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Seminararbeit
Englisch

Universität Augsburg

1, 2009

Dorothea J. ©
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ID# 34880







Kommunikation oder Individualismus, das ist hier die Frage

Die Untrennbarkeit von Individualismus und Kommunikation in der Gesellschaft am Beispiel Hawthornes ’The Scarlet Letter’


Inhalt

1. Einführung

2. Begriffsklärung

1.     Kommunikation           

2.     Individualismus           

3.     Puritanismus

3. Individualismus und Kommunikation in ‘The Scarlet Letter’

1.     Kurze Inhaltsangabe

2.   Das Beziehungsgeflecht

3.   Hawthornes Kritik am Individualismus

4. Ausblick

5. Bibliographie           


  1. Einleitung


Im Puritanismus des 17. und 18. Jahrhundert steht der Gedanke von Individualität und von der Verantwortung jedes Einzelnen für sich selbst im Vordergrund. Aber hat nicht jede Interaktion Auswirkungen auf die Mitmenschen einer Gesellschaft? Ist es nicht so, dass selbst der größte in der Verborgenheit begangene Verstoß kein isoliertes Phänomen ist, sondern es immer Mitschuldige oder anderweitig Beteiligte gibt?


„I am because you are“[1]


Dieses Zitat ist abgeleitet von dem Wort „ubuntu“, das aus der afrikanischen Philosophie kommt und sich auf die Komplexität von Gesellschaft und Kultur bezieht. Dieser Thematik hat sich bereits im 19. Jahrhundert der Schriftsteller Nathaniel Hawthorne (1804-1864) in seinem Roman ’The Scarlet Letter’ gewidmet.

Eines der zentralen Themen in diesem Werk ist das Verhältnis des Einzelnen zur Gesellschaft, Hawthorne bietet eine „Einsicht in das labile Gleichgewicht zwischen einzelnem und menschlicher Gemeinschaft“[2]. Der Roman spielt im 17. Jahrhunderts in der puritanischen Gesellschaft Neuenglands und es geht um die Geschichte einer jungen Frau, die des Ehebruchs verurteilt wird.


Im Folgenden werde ich darstellen - und dabei liegt mein Fokus auf der Personenkonstellation und –interaktion der vier Hauptpersonen in ’The Scarlet Letter’ - dass ein reiner Individualismus nicht existiert, sondern eine Gesellschaft auf Kommunikation und Interaktion aufgebaut ist. Darüber hinaus gehe ich auch direkt auf Hawthornes Kritik an der zu seiner Zeit herrschenden Vorstellung einer individualistischen Gesellschaft ein.


  1. Begriffserklärung: Kommunikation, Individualismus, Puritanismus


2.1 Kommunikation

Kommunikation bedeutet Verständigung und ist der Austausch von Informationen zwischen mindestens zwei Personen. Sie kann verbal – also durch Sprache – aber auch nonverbal, durch Gestik, Mimik oder auch schriftlichen Austausch stattfinden. Zum Kommunikationsprozess gehören im Wesentlichen drei Elemente: der Sender, die Nachricht und der Empfänger.

Findet ein Kommunikationsprozess statt, so ist eine Wechselwirkung (auch Interaktion genannt) zwischen Sender und Empfänger die logische Folge.[3]


Man kann nicht nicht kommunizieren.[4]

(Paul Watzlawick)


Diese Idee des bekannten Kommunikationswissenschaftlers Paul Watzlawick (1921-2007) ist ein relativ neuer Ansatz in der Sprachwissenschaft. Jede Art von Handlung – auch ein Schweigen – ist demnach eine Art von Kommunikation bzw. Interaktion mit der Umgebung, denn sie drückt etwas aus.[5] Abgesehen von dem reinen Sachinhalt, über den eine Nachricht informiert, kann sie etwas über den Sender aussagen, also als Selbstoffenbahrung fungieren oder sie kann als Appell an den Empfänger gerichtet sein.

Schließlich kann auch etwas über die Beziehung zwischen Sender und Empfänger ausgesagt werden. Friedemann Schulz von Thun (*1944) hat diese Mehrdeutigkeit zu den „vier Seiten einer Nachricht“ zusammengefasst.[6]


Auch in der Literatur ist Kommunikation ein vielseitiger und komplexer Bereich. Kommunikation findet statt auf verschiedenen Ebenen, zum einen zwischen Autor und Erzähler, zum anderen aber auch innerhalb einer Geschichte zwischen den Personen in Form zwischenmenschlicher Interaktion, Dialogen und Metakommunikation. Letzteres steht für Symbole und non-verbale Kommunikation.

2.2 Individualismus

Der Individualismus steht im Gegensatz zum Kollektivismus und beschreibt eine „Anschauung, die dem Individuum den Vorrang vor der Gemeinschaft gibt“[7]. Also anstatt nur die Mehrheit bzw. den Willen der Gesellschaft zu berücksichtigen steht hier der Einzelmensch im Vordergrund.


Sozialphilosophisch gesehen erklärt der Individualismus in seiner reinsten Form die Gesellschaft als bloße Beziehung zwischen Einzelmenschen und betrachtet die freie Entfaltung und Würde der Einzelpersönlichkeit als eigentlichen Zweck des Gemeinschaftslebens. In der Soziologie dagegen, wird die soziale Wirklichkeit durch die Wechselwirkung von Individuen hergestellt.[8]


Wichtige Begriffe in Bezug auf den Individualismus sind u.a. independence und self-reliance[9]. Der Begriff self-reliance fällt vor allem häufig zur Zeit der „amerikanischen Renaissance“[10] und wurde von Ralph W. Emerson (1803-1882) geprägt, der einen „extremem Individualismus“[11] propagierte. Es gehe dabei um die „Macht und die Herrlichkeit des einzelnen Menschen […] und die Traditionsunabhängigkeit“[12].

Der Mensch wird als ein eigenständiges Mitglied der Gesellschaft gesehen, das die Freiheit genießt, für sich selbst verantwortlich zu sein.


2.3 Puritanismus

Der Puritanismus war die „Form des rigorosen Protestantismus in England“[13] und breitete sich vor allem im 17. Jahrhundert in Amerika aus, als viele Engländer dorthin auswanderten. Charakteristisch für das puritanische Selbstverständnis waren „religiöses Sendungsbewusstsein und Auserwähltheitsdenken“.[14] Andersdenkende wurden in solch einer Gesellschaft nicht geduldet, Ausgrenzung, Verfolgung oder sogar Vernichtung (Hexenverfolgung und -verbrennung) waren die Folge[15].


Der Puritanismus wurde stark von individualistischen Vorstellungen geprägt. Ein wichtiger Vertreter des Puritanismus im 17. Jahrhundert war John Winthrop (1588-1649). Er sah „die Gesellschaft als Körper, dessen verschiedene Teile verschiedene Funktionen, Pflichten und Rechte haben“[16]. Zu dieser Zeit galt das Ideal der von einer strengen Selbstzucht bestimmten Persönlichkeit.


Im Brockhaus wird der Puritanismus als eine „geistige Lebensform, die […] die geistige und politische Geschichte des englischen Sprachbereichs wesentlich mitbestimmt hat“[17] beschrieben. Auch in der englischen Literatur hinterließ der Puritanismus viele Spuren. In ’The Scarlet Letter’ setzt sich Hawthorne „explizit in historischer Rekonstruktion mit dem System des Puritanismus auseinander“[18].

Er verarbeitet darin seine eigene Geschichte, denn mit seinem Vorfahren John Hathorne hatte er eine direkte (negative) Verbindung zum Puritanismus: John Hathorne war seinerzeit als Richter an mehreren Hexenprozesse beteiligt.


  1. Individualismus und Kommunikation in ’The Scarlet Letter’


3.1 Kurze Inhaltsangabe ’The Scarlet Letter’

Die Handlung spielt Mitte des 17. Jahrhundert im puritanischen Boston. Die junge, mit dem abwesenden Roger Prynne verheiratete Hester Prynne ist des Ehebruchs angeklagt, der Beweis ist ihre neugeborene Tochter Pearl. Der Vater des Kindes ist unbekannt, denn Hester gibt seinen Namen nicht preis. Nach dem puritanischen Gesetz wird Ehebruch normalerweise mit dem Tod bestraft.

Davon wird hier abgesehen, doch Hester wird dazu verurteilt, lebenslang den roten Buchstaben A (vermutlich als Abkürzung für adulteress) sichtbar auf ihrem Kleid zu tragen.


Zur gleichen Zeit taucht Hesters verschollen geglaubter Ehemann auf. Allerdings gibt er seine wahre Identität gegenüber den Bürgern nicht preis, sondern gibt sich unter dem Namen Roger Chillingworth als Arzt aus. Und auch Hester verrät ihn nicht. Der verletzte Chillingworth schwört Rache und hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Vater des Kindes finden.

Auf Drängen der Gemeinde nähert sich Chillingworth dem kränklichen Pastor Arthur Dimmesdale an und findet nach einiger Zeit heraus, dass dieser der Vater von Hesters Kind ist. Es beginnt ein Prozess der teuflischen Rache, der sich Dimmesdale nicht entziehen kann. Als Hester schließlich erkennt, dass sie Dimmesdale die Wahrheit über Chillingworth erzählen muss, ist es bereits zu spät.



The pathetic moral interdependance of persons is strikingly illustrated in the relations of Hester, Dimmesdale, and little Pearl.[19]

(Darrel Abel)


Vier Hauptfiguren treten auf: Hester Prynne, ihre Tochter Pearl, der Kindsvater und Pastor Arthur Dimmesdale sowie Hesters Ehemann Roger Chilligworth. Unter den vier Protagonisten nimmt Hester eine zentrale Rolle ein. Das Beziehungsgeflecht dieser vier Personen kann man als Mikroebene in einem puritanischen Gesellschaftssystem betrachten, das wiederum als Makroebene fungiert.

Im Mittelpunkt steht also die Analyse der Mikroebene. Gleichzeitig wirkt die Gesellschaft von außen auf die Hauptfiguren ein, folglich ist die Frage nach dem Verhältnis des Einzelnen zur Gesellschaft, konkret der vier Protagonisten zur Gesellschaft Bostons, ebenfalls sehr wichtig.


In no case can a social situation be forced unless the community forces it. When the story opens, therefore, the people of the town of boston are the logical and necessary activators and they remain such throughout the first chapters of the book[20]

(John C. Gerber)



Hester Prynne muss das Zeichen A für jeden sichtbar auf ihrer Kleidung tragen. Das Zeichen ist ein öffentlich sichtbares Symbol ihrer Sünde, hinter der ihre Individualität buchstäblich verschwindet. Es trennt sie von der Gemeinschaft, was zunächst den Abbruch von Kommunikation bedeutet und sie in eine menschliche Isolation zwingt, was eine starke psychische Belastung darstellt.


(Darrel Abel)


Die intensive Bindung an einige wenige Menschen ist eine Möglichkeit der Kompensation in solch einem Fall. Hester hat vor allem eine sehr enge Verbindung zu ihrer Tochter Pearl. Hawthorne selbst erlebte während seiner Kindheit eine ähnliche Situation nach einem Unfall, der ihn weitgehend Bewegungsunfähig machte und vom sozialen Leben abschnitt.[22] Diese Erfahrung aus seinem eigenen Leben hat er hier in die Geschichte einfließen lassen.

Gleichzeitig steht der Buchstabe A auch für Kommunikation. Aus ihrer Außenseiterrolle heraus entwickelt Hester die Gabe, Gefühle ihrer Mitmenschen wahrzunehmen und „sündige“ Menschen zu erkennen, die Vergleichbares getan haben. So gelingt Hester der Durchbruch zu einer humaneren Lebensauffassung, sie ist fähig zu sozialem und kreativem Handeln, d.h. zur Interaktion mit den Mitmenschen.

Die anfängliche Ablehnung in ihrer Umgebung wandelt sich schließlich in Akzeptanz und Respekt um. Sie ist diejenige, die versucht, den Weg der Wahrheit zu gehen und entwickelt sich dadurch in ihrer Persönlichkeit weiter und erlangt “heroic qualities“[23].


(Frederic I. Carpenter)


Hesters Fähigkeit zur Kommunikation setzt sie damit von Dimmesdale und Chillingworth ab. In einer Szene wird dies besonders deutlich: im Wald berichtet Hester Dimmesdale von der wahren Identität Chillinworths, woraufhin er sie bittet, für ihn zu denken und zu entscheiden.[25] Er spricht seine Handlungsunfähig direkt aus.

Hester Denken und Handeln ist relational bestimmt und hat letztlich eine negative Konsequenz: sie verheimlicht Dimmesdale die wahre Identität Chillingworths „[…] with the result that Dimmesdale has suffered possibly byond repair.“[26] Sie treibt ihn durch ihr Verhalten ungewollt den Tod. Hier kann man auf Watzlawick mit seiner These „Man kann nicht nicht kommunizieren“ zurückgreifen, mit der Begründung, dass eine unterlassene Kommunikation trotzdem eine Art von Interaktion ist, denn sie hat in diesem Beispiel deutliche Konsequenzen.


Dimmesdale ist der geistige Repräsentant des puritanischen Systems, er ist ein angesehenes und anerkanntes Mitglied der Gesellschaft, der seine eigene „Sünde“ erfolgreich verheimlicht.


(Michael J. Colacurcio)


Kommunikation, also die Offenbarung seiner Sünde würde zwar zunächst die Situation für Dimmesdale verschlimmern, die Wahrheit würde ihn auf Dauer aber vor dem inneren Zerbrechen retten. Denn Kommunikation muss als wichtige Kompetenz verstanden werden. Zunächst kann sie zwar einen Konflikt erst richtig ausbrechen lassen, doch ist sie letztendlich die einzige Möglichkeit um ein Problem zu lösen.

Wer nicht dazu fähig ist, kann sich von seiner „Sünde“ nicht befreien, was am Beispiel des Protagonisten Dimmesdale sehr deutlich wird.


The mounting tension in the mind and heart of Reverend Mr. Dimmesdale cries for release, for revelation of his secret.[28]

(Charles Ryscamp)


Gerade durch sein Schweigen, wird das Problem für ihn immer größer bis es ihn letztlich vernichtet. Er ist nicht mutig genug, rechtzeitig die Wahrheit zu sagen. Er entwickelt sich als Persönlichkeit nicht weiter, sondern im Gegenteil: bei ihm findet ein Persönlichkeitsverfall durch das Abgeschnittensein von wesentlichen Kommunikationsbeziehungen statt, d h. er ist kommunikations- und damit letztlich auch handlungsunfähig.


Thus does Arthur Dimmesdale reach the extreme of his isolation […] Had he chosen hell, his eventual fate would have been more terrible, but his immediate suffering could not have been greater.[29]

(John Gerber)


Erst in seinem öffentlichen Bekenntnis kann er Erlösung finden, doch sein Körper ist nun zu geschwächt, um diese Offenbarung zu überleben. Hester und Dimmesdale haben die gleiche Sünde begangen, doch Hester ist einen anderen Weg gegangen. Im Gegensatz zu Hester war Dimmesdale nicht zu Kommunikation fähig.


Hester stood upon her true ground, denied by the world, and learning that true wisdom which comes through honesty and self-justification […]. How far behind her in moral and religious excellence was the accredited religious teacher, who was her companion in guilt.[30]

                                                                                              (George Bailey Loring)


Pearl ist die uneheliche Tochter Hesters und der ‚Beweis’ für deren ‚Sünde’. Sie ist unkontrollierbar, fast hyperaktiv, hat schlechter Laune und zeigt ein nahezu gewalttätige Verhalten.[31] Sie flüchtet sich in eine Fantasiewelt. Von den anderen Kindern der Stadt wird sie ausgegrenzt und somit vom sozialen Kontakt mit anderen Menschen ferngehalten.


The […] child, a concentration of guilt and passion, binds the interest of the parties together[32]

(Evert Duyckinch)


Pearl sucht die Wahrheit, sie fordert Dimmesdale unnachgiebig auf, sich auch am Tage (also in der Öffentlichkeit) zu ihr und Hester zu bekennen. Sie ist der „truth-sayer“[33] in der Geschichte. Auch von Hester fordert sie Wahrheit, nämlich die über die Bedeutung des scharlachroten Buchstabens. Doch ein Leben in Wahrheit ist im puritanischen Boston nicht möglich und deswegen verlässt sie später Nordamerika und lebt in Europa.


Roger Prynne, der sich später Chillingworth nennt, ein distanzierter, kultivierter und selbst beherrschter Mann, heiratet in Europa die junge Hester, obwohl ihm klar ist, dass sie ihn nicht liebt. Hesters Motiv für die Heirat ist, im Alter wirtschaftlich versorgt zu sein. Einige Zeit nach der Heirat lässt Chillingworth seine junge Ehefrau alleine nach Neuengland gehen, was den Ehebruch zur Folge hat.

Eigentlich sind Hester und Chillingworth jetzt „quitt“,[34] doch Chillingworth schwört Rache. Auf Drängen der um Dimmesdales Gesundheit besorgen Gemeinschaft zieht er in das Haus des Pastors. Er fühlt, dass dieser etwas verheimlicht, doch Dimmesdale leistet ihm Widerstand. Schließlich entdeckt Chillingworth das Zeichen auf der Brust von Dimmesdale und hat nun den Beweis, dass Arthur Dimmesdale der Vater von Pearl ist.


Die Protagonisten werden auf den ersten Blick so dargestellt, als würden sie Individualismus verkörpern, was beim zweiten Hinsehen aber relativiert wird. Sie tragen zwar alle individuelle Züge, doch letztlich unterliegen sie einer wechselseitigen Einflussnahme.[35] Und auch die Gesellschaft trägt ihren Teil zur Entwicklung der vier Protagonisten bei.


It’s [the society’s] function is to place the characters into such extra position that new choices between good and evil must be made by each of them.

(John C. Gerber)


Außerdem ist die wechselseitige Beziehung von Vergangenheit und Gegenwart zentral, denn jede begangene Sünde hat Auswirkungen auf die Gegenwart – egal, ob sie verheimlicht wird oder ans Licht kommt.


3.3 Hawthornes Kritik am Individualismus

Anthropologie ist die Wissenschaft vom Menschen und geht der Frage nach: Wie ist eine Gesellschaft organisiert. Zu Hawthornes Zeit erklärte man die Gesellschaft mit einer individuellen Anthropologie, nach der jeder für sich selbst verantwortlich sei (self-reliance). Doch Hawthornes Ansicht steht in großen Widerspruch dazu.


[The Scarlet Letter] impliziert in seinem Menschenbild eine fundamentale Kritik jenes Individualismus, der einen Kernbestand der Ideologie seiner Zeit darstellt.[37]

(Hubert Zapf)


Die Vorstellung eines vollständig selbst bestimmten aus menschlichen Bezügen heraus gelösten Menschen wird von Hawthorne nicht nur Frage gestellt, sondern widerlegt. Anstelle eines extremen Individualismus tritt hier die Bedeutung der Bindung des Einzelnen an die Gesellschaft, anstelle des Fortschrittglaubens tritt „Zweifel an Perfektibilität“[38].

Folglich spricht Hawthorne von einer kommunikativen Anthropologie anstatt einer individuell ausgerichteten. Diese Kritik ist nicht nur eine grundsätzliche Infragestellung von der Ansicht zu seiner Zeit, sondern stellt eine „radikale Infragegestellung jedes einsinnig-affirmativen kulturellen Selbstbilds Amerikas“[39] dar. Eines Selbstbilds Amerikas, das zu dieser Zeit vor allem durch den Puritanismus geprägt ist.


  1. Ausblick


In dieser Arbeit wurde gezeigt dass Hawthorne schon damals einen sehr gegensätzlichen Standpunkt gegenüber Vertretern der individualistischen Anthropologie hatte, was seinen fortschrittlichen Ansatz deutlich macht. Die Figuren in ’The Scarlet Letter’ existieren nicht vollkommen losgelöst von der Gesellschaft, was am Beispiel der vier Protagonisten deutlich wurde.


Das von Hawthorne hier aufgegriffene Thema von ‚Individualismus versus Kommunikation’ ist keinesfalls veraltet, sondern auch noch heute aktuell. Bis heute ist die Frage, ob eine Gesellschaft individualistisch oder kommunikativ geprägt ist, nicht mit einem ja oder nein zu beantworten - vielmehr geht es darum, die Gesellschaft als komplexes Netzwerk zu verstehen, in dem zwar die einzelnen Menschen individualistische Züge tragen, jedoch in ihrem Handeln, Denken und Sein in Wechselwirkung zu den anderen Menschen der Gesellschaft stehen.

Es gibt keine klare Trennung zwischen Individualismus und Kommunikation.


In der Vergangenheit gab es in vielen Bereichen oft sehr gegensätzliche Ansichten. Wurde eine Theorie aufgestellt, so wurde diese nach einiger Zeit widerlegt und eine Anti-Theorie aufgestellt, die genau das Gegenteil „bewies“. Kritik wird in der heutigen Wissenschaft als Weiterentwicklung verstanden und findet nicht in Form einer absoluten Ablehnung der ursprünglichen Idee statt.

Von einer Polarisierung aus vergangenen Epochen ist es mehr und mehr zu einem Kompromiss gekommen, Individualismus und Kommunikation schließen sich nicht gegenseitig aus.



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