankreich den Grossraum Syrien/Palästina als ihre künftigen Einflusszonen
auf, da der Untergang des osmanischen Reiches praktisch besiegelt war. Entgegen
dem Wunsch der arabischen Nationalisten eines gross-arabischen Reiches, wurde
1920 die türkische Fremdherrschaft durch eine neue Fremdherrschaft ersetzt und
es wurden künstliche Grenzen gezogen. Das Territorium des „Mont Liban“ wurde
durch die Angliederung von Gebieten mit vorwiegend muslimischer Bevölkerung
erweitert. Es entstand der heutige Libanon. Frankreich wollte sich mit der
Unterstützung der Maroniten eine solide Basis für seine Politik im Vorderen
Orient schaffen und schuf damit die Voraussetzungen für künftige Konflikte.
Die
Maroniten wollten ihren Sonderstatus auch im neuen grossen Libanon erhalten und
auch auf keinen Fall an ein Grosssyrien angegliedert werden, wo sie bloss eine
Minderheit bilden unter der hauptsächlich muslimischen Bevölkerung.
Die
neu angegliederte muslimische Bevölkerung empfand keinerlei Loyalität gegenüber
dem Libanon, da sie sich als ein arabisches Volk empfand, welches ihrer Meinung
nach ein Grosssyrien bilden sollte. Ein libanesischer Nationalismus blieb somit
vor allem auf die Maroniten beschränkt.
Die Drusen waren über Palästina, Syrien und
Libanon verteilt und somit einer panarabischen Lösung nicht abgeneigt.
3.4 Unabhängigkeit
und „Nationalpakt“
Auch
der in den 30er Jahren gemeinsame Kampf gegen die französische Mandatsmacht zur
Erlangung der Unabhängigkeit vermochte kein allgemeines libanesisches
Nationalbewusstsein zu schaffen. Obwohl auch Teile der muslimischen Bevölkerung
den Libanon gegenüber einem Grosssyrien als wirtschaftlich vorteilhafter
betrachteten, tendierte die allgemeine muslimische Haltung eher Richtung
Panarabismus.
„Das
[…] Regierungssystem [bis zum Bürgerkrieg] beruht auf der am 23.Mai 1926 in
Kraft getretenen und seitdem mehrfach geänderten Verfassung und dem
„Nationalpakt“ vom Herbst 1943, der, obwohl niemals schriftlich fixiert, in der
politischen Praxis gleichsam zu einem Teil der Verfassung geworden ist. Die
Verfassung garantiert jedem Bürger das Recht, nach Eignung und Leistung ein
öffentliches Amt zu bekleiden, andererseits ist jedoch nach den Vereinbarungen
des „Nationalpakts“ die Verteilung der Ämter in Regierung und öffentlicher
Verwaltung nach einem festgelegten konfessionellen Proporz geregelt. […] Nach
den Regelungen des „Nationalpakts“ ist der Staatspräsident stets ein Maronit,
der Ministerpräsident ein Sunnit, der Parlamentspräsident ein Schiit, und die
Stellvertreter des Ministerpräsidenten und Parlamentspräsidenten sind
Griechisch-Orthodoxe. Für die Verteilung der Parlamentssitze wurde ein
Verhältnis von 6:5 der Christen gegenüber den Nicht-Christen bestimmt, das sich
auf das Ergebnis der […] Volkszählung aus dem Jahre 1932 stützt.“ Dieses
konfessionelle System schien damals die beste Lösung, doch dabei wurden einige
kritischen Punkte nicht beachtet:
Die
Religion wird wichtiger als die Fähigkeiten der Menschen eingestuft. Nehmen wir
zum Beispiel die Protestanten: Im
Libanon sind nur etwa 2% der Bevölkerung protestantisch. Hat sich somit ein
Protestant in den Kopf gesetzt Politiker zu werden, bleibt ihm nichts anderes
übrig als die Religion zu wechseln, da alle Ämter schon den verschiedenen
ethnisch-konfessionellen Gruppen zugeteilt wurden. Somit kommt es bei einer
Bewerbung nicht auf die Diplome oder die persönliche Eignung, sondern auf die
Religion an, obwohl im Libanon nicht weniger als 17 verschiedene
Religionszugehörigkeiten staatlich anerkannt sind.
„Diese
Religionszugehörigkeit bestimmte nicht nur den politischen Werdegang sondern
auch das Privatleben: Jede Gruppe unterhielt eigene Schulen, Jugend- und
Sportklubs und blieb somit unter sich.“
Auch alles was das Familien- und Erbrecht angeht, wird nicht vom Staat
geregelt, sondern fällt in den Bereich der religiösen Gerichtsbarkeit.
Im sozialen Bereich versagte der libanesische
Staat auf ganzer Linie. Jegliche Hilfe von sozialen Einrichtungen kam von jeder
ethnisch-konfessionellen Gruppe selbst. Die grösste sunnitische
Wohlfahrtsorganisation beispielsweise unterhielt über 100 schulgeldfreie
Schulen, eine Lehrerausbildungsstätte und ein Krankenhaus. Sie unterstützt Waisen,
Studenten, alte Leute und übernahm Beerdigungskosten. Kein Wunder also, dass
die Treue zuerst an die eigene ethnisch-konfessionelle Gruppe geht und nicht an
den libanesischen Staat. In einer Krisensituation, bei der man gezwungen ist
zwischen Staat und Religion zu entscheiden, verliert also meistens der Staat. Der
„Nationalpakt“ hat praktisch das Gegenteil von dem bewirkt was er hätte
bewirken sollen. Anstatt eine Nation zu bilden, trieb er die verschiedenen
ethnisch-konfessionellen Gruppen immer weiter auseinander und trennte die
Libanesen systematisch. Er gibt lediglich vor, dass die Christen sich nicht an
den Westen anlehnen und die Muslime sich nicht panarabisch orientieren sollten.
Das Zusammenleben zwischen den religiösen Gruppierungen regelt er aber in
keinster Weise.
Und genau hier spielten die Za’im eine bedeutende Rolle.
3.5 Die
Bedeutung der Za’im
Za’im ist arabisch und kann mit
Führungsperson, Leader oder hier auch Clanführer übersetzt werden. Das
politische System im Libanon wird grösstenteils von einer Führungselite
bestimmt, die aus den feudalen Verhältnissen entstanden ist oder sich an den
traditionellen Strukturen angelehnt hat. Die alten feudalen Familien wurden,
nachdem die Feudalwirtschaft aufgelöst wurde, politisches Sprachrohr für ihre
Region oder ethnisch-konfessionelle Gruppe. Diese Za’im beherrschen ein
Distrikt mit Mafia-ähnlichen Methoden, ohne dass die Staatsgewalt jemals
eingegriffen hat. Dafür vertreten sie in der Politik die Interessen der
Menschen in diesem Gebiet oder der jeweiligen ethnisch-konfessionellen Gruppe
und verschaffen ihnen wirtschaftliche Vorteile. Soziale Versicherungen wie
Kranken- und Altersversorgung, Arbeitslosen-unterstützung und andere
Soziallleistungen, die nicht vom Staat garantiert waren, haben diese Za’im
durch eine Art Patronatsrolle ermöglicht und sich so die Unterstützung ihrer
Anhänger gesichert. Anstatt wie früher abhängig durch Pacht- und
Lehensverhältnisse, wurden die Menschen durch Kredite oder Lohnarbeit abhängig
gemacht. Das konfessionelle System unterstütze die politische Macht dieser
Za’im zusätzlich. Da auch die traditionelle Beziehung zur Familie und der
jeweiligen ethnisch-konfessionellen Gruppe sehr hoch ist, erhielten diese Za’im
eine immens grosse Macht. In den Städten waren diese Za’im weniger
einflussreich als auf dem Land oder in den Bergen, da man durch die hohe
Bevölkerungsdichte viele verschiedene Za’im auf kleinerem Gebiet hatte und
somit die Menschen bei Unzufriedenheit schnell einen Anderen unterstützen
konnten. Mit der Zeit gestalteten sie auch ein politisches Programm oder eine
ideologische Richtung um ihre Anhängerschaft zu vergrössern. Zum Beispiel
gründete der Drusenfürst Kamal Dschumblatt die Progressive Sozialistische
Partei, hätte aber niemals eine Reform zur Enteignung der Grossgrundbesitzer
durchgeführt, da er in seiner Heimatregion selbst der grösste
Grossgrundbesitzer war.
Durch diese Za’im vermischten sich Politik, Religion
und Geschäft miteinander, was die verschiedenen ethnisch-konfessionellen
Gruppen noch weiter auseinander trieb. Oft unterhielten diese Za’im eigene
Privatarmeen, die bei allfälligen Konflikten sich auch in friedlicheren Zeiten beschossen.
Durch dieses enorme Vertrauen in die Clanführer entstanden im Krieg dann die
Milizen. Die Anhänger schlossen sich einfach der Privatarmee des jeweiligen
Za’im an, kämpften für dessen bzw. ihre Interessen und konnten durch den Sold
ihren Lebensunterhalt sichern. Deshalb hielt auch kein Waffenstillstand während
dem Krieg lange an, da die Milizsoldaten der Za’im dann nichts verdienten.
Die persönliche Bereicherung der Za’im
überrascht in keinster Weise, wenn man bedenkt dass im Libanon die Korruption
eine allgemein anerkannte Tatsache war. Ende Juli 1975 wurde ihr Ausmass in
einem libanesischen Pressekommentar beschrieben: „Jeder Politiker im Libanon
wisse, dass seine Machtbasis auf Korruption gegründet sei, er nehme an ihr Teil
in jeder Weise und fördere sie zu seinem eigenen Vorteil. Ohne korrupte Beamte,
so wird ein ungenannter Politiker zitiert, könne er seinen Wählern und
Anhängern nicht dienlich sein; umgekehrt wüssten diejenigen die einen Politiker
um Unterstützung bäten, dass in keinem Ministerium und in keinen Abteilung der
öffentlichen Verwaltung ohne die Zahlung von Schmiergeldern etwas zu erreichen
sei. Der Libanon, so heisst es da, sei gemessen am Umfang seines
Beamtenapparates vermutlich eines der korruptesten Länder der Welt.“
3.6 Wirtschaftlicher
Aufschwung und Chehabismus
Die fünfziger Jahre waren von enormem
wirtschaftlichem Aufschwung in den Städten wie Beirut oder Tripolis
gekennzeichnet, was vor allem auf die Handlungsfreiheit der Unternehmen zurückgeführt
werden kann. Beirut wurde zur Handelsmetropole Nummer eins im Nahen Osten,
während der ländliche Teil des Libanons in krassem Gegensatz dazu stand, da der
Staat die Landwirtschaft nicht unterstütze. Die landwirtschaftlichen Gebiete, die
erst seit 1920 dem Libanon angegliedert wurden wie z.B. die Bekaa-Ebene oder
der Südlibanon, hatten weitaus höhere Analphabetenraten und ein grösseres Bevölkerungswachstum.
Durch den folgenden riesigen Zustrom von unausgebildeten Lohnarbeitern in die
moderneren Städte entstanden immer mehr Slums. Deswegen entwickelte der
libanesische Staatspräsident von 1958-1964 Fouad Chehab eine soziale und
wirtschaftliche Reformpolitik. Er bekämpfte mit Subventionen für die
Landwirtschaft und neuen Schulen die soziale und ökonomische Ungerechtigkeit. Das
markanteste Vorhaben war die Anlage eines Stausees des Litaniflusses zur Bewässerung der Bekaa-Ebene. Dieser
machte die Region zu einer Hochburg des Gemüseanbaus, und brachte somit viele
wirtschaftliche Vorteile für die Kleinbauern, was die Urbanisierung abschwächen
sollte. Auch wurde eine Quotenregelung nach Konfession und Region im Staats-dienst
eingeführt um die Ämter gerechter aufzuteilen. Er schuf eine libanesische
Zentralbank um Wirtschaftskrisen besser einzudämmen und einen Geheimdienst um
die immer stärker werdenden Parteimilizen zu infiltrieren und zu schwächen, da
er einer Eskalation vorbeugen wollte. All diese wirtschaftlichen,
gesellschaftlichen und politischen Verbesserungen führten zu vielen neuen
Aufstiegsmöglichkeiten, die aber die Macht der traditionellen Za’im immer
weiter einschränkte. Auch sahen die rechts denkenden Christen durch den
folgenden wirtschaftlichen Ausgleich zwischen den verschiedenen
Religionsgemeinschaften ihren Sonderstatus im Libanon immer mehr gefährdet, was
dazu führte, dass mit dem Amtsantritt von Suleiman Franjieh 1970 der
Chehabismus beendet und die meisten Reformen wieder rückgängig gemacht wurden.
Die Modernisierung schritt in den Städten somit weiter voran, während die
Landbevölkerung zurückblieb.Unter den sozial
benachteiligten Gruppen verbreitete sich die Auffassung, dass die Änderung der
wirtschaftlichen Lage nur durch eine Änderung im politischen System erreicht
werden kann. Somit entstand durch das anfänglich sozial-ökonomische Problem ein
politischer Konflikt, der in einem Religionsstreit gipfelte, da die
schiitisch-muslimische Landbevölkerung sich gegenüber den modernen,
wirtschaftlich liberalen Maroniten immer mehr benachteiligt fühlte. Es
wäre wahrscheinlich die letzte Möglichkeit gewesen den drohenden Krieg abzuwenden.
Der Abbruch der Verhandlungen gilt heute als einer der Hauptgründe für den
Bürgerkrieg.
3.7 Fazit
Es herrscht ein extrem labiles Gleichgewicht durch den
„Nationalpakt“, das nicht gestört werden darf. Sobald die muslimische Masse zur
Mehrheit anwächst, werden die Maroniten ihren Sonderstatus, den sie aufgrund
des „Nationalpaktes“ haben, aufgeben müssen. Zusätzlich wird die politische
Lage durch ein sozio-ökonomisches Ungleichgewicht zwischen Land und Stadt
verschärft, was sich leicht in einen religiösen Konflikt entladen kann, da die
ländlichen, armen Schiiten (durch Propaganda animiert) oft die liberalen,
westlichen Christen als Feindbild sehen, weil durch sie der Chehabismus zu
Gunsten der freien Marktwirtschaft beendet wurde. Die Modernisierung findet
praktisch nur in den Städten statt und treibt einen Keil zwischen die Land- und
Stadtbevölkerung. Ein libanesisches Nationalgefühl ist praktisch nur auf Seiten
der Maroniten vorhanden, die Mehrheit der Muslime ist panarabisch gestimmt und
durch die Herrschaft der Za’im wird die Religion und die Familie über den Staat
gestellt. Der Libanon bildet nach 1970 ein Pulverfass, das bei den kleinsten
zusätzlichen Problemen zu explodieren droht. Der arabisch-israelische Konflikt sorgt
für weiteren Zündstoff in der Region. Zusätzlich ist der Libanon ein strategisch
wichtiges Einflussgebiet, das für die Europäer zu einem der wenigen westlich
orientierten Länder in dieser Region gehört.
4. Die
Palästinenser als Faktor im Libanon
Die Palästinenser, die im Verlauf der
Gründung des Staates Israel vertrieben wurden, spielten eine wichtige Rolle für
den libanesischen Bürgerkrieg. Doch was waren überhaupt die Gründe für die
palästinensische Massenflucht in den Libanon?
4.1 Palästinensische
Massenflucht
Die verschiedenen Massaker, die radikale
Umsetzung der zionistischen Ideologie, und Resignation als auch Panik sind
Gründe für die starke Flucht von Palästinenser aus dem britischen
Mandatsgebiet. Das brutale Vorgehen der israelischen Armee - sowie der Siedler -
vertreibt immer mehr Palästinenser von ihrem Land. Früher noch mit dem Libanon
und Syrien vereint, wurde es nach dem ersten Weltkrieg den Briten als
Mandatsgebiet übertragen und ist nach dem zweiten Weltkrieg zu Gunsten Israels
fast ganz von der Weltkarte gewichen. Bereits in den ersten zwei Jahren nach
der Gründung Israels flüchteten rund 80% (ca. 700‘000) der im damaligen israelischen
Gebiet lebenden Araber in die umliegenden Staaten. Diejenigen die geflüchtet
waren, wurden in Lager nahe der israelischen Grenze interniert und haben,
unterstützt durch die Rhetorik arabischer Führungspersonen, bis heute ihre
Hoffnung nicht verloren in ihre ursprüngliche Heimat zurückzukehren. Wichtig zu
wissen ist auch, dass die Integration in den umliegenden Ländern, mit Ausnahme
der gebildeten und wohlhabenden Palästinenser, weitgehend verhindert wurde.
4.2 Der schwarze September
Als schwarzen September oder jordanischen
Bürgerkrieg werden die Gefechte von 1970 zwischen der jordanischen Armee und
palästinensischen Guerillakämpfern (sogenannte Fedayeen) bezeichnet. Nach dem
Sechstagekrieg von 1967 verschlechterten sich die arabischen Beziehungen
untereinander deutlich. Den Arabern wurde bewusst, dass sie die israelische
Militärstärke und Organisation bei Weitem unterschätzt haben und dass Israel
nicht einfach zu beseitigen ist. Die verschiedenen arabischen Staaten
zersplitterten und suchten die Schuld an der Niederlage jeweils bei anderen
arabischen Ländern. Auch die Beziehung zwischen der „Palestine Liberation
Organization“ (kurz: PLO) und dem jordanischen Königshaus litten zunehmend. In
den palästinensischen Flüchtlingslagern in Amman entstand mit der Zeit ein
Staat im Staate. Die jordanischen Sicherheitskräfte hatten keine Gewalt mehr
über die bewaffneten Fedayeen, die sich unter Yassir Arafat, seiner Fatah-Partei,
der PLO und diversen Splitterorganisationen gebildet haben. Es kam zu
wiederholten Waffengefechten zwischen den verschiedenen Parteien, sogar zu
innerpalästinensischen militärischen Konflikten. Arafat, seit 1969 neuer Führer
der PLO, erklärte zwar mehrmals die Nichteinmischung in jordanische
Angelegenheiten, doch er hatte zu wenig Macht, um dies bei allen
Splittergruppen durchzusetzen. Die Volksfront zur Befreiung Palästinas (kurz
PFLP) führte in den nächsten Jahren mehrere Provokationen wie Flugzeugentführungen
durch, welche sogar von Yassir Arafat gutgeheissen wurden um die
palästinensische Einheit zu fördern. Dies wiederum brüskierte das jordanische
Königshaus und es gipfelte in einem Bürgerkrieg. Innerhalb der jordanischen
Armee kam es zu Spannungen, da etwa 5000 Soldaten und Offiziere zu den
Palästinensern überliefen. Gleichzeitig griffen die Syrer noch zu Gunsten der
palästinensischen Freischärler ein, was zu einem Hilferuf des jordanischen
Königs Hussein und zu israelischen Armeeverstärkungen an der syrischen Grenze
führte. Unter dem ägyptischen Präsidenten Nasser kam es zu Verhandlungen
zwischen König Hussein und Yassir Arafat, die in einem beidseitigen
Truppenabzugsabkommen endeten. Die palästinensischen Freischärler zogen nach
Syrien ab, wo sie weiter in den Libanon abgeschoben wurden. Niemand wollte den palästinensischen
Gefahrenherd in seinem Land, da er beängstigend bewaffnet war und die
Konfrontation mit Israel garantierte.
4.3 Die
Palästinenser im Libanon
Die militanten palästinensischen Freischärler
waren nun hauptsächlich im Libanon stationiert. Der Libanon bildete den idealen
Stützpunkt für ihre terroristischen Operationen gegen Israel, da die politische
Situation sehr labil war und somit leicht auszunutzen und der Südlibanon an
Israel grenzt. Die Gefahr eines Staats im Staate wuchs zunehmend, doch die
Haltung diesbezüglich war unter den Libanesen sehr unterschiedlich.
4.3.1
Reaktion der Schiiten
Die schiitische Bevölkerung war vorwiegend im
Südlibanon ansässig und wie wir wissen wirtschaftlich Beirut völlig unterlegen.
Als nun die Palästinenser vom Südlibanon aus verschiedene terroristische
Angriffe gegen Israel lancierten, wurde der Südlibanon zunehmend Opfer von
israelischen Vergeltungsschlägen. Dies verstärkte die Landflucht der Schiiten,
die nach Beirut abwanderten und dort den Slumgürtel um die Stadt herum
anwachsen liess. Die wirtschaftliche Lage in Beirut wurde durch die vielen
Arbeitslosen angespannter. Der Hass der ungebildeten schiitischen Bevölkerung
gegen die Oberschicht wuchs. Er entlud sich, unterstützt durch die Propaganda
von radikalen, rhetorisch begabten Führern auf die Christen im Libanon und den
Westen. Diese verkörperten Wohlstand und Macht, und waren Schuld am grossen sozialen
Gefälle. Der anfängliche Hass gegen die Palästinenser wandelte sich mit der
Zeit. Im Verlauf des Bürgerkrieges kooperierten die palästinensischen
Freischärler oft mit schiitischen Milizen.
4.3.2
Reaktion der Sunniten
Die grosse Mehrheit der palästinensischen
Bevölkerung sind sunnitische Muslime und wurde somit von der sunnitischen
Bevölkerung im Libanon mit offenen Armen empfangen. Obwohl 1920 Palästina,
Syrien und Libanon voneinander getrennt wurden, blieb bei den sunnitischen
Libanesen die Haltung, dass die Palästinenser ihre Brüder sind und somit in der
aktuellen Notlage, in der sich die Palästinenser befanden, unterstützt werden
müssen. Die Loyalität der meisten sunnitischen Muslime gehörte nicht dem Staat
Libanon, sondern ihren Glaubensbrüdern. Sie unterstützten die Palästinenser und
hatten keine Angst von einem Staat im Staate.
4.3.3
Reaktion der Christen
Der
„Nationalpakt“ der besagt, dass sechs Christen fünf Muslimen im Parlament
gegenüberstehen, beruft sich auf eine Volkszählung im Jahr 1932 und
rechtfertigt den Sonderstatus der Maroniten, da sie die grösste
ethnisch-konfessionelle Gruppe war. Bis zum Bürgerkrieg wurde keine weitere
Volkszählung durchgeführt, doch es war klar, dass die Schiiten, wenn nicht
sogar die Sunniten, die Maroniten überholt haben. Die Maroniten wollten dies
nicht wahrhaben und beschützten ihren Sonderstatus im Libanon. Die Schiiten
repräsentierten um diese Zeit etwa 20% der Bevölkerung, waren aber nur durch
etwa 10% schiitischer Parlamentsabgeordnete vertreten. Was hat dies nun mit den
Palästinensern zu tun?
Die Palästinenser waren grösstenteils sunnitische
Muslime. Wenn jetzt ein Konflikt zwischen den Muslimen und Christen um die
politische Stärke im Libanon ausbrach, wussten die Christen, dass die
Palästinenser, die militärisch nicht zu unterschätzen sind, auf Seiten der
Muslime eingreifen würden. Sie befanden sich in einer Zwickmühle, einerseits
wollten sie nicht viele Palästinenser einbürgern, da sonst das extrem labile
Gleichgewicht im Libanon zu Gunsten der Muslime (vor allem der Sunniten) kippen
würde. Andererseits wuchs durch die Nichteinbürgerung der Palästinenser die
Gefahr eines Staates im Staate. Die Christen wollten die Palästinenser nicht im
Libanon, da sie die Palästinenser als ein anderes Volk betrachteten und die
Christen durch sie ihre Souveränität im Libanon gefährdet sahen.
4.3.4
Reaktion der Drusen
Die Drusen hatten keine Probleme mit den Palästinensern,
da die Drusen zurückgezogen in den Bergen lebten. Dorthin kamen sie kaum.
Solange ihr Territorium in den Bergen in Ruhe gelassen wurde, liessen sie auch
die anderen in Frieden.
4.4 Fazit
Die Palästinenser waren sich der Situation im
Libanon genauestens bewusst und wussten, falls die Christen gegen sie und ihre
Operationen gegen Israel eingriffen, die übrigen Libanesen sich auf ihre Seite
schlagen. Hier sieht man eindeutig das fehlende Nationalbewusstsein der
muslimischen Bevölkerung für den Libanon. Das Sykes-Picot Abkommen wurde für
den Libanon immer mehr zum Verhängnis. Die Spannungen zwischen Sunniten und
Maroniten wuchsen, genauso wie die Spannungen zwischen den Schiiten und
Christen.
5. Situation
vor dem Bürgerkrieg
Die Spannungen zwischen den jeweiligen
Gruppen stiegen, die verschiedenen Clans rekrutierten immer mehr Milizen,
welche im Ernstfall zu den Waffen greifen konnten. Zum Überblick erwähne ich hier
die politische und ökonomische Stellung, die Interessen und allfällige
Verbündete der jeweiligen Konfessionen. Im Anschluss befindet sich eine Karte,
welche die Bevölkerungsanteile der jeweiligen Konfessionen von 1932 und 1985
zeigt und deren Verteilung auf die verschiedenen Gebiete während dem
Bürgerkrieg. 1985 ist der Bürgerkrieg zwar seit langem im Gange, doch die
jeweiligen Siedlungsgebiete waren schon vor dem Bürgerkrieg in etwa so, nur
vermischter. Die Angst ausgeraubt, geplündert oder getötet zu werden von einer
andersgläubigen Miliz, trieb die Menschen vermehrt in Gebiete, in welchem ihre Glaubensbrüder
die Oberhand hatten.
5.1 Maroniten
Durch ihre traditionelle Rolle im Libanon und
aber vor allem durch ihre damalige Mehrheit in der Bevölkerung, erhielten sie
1932 einen politischen Sonderstatus. Der Staatspräsident sollte folglich immer
ein Maronit und die Verteilung der Sitze im Parlament 6:5 zu Gunsten der
Christen sein, von denen die Mehrheit den Maroniten zusteht. Durch den enormen
Zuwachs der muslimischen Bevölkerung verloren sie ihre Bevölkerungsmehrheit und
damit ihren Anspruch auf ihren politischen Sonderstatus. Doch diesen wollten
sie nicht hergeben und rechtfertigten ihn mit ihrer traditionellen Rolle im
Libanon. Ökonomisch hatten die Maroniten ebenfalls die beste Position: die
Oberschicht war zwar durchmischt und konnte nicht einer Konfession zugeordnet
werden, doch die obere Mittlerschicht ist mehrheitlich christlich bzw.
maronitisch, während die unteren Schichten mehrheitlich muslimisch waren. Die
meisten von ihnen hatten ein sehr liberales Denken. Eingriffe in die Wirtschaft
waren nicht gerne gesehen. Sie siedelten sich vor allem im Libanongebirge und
im Norden des Libanons an. In Beirut waren sie vorwiegend im Osten ansässig. Ab
1976 wurde die Hauptstadt in ein christliches Ost- und in ein muslimisches
West-Beirut geteilt.
Sie hatten mehrere unterschiedliche Milizen,
die im Bürgerkrieg meistens miteinander kooperierten, genauso wie praktisch
alle anderen christlichen Milizen. Die westlichen Mächte wurden als ihre
Verbündeten angesehen, auch wenn sie neutral als Friedenstruppen stationiert
wurden. Am Anfang des Bürgerkriegs verbündeten sie sich mit Syrien, während sie
später eher auf Israel als Verbündeten zählen konnten.
5.2 Drusen
Die politische Stellung der Drusen war trotz
ihrer traditionellen Rolle im Libanon sehr schwach, da sie nur noch einen
kleinen Anteil der Bevölkerung stellen konnten. Sie stellten weder den Staats-,
den Minister-, noch den Parlamentspräsidenten und auch im Parlament waren sie
entsprechend schwach vertreten. Somit sollte das Argument von der
traditionellen Rolle für eine entsprechend starke politische Stellung zwar für
die Maroniten, doch nicht für die Drusen gelten. Ökonomisch waren die Drusen
ziemlich durchmischt, sie liessen sich am ehesten am Mittelstand zuordnen.
Viele von ihnen waren Bauern, oft waren noch feudal-ähnlich Zustände an der
Tagesordnung. Dies erklärt auch ihr Hauptsiedlungsgebiet im Libanongebirge.
Der Drusenfürst Kamal Djumblatt mit der Progressiven Sozialistischen Partei
war eine wichtige Führungspersönlichkeit im Bürgerkrieg. Israel war den Drusen nicht
abgeneigt, da sie selbst eine relativ grosse drusische Gemeinde stellten,
jedoch erhielten die libanesischen Drusen auch Unterstützung durch syrische
Waffenlieferungen. Mit den Muslimen gab es fast keine Streitigkeiten, ihre
Kampf-handlungen beschränkten sich meistens auf ihre traditionellen
christlichen Feinde.
5.3 Sunniten
Die Sunniten waren den Maroniten gegenüber politisch
benachteiligt, sie hatten aber immer noch eine bessere Position als die
Schiiten. Sie wollten, dass die Bevorzugung der Christen im Parlament beendet
wurde, da sie zusammen mit der restlichen muslimischen Bevölkerung die Christen
bei Weitem überholt hatten. Ökonomisch waren sie nicht schlecht gestellt, der
grösste Teil der Bevölkerung gehörte dem Mittelstand an, wenn auch eher im
unteren als im oberen Bereich. Sie lebten vor allem in West-Beirut, im Norden
Libanons um und in Tripolis herum, sowie in der südlichen Bekaa-Ebene. Ihre
wichtigsten Verbündeten waren die Palästinenser. Als Gegenleistung unterstützen
die Palästinenser die Interessen der Sunniten im Libanon. Syrien war
theoretisch auch ein Verbündeter, doch dazu mehr im Kapitel „Ausländischer
Einfluss“.
5.4 Schiiten
Die Schiiten stellten am Anfang des Krieges
den grössten Anteil der Bevölkerung, sie konzentrierten sich vor allem im
Südlibanon und in der Bekaa-Ebene. Mit der Vertreibung der Palästinenser in den
Südlibanon und der folgenden Gewaltzunahme durch palästinensisch-israelische
Gefechte an der Grenze, verstärkte sich die Urbanisierung. Sie litten an der
fortschreitenden urbanen Modernisierung, da sie dafür noch zu rückständig
waren. Sie bildeten eine ungebildete, arme, politisch benachteiligte
Unterschicht, die sich von den feudalen Verhältnissen nie richtig losgelöst hat.
Sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen sind anfälliger für politische
Propaganda und so begannen politische Führer arm mit muslimisch und reich mit
christlich zu assoziieren. Am Anfang des Bürgerkrieges hatten die Schiiten noch
keinen grossen Einfluss und sie setzten sich zusammen mit den Sunniten für mehr
politische Rechte der Muslime ein. Doch mit der Revolution im Iran 1979
erwachte der Stolz der schiitischen Gemeinschaft und zwei sehr starke Milizen
bildeten sich heraus, die Amal und die Hisbollah. Ihre Hauptziele war der
politische Einfluss des Islams zu erhöhen, ihre ökonomische Stellung zu
verbessern und die Zerstörung Israels. Darum verbündeten sie sich trotz anfänglichen
Schwierigkeiten schliesslich mit den Palästinensern. Abgesehen vom Iran hatten
sie keine weiteren Verbündeten.
6. Der
Ausbruch des Bürgerkrieges
Die sprichwörtliche Lunte am libanesischen
Pulverfass kam aus einer Ecke von der man sich im Libanon eigentlich Besserung
versprach. Der „Petrodollar-Boom“ nach der Energiekrise 1973 brachte viel Geld
in das Land. Der plötzliche Anstieg des Reichtums galt jedoch nur der
Oberschicht im Land und das soziale Gefälle vergrösserte sich. Viele Banken
eröffneten neue Filialen in Beirut und zahlreiche Unternehmen wurden durch die
westliche Finanzwelt aufgekauft. Es entstand eine positive Handels- und
Bankentendenz, doch die Unterschicht ging mit leeren Händen aus. Die liberale
Wirtschaftspolitik Franjiehs hätte Kehrtwende machen müssen und wie Chehab in
seiner Amtszeit die Armen mit Investitionen unterstützen. Doch der Boom kam zu
unerwartet und Franjiehs Regierungspolitik beschäftigte sich vor allem mit dem
Problem der Palästinenser im Libanon. In Sidon, einer Hafenstadt nördlich von
Beirut, demonstrierten Fischer gegen eine grosse Fischereigesellschaft, die den
Reichtum der Unternehmer und Besitzenden fördern, aber ihre Arbeit gefährden
würde. Diese Fischereigesellschaft bot Camille Chamoun den Platz als
Vorsitzender an. Camille Chamoun war ein sehr einflussreicher christlicher
Za’im und damit schürte sich der Hass der Unterschicht gegen die Christen. Die
Regierung entschied sich bei der Demonstration Sicherheitskräfte einzusetzen,
welche beim Versuch die Meute mit Schüssen in die Luft zu vertreiben, den
Bürgermeister von Sidon tödlich traf. Diese Ereignisse entzündeten den Bürgerkrieg
am 25. Februar 1975. Die Milizen von Sidon leisteten mit Hilfe der
palästinensischen Freischärler erbitterten Widerstand gegen die Armee und die
Sicherheitskräfte. Daraufhin solidarisierten sich die Kataib und die Tigermiliz,
zwei paramilitärische Organisationen christlicher Za’im, mit der Armee. Die
offene Unterstützung der christlichen Milizen für die Armee gegen die
muslimische Unterschicht bewirkte, dass die libanesische Armee von den meisten
Libanesen nicht mehr als neutral, sondern als Handlanger der Christen
betrachtet wurde. Die Schlacht der politisch- und sozial-benachteiligten
Muslime mit Unterstützung der Palästinenser gegen die christlichen Milizen hat
begonnen.
7. Das
Ende des libanesischen Bürgerkrieges
Nach über ein Dutzend Jahren Krieg wurden die verschiedenen
Milizen kampfmüde und Israel zog ab, während Syrien im Libanon stationiert
blieb. 1988 konnte sich das libanesische Parlament nicht auf einen Nachfolger
für Amin Gemayel einigen, also ernannte es den General Michel Aoun zum
Regierungschef. Aoun hatte die Nase von der syrischen Besatzung voll und
erklärte den Befreiungskrieg. Aoun genoss kaum Unterstützung in der Bevölkerung,
die keinen weiteren Krieg wollte. Eine muslimische Gegenregierung wurde ausgerufen
und der ebenfalls maronitische Milizenführer Samir Geagea stellte sich auf die
Seite Syriens. Im Oktober 1990 wurden die Truppen Aouns vernichtend geschlagen
und das im Oktober 1989 ausgehandelte „Abkommen von Taif“ wurde in Kraft
gesetzt. Unter der Friedensvermittlung von Saudi Arabien wurde dabei das Amt
des maronitischen Staatspräsidenten erheblich eingeschränkt und die meisten
exekutiven Aufgaben nahmen von nun an das Parlament oder der Ministerpräsident
an. Die Aufgabenbereiche des schiitischen Parlamentssprechers wurden ausgedehnt
und seine Amtszeit auf vier Jahre verlängert. Die 6:5 Formel im libanesischen
Parlament wurde durch eine 1:1 Formel ersetzt, d.h. gleich viele Muslime wie
Christen müssen im Parlament vertreten sein. Das konfessionelle System wurde
jedoch nicht abgeschafft. Des Weiteren sollten die Bürgerkriegsmilizen
entwaffnet und zu regulären Parteien umgewandelt werden. Eine neue Armee wurde
mit Hilfe Syriens aufgebaut. Libanon erlangte keine vollständige Souveränität, sondern
wurde praktisch zum Protektorat von Syrien. Die syrischen Truppen blieben bis
2005 im Libanon und wurden erst nach der Ermordung des libanesischen Politikers
Rafiq al-Hariri durch internationalen Druck abgezogen.
8. Der
ausländische Einfluss
„Die Wurzel unserer Tragödie ist das Unrecht,
welches dem palästinensischen Volk durch den Zionismus zugefügt wurde. Die
Folgen daraus spürt der Libanon tief in seinem Fleisch. Für einen Fehler, den
er nicht begangen hat, zahlt er einen ungeheuren Preis, der seine Existenz und
seine Zukunft bedroht. Aber die Tragödie hat ihren Ursprung auch in den
arabischen Gegensätzen, die sich auf unserem Boden herausgeschält haben. Wenn
die Palästinenser von den verschiedenen arabischen Regimen besser behandelt
worden wären, hätte der Libanon nicht all die Katastrophen erleiden müssen,
denen er immer noch ausgesetzt ist. […] Angesichts der Reichhaltigkeit der
Waffenarsenale, die sich im Besitz der Palästinenser befanden, wurde eine
Gruppe der libanesischen Bevölkerung von Angst ergriffen. Tatsächlich wurden
sie Zeugen, wie sich eine Bewegung herausbildete, die sich ihrem Staat
entgegenstellte. Damit nicht genug, drängten sich die Palästinenser in die
inneren Angelegenheiten ihres Gastlandes, in dem sie die Forderungen der einen
Bevölkerungsgruppe gegen die der anderen ausspielten.“
Elias
Sarkis, ein libanesischer Staatspräsident, fasste 1976 in diesem Abschnitt das
anfängliche Geschehen des libanesischen Bürgerkriegs sehr eindrucksvoll
zusammen. Doch werden Sie beim Lesen der Chronologie merken, je länger der
Bürgerkrieg dauerte, umso mehr Namen anderer Länder kommen darin vor. Ab dem
„Litani-Feldzug“ der Israelis werden die sozialen oder politischen Probleme der
ethnisch-konfessionellen Gruppen praktisch nebensächlich.
Wie
bereits erläutert, ist der Libanon seit seinem Ursprung ausländisch beeinflusst
(s. Vorgeschichte des Bürgerkriegs). Am Anfang spielten vor allem Frankreich
bei den Maroniten und die Engländer bei den Drusen eine wichtige Rolle. Nach
dem Zusammenbruch des osmanischen Reiches und der Entstehung des heutigen
Libanon durch eine massive Erweiterung der Grenzen rund um den „Mont Liban“,
wurde der Libanon ein französisches Mandatsgebiet. Durch die künstlich
geschaffenen Grenzen und der Teilung der sunnitischen Bevölkerung bzw. der
teilweisen Angliederung der Sunniten zu dem maronitisch/drusischen „Mont Liban“
und durch den „Nationalpakt“ entstand ein Konfliktpotenzial, das sich
schliesslich im Bürgerkrieg entlud. Doch auch ohne die Palästinenser war der
ausländische Einfluss im Libanon gross. Vom kalten Krieg zwischen der USA und
Sowjetunion in jener Zeit wurden auch die Libanesen nicht verschont und die verschiedenen
arabischen Länder hatten beim Eingreifen in den Bürgerkrieg nicht nur
Friedensabsichten, genauso wenig wie Israel nur der „Sicherheit wegen“ im
Libanon einmarschiert ist.
Darum werde ich zu den involvierten Ländern
jeweils eine kurze Erklärung ihrer Absichten und Ziele erarbeiten.
8.1 Die
Rolle Israels
Die
Israelis betrachteten den Libanon grundsätzlich als „Israels freundlichster
Nachbar“, da sich die Maroniten und Israel als Bollwerk des Westens in der
muslimisch-arabischen Welt betrachteten. Der Libanon ist darum in Bezug auf den
Nahost-Konflikt auch relativ neutral eingestellt. Doch schon vor der Gründung
Israels wussten die Zionisten um das Wasserproblem in der Region. Deshalb war
Israel schon immer am Litanifluss im Libanon interessiert. Ursprünglich war das
Ziel die nördliche Grenze Israels am Litanifluss zu positionieren, doch
Frankreich, als traditionelle Schutzmacht des Libanon, legte Widerspruch ein.
Die Israelis waren schon immer gute Strategen und darum war es auch kein
Zufall, dass sie Syrien nur nördlich des Litani operieren liessen und dass sie
die „Operation Litani“ starteten. Der Zionismus und die damit verbundene Vertreibung
der Palästinenser waren sicherlich der Hauptgrund für den Auslöser des
Bürgerkrieges. Vielleicht wäre es auch ohne die palästinensischen Freischärler
zu einem Bürgerkrieg gekommen, doch er hätte sich nicht so lange hingezogen und
man hätte ihn durch einige politische Reformen wieder stoppen können. Die
Invasionen Israels im Libanon waren Gründe, warum der Bürgerkrieg so lange
andauerte. Israel wollte mit Gewalt die Anerkennung ihres Staates vom Libanon
erzwingen als „Gegenleistung“ für die Hilfe an den Maroniten, welche das Amt
des Staatspräsidenten innehaben. Doch Gemayel erkannte, dass der Libanon,
sobald er ein solches Abkommen mit Israel unterzeichnen würde, von den anderen
arabischen Staaten isoliert würde und die Gewalt im Krieg zugenommen hätte.
Deshalb scheiterte auch das Abkommen vom 17.Mai 1983.
8.2 Die
Rolle Syriens
Syrien
ist der traditionelle „grosse Bruder“ des Libanons. Die sunnitischen Libanesen
fühlten sich stark zu Syrien hingezogen und viele träumten von einem
grossarabischen Staat. Demnach hätte Syrien theoretisch so in den Konflikt
eingreifen müssen, dass die Muslime gewinnen und der Libanon (oder wenigstens
ein Teil davon) sich Syrien anschliessen konnte.
Doch
praktisch sah alles ganz anders aus. Syrien unterstützte zwar die libanesischen
Linke und die Palästinenser mit Waffen, doch nur damit die Christen keinen Sieg
davontrugen. Denn aus syrischer Sicht wäre ein Sieg der muslimischen Linken
genauso eine Katastrophe wie eine Teilung des Libanons zwischen den muslimischen
und christlichen Milizen. Diese war seit 1976 schon fast vollzogen, da durch
die gegenseitigen Massaker in West-Beirut praktisch nur noch die muslimische,
und in Ost-Beirut nur noch die christliche Bevölkerung wohnte.
Ein
Sieg der Muslime würde für die Sowjetunion, welche damals Syrien mächtig
unterstützte, bedeuten, dass sie nun ein strategisch wichtigeres Regime in
Beirut statt in Damaskus unterstützen konnten, da der Libanon näher beim „amerikanischen“
Israel liegt, was einer Herabstufung des Regimes in Syrien zur Folge hätte. Ausserdem
wollten die Syrer kontrollieren ob und wann sie in einen Krieg mit Israel
verwickelt werden würden. Die Gefahr, dass die heissblütigen sunnitischen
Palästinenser und Libanesen in einen Krieg mit Israel verwickelt werden und
somit auch Syrien ungewollt in den Krieg hineingezogen würde, war zu gross. Ein
sunnitisch-muslimisches Regime wäre eine direkte Einladung für einen Einmarsch
Israels und gleichzeitig ein wichtiger Partner seines Erzfeindes Irak, was
Syrien unbedingt vermeiden wollte. Auch die Teilung des Libanons in einen
maronitischen Kleinstaat (ähnlich wie der früherige „Mont Liban“) und in einen
muslimischen Staat war keine Option für sie, sogar wenn der muslimische Teil
Syrien angegliedert würde. Syrien war froh, dass sie die palästinensischen
Freischärler im Libanon stillschweigend gegen Israel unterstützen konnten ohne
dafür direkt in Verantwortung gezogen zu werden. Auch der maronitische
Kleinstaat wäre Syrien ein Dorn im Auge, da das Risiko bestände, dass die
vielen Minderheiten (wie z.B. die Kurden, Armenier) in Syrien selbst auch einen
eigenen Staat wollten.
Die Syrer waren somit lediglich an einem
Kompromiss zwischen den verschiedenen Konfliktparteien interessiert. Sie
konnten im Februar 1976 die Maroniten darum zu einem politischen Zugeständnis
bewegen, nämlich, dass das Parlament künftig gleichviele Muslime wie Christen
beinhalten sollte und dass der sunnitische Ministerpräsident nicht mehr vom
maronitischen Staatschef, sondern vom Parlament ernannt wird. Doch der
Drusenfürst Kamal Djumblatt und die libanesische Linke wollten sich damit nicht
zufrieden geben. So marschierten die Syrer auf der Seite der isolierten
Christen im Libanon ein, da sie sich keinen Sieg der Muslime erlauben konnten.
8.3 Die Rollen USA/Sowjetunion & der
Einfluss des kalten Krieges Die
USA als Schutzherr der Israelis und die Sowjetunion als enger Verbündeter von
Syrien setzten ihren Machtkampf auch im Libanon fort. Die Maroniten als
Vertreter der westlichen Werte im Nahen Osten hatten schon seit etwa einem
Jahrtausend ihre Bündnispartner in Europa und seit neuerer Zeit auch in den
USA, die allgemein als die „Beschützer“ der westlichen Werte galten. Das
wachsende Nationalbewusstsein der muslimischen Araber suchte jedoch nach
politischen Alternativen und da kam ihnen die Sowjetunion entgegen. Die
Amerikaner hatten mit Israel einen wichtigen Partner im Nahen Osten, da wollten
die Sowjets ebenfalls im Nahen Osten vertreten sein.
Die USA wollten lange Zeit militärisch nicht im
Libanon eingreifen, um eine allfällige Konfrontation mit der Sowjetunion zu
vermeiden und nicht ein „zweites Vietnam“ erleben zu müssen. Als die Amerikaner
intervenierten, griffen sie nur zusammen mit anderen Ländern in Form einer
multinationalen Friedenstruppe ein. Doch für die muslimischen Linken kam ein
Eingriff der USA mit einer Unterstützung der Maroniten gleich, da beide die
westlichen Werte vertraten. Vor allem die schiitischen Milizen, die radikaler
waren als die sunnitischen, verabscheuten Amerika als Satan und beteiligten
sich somit an Attentaten gegen die US-Soldaten und –Botschafter. Ebenso die
Palästinenser, welche die USA mit Israel praktisch gleichsetzten.
Ein wichtiger Grund für das Unterlassen einer
militärischen Operation im Libanon war das Erdöl. Sollten die Amerikaner auch
nur annähernd als Feind der Muslime hinüberkommen, konnten die Ölscheichtümer
den Hahn zudrehen, was die USA nicht riskieren wollte. Die Sowjetunion
beteiligte sich hauptsächlich mit Waffenlieferungen an die PLO und an Syrien,
hielt sich ansonsten eher zurück und überliess seiner rechten Hand in Damaskus
den Vortritt. Nur durch diesen wichtigen Bündnispartner stiegen die Syrer
überhaupt zu einer solch mächtigen Rolle auf im libanesischen Bürgerkrieg. Ohne
die Sowjets im Rücken hätten sich die USA kaum von den Syrern in ihren
Bestrebungen nach einer Friedenslösung zwischen Israel und Libanon bemühen
lassen.
Die Sowjetunion handelten nach dem Prinzip
„Weniger ist mehr“ und standen am Ende damit besser da als die USA, welche sich
im Libanon die Hände mit ihren Friedenstrupps für nichts schmutzig machten.
8.4 Die
Rolle Frankreichs
Die Franzosen verminderten ihren Einfluss im
Libanon nach dessen Unabhängigkeit 1943 relativ drastisch. Früher eine riesige Schutzmacht,
die auch bereit war militärisch zu operieren, war Frankreich zur Zeit des
Bürgerkrieges lediglich mit Italien und der USA in der multinationalen
Friedenstruppe involviert. Trotzdem sass der Hass bei den muslimischen
Libanesen gegenüber den Franzosen immer noch im Blut und sie sahen sie als
Verbündete der Maroniten. Ohne am Bürgerkrieg direkt teilzunehmen, war
Frankreich mit der Festsetzung der Grenzen im Libanon im Jahr 1920
hauptverantwortlich für den Ausbruch des Bürgerkriegs. Mit einer politisch
klügeren Festsetzung der Grenzen hätte man die religiös-motivierten politischen
Probleme verhindern können. Doch so weit dachte man damals nicht. Die
imperialistische Ideologie stand im Vordergrund.
8.5 Die Rolle Ägyptens
Ägypten war zwar am Bürgerkrieg selbst nicht beteiligt und doch spielt es eine
entscheidende Rolle. Einerseits rief der ägyptische Präsident von 1954-1970,
Gamal Abdel Nasser, eine extrem panarabische Strömung ins Leben, die nicht
unwichtig war für den Libanon. Ägypten vereinigte sich zusammen mit Syrien von
1958 bis 1961 zur Vereinigten Arabischen Republik. Ursprünglich war der Plan,
dass noch andere Staaten eingebunden werden sollten, doch die Republik
scheitert, da die Ägypter den Syrern zu wenig Macht gaben. Diese nasseristische
Strömung fand auch im Libanon seine Anhänger und war nicht unbedeutend für das
Zusammengehörigkeitsgefühl der sunnitischen Libanesen und deren Orientierung
nach Syrien. Andererseits sorgte der Kurswechsel unter dem ägyptischen Präsident
Sadat und der Friedenspolitik gegenüber Israel für Empörung in der arabischen
Welt. Jedes Mal wenn die Ägypter einem Frieden mit Israel näher kamen, nahmen
die Kämpfe im Libanon zu, weil die Palästinenser den Fokus im Nahostkonflikt weg
von Ägypten und auf den Libanon richten wollten.
8.6 Die
Rolle des Irans
Als der Aufstieg des Ayatollah Chomeini und
die islamischen Revolution im Iran begann, blühten die Schiiten auf, da der
Iran nun seit 50 Jahren das erste grössere Land in der arabischen Welt war, das
wieder von einem radikalen-schiitischen Regime geführt wurde. Die Propaganda
des Ayatollah Chomeini war perfekt gemacht für die oft übergangene, schiitische
Unterschicht in ganz Arabien. Schon bald bildeten sich im Libanon die
schiitischen Milizen der „Amal“ und „Hizbollah“ und an allen Wänden der
schiitischen Viertel in Beirut war das Konterfei Chomeini’s zu sehen. Sie
verbündeten sich mit den palästinensischen Fedayeen und sie unterstützten sich
gegenseitig gegen die libanesischen Christen und Israel. Eine riesige Masse an
Armen und Ungebildeten - für radikal-islamische Propaganda offene - schiitische
Schicht erwachte, welche von den Vertretern der westlichen und kapitalistischen
Ideologien übergangen worden war. Diese Bewegung kam fliessend mit der
israelischen Invasion 1982 und löste heftige Kämpfe aus.
8.7 Die
Rolle der arabischen Staaten
So brüderlich wie die Araber untereinander sein
konnten, genauso konnten sie zerstritten und egoistisch sein. Als die
israelische Invasion im Libanon begonnen hatte, wollte Präsident Sarkis die
anderen arabischen Staaten zu einem Sondergipfel zusammenrufen. Erst als die
Israelis bereits in den Aussenbezirken Beiruts standen, reagierten die Saudis
und probierten zu retten was es zu retten gab, während die anderen arabischen
Staaten noch 3 Wochen darüber „diskutierten“ ob die Situation Anlass genug für
ein „Sondergipfel“ sei oder ob es auch mit einer Konferenz „auf mittlerer
Stufe“ getan wäre. Die Beiruter Radiostation „Stimme von Palästina“ drückte es
so aus: „ Die arabische Solidarität ist eine grosse Lüge, die arabische Welt an
sich ist schon eine Lüge – und die sogenannte Standhaftigkeits- und
Konfrontationsfront sind auch Lügen.“
Die arabischen Staaten halfen weder dem Libanon, das neben den
palästinensischen Freischärlern, den dutzenden Milizen, auch die syrische und
israelische Armee auf ihrem Land stationiert hatten, noch den palästinensischen
„Brüdern“, die sich ohne Staat in Beirut zurückgezogen hatten und von allen
Seiten bekämpft wurden.
9.
Fazit
Im
Verlauf der Geschichte des Libanons wurden viele Fehler gemacht, die sich
ansammelten und in einem Bürgerkrieg entluden. Waren es nun hauptsächlich
religiös-bedingte Konflikte oder steckten wirtschaftliche, politische und
gesellschaftliche Ambitionen dahinter? Und welche Fakten sind auf ausländischen
Einfluss zurückzuführen?
Das
erste Spannungsfeld kann man schon fast als traditionell bezeichnen, nämlich
der Kampf um das Libanongebirge zwischen den Maroniten und Drusen. Auf den
ersten Blick ein Religionskonflikt, ging es vor allem um territoriale
Ansprüche.
Einer der schwerwiegendsten Fehler, vor allem
Urheber von vielen zukünftigen Problemen, war das Sykes-Picot Abkommen von
Frankreich und Britannien. Die Trennung der sunnitischen Muslime durch die Teilung
Libanon/Syrien/Palästina und damit deren Angliederung in einen pro-westlich
orientierten, bis anhin mehrheitlich christlich/drusischen Staat, schuf ein
Konfliktpotenzial, das früher hätte erkannt werden müssen.
Mit dem Kampf um die Unabhängigkeit des
Libanons entwickelte sich leider praktisch kein Nationalgefühl, was auf die
Za’im und die grosse Loyalität der Bevölkerung gegenüber ihrer jeweiligen
konfessionellen Gruppe zurückzuführen war. Doch hier versagte der Staat durch
das Fehlen einer nationalen Sozialpolitik und verstärkte somit den Zusammenhalt
der einzelnen ethnisch-konfessionellen Gruppen in den folgenden Jahren.
Der „Nationalpakt“ und das konfessionelle System
im Libanon waren für die Zukunft des Landes verhängnisvoll, da es voraus zu sehen
war, dass es durch eine Änderung der Bevölkerungsschichten zu einer politischen
Veränderung für bzw. gegen eine ethnisch-konfessionelle Gruppe kommen würde. Dass
sich dies in einen militärischen Konflikt entladen konnte, war durch die
schwache libanesische Armee und durch die paramilitärischen Organisationen der
verschiedenen Parteien und Za’im nicht weiter verwunderlich.
Das wirtschaftliche Elend der Schiiten hätte
durch den Chehabismus aufgehoben werden können, doch schliesslich setzte sich
hier mit der Frandjieh-Regierung ein liberales Denken durch, was sich im Unmut
der Schiiten gegenüber den Maroniten entlud. Der wirtschaftliche Konflikt wurde
schnell zu einem religiösen Problem propagiert und durch die schiitische
Revolution im Iran erheblich gefördert.
Die nationalen Probleme sind somit nicht nur
religionsbedingt, sondern entstanden durch verschiedene Folgen der
imperialistischen Politik Frankreichs, verstärkt durch die gesellschaftliche
Struktur der Za’im, der hohen Loyalität gegenüber der eigenen ethnisch-konfessionellen
Gruppe und den wirtschaftlichen Problemen zwischen urban und feudal bzw. den
liberalen Maroniten und den ärmlichen Schiiten. All das wäre genug Zündstoff
für einen Bürgerkrieg, doch kamen noch verschiedenste ausländische Einflüsse
dazu.
Die Flucht der Palästinenser in den Libanon
war eine vor Folge des Zionismus. Dieses Problem wurde erheblich verstärkt
durch die schlechte Behandlung der Palästinenser durch die anderen arabischen
Staaten. Die maronitischen Libanesen sahen sich nach dem schwarzen September
nicht gezwungen den Palästinensern zu helfen, doch der sunnitische
Bevölkerungsteil war stark verbunden ihnen. Dies entzweite die
ethnisch-konfessionellen Gruppen zustätzlich, was von den palästinensischen
Freischärlern ausgenutzt wurde um ihre letzte militärische Position nahe Israel
zu festigen.
Im weiteren Verlauf des Bürgerkrieges wurden
die Fronten durch den Zerfall der Armee und später durch die Revolution im Iran
und der somit verbundenen Auferstehung der schiitischen Milizen verhärtet. Die
arabischen Staaten zeigten sich handlungsunfähig und waren dem Libanon keine
Hilfe, genauso wenig die internationalen Friedenstruppen, die nicht als neutral
angesehen wurden. Syrien war nur an seinem eigenen politischen Profit
interessiert. Der Zusammenhalt von den früheren „Brüdern“ Libanon und Syrien
zerbröckelte immer mehr. Durch die Annäherung Ägyptens an Israel, wurde für die
maronitische Regierung Israel ein interessanter Bündnispartner. Dies weitete
sich schliesslich zu einem Konflikt zwischen Syrien und Israel auf
libanesischen Boden aus, was den Bürgerkrieg erheblich verlängerte. Vor allem
da Israel die USA und Syrien die Sowjetunion im Rücken hatten. Der kalte Krieg
hinterliess auch im Libanon seine Spuren genauso wie die israelische Politik
und deren territorialen Machtansprüche.
Mit der Vertreibung der palästinensischen
Freischärler, dem Rückzug Israels und dem damit verbundenen Wegfallen des
Spannungsfeldes Syrien-Israel im Libanon, entschärfte sich die Situation im
Libanon und die Kämpfe konnten durch einen politischen Kompromiss zwischen den
verschiedenen ethnisch-konfessionellen Gruppen beruhigt werden. Somit kann ich
meine These als bestätigt ansehen: sobald die ausländischen Einflüsse auf ein
Minimum eingedämmt wurden, beruhigte sich die Situation im Libanon erheblich.
Frankreich verursachte die nationalen Spannungen, während Israel (mit der USA
im Rücken) und Syrien (mit der Unterstützung der Sowjetunion) im Verlauf des
Krieges für eine wesentliche Verschärfung des Konflikts sorgten. Somit war der
Bürgerkrieg im Libanon weniger ein „Religionskrieg“, sondern mehr ein Konflikt
zwischen verschiedenen ethnisch-konfessionellen Milizen als Folge der
imperialistischen Politik Frankreichs, der von weiteren ausländischen
Einflüssen verstärkt wurde.
10. Anhang
Im Anschluss
befindet sich die Chronologie der Ereignisse des Bürgerkrieges. Ich habe jetzt über
20 Seiten Theorie über den libanesischen Bürgerkrieg verfasst und ich
realisierte dabei, dass dabei die brutale Realität der Betroffenen nicht
sichtbar wird. Man möge einfach der 90.000 Todesopfer gedenken. Egal welche
Vorteile und Nachteile die jeweiligen Seiten erreichten, die Verlierer waren
die Opfer auf allen Seiten und die Zerstörung durch den Krieg. Viele Teile des
Landes, unter anderem auch das Eisenbahnnetz, wurden zerstört und nicht mehr
aufgebaut. 800‘000 Libanesen sind von ihrer Heimat geflohen und die Wirtschaft
brauchte Jahrzehnte um sich wieder einigermassen zu regenerieren.
2006 noch einmal durch einen Krieg mit Israel
zurückgeworfen, rückt heutzutage Beirut immer mehr wieder in die Position einer
wirtschaftlichen und kulturell interessanten Stadt für ausländische
Investitionen und Touristen. Doch für eine attraktive und stabile wirtschaftliche
Position, muss sich nicht nur der Libanon profilieren, sondern der ganze Nahe
Osten (wie auch der Westen), da bis heute das Gleichgewicht zwischen den
arabisch-muslimischen und westlich-christlichen Werten gehalten und der
ausländische Einfluss eingedämmt werden muss. Mit der aktuellen Situation in
Syrien und wird dies nicht möglich sein, da es eine Destabilisierung für den
ganzen Nahen Osten bedeutet. Speziell im Libanon an den syrischen Grenzen in
Städten wie Tripoli, wo dieselben ethnisch-konfessionellen Milizionäre wie in
Syrien bereits gegeneinander zu den Waffen gegriffen haben. Sobald sich die
Situation im nahen Osten beruhigt und es eine mehr oder weniger akzeptierte
Lösung im Nahost-Konflikt gibt, wird Beirut wieder zur Metropole. Es besteht
kein Zweifel, dass im schönen Libanon wo die Berge und das Meer so nahe beisammen
liegen und die kulturellen Schätze so vielfältig sind wie fast nirgendwo sonst,
der Tourismus wieder aufblühen wird. Der „Tagesanzeiger“ schrieb bereits 2010,
als die Lage mehr oder weniger ruhig war: „ «Die
Schweiz des Nahen Ostens» steht wieder für Tourismus statt Terrorismus. Seitdem
sich die politische Lage entspannt hat, locken die pulsierende Metropole Beirut
und die Kulturdenkmäler in Baalbek und Byblos Millionen Neugieriger in den
Libanon.“
10.1
Chronologischer Verlauf des Bürgerkrieges
1975:
13.
April
Attentatsversuch auf Pierre Gemayel
(christlicher Za’im) vermutlich durch palästinensische
Freischärler.
Falangisten (christliche Miliz unter Pierre
Gemayel) massakrieren als Gegenschlag wenig später Palästinenser in einem Bus (
27 Tote, 19 Verwundete).
30.
Juni
Nach Intensivierung der Gefechte bildet
Raschid Karame (sunntischer Ministerpräsident) ein 6-köpfiges Kabinett mit
Camille Chamoun.
Bis
Ende 1975
Kämpfe toben unverändert weiter und haben
sich auch auf andere Landesteile wie z.B. Tripoli ausgeweitet.
1976:
Januar
Christliche Milizen beginnen mit der Blockade
der palästinensischen Flüchtlingslager. Daraufhin beteiligen sich grössere
PLO-Einheiten am Bürgerkrieg und beginnen mit der muslimischen
„Nationalbewegung“ die christliche Stadt Damour zu belagern.
18.
Januar
Die Falangisten nehmen das Elendsviertel
Karantina ein. Die muslimische Bevölkerung wird niedergemetzelt oder muss das
Gebiet verlassen.
19.
Januar
Syrien schickt Einheiten der
„Palästinensischen Befreiungsarmee“ (PLA) in den Libanon.
20.Januar
Als Reaktion auf das Massaker von Karantina
massakrieren die Palästinenser die Einwohner von Damour (mehrere hundert Tote).
Dies führte zur weitgehenden Flucht von vielen Muslimen und Christen in andere
Viertel, es entstand ein christliches Ost-Beirut und ein muslimisches
West-Beirut.
14.
Februar
Der libanesische Staatspräsident Suleiman
Frandijeh kündigt ein Reformprogramm an, welches Syrien als Kompromisslösung
vorgeschlagen hatte.
Achmed Khatib der Gründer der LAA sagt zum
Lösungsvorschlag: „It does not provide a fundamental solution to the Lebanese
crisis, and the minor reforms it proposes are not commensurate with the
sacrifice that has been made. In any case, the civil war is not over as neither
side has achieved what it wanted.”
März
Die libanesische Armee zerfällt in die LAA
(Libanesische Arabische Armee) mit muslimischen Offizieren und in die LLA
(Libanesische Befreiungsarmee), dem christlichen Gegenstück zur LAA.
11.
März
Brigardier Aziz Ahdab versucht einen
Militärputsch. Frandjieh weigert sich abzutreten, da seine Regierungsperiode
noch bis im September laufen würde. Mit der Hilfe der Miliz seines Sohnes
bleibt er im Präsidentenpalast.
13.
März
Parlamentsabgeordnete verlangen den Rücktritt
von Frandjieh.
8.
Mai
Elias Sarkis wird von den anwesenden
Repräsentanten in Baabda als Präsident gewählt, wobei die Syrer bei der Fahrt
nach Baabda nur diejenigen schützten, deren Unterstützung Sarkis auf sicher
hatte.
1.
Juni
Syrische Truppen marschieren zu Gunsten der
Falangisten in den Libanon ein, da sich auch nach diesem politischen Wandel
noch nichts an den Kämpfen geändert hat. Angesichts der Notlage und auf
amerikanische Veranlassung hin zieht Israel seine Drohung zurück bei syrischem
Einmarsch in den Libanon auch ihre Truppen zu entsenden, solange die Syrer sich
nördlich des Litani-Flusses aufhalten.
Rund um den Libanon haben sich jetzt
amerikanische, irakische und sowjetische Truppen eingefunden um ihre
militärische Präsenz aufzuzeigen.
12.
August
Die Falangisten stürmen das Flüchtlingslager
Tall az-Zaatar, die Einwohner werden niedergemetzelt.
14.
November
Syrer marschieren in Beirut ein. Die Lage in
Beirut beruhigt sich, von manchen Seiten gilt der Bürgerkrieg als beendet. Die
Armee wird restauriert.
Exkurs:
Südlibanon bis 1978
Die Palästinenser verlieren unter der
Kontrolle der Syrer jegliche Macht in Beirut und ziehen sich in das Gebiet
südlich des Litani zurück, wo keine syrischen Truppen stationiert sind. Eine
Entwaffnung der Milizen findet nur ungenügend statt, die christlichen Milizen
wollen kämpfen bis auch der letzte Palästinenser aus dem Libanon geflohen ist.
Also verlegen sich die Kämpfe von Beirut einfach in den Südlibanon. Dort werden
die palästinensischen Freischärler von den syrischen Truppen nicht nur
geduldet, sondern mehr oder weniger stillschweigend unterstützt, da die Syrer
es gerne sahen, wenn die Palästinenser vom Südlibanon aus gegen Israel
operierten. Im Gegenzug beginnt Israel christliche und sogar schiitische
Milizen im Südlibanon zu unterstützen, die gegen die Fedayeen kämpften.
1977
16.
März
Drusenfürst Kamal Djumblatt wird ermordet,
daraufhin greifen auch die Drusen zu den Waffen und es kam zu ersten Massakern
in den libanesischen Bergen an christlichen Dörfern.
1978
11.
März
Eine Gruppe von Fedayeen infiltrierte die
israelische Grenze und verübte ein Attentat, indem sie 2 Busse entführten. (37
Tote, 76 Verwundete)
15.
März
Israel
beginnt als Reaktion auf den Anschlag seinen Litani-Feldzug. Innerhalb von drei
Tagen soll das Gebiet südlich des Litani in die Hände Israels fallen.
19.
März
Die UNO verabschiedet die Resolution 425 bei
der Israel zum Abzug aus dem Libanon aufgefordert wird.
7.
April
Israel beginnt einen begrenzten Rückzug.
UNO-Friedenstruppen werden eingesetzt, die jedoch kein grosses Vertrauen der
Bevölkerung genossen.
12.
Juni
Israel übergibt dem pro-israelischen
libanesischem Offizier Saad Haddad die Kontrolle über ein Teil des Südlibanons.
13.
Juni
Der Sohn vom pro-syrischen Suleiman Frandjieh
wird durch die anti-syrische Falangemiliz ermordet. Dies sorgt für eine
Spaltung innerhalb der Christen. Daraufhin beginnen die Syrer mit der
Bombardierung eines christlichen Viertels von Beirut.
17. September
Ägyptisch-israelisches Camp David Abkommen. Als erster arabischer Staat
erkannte Ägypten Israel offiziell an, daraufhin wurde Ägypten von der
restlichen arabischen Welt mehr oder weniger isoliert und vor allem Syrien
nutzte den Kriegsschauplatz Libanon um die Friedensverhandlungen zu stören, da
sie die Annäherung Ägyptens an Israel nicht dulden konnten. Durch dieses
Abkommen verlieren die Palästinenser einen weiteren Unterstützer und sahen von
da an die Ägypter als Verräter an.
1979:
Februar
Erneute Kämpfe zwischen der syrischen Armee
und den Falangisten, da die Syrer noch nicht abgezogen sind.
April
Saad Haddad ruft den „Freien Libanon“ in
seinem Gebiet aus und verweigert den UNO-Friedenstruppen und der libanesischen
Armee den Zugang in sein Gebiet.
1980:
Juli
Beschir Gemayel (Sohn von Pierre Gemayel)
besiegte die rivalisierende christliche Miliz von Camille Chamoun.
25.
Oktober
Es wird eine neue Regierung gebildet. Am
Bürgerkriegszustand ändert sich nichts, hunderte von Waffenstillständen wurden
schon ausgehandelt, doch sie wurden meistens von Milizkämpfern, die in einer
Kriegspause nichts verdienen konnten, wieder aufgelöst.
1981:
April
Erneutes Aufflammen der Kämpfe zwischen
Syrien und christlichen Falangisten. Die Syrer stationieren Sam-6
Flugabwehrraketen in der Bekaa-Ebene, Israel fordert umgehend ihre Beseitigung.
Die Spannung zwischen Israel und Syrien wird grösser.
17.
Juli
Israel beginnt mit einer Reihe von
Bombardierungen auf PLO-Basen und West-Beirut.
24.
Juli
Der amerikanische Unterhändler Philip Habib
vermittelt einen Waffenstillstand.
1982:
April
Israel nimmt seine Angriffe auf
palästinensische Flüchtlingslager wieder auf.
Mai
Im Gegenzug beschiessen palästinensische
Freischärler Nordisrael.
4.
Juni
In London verüben Unbekannte ein Attentat auf
den israelischen Botschafter.
6.
Juni
Als
Reaktion darauf beginnt die israelische Operation „Frieden für Galiläa“ und
somit die Invasion des Libanon. Bereits nach 4 Tagen steht die israelische
Armee vor den Toren Beiruts.
13.
Juni
West-Beirut wird belagert.
21.
August
Die palästinensischen Fedayeen werden
evakuiert und die PLO aus dem Libanon vertrieben.
23.
August
Bachir Gemayel wird zum libanesischen
Staatspräsidenten gewählt.
10.
September
Die internationalen Friedenstruppen ziehen
ab, die israelische Armee bleibt weiterhin in Beirut.
14.
September
Bachir Gemayel wird ermordet.
15.
September
Als Reaktion darauf dringen die israelische
Armee und die Falangisten in die palästinensischen Flüchtlingslagern „Sabra und
Schatila“ ein. Da alle palästinensischen Kämpfer bereits evakuiert sind, folgt
kein Widerstand und es werden (je nach Quelle) zwischen 460 bis 3000
palästinensische Zivilisten niedergemetzelt. Diese Aktion wird von der UNO als
Genozid gewertet. Der Hauptverantwortliche Elia Hobeika kam ungeschoren davon
und auch der israelische Verteidigungsminister Ariel Sharon, dem eine
mitverantwortliche Rolle zugeteilt wurde, ist nie angeklagt worden.
21.
September
Der Bruder von Bachir, Amin Gemayel wird
libanesischer Staatspräsident.
29.
September
Erneut wurde eine multinationale
Friedenstruppe gebildet um die libanesische Regierung zu stärken. 1200 Marines
wurden von US-Präsident Ronald Reagan in den Libanon entsendet. Dazu kamen je
weitere 1400 Soldaten von Frankreich und Italien.
Oktober
und November
Gespräche durch einen amerikanischen
Unterhändler über einen israelischen Abzug werden begonnen.
1983:
Januar
Libanon und Israel sind gesprächsbereit.
8.
Februar
Eine israelische Kommission tadelt den
Verteidigungsminister Ariel Sharon und mehrere Offiziere für ihre
Mitverantwortung am Massaker „Sabra und Schatila“.
18.
April
Bei einem Anschlag auf die US-Botschaft in
West-Beirut kamen über 60 Menschen ums Leben.
24.
April
Der amerikanische Aussenminister George
Shultz kommt in den Libanon, Israel und Syrien um ein Truppenabzugsabkommen aus
dem Libanon zu erreichen.
17.
Mai
Israel und Libanon unterzeichnen ein
Truppenabzugsabkommen bei dem vorgesehen war, dass alle ausländische Truppen
abgezogen werden, sowohl syrische als auch israelische. Syrien weigerte sich
aber dieses Abkommen zu unterschreiben.
29.-31.
August
Die Israelis ziehen sich aus dem
Libanongebirge zurück. Die Kämpfe zwischen Falangisten und Drusen entflammen
erneut.
September
Die Drusen fügen den Falangisten mehrere
Niederlagen zu. Die amerikanische Flotte beginnt die syrische und drusische
Stellungen im Gebirge unter Artilleriebeschuss zu nehmen.
25.
September
Ein „Nationales Versöhnungskomitee“ wird
gegründet und ein Waffenstillstand ausgehandelt.
23.
Oktober
Bei zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden
Anschlägen auf das amerikanische und französische Hauptquartier sterben fast
300 Soldaten. Die Stimmen in der USA über den Abzug der Truppen werden lauter,
man will sich nach dem Vietnamkrieg aussenpolitisch in kein Abenteuer mehr
hereinstürzen.
31.
Oktober
Erste Versöhnungskonferenz der Libanesen in
Genf.
November
Drusen und Christen nehmen die gegenseitigen
Bombardierungen wieder auf und PLO-Chef Yassir Arafat muss als Folge von seiner
erfolglosen Politik fliehen.
4.
November
Anschlag auf das israelische Hauptquartier in
Tyros bei dem über 60 Menschen ums Leben kommen.
1984:
14.
Januar
Saad Haddad, der Verbündete der Israelis,
stirbt an Krebs.
20. Januar
Es brechen wieder schwere Kämpfe aus zwischen
der Armee und Milizen.
22.
Januar
Drusenfürst Walid Djumblatt, Sohn von Kamal
Djumblatt, ruft nach dem Rücktritt von Amin Gemayel.
6.
Februar
Eine Koalition aus drusischen und
schiitischen Milizen ergreift die Macht in West Beirut.
13.
Februar
Aus Washington ertönt der Befehl, die
amerikanischen Truppen sollen innerhalb von 30 Tagen aus Beirut abziehen.
21.
Februar
Amin Gemayel entscheidet sich das 17.
Mai-Abkommen mit Israel zu annullieren, da Syrien immer noch keine
Annäherungsversuche unternommen hat.
17.
März
Zweite libanesische Versöhnungskonferenz,
dieses Mal in Lausanne.
März
Fortgesetzte Bombardierungen der christlichen
Wohngebiete in Ost-Beirut aus den drusischen Bergen fordern erneut viele Todesopfer.
Mai
Bombenanschläge auf Bars in West-Beirut und
Entführungen westlicher Ausländer häufen sich.
4.
Juni
Der zweite Jahrestag der israelischen
Invasion wird von mehreren anti-israelischen Attentaten im Südlibanon
begleitet.
August
Drusenfürst Walid Djumblatt weigert sich aus
Angst vor christlicher Vergeltung an den Drusen, die nationale Armee im Rahmen
des Sicherheitsplans in die Berge vorrücken zu lassen.
16.
August
Schiitenführer Nabih Berri bring vor dem
Sicherheitsrat der UNO eine Anklage gegen Israel ein.
20.
September
Anschlag auf die US-Botschaft in Ost-Beirut
fordert über 20 Todesopfer.
8.
Oktober
Ministerpräsident Raschid Karame verweigert
direkte Verhandlungen mit Israel und verlangt einen bedingungslosen und
vollständigen Abzug der israelischen Truppen aus dem Südlibanon. Daraufhin
riegeln die Israelis den Südlibanon vom übrigen Land ab.
November
Die Militärgespräche zwischen Libanon und
Israel beginnen erneut. Die Libanesen weisen eine Rolle der von Saad Haddad
gegründeten „SLA“ als Ordnungsmacht im Südlibanon zurück und fordern von Israel
eine Kriegsentschädigung.
1985:
15.
Januar
Israel entscheidet sich ohne Koordination mit
den Libanesen sich (ausser einen Teil des Südlibanons) bis zum Oktober 1985
zurückzuziehen. Diesen Teil des Südlibanons hielten sie noch bis im Jahre 2000
besetzt.
21.
Januar
Anschlag auf den sunnitischen Za’im Mustafa
Saad. Die erwarteten Zusammenstösse der verschiedenen Milizen bleiben jedoch
aus.
10.3
Quellen
- Wolfgang Köhler;
Die Vorgeschichte des Krieges im Libanon; Wiesbaden; 1980
- Harald Vocke; Die
toten Christen im Libanon; Würzburg; 1984
- D.Th.Schiller; Der
Bürgerkrieg im Libanon; München; 1979
- Marcel Pott und
Renate Schimkoreit-Pott; Beirut – Zwischen Kreuz und Koran;
Braunschweig; 1985
- Karam Khella; Der
arabisch-israelische Konflikt; Hamburg; 1982
-
-
10.4
Bilderquellen
Titelbild:
Libanonkarte:
Karte zu
demografischen Strukturen: